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Mit einem Außenseiter im australischen Busch leben? Niemals! Empört lehnt die attraktive Anwältin Maxine den Heiratsantrag des Wildtierparkbesitzers Dewilde Cutter ab, obwohl sich alles in ihr nach seinen Küssen sehnt. Sie zwingt sich, nur an ihren Auftrag zu denken, die Interessen der DeWildes gegen ihn durchzusetzen. Noch kennt niemand die geheimnisvolle Verbindung zwischen der Familie und dem Rebellen Dewilde ...
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Seitenzahl: 302
IMPRESSUM
Der Außenseiter erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 1997 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Wilde Man“ erschienen bei: Harlequin Books Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA SPEZIALBand 9 - 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Michael Große
Umschlagsmotive: EpicStockMedia / ThinkstockPhotos
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733775292
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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„Krokodilhüte?“ Dev schoss aus seinem quietschenden Secondhand-Drehstuhl hoch und beugte sich über den zerschrammten Schreibtisch, den Blick empört auf seinen Cousin Ross gerichtet.
„Ich weiß, du bist der Marketingmanager, Rooster, und ich habe die meisten deiner spinnerten Ideen für die Werbung des Wildtierparks mitgemacht, aber ich bin nicht bereit, für die Touristen meine Krokodile mit komischen Outfits zu verunstalten.“ Er schüttelte so heftig den Kopf, dass ihm sein sonnengebleichtes braunes Haar in die Stirn fiel. „Auf keinen Fall!“
Ross, wegen seiner leuchtenden rotgoldenen Haare von allen nur Rooster – Gockel genannt, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber seine Zwillingsschwester Binnie – mit Taufnamen Robina – kam ihm zuvor. Sie saß auf der Schreibtischkante und jammerte los: „Nein, Dev, das kannst du nicht ablehnen! Sie sehen sooo süß aus!“
Ihre Lippen bebten, und als Dev sie misstrauisch musterte, brach Rooster in schallendes Gelächter aus. Auch Binnie begann zu lachen.
Devs Gesicht entspannte sich, und er lehnte sich zurück, bis die Zwillinge sich wieder beruhigt hatten und ihn mit identischen blauen Augen nur noch angrinsten.
„Okay“, sagte er resigniert, aber seine Mundwinkel zuckten. „Ich sehe, ich habe etwas missverstanden. Also erzählt mir, was ihr meint.“
Rooster reichte Dev Binnies Zeichenblock, und Binnie legte sich halb über den Schreibtisch, um einen Blick auf die Seite zu werfen, die Dev sich anschaute. „Aunt Maggie gefällt es“, sagte sie ermunternd.
Dev gab nur einen dumpfen Laut von sich. Er bezweifelte, dass seiner Mutter diese Idee wirklich gefiel. Andererseits hatte sie in den sechs Monaten seit der Eröffnung des Wildparks sicher gelernt, was sich im Souvenirladen am besten verkaufte. Immerhin brachte dieser Laden einen ordentlichen Teil ihrer Einkünfte herein.
„Die Kids werden darauf abfahren.“ Rooster deutete auf die Zeichnung. „Es ist eine brillante Idee, Dev.“
Es ist eine fürchterlich geschmacklose Idee, dachte Dev, aber ohne Zweifel hatte Rooster recht. Die Zeichnung stellte ein Comic-Känguru dar, das eine Baseballkappe trug – aber keine gewöhnliche Baseballkappe. Im Gegensatz zum skizzierten Känguru war sie genau in allen Details und in Farbe gezeichnet. Der lange Schirm sah aus wie die Schnauze eines Krokodils mit bleckenden Zähnen und einer roten Zunge in einer halbgeöffneten Schnauze. Die Kappe selbst stellte den Rest der Bestie dar, inklusive gelber Krokodilsaugen.
„Sieh dir die nächste Seite an“, drängte ihn Binnie.
Dev blätterte weiter und fand ein Bild der Rückseite der Kappe, auf dem ein grüner Nackenschutz mit der roten Aufschrift DeWilde’s zu sehen war. Er konnte sich gerade noch die Frage verkneifen, warum er nicht wie ein Krokodilschwanz geformt war.
„Es ist ein guter, praktischer Sonnenschutz“, hob Binnie hervor. „Und die Eltern werden ihre Kinder nicht dazu zwingen müssen, ihn zu tragen.“
„Die Kinder werden ihre Eltern anflehen, ihnen eine solche Kappe zu kaufen“, schwärmte Rooster.
Dev war kein Experte, was Kinder und Eltern betraf. Zumindest nicht bei Menschen. Aber er wusste, kleinere Kinder würden sich dafür begeistern, und größere es als Gag ansehen.
„Wie sieht es mit den Herstellungskosten aus?“, versuchte er sein Glück. „Für eine Baseballkappe wollen die Leute bestimmt nicht viel Geld ausgeben.“
Binnie nahm ihren Zeichenblock wieder an sich. „Auntie Maggie sagt, dass sie mit mehreren Herstellern reden will. Der Typ, der die T-Shirts für uns herstellt, liefert gute Ware, und seine Preise sind vernünftig.“
„Wir lassen uns Angebote machen“, versprach Rooster. „Okay?“
Dev warf nochmals einen Blick auf die Zeichnung und unterdrückte einen Schauder. „Okay“, erklärte er sich zögernd einverstanden.
