Der alte Bergwolf - Frank Callahan - E-Book

Der alte Bergwolf E-Book

Frank Callahan

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Als die Sonne in einem Feuermeer hinter den Gipfeln der Rocky Mountains unterging und ich Colorado Springs vor mir liegen sah, stieß ich einen Jubelschrei aus. Rocky, so hatte ich meinen Rapp­hengst getauft, wieherte freudig. Er witterte wie auch die fünf Maultiere, die ich an einer langen Leine mitführte, bereits einen vollen Hafersack. Und mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich an den Whisky dachte, den ich mir schon bald durch meine staubige Kehle jagen würde. Außerdem gab mein Magen üble Geräusche von sich. Ich würde mir im Restaurant auftischen lassen und all die guten Sachen in mich hineinstopfen, auf die ich seit über drei Monaten verzichtet hatte. In dieser Zeit war ich in den Rockys auf der Jagd gewesen. Stolz blickte ich auf die Maultiere, die an den Packlasten schwer zu schleppen hatten. Meine Jagdausbeute konnte sich sehen lassen. Ich war sicher, daß ich für die vielen wertvollen Felle eine Menge Bucks einstreichen konnte. Ich schnalzte mit der Zunge, und mein Rapphengst setzte sich in Bewegung. Eine halbe Stunde später ritt ich die staubige Main Street entlang. Mancher Blick traf mich. Und die Bürger von Colorado Springs wußten, daß wieder ein Mountain-Mann mit seiner Jagdausbeute eingetroffen war, um sie in harte Dollars umzutauschen. Ich leckte mir über die Lippen, als ich an einem der Saloons vorbeiritt. Stimmenlärm klang daraus hervor. Die knurrenden Geräusche in meinem Magen steigerten sich, als mir aromatischer Essensgeruch aus einem Restaurant in die Nase stieg. Mein Weg führte mich zu Tom O'Sullivan, der den größten Store in der Stadt besaß und auch

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Die großen Western – 190 –

Der alte Bergwolf

Frank Callahan

Als die Sonne in einem Feuermeer hinter den Gipfeln der Rocky Mountains unterging und ich Colorado Springs vor mir liegen sah, stieß ich einen Jubelschrei aus.

Rocky, so hatte ich meinen Rapp­hengst getauft, wieherte freudig. Er witterte wie auch die fünf Maultiere, die ich an einer langen Leine mitführte, bereits einen vollen Hafersack.

Und mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich an den Whisky dachte, den ich mir schon bald durch meine staubige Kehle jagen würde. Außerdem gab mein Magen üble Geräusche von sich.

Ich würde mir im Restaurant auftischen lassen und all die guten Sachen in mich hineinstopfen, auf die ich seit über drei Monaten verzichtet hatte.

In dieser Zeit war ich in den Rockys auf der Jagd gewesen. Stolz blickte ich auf die Maultiere, die an den Packlasten schwer zu schleppen hatten.

Meine Jagdausbeute konnte sich sehen lassen. Ich war sicher, daß ich für die vielen wertvollen Felle eine Menge Bucks einstreichen konnte.

Ich schnalzte mit der Zunge, und mein Rapphengst setzte sich in Bewegung. Eine halbe Stunde später ritt ich die staubige Main Street entlang.

Mancher Blick traf mich. Und die Bürger von Colorado Springs wußten, daß wieder ein Mountain-Mann mit seiner Jagdausbeute eingetroffen war, um sie in harte Dollars umzutauschen.

Ich leckte mir über die Lippen, als ich an einem der Saloons vorbeiritt. Stimmenlärm klang daraus hervor. Die knurrenden Geräusche in meinem Magen steigerten sich, als mir aromatischer Essensgeruch aus einem Restaurant in die Nase stieg.

Mein Weg führte mich zu Tom O’Sullivan, der den größten Store in der Stadt besaß und auch mit Fellen handelte. Er war ein fairer Partner und hatte bisher immer erstklassig bezahlt. Natürlich erwartete er auch entsprechende Ware.

Ich enttäuschte O’Sullivan auch dieses Mal nicht. Als ich seinen Store verließ, hatte ich ihm alle meine Felle samt den Maultieren verkauft und war um zweitausend Dollar reicher geworden.

Ich marschierte zur Bank, die noch geöffnet hatte, obwohl sich die Schatten der Dämmerung bereits wie ein dunkler Mantel über Stadt und Land legten. Dort zahlte ich die Bucks ein.

Niemand sollte mich für ein Greenhorn halten. Ich hatte einmal erlebt, wie man einen Mountain-Mann überfiel und ihm die Dollars abnahm, kaum daß er sie von einem Händler erhalten hatte. Der Raubtierjäger und Fallensteller war die Bucks los geworden und trug außerdem noch ein ziemlich übles Loch in der Schulter davon.

Hier in Colorado Springs gab es menschliches Raubwild, das nur darauf lauerte, einem erfolgreichen Jäger, wie ich einer war, das sauer verdiente Geld wieder abzunehmen.

Als ich das Bankgebäude verließ, klimperten in meiner Jackentasche hundert Dollar. Das würde genügen, um ganz Colorado Springs auf den Kopf zu stellen und all den Freuden nachzujagen, die man sich für bare Münzen kaufen konnte.

Bald saß ich in einem Badezuber und wusch mir den Dreck vom Körper. Nachdem ich mich rasiert und der Barbier die Haare auf die richtige Länge geschnitten hatte, fühlte ich mich wieder wie ein halbwegs zivilisierter Mensch.

Eine Stunde später hatte ich im Restaurant die Speisekarte rauf und runter gegessen und wagte kaum zu atmen, denn ich hatte das Gefühl, meine Hose müßte jeden Augenblick platzen.

Die Bedienung, eine dralle Blondine schon älteren Datums, staunte mich wie ein Weltwunder an. Und bestimmt wunderte sie sich mächtig, wie in einem solch hageren Burschen so viel Essen verschwinden konnte.

Ich lächelte ihr zu, gab ihr ein zünftiges Trinkgeld und verkniff mir, ihr auf das wohlgerundete Sitzleder zu schlagen. Nachdem ich das Restaurant verlassen hatte, steuerte ich einen Saloon an, in dem ich mir zwei Whisky genehmigte.

In dem großen Spiegel über dem Tresen sah ich mich an und war mit mir zufrieden.

Ich erblickte ein hageres Gesicht mit grauen, sehr bestimmt blickenden Augen, eine etwas zu groß geratene Nase und einen vollen Mund, über dem ein nun kurzgestutzter Schnurrbart einen Hauch von Verwegenheit zauberte. Sonst war ich hager wie ein Wüstenwolf, der schlecht im Futter stand. Kein Gramm überflüssigen Fetts befand sich auf meinen Rippen, und ich fand, daß ich mich mit meinen dreißig Jahren noch sehen lassen konnte.

Der Revolver an meinem Oberschenkel hing dort nicht zur Zierde. Man sagte mir nach, ich könnte mit meinem Colt so gut umgehen wie eine alte Tante mit ihren Stricknadeln.

Nachdem ich mir noch einen dritten Drink genehmigt hatte, verließ ich den Saloon. Hier war mir einfach zu wenig los. Ich sehnte mich danach, pulsierendes Leben um mich zu haben. In den letzten drei Monaten hatte ich keine Menschenseele zu Gesicht bekommen und mich in manchen Stunden verdammt einsam gefühlt.

Das lag nun hinter mir. Und ich wollte ein richtiges Faß aufmachen, wie man wohl manchmal so treffend sagt.

In der nächsten Schenke, die ich aufsuchte, herrschte schon mehr Betrieb. Der Stimmenlärm war kaum zu überbieten. Viele Männer drängten sich am Tresen. Fast alle Tische waren besetzt.

Ein Klavierspieler mißhandelte sein Instrument und entlockte ihm Töne, daß sich mir die Nackenhaare sträubten. Doch das war mir egal. Hier war ich richtig.

Ich erfuhr einige Neuigkeiten, Dinge, die sich in den letzten Monaten in und um Colorado Springs ereignet hatte, spendierte ein paar Whiskys und erhielt einige Drinks umsonst.

Eine der Saloonschwalben, wie ich die Animiermädchen nannte, blinzelte mir zu. Sie schien mit sicherem Instinkt zu wittern, daß ich einige Bucks in den Taschen hatte.

Sie war rothaarig und hatte eine Figur, die sich sehen lassen konnte. Auch sonst schien sie sehr nett zu sein.

»Hör zu, Girly«, sagte ich zu ihr. »Ich gebe dir einen Drink aus, dann verziehst du dich wieder. So nach Mitternacht könnte vielleicht etwas aus uns werden. Zuvor aber möchte ich mich in der Stadt noch ein wenig umsehen.«

Sie nickte nur, trank ihr Zitronenwasser, das ich teuer berechnet bekam, und verzog sich wieder. Ich aber wollte vorher noch ein wenig auf den Putz hauen.

Und das tat ich auch.