„Trägt ein Krokodil?“ Ryder Blake, Geschäftsführer von Sydneys neuestem und teuerstem Kaufhaus, beugte sich über seinen hochpolierten antiken Schreibtisch und starrte seinen Pressesprecher an.
„Einen Krokodilhut – eine Baseballkappe. In der Damenabteilung.“ Lee Bolton verzog voller Abscheu das gutgeschnittene Gesicht. „Der junge Mann benahm sich unmöglich, schaute in die Umkleidekabinen hinein–“
„Tatsächlich? Sie haben doch sicher die Polizei gerufen?“
„Die Abteilungsleiterin fand seine Mutter–“
„Seine Mutter?“
„Er ist ungefähr fünf, nehme ich an.“
Ryder lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Warum erzählen Sie mir dies alles, Lee? Die Abteilungsleiterin könnte doch sicherlich allein damit fertig werden, oder?“
„Damit schon. Die Sache ist die, ich unterhielt mich gerade mit ihr, als es geschah. Als dann der junge Mann–“
„Er ist ein Kind, Lee. Ein kleiner Junge.“
„Als der Junge seinen Kopf unter der Tür einer der Umkleidekabinen hindurchstreckte, erschrak die Kundin darin fast zu Tode. Sie hielt die Kappe für ein richtiges Krokodil.“
„Wirkt sie so natürlich?“
„Eigentlich nicht, aber die Kundin hatte ihre Brille abgenommen, um das Kleid anzuziehen, und als sie es sich über den Kopf zog und dieses Ding unter der Tür sah–“
„Ich verstehe.“
„Natürlich rannten die Verkäuferinnen, die Abteilungsleiterin und ich hin, um zu sehen, was los war–“ Lee räusperte sich und wirkte tatsächlich verlegen. „In der ganzen Aufregung dachte ich leider nicht nach–“
„Und?“
„Ich … also, ich folgte der Abteilungsleiterin dichtauf, und mehrere Damen befanden sich in … verschiedenen Stadien der … Blöße … und begannen nun ebenfalls loszuschreien, als ich die Türen öffnete.“
Ryder presste die Lippen zusammen, schwieg aber.
„Natürlich verschwand ich so schnell wie möglich, aber nicht, bevor ich nicht den Missetäter ausfindig gemacht hatte.“
„Ich kann mir vorstellen, der arme Junge hatte vor Angst fast die Hose voll“, murmelte Ryder.
„Im Gegenteil, er schien sich königlich zu amüsieren, hatte ich den Eindruck“, sagte Lee frostig. „Wenn Sie mich fragen, da wächst ein kleiner Strolch heran.“
Wieder fuhren Ryders Augenbrauen hoch, aber er sagte nur: „Was ist denn nun das Problem? Wollten die Frauen Sie festnehmen lassen? Hat die, die das Krokodil gesehen hat, damit gedroht, uns zu verklagen?“
„Nein, nichts dergleichen“, versicherte Lee ihm. „Nein, es geht um den Hut.“
„Den Hut.“ Ryder nickte geduldig.
„Die Kappe. Es ist das DeWilde’s – Logo darauf!“ Seine Stimme zitterte vor Empörung.
Ryder runzelte die Stirn. „Ich kann mich gar nicht an dieses Produkt erinnern.“
„Wie sollten Sie auch, denn wir haben es niemals verkauft! Geschweige denn dieses T-Shirt.“
„T-Shirt?“
„Er trägt auch ein T-Shirt, mit einer aufgedruckten Schlange. Ebenfalls mit unserem Logo!“
Die Falte auf Ryders Stirn vertiefte sich. „Es benutzt jemand unseren Namen ohne Lizenz?“
„Ich versichere Ihnen, sollte DeWilde’s jemals eine Lizenz für solche Touristenköder ausgeben, dann nur über meine Leiche! Oder zumindest nach meiner Kündigung!“
„Ich verstehe Ihre Gefühle“, sagte Ryder ernst. DeWilde’s Sydney war zwar erst vor etwas über einem Jahr eröffnet worden, wurde aber in der gleichen eleganten, kosmopolitischen Tradition wie die übrigen Filialen in London, Paris, Monte Carlo und New York gestaltet – ein Image, an dem er und sein PR-Stab hart gearbeitet hatten. „Haben Sie herausgefunden, woher diese Sachen stammen?“
„Deswegen habe ich den jungen M… – den Jungen und seine Mutter mitgebracht. Ich bin mir sicher, dass Sie mit ihnen sprechen wollen.“
„Sie sind hier?“ Ryder warf einen Blick auf die geschlossene Tür.
„Sie warten draußen. Ich dachte, ich unterrichte Sie zunächst.“
„Bitten Sie sie herein!“
Ryder erhob sich, als Lee eine rundliche Frau mit rotem Gesicht hereinbat, die an der Hand einen Jungen mit aufsässigem Ausdruck hielt, der Ryder sofort die Zunge herausstreckte.
Ryder lächelte die Mutter an. „Setzen Sie sich doch bitte, Mrs. …?“
„Mrs. McDonald.“ Die Frau blickte ihn misstrauisch an und setzte sich steif auf den Stuhl. Der Junge lehnte sich an ihr Knie. „Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen. Timmy ist ein ganz normaler Junge.“
„Niemand beschuldigt Sie oder Ihren Jungen, irgendetwas Verbotenes getan zu haben, Mrs. McDonald.“ Ryder zwang sich, nicht auf die orange-schwarz gestreifte Schlange auf dem T-Shirt und die bemerkenswerte Kopfbedeckung des Jungen zu starren. Nun verstand er, warum ein kurzsichtiger Mensch diese Baseballkappe für ein echtes, wenn auch kleines Krokodil halten konnte. „Er ist sicher ein netter Junge.“ Als aus Lees Richtung unterdrückt ein verächtliches Schnauben erklang, warf er ihm einen leicht tadelnden Blick zu.
„Warum hat uns dann dieser Detektiv oder was er ist, hierhergeschleppt?“, wollte die Frau wissen.
„Ich habe niemals behauptet, Detektiv zu sein!“, protestierte Lee. „Ich bat Sie, mich zum Büro des Geschäftsführers zu begleiten, da ich annahm, er würde gern mit Ihnen sprechen.“
„Glauben Sie etwa, ich wüsste nicht, was das eigentlich zu bedeuten hat?“, funkelte ihn die Frau wütend an.
Timmy, der ihn ebenfalls böse anstarrte, nickte düster. „Dieser Mann hat versucht, mir meine Kappe wegzureißen!“
„Ich habe ihn nur gefragt, ob ich sie mir einmal ansehen dürfte.“ Lee wandte sich an Ryder. „Ich hoffte, einen Hinweis auf den Hersteller darin zu finden.“
„Sie haben sie angefasst!“, beschuldigte ihn Timmy.
„Und dann wollte er wissen, woher wir sie hätten“, fügte seine Mutter hinzu. „Als würde er uns verdächtigen. Als ich ihm sagte, das ginge ihn nichts an, bat er mich, mitzukommen.“ Sie holte empört Luft. „Wir sind doch keine Ladendiebe!“
„Mr. Bolton ist für die Öffentlichkeitsarbeit unseres Hauses zuständig“, erklärte Ryder. „Verzeihen Sie, wenn wir Ihnen etwaige Ungelegenheiten bereitet haben sollten, Mrs. McDonald.“ Er lächelte, als sie ihn immer noch misstrauisch anblickte. „Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir Ihre Zeit opfern. Darf ich Ihnen vielleicht einen Kaffee oder Tee anbieten? Und vielleicht mag Timmy eine Cola oder etwas anderes?“
„Ich mag keine Cola“, gab Timmy bekannt.
„Was möchtest du denn, Timmy?“, erkundigte sich Ryder.
Als seine Sekretärin bald darauf einen Rocketship Special aus dem Café im Erdgeschoß heraufbrachte, überlief Lee sichtbar ein Schauder beim Anblick der dunkelgrünen Flüssigkeit unter einem Turm aus rosafarbener Sahne und Marshmallows, gekrönt von bunten Zuckerkügelchen. Aber Timmy schien es zu schmecken. Begierig sog er lautstark an seinem Strohhalm und leerte das Glas schlürfend bis auf den letzten Tropfen. Ryder hatte derweil Gelegenheit, die Kappe nach einem Herstellerhinweis zu untersuchen.
„Die Tanten kreischten wie angestochen, als sie das Krokodil sahen“, verkündete Timmy stolz. „Hör mal!“ Er öffnete den Mund und gab eine ohrenbetäubende Vorstellung.
Lee zuckte zusammen, und Timmys Mutter ermahnte ihn matt: „Nicht doch, Timmy …“
Ryder verzog den Mund. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen, aber ich wäre dir sehr verbunden, wenn du nicht noch einmal meine Kundinnen zu Tode erschreckst, Timmy. Es ist nicht so gut fürs Geschäft. Außerdem, wenn du als Erwachsener in die Umkleidekabinen der Damen lugst, bekommst du große Schwierigkeiten. Und das möchte ich natürlich nicht.“
Während Timmy darüber nachdachte, schrieb sich Ryder den Namen des Fabrikanten auf, den er entdeckt hatte. „Könnte ich vielleicht auch noch einmal in deinem T-Shirt nach dem Hersteller sehen?“, bat er dann, als er ihm die Kappe zurückgab.
Timmy gestattete es ihm großzügig. „Es gibt auch T-Shirts für Erwachsene. Dad hat eins mit einem Känguru darauf, aber mir gefällt das mit der Schlange besser. Die haben echt coole Sachen!“
„Wirklich? Und wo habt ihr all diese coolen Sachen gekauft?“
„Bei DeWilde’s, natürlich.“
Lee gab ein ungläubiges Grunzen von sich.