*

Um die mitternächtliche Stunde geriet ich in eine heiße Pokerpartie. Junge, Junge, dachte ich, wenn du jetzt nicht höllisch aufpaßt, dann verläßt du den Saloon ohne Hosen. Diese vier Burschen sind nicht ohne. Die würden dann noch bluffen, auch wenn sie überhaupt keine Karten mehr in den Händen hielten.

Trotzdem beschloß ich, diese Herausforderung anzunehmen, obwohl ich schon angetrunken war. Ich sah die Welt in rosigen Farben und fühlte mich wohl.

Die Pokerpartie nahm ihren Verlauf. Ich gewann und verlor. Es hielt sich alles in der Waage. Meine Mitspieler hatten sich zum Glück auch schon einige Drinks zuviel in ihre Kehlen gestürzt.

Besonders ein Oldtimer, er mußte ein Trapper aus den Rocky Mountains sein, trieb das Spiel immer wieder in die Höhe. Er mußte Geld wie Heu haben, denn er verzog keine Wimper, wenn er wieder ein Spiel verlor, sondern er zog immer neue Greenbucks aus irgendeiner seiner zahlreichen Taschen.

Zwei Stunden später hatte sich der Saloon geleert. Es war stiller geworden. Zwei betrunkene Männer, wie Cowboys gekleidet, stritten sich am Tresen, bis sie von einem bulligen Barkeeper kurzerhand an die Luft gesetzt wurden.

Auch zwei meiner vier Mitspieler erhoben sich. Einer sagte: »Uns reicht es, Gents. Wir sind müde und wollen eine Mütze voll Schlaf nehmen.«

Die beiden noch jungen Männer nickten uns nochmals zu, tippten sich an die Krempen ihrer Hüte und stiefelten davon. Ich sah mich nach der rot­haarigen Honeybee um, konnte sie aber nirgends entdecken.

Auch der andere Mitspieler erhob sich gähnend. Er schwankte und mußte sich an der Stuhllehne festhalten. Er brummte einige Worte, die ich nicht verstehen konnte, und wankte mit unsicheren Schritten davon. Nur der alte Trapper blieb sitzen.

Er blinzelte mich unter dichten Augenbrauen an, während sich sein verwegenes und wie eine Kraterlandschaft zerfurchtes Piratengesicht zu einem Grinsen verzog.

»Hast du auch schon genug, mein Junge?« fragte er mit krächzender Stimme. »Ich würde es verstehen, denn du hast dich tapfer geschlagen und eine ganze Menge Dollars eingesackt. Und jetzt steht dir der Sinn bestimmt nach einem Girl. Wenn du aber willst, dann spielen wir weiter… Blackjack! Ich habe noch ein paar Bucks, die ich riskieren könnte.«

Ich überlegte und leerte mein Glas, das kurze Zeit darauf vom Salooner wieder gefüllt wurde. Müde war ich noch nicht. Und warum sollte ich nicht auch weiterhin an meine Glückssträhne glauben, die mir die letzten Stunden über treu geblieben war.

»Okay, Alter«, sagte ich. »Ich riskiere noch ein Spielchen mit dir, obwohl ich genau weiß, daß du mich hereinlegen und dir dein Geld zurückerobern willst. Zuvor nehmen wir aber noch einen Drink.«

Das breite Lächeln des Oldman verstärkte sich. Wir prosteten uns zu. Dann hatte er es eilig, die Karten zu mischen.

Wir spielten Blackjack. Dieses Spiel entspricht in etwa Siebzehn und Vier. Mit einundzwanzig Punkten hat man gewonnen. Noch besser sind zwei Asse.

Und wieder sahnte ich mächtig ab. Das Gesicht des Oldtimers, dessen Name Jerry Carson war, wurde immer länger. Manchmal fluchte er wie ein altgedienter Postkutschenfahrer, wenn er wieder ein Spiel nur knapp verlor. Der Dollarhaufen vor mir wurde immer größer. Die letzten verbliebenen Saloongäste hatten sich um unseren Tisch versammelt und folgten gespannt dem Spiel.

»Ich bin pleite, mein Junge«, sagte der Alte plötzlich und lächelte recht kläglich. Er blickte auf sein verlorenes Geld und schüttelte den Kopf.

Sein Vollbart, der an ein undurchdringbares Gestrüpp erinnerte, wehte hin und her.

»Tut mir leid, Oldman«, sagte ich mit schwerer Zunge. Nun merkte ich doch, daß mir die vielen Drinks in die Knochen gefahren waren. Niemand soll glauben, daß ich sonst auch so viel Schnaps schlucke. Wirklich nicht, doch in den letzten Stunden hatte ich einiges nachgeholt.