„In Queensland, im Urlaub“, erklärte nun Mrs. McDonald. „In einem Wildtierpark.“
„Sie können mir nicht vielleicht die genaue Adresse nennen?“
„Also, es war … wir sind so viel herumgereist … Ich bin nicht ganz sicher …“
„Da war doch dieser Mann!“, versuchte Timmy zu helfen. „Der immer die Krokodile fütterte. Er hat das Fleisch in der Hand gehalten, und sie sprangen aus dem Wasser und – schnapp! So wie ich Paddy immer füttere – das ist mein Hund. Aber ich durfte es nicht auch einmal probieren“, beschwerte er sich.
„Mein Mann wird sich vielleicht erinnern, wo genau es war“, meinte Mrs. McDonald.
„Falls es ihm einfällt, wären wir sehr dankbar, wenn er mich oder Mr. Bolton anrufen würde“, sagte Ryder. „Aber ich bin sicher, wir finden es auch so heraus. Vielen Dank noch einmal, Mrs. McDonald – und Timmy. Sie waren wirklich sehr hilfsbereit. Lee, könnten Sie bitte dafür sorgen, dass Mrs. McDonald als Dank einen unserer blauen Geschenkgutscheine erhält?“
„Sicher.“ Lee schien sich erholt zu haben und zeigte nun wieder seine gewohnten untadeligen Manieren. Er entschuldigte sich bei Mrs. McDonald, während er ihr die Tür aufhielt, und nahm es sogar nach außen ungerührt hin, dass Timmy ihm heimlich einen Tritt gegen das Fußgelenk verpasste, als er hinausging.
Ryder grinste ihm mitleidig zu. Als die Tür sich hinter den dreien geschlossen hatte, drückte er die Taste der Wechselsprechanlage und sagte: „Verbinden Sie mich bitte mit Maxine Sterling.“
„Na, gefällt dir das, Sweetheart?“ Dev grinste, als er seine Hand von Delilahs Kopf hinunter zu ihrem Kinn fahren ließ. Er rieb sie dort sanft, und sie entblößte ihre weißen, schimmernden Zähne. Mit schläfrigen, halbgeöffneten Augen rollte sie sich auf den Rücken und bot ihm ihren blassen, weichen Bauch dar. Dev lachte leise und gehorchte.
„Dev?“
Binnie wusste, sie durfte Dev nicht stören, wenn er bei Delilah war, außer es war etwas Wichtiges, und er bemerkte anerkennend, dass sie leise und ruhig sprach, um seine Delilah nicht aufzuregen oder zu ärgern. Aber er bemerkte auch die kontrollierte Anspannung in der Stimme seiner jungen Cousine.
„Tut mir leid, Love“, sagte er bedauernd zu Delilah. „Muss leider gehen. Wir sehen uns morgen wieder.“ Er tätschelte noch einmal kurz ihren Bauch, dann erhob er sich, verließ ohne Hast das Krokodil und ging über Rasen hinüber zu dem massiven Stahlgeländer, hinter dem seine Cousine mit besorgtem Ausdruck stand.
Delilah gab ein paar Protestlaute von sich und folgte ihm ein paar Schritte, aber dann blieb sie in der Morgensonne liegen und verdaute die Fische, die sie gerade bekommen hatte.
„Was ist los?“, wollte Dev wissen, als er die Tür sicher hinter sich verschlossen hatte.
Binnie reichte ihm ein Brief. „Dies muss gestern Nachmittag gekommen sein. Ich hatte gestern keine Zeit, mir die Post anzusehen, denn ich musste an die Kasse, weil Sandy krank wurde. Es tut mir leid, Dev. Ich ahnte nicht, dass es so dringend war.“
„Nicht deine Schuld.“ Neben ihrer künstlerischen Arbeit an den Entwürfen für Souvenirartikel half Binnie noch Maggie im Laden. Außerdem erledigte sie viele der Routinebüroarbeiten, die Dev gern vor sich her schob. Er hatte noch nie Grund gehabt, sich zu beschweren.
Er nahm den Briefbogen und klappte ihn auf. Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn, als er den Absender sah.
„Das können die mit uns doch nicht machen, oder?“, meinte Binnie empört.
Rasch überflog Dev die Seite.
Wir sind von der DeWilde Corporation beauftragt worden … Sie vertreiben unter diesem Namen … Wenn Sie diese Aktivitäten nicht einstellen … rechtliche Schritte einleiten …
Er runzelte die Stirn, murmelte undeutlich etwas vor sich hin und schaute dann Binnie an. „Nein“, sagte er langsam, während sein Blick an der markanten Unterschrift über dem sauber getippten M. Sterling haftenblieb. „Natürlich können sie das nicht.“
Sein erster Gedanke war, das Schriftstück in den nächsten Papierkorb zu werfen, von denen es hier im Wildtierpark viele gab, aber dann stopfte er den Brief in die Hosentasche seiner abgetragenen Jeans. „Mach dir nur keine Gedanken, Binnie. Und rede nicht mit den anderen darüber, okay?“ Er wollte Maggie und Rooster nicht mit diesem Unsinn zu belasten.
Er nahm den leeren Eimer und ging hinüber zum nächsten Gehege, in dem die jungen Krokodile fast übereinander herfielen, um zuerst am Zaun zu sein, als ihnen der Fischgeruch in die Nase stieg. „Ihr bekommt später etwas, Jungs“, erklärte ihnen Dev, als er weiterging. Sie würden gefüttert werden, wenn die Besucher nach und nach kamen.