»Ich gebe noch einen aus. Und noch einen, Alter. Du kannst so viel trinken, wie du willst. Ich wollte dich wirklich nicht bis auf den letzten Dollar ausziehen.«

Old Jerry legte mir seine schwielige Hand auf den Arm und beugte sich zu mir herüber.

»Ich will noch nicht aufhören, Johnny. Ich kann es einfach nicht glauben, gegen so einen Grünschnabel wie dich meinen letzten Cent verspielt zu haben. Gib mir noch eine Chance, ja…?«

Ich schüttelte den Kopf, obwohl mir der Oldtimer gefiel. Doch ich hatte meine Prinzipien, die ich trotz meiner Trunkenheit nicht außer acht ließ.

»Da läuft nichts, Old Jerry«, antwortete ich bedächtig und merkte, wie schwer mir jedes Wort fiel. Heiliger Rauch, dachte ich. Noch zwei oder drei Drinks, dann läuft mir der Whisky wieder zu den Ohren heraus.

Er schüttelte hartnäckig den Kopf und beugte sich noch weiter zu mir herüber.

»Das sind ungefähr tausend Dollar, die vor dir liegen, Johnny. Wir riskieren noch ein Spiel, mein Junge. Ich will das Geld zurückhaben. Hast du das kapiert?«

»Das schon, Oldman«, sagte ich nickend. »Du willst meine tausend Bucks. Okay, was aber willst du einsetzen, wenn du pleite bist? Du siehst doch ein, daß auch du tausend Dollar in die Tischmitte schieben mußt, damit unsere Chancen gleich sind.«

Er rückte noch näher. Sein Whisky­atem wehte mir ins Gesicht. Ich ahnte aber, daß auch ich nicht besser roch.

Old Jerry suchte nach Worten, und es dauerte auch reichlich lange, bis er mit seinem Vorschlag herausrückte.

Dann sagte er stammelnd: »Oben in meinem Zimmer sitzen zwei Squaws, Johnny. Zwei junge Indianerinnen. Ich setze sie ein. Du die tausend Bucks, ich die beiden Squaws.«

Gleich sehe ich weiße Mäuse, dachte ich und starrte Jerry Carson mißtrauisch an, als hätte ich einen Verrückten vor mir. Schon wollte ich das Geld einstecken und mich erheben, als der Oldman wieder hartnäckig den Kopf schüttelte.

»Das ist ein ganz legales Geschäft, Johnny. Es sind doch meine Squaws. Ich habe sie vor einigen Wochen in den Bergen gekauft. Ich setze sie nicht gerne ein, doch ich muß mein Geld zurückhaben. Außerdem gewinne ich ja, mein Junge. Ich weiß es ganz genau.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Du bist mächtig blau, Alter«, meinte ich. »Ich bin doch kein Menschenhändler. Was soll ich mit zwei Indianer-Squaws anfangen?«

Er grinste.

»Überleg mal genau, Johnny. Sie werden dir das Leben versüßen und dir überallhin folgen, wohin du auch gehst. Du bist nicht mehr allein, wenn du wieder in die Berge zurückreitest. Aber wie gesagt, ich gewinne. Das ist mein Einsatz, Johnny. Mehr habe ich nicht zu bieten. Gib mir diese Chance.«

Ich lächelte trunken und schüttelte den Kopf. Diese Bewegung riß mich fast von meinem Stuhl. Und dann nickte ich plötzlich und versprach mir einen höllischen Spaß.

Wenn ich gewann, dann wollte ich dem Alten die Squaws auf der Stelle zurückschenken. Das redete ich mir in diesen Sekunden meiner Trunkenheit ein.

Old Jerry grinste zufrieden und leerte sein Glas. Dann erhob er sich mühsam und sagte lallend: »Du wirst staunen, mein Junge, wenn du meine schönen Lieblinge siehst.«

Nach diesen Worten wankte er auf die Treppe zu. Er brauchte ungefähr fünf Minuten, bis er das obere Stockwerk erreichte. Ich nahm an, daß der Oldman nicht mehr auftauchen würde.

*

Einige Minuten später staunte ich, daß mir die Augen beinahe aus den Höhlen fielen. Ich saß mit offenstehendem Mund da, als wollte ich einen ganzen Fliegenschwarm verschlucken.

Jerry Carson tauchte oben an der Treppe auf und wurde von zwei Frauen flankiert. Sie stützten den Oldman und führten ihn vorsichtig die Treppe herunter.