Er kontrollierte die anderen Gehege und vergewisserte sich, dass es keine Probleme unter den Tieren gab und die Absperrungen sicher waren, damit nicht irgendwelche geltungssüchtigen Idioten ihren Freunden beweisen konnten, wie tapfer sie waren.
Anschließend duschte Dev, stopfte seine beschmutzte Jeans und die andere Wäsche in die Waschmaschine, gab ordentlich Waschpulver hinein und stellte sie an.
Erst als nach zehn arbeitsreichen Tagen seine Mutter sein Büro betrat, fiel ihm der Brief wieder ein.
Maggie Cutters lebhafte blaue Augen glichen denen ihres Sohnes, nur dass Dev das braune Haar, die schlanke Gestalt und die breiten Schultern von seinem Vater geerbt hatte. Maggies schwarzes Haar war nun mit silbrigen Strähnen durchsetzt, aber sie war immer noch schmalgliedrig und gertenschlank wie ein junges Mädchen. Obwohl sie im Outback, der unendlichen Weite Australiens, aufgewachsen war, wirkte sie doch zart und exotisch.
Australiens Sonne hatte Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, dessen Haut nicht für dieses Klima geschaffen war, aber die Lachfältchen um Augen und Mund hatten kaum ihre sanfte Schönheit mildern können.
Im Augenblick jedoch sah Maggie beinahe fassungslos aus.
„Dev, der Hersteller will unseren Auftrag nicht annehmen“, sagte sie.
„Aber wir haben doch einen Vertrag! Und du und Binnie, ihr sorgt doch immer dafür, dass die Rechnungen pünktlich bezahlt werden, oder?“
„Ja, sicher. Aber sie sagen, man hätte ihnen mit rechtlichen Konsequenzen gedroht, wenn sie weiterhin Bekleidung mit dem Namen unseres Wildtierparks herstellen.“
„Verdammt!“ Siedendheiß fiel Dev nun der Brief des Rechtsanwalts ein, auf den er hatte antworten wollen. Aber er konnte sich nicht erinnern, wohin er ihn gelegt hatte. Ihm war nie der Gedanke gekommen, dass es Probleme mit Maggies Lieferanten geben könnte. „Ich kümmere mich sofort darum“, versprach er grimmig. „Keine Bange.“
„Hör mal, Dev, reiß ihnen nicht gleich den Kopf ab, ja?“ Sie legte ihm die Hand auf den Arm.
„Du hast kein Vertrauen zu mir“, grollte Dev.
„Doch, natürlich. Ich denke nur, du sollest nicht zu hart zu ihm sein. Dem Mann tat das alles sehr leid.“
„Du hast recht“, gab Dev zu. „Ich verspreche dir, ich rede vernünftig mit ihm. Überlass es nur mir.“
Er beherrschte sich wie versprochen, aber der Lieferant blieb fest. Er wollte sich nicht auf irgendwelche juristischen Auseinandersetzungen einlassen.
Frustriert legte Dev gerade auf, als Binnie hereinkam und die Nachmittagspost hereinbrachte. Sie begann die Briefe aufzuschlitzen.
„Da ist noch ein Brief von dieser Anwaltskanzlei aus Sydney“, sagte sie nach ein paar Minuten. „Sie schreiben, sie hätten auf ihren ersten Brief keine Antwort erhalten, und wenn wir nicht innerhalb von sieben Tagen reagierten, das heißt, ihre Forderungen erfüllten, würden sie gegen uns rechtliche Schritte ergreifen.“
„Den Prozess würden sie nicht gewinnen“, grollte Dev und dachte schuldbewusst wieder an den vergessenen Brief. „Gib her.“
Der Brief war in juristischen Formulierungen gehalten, aber sein Sinn war klar. Die markante Unterschrift war die gleiche. Dev begann, sich zu erregen.
Er zählte bis zehn, bis er die Nummer wählte, die auf dem Briefbogen stand. Er hoffte, nun ein zivilisiertes Gespräch mit M. Sterling von Bartlett & Finchley & Partners zuwege zu bringen.
Die Frau am anderen Ende der Leitung informierte ihn, dass Miss Sterling sich gerade in einer Sitzung befände. Ob sie zurückrufen könne?
Dev schaute auf seine Uhr. In zwölf Minuten würde er eine Busladung Touristen aus Übersee im Park herumführen und ihnen etwas über Australiens Tierwelt erzählen müssen.
„Nein, danke. Ich versuche es später noch einmal.“
Nach der einstündigen Tour wurde er von einer Familie aufgehalten, die unbedingt ein Bild von ihm und ihren Kindern machen wollte. Als er dann endlich wieder in seinem Büro war und die Kanzlei anrief, erfuhr er, dass Miss Sterling gerade ein Gespräch mit einem Klienten hätte. Ob er eine Nachricht hinterlassen wolle?
Eine Nachricht? Wo sollte er anfangen?
„Sie könnte Sie zurückrufen“, schlug die Frau am Telefon vor.
Er hatte Arbeiten zu erledigen und keine Lust, herumzusitzen und zu warten. „Nein, danke.“
Vielleicht hatte Rooster recht – er setzte ihm schon lange zu, sich ein Handy zu kaufen. Aber Dev war sich gar nicht sicher, ob er immer und überall erreichbar sein wollte.
Eine Stunde später war Miss Sterling unabkömmlich, wie die Dame sich ausdrückte. Als Dev nachhakte, erfuhr er, dass sie das Büro verlassen hatte. Man schlug ihm vor, es am Montag noch einmal zu versuchen.
Es war noch nicht einmal vier Uhr nachmittags. Miss Sterling machte anscheinend schon sehr früh Schluss. In ihrer Position offenbar ein übliches Privileg.
Er verlangte jemand anderen zu sprechen. Nach längerem Warten teilte ihm ein Mr. Gordon Finchley mit, dass die Kanzlei im Namen der DeWilde Corporation handelte, und dass er sicher sei, Miss Sterling würde sich nur zu gern mit ihm, Mr. Cutter, in der nächsten Woche unterhalten.
Dev entschloss sich zu einer anderen Taktik und ließ sich die Nummer der DeWilde’s – Filiale in Sydney geben. Er fragte nach dem Geschäftsführer, aber weder Mr. Blake noch sein Vertreter waren zu erreichen. „Vielleicht könnte Ihnen unser Pressesprecher, Lee Bolton, behilflich sein?“, bot ihm die anonyme Stimme an.
Dev hatte keinerlei Lust, sich mit irgendwelchen beruhigenden Worten abspeisen zu lassen. Er wollte mit dem Verantwortlichen der Firma sprechen und die Sache ein für allemal klären.
„Nein, danke.“ Er bemühte sich, höflich zu bleiben. „Ist der Geschäftsführer morgen erreichbar?“
„Der stellvertretenden Geschäftsführer wird wohl hiersein, aber Mr. Blake ist erst in vier Wochen zurück.“
Dev erinnerte sich daran, dass sie nichts dafür konnte, wenn ihr Boss Urlaub machte. „Glücklicher Mensch“, entgegnete er nachdenklich.
„Ja, nicht wahr?“, antwortete die Frau. „Er heiratet nämlich, wissen Sie.“
Wie nett für ihn, dachte Dev säuerlich, bedankte sich aber einigermaßen höflich, bevor er den Hörer auf die Gabel knallte.
Morgen bin ich sowieso in Sydney, dachte er. Sein wöchentlicher Auftritt im Fernsehen stand wieder an. Vielleicht sollte ich einfach einmal in dem Laden vorbeischauen. Sicher bekomme ich einen von denen zu fassen, die für diesen Aufstand verantwortlich sind. Dev schüttelte den Kopf. Und das alles nur, weil sie zufällig den gleichen Namen benutzen.
Devs bescheidene Fernsehkarriere hatte begonnen, als Rooster ihm vorgeschlagen hatte, sich bei einer Spieleshow zu bewerben, bei der Gäste Berufe raten mussten. Dev hatte ihre Chancen gleich Null eingeschätzt und sich auch dementsprechend geäußert. Für ihn war es nur reine Zeitverschwendung.
Zu seiner Überraschung waren die Organisatoren jedoch begeistert gewesen.
„Eine großartige Chance für den Park – die beste Werbung!“, hatte Rooster gedrängt. „Du kannst jetzt nicht mehr absagen.“
„Okay … du kannst dir ein paar Tage frei nehmen, um den Fernsehstar zu spielen–“
„Ich doch nicht! Dich wollen sie haben! Du siehst doch wohl ein, dass ich nicht der Richtige für so etwas bin! Ich verfüge weder über dein Wissen noch über deine Erfahrungen auf diesem Gebiet. Meine Antworten werden alle falsch sein – du siehst, du musst hin!“
Rooster konnte ausgesprochen beharrlich sein, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Nach zehn Minuten hitziger Argumentation kapitulierte Dev brummig. „Ich grabe wohl besser meinen Anzug aus dem Schrank aus – ich nehme an, ich muss aufgemotzt dort antanzen.“
„Bloß nicht!“, protestierte Rooster. „Das wäre das falsche Image. Du solltest aussehen wie … na ja, eben wie ein harter, grober Kerl aus dem Outback. Alles andere wäre denjenigen gegenüber nicht fair, die deinen Beruf raten müssen.“
„Willst du mich etwa zu einer Art Crocodile Dundee machen?“, grollte Dev.
Roosters Gesicht hellte sich auf. „Nun, das bist du ja in gewisser Weise – natürlich nicht richtig“, fügte er hastig hinzu, als Devs Gesicht sich verdüsterte. „Du bist die beste Werbung für DeWilde’s –“ Er zog die Buchstaben in der Luft mit den Händen nach.
„Ich weiß auch nicht, warum ich mich überhaupt von dir dazu habe überreden lassen …“
„Weil es ein großartiger Name für einen Wildtierpark ist“, erwiderte Rooster. „Und weil du vom Rest von uns überstimmt worden bist.“
Das stimmte auch. Er hatte dagegen argumentiert, schließlich aber den enthusiastischen Bitten und der Billigung durch seine Mutter nachgegeben.
Dev hätte seinen Traum von einem Wildtierpark ohne Maggies großzügige finanzielle Unterstützung nicht verwirklichen können, und ihm war klar, wie viel es ihr bedeutete, dass dieser Park den Namen DeWilde’s erhielt. So hatte er nachgegeben.
Auch den beiden Zwillingen schuldete er viel. Nach Abschluss ihres Studiums waren die beiden froh gewesen, überhaupt einen Job zu haben, und sie hatten ebenso lange und hart wie Maggie und er dafür gearbeitet, dass der Park eröffnet werden konnte.
Vielleicht hatte Dev Binnie deswegen versprochen, für das Interview die abgetragenen Sachen anzuziehen, die er normalerweise für die Fahrten in den wilden Norden von Queensland trug. Bevor er sie noch davon abhalten konnte, hatte Binnie rücksichtslos einen der Ärmel des ohnehin mitgenommenen Buschhemds abgerissen. „Damit es echter wirkt.“
Dev schnaubte. „Wenn ich das am Cape York anhätte, würden mich die Sandfliegen und Sandflöhe bei lebendigem Leib auffressen …“
„Nun mach keine Schwierigkeiten“, beharrte Binnie. „Zudem gibt es dort eine Menge Männer, die nur Shorts und ärmellose Hemden tragen, manchmal sogar überhaupt keine Hemden.“
„Nun, ja …“ Es gab zwei Theorien, wie man mit den Quälgeistern des Nordens am besten fertig wurde. „… einige sehen lieber, was auf ihnen landet, als zu riskieren, dass blutsaugendes Ungeziefer in ihre Kleidung kriecht“, gab Dev zu. Er selbst verließ sich auf Unmengen von Insektenspray und Äthylalkohol und stopfte seine lange Hose in kräftige Socken und Boots. Und er zog es vor, Ärmel an seinen Hemden zu haben.
„Also los“, sagte Binnie und hielt ihm die Überreste seines Hemds hin. „Die weiblichen Teilnehmer werden begeistert sein.“ Als sie sah, dass er aufbegehren wollte, fügte sie fest hinzu: „Glaub mir, Dev. Und trag dazu deinen Akubrahut.“
„Ich kann doch im Studio keinen Hut auflassen.“
„Nimm ihn ab, wenn du dich hinsetzt“, empfahl Binnie.
„Aber ich werde auf keinen Fall ein Band aus Schlangenhaut darum binden“, meinte er störrisch und schob das kantige Kinn weiter vor.
Binnie verdrehte die Augen. „Das weiß ich.“ Sie sah ihn gekränkt an. „Wie kannst du nur denken, ich würde dir so etwas vorschlagen?“
Dev entschuldigte sich.
Nur das Wissen, dass seine Mutter und die Zwillinge die Sendung sehen wollten, hatte Dev davon abgehalten, aus dem winzigen Loch von Raum zu flüchten, in dem er auf seinen Auftritt warten musste. Während der Probeaufnahmen war er völlig entspannt gewesen und hatte gedacht, es würde niemals zu einer echten Aufnahme kommen. Aber es kam dazu.
Die Moderatorin der Sendung bat ihn, auf dem Sofa Platz zu nehmen. Er stellte den Styroporbehälter, den er mitgebracht hatte, vor sich auf den Boden, nahm den breitkrempigen Hut ab und legte ihn auf den Schoß. Die Scheinwerfer brannten heiß, und unbewusst öffnete er die obersten drei Knöpfe seines Hemds.
Wie gebannt starrte die Moderatorin auf die gebräunte Haut an seinem Halsausschnitt, und ihre Augen nahmen kurz einen glasigen Schimmer an, ehe sie ihre erste Frage stellte.
Nachdem einer der Gäste dann schließlich seinen Beruf erraten hatte, wandte sie die Moderatorin wieder ihm zu. „Dev, sicherlich kann man sagen, Schlangen und Krokodile gehören zu den gefürchtetsten Tiere der Welt. Und Sie arbeiten jeden Tag mit ihnen?“
Dev räusperte sich, bückte sich, nahm den Deckel von dem Kasten und holte einen Leinenbeutel heraus. Er öffnete den Beutel und zog dann vorsichtig eine kleine orangefarbene Schlange hervor, um deren Körper sich schwarze Bänder ringelten.
„Also, wer von Ihnen hat Angst vor diesem kleinen Kerl?“
Die Moderatorin mit Sicherheit. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, dem die Schreie des halben Publikums auf dem Fuß folgten.
Immerhin lenkte es sie von Devs Brust ab. „Dies ist eine Bandy-bandy, ziemlich harmlos. Wenn sie eine davon in Ihrem Garten haben, wird sie einige der Schädlinge vertilgen, die sich sonst über Ihr Gemüse hermachen. Sie liebt besonders Insekten.“
Dev, der sich nun auf seinem Lieblingsgebiet befand, brummte bald der Schädel von den vielen Fragen aus dem Auditorium und dem Gelächter, das ab und an aufbrandete. Schließlich ermunterte er seine Interviewpartnerin dazu, die Schlange in die Hand zu nehmen, was sie dann auch mit nervösem Gekicher und komischen spitzen Lauten tat. Zum Abschluss erlaubte er einigen Zuschauern, die Schlange ebenfalls zu nehmen, ein paar Kinder wollten es sogar nochmal wiederholen.
Die Moderatorin schaute ihn mit leuchtenden Augen an, und er hatte den Eindruck, in ihr einen Fan für Wildtiere gewonnen zu haben. Als er ihr vorschlug, seinem Wildtierpark einmal einen Besuch abzustatten, wenn sie in Queensland sei, errötete sie unter ihrem Make-up. Sie lud ihn sogar zum Abendessen ein, damit er ihr noch mehr von seinem faszinierenden Leben erzählte.
„Leider bin ich heute Abend nicht mehr hier“, erklärte er ihr höflich. „Ich fliege schon heute Nachmittag.“ Er war nicht besonders gern in der Großstadt und hatte sich vorgenommen, sowenig Zeit wie möglich hier zu verbringen.
Ein paar Wochen nach seinem ersten und, wie er meinte, letzten Fernsehauftritt kam Dev gerade von den Schildkröten, als Rooster auf die Veranda hinausstürzte.
„Dev, erinnerst du dich noch an die Fernsehshow? Der Produzent will dich für ein anderes Programm haben!“
Dev schob seinen Hut zurück, wischte sich den Schweiß von der Stirn und rückte den Hut wieder zurecht. „Was will er?“
„Er macht diese Sendung am Samstagmorgen, mit den Filmbeiträgen. Der Gartenguru, den sie immer hatten, hat einen Schlaganfall bekommen, und sie brauchen einen Ersatzmann“, erklärte Rooster.
Dev betrat die Veranda und wandte sich zu seinem Büro. „Ich bin kein Gärtner.“
Rooster folgte ihm. „Nein, sie wollen dich für einen Wildtierbeitrag. Gil nimmt an–“
„Gil?“
„Der Produzent, erinnerst du dich nicht? Er sagte, sie wollten sowieso diese Gartensache absetzen. Es gibt zu viele davon. So war es eine glückliche Fügung des Schicksals–“
„Bestimmt denkt der Guru ebenso!“
„Wohl nicht“, gab Rooster zu. „Die Sache ist die, Gil hält dich für ein Naturtalent. Wenn du so gut bist wie bei der ersten Sendung, dann könntest du einen Dauerjob bekommen.“
„Ihr scheint euch ja eine ganze Weile unterhalten zu haben.“
„Ich bin für die Werbung verantwortlich – wenn ich nicht gerade die Krokodile füttere oder das Schlangenhaus saubermache“, erinnerte Rooster ihn. „Deswegen hat ihn Binnie zu mir durchgestellt.“
„Du meinst, sie hat es getan, weil sie wusste, ich würde sowieso ablehnen. Tut mir leid, Rooster. Mir reichen die fünfzehn Minuten Ruhm, die ich hatte.“ Dev betrat sein Büro und schleuderte seinen Hut auf einen der Aktenschränke.
Rooster ignorierte es. „Sie zahlen dir alle Unkosten, dazu noch ein Honorar. Und zwar ist es eine ganze Menge Geld, und wenn du dann noch die wahnsinnige Reklame für uns–“
„Ich tue es nicht, Rooster“, sagte Dev und beendete damit das Thema.
Am Ende der Woche fand sich Dev in einem Flugzeug auf dem Weg nach Sydney wieder. Mit sich führte er eine Echse.
Sein Meinungswechsel hatte mit Roosters Einwand zu tun, ihn hätten bereits einige Besucher auf Devs erste Sendung angesprochen. Rooster ließ sich nicht davon abbringen, dass der Wildtierpark es sich nicht leisten könnte, eine solche Gelegenheit ungenutzt zu lassen, auch außerhalb von Queensland bekannt zu werden. Binnies hingeworfene Bemerkung, das Fernsehen sei das effektivste Lehrmittel des Jahrhunderts, tat ein übriges.
Völlig überzeugt hatte ihn schließlich der sanfte Ausdruck von Stolz in den Augen seiner Mutter, als sie sagte: „Das letzte Mal hast du es gut gemacht, mein Sohn. Und Binnie und Rooster haben recht – eine solche Chance sollte man nicht verpassen.“
Tatsache war, der furchtlose Krokodiljäger, wie ihn die Moderatorin am Schluss der Sendung Womit verdienen Sie Ihre Brötchen? genannt hatte, wurde butterweich, wenn seine Familie ins Spiel kam.
Der Gartenguru war mit den besten Wünschen der Mitarbeiter des Senders in den Ruhestand verabschiedet worden, und Wildes Australien hatte seine Sendung ersetzt. Dev kam jede Woche mit einem anderen lebenden Tier ins Studio und unterhielt sich mit der Moderatorin über dessen Schönheit und Eigenschaften und darüber, wie man diese Art schützen könnte.
Das Fernsehteam hatte ein paar Tage im Wildtierpark gefilmt, um ein paar Clips für die Sendung bereit zu haben. Und so war Dev ein Fernsehstar geworden – zumindest für die Leute, die am Samstagmorgen diese Art Sendungen sahen. Er hatte sich auch daran gewöhnt, sich vor den Kameras zu bewegen. Der Trick lag darin, zu