Die beiden Indianerinnen waren jung, höchstens zwanzig Jahre alt. Sie mußten Schwestern sein, denn sie glichen sich wie ein Ei dem anderen, zudem sie gleiche Kleidung trugen.

Sie waren hübsch, hatten ebenmäßige Gesichter und lange schwarze Haare, die bis auf die Schultern fielen.

Ich erhob mich, wollte ihnen entgegengehen und fand mich am Boden wieder. Fluchend erhob ich mich, trat einem Mann auf die Zehen, der mir auch helfen wollte. Ich schloß die Augen, zählte bis zehn, dann ging es mir besser.

Old Jerry saß inzwischen bereits wieder am Tisch. Die beiden Squaws standen rechts und links von ihm. Sie hatten die Köpfe gesenkt und blickten mich nicht an.

Ich hatte keine Ahnung, ob sie wußten, daß der Oldman sie als Spieleinsatz eingesetzt hatte.

»Wir sollten aufhören, Jerry«, brabbelte ich. »Das ist kein Scherz mehr, wie ich anfänglich gedacht habe. Nimm die beiden roten Schönen und verzieh dich auf dein Zimmer. Ich…« Ich redete gegen eine Wand.

Old Jerry schüttelte immer wieder hartnäckig den Kopf. Schließlich sagte er: »So haben wir es vereinbart, Johnny Buckway. So und nicht anders. Ein Rückzieher ist nicht mehr drin. Ich mische die Karten. Die beiden Ladies wissen Bescheid, um was es geht. Wenn ich verliere, gehören sie dir.«

Er grinste plötzlich, was ich in meinem Zustand aber nicht so richtig zur Kenntnis nahm.

Dann ging alles sehr schnell.

Zum Henker, ich gewann auch dieses Spiel. Old Jerry sah mich traurig an, setzte sein Glas an die Lippen und leerte es. Dann erhob er sich brummend, streifte die helfenden Hände der Squaws von sich und deutete auf mich.

Dann wankte der Alte davon und ließ mich mit den beiden Indianerinnen zurück. Ihre Gesichter blieben ausdruckslos, während ich dasaß wie ein Schaf, neben dem der Blitz eingeschlagen hatte.

Einige der umstehenden Gäste lachten. Auch der Salooner konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Du bist schon ein riesiger Glückspilz, Mountain-Mann. Diese Geschichte wird mir keiner meiner Gäste glauben, wenn ich sie später erzählen werde. Du kannst ein Zimmer haben, wenn du willst. Ich schaffe dich nach oben.«

Der bullige Wirt steckte mir die gewonnenen Dollars in meine Taschen und wuchtete mich auf die Beine. Mir war ganz wirr im Schädel. Übelkeit breitete sich in mir aus.

Der Salooner schien es zu ahnen, denn er schleppte mich ins Freie. Die frische Luft wirkte wie eine Keule. Ich würgte und keuchte, mußte mich übergeben und wollte sterben.

Und dann wurde es plötzlich schwarz um mich…

*

Mein Erwachen war alles andere als erfreulich. Eine Glocke dröhnte in meinem Schädel, in dem sich außerdem ein ganzer Hornissenschwarm angesiedelt haben mußte.

Ich blieb mit geschlossenen Augen regungslos liegen, wagte einfach nicht, mich zu bewegen. Übelkeit und ein immer rasender werdender Kopfschmerz pulsierten durch meinen Schädel.

Es dauerte einige Sekunden bis ich überhaupt ahnte, wo ich mich befand. Ich tastete zur Seite, hielt die Augen noch immer geschlossen und wollte meine Beine über die Bettkante schieben.

Es ging nicht, denn ich berührte einen weichen Körper, der neben mir lag.

Ich dachte an die rothaarige Saloonschwalbe, obwohl ich mich nicht entsinnen konnte, sie mit auf mein Zimmer genommen zu haben. Also tastete ich zur anderen Seite hinüber.

Hier war es ähnlich.

Wieder berührten meine Hände sanfte Rundungen, die nur von einer Frau stammen konnten.

Junge, Junge, dachte ich. Du hast wohl wieder einmal mächtig übertrieben. Und das Schlimme ist, daß du dich an nichts mehr erinnern kannst.

Dann saß ich mit einem Ruck im Bett und riß die Augen auf. Schlagartig waren mir der Oldtimer, das Spiel und die beiden Squaws eingefallen.

Und so war es auch.

Die beiden roten Schönen lagen neben mir und schliefen. Ich schloß entsetzt die Augen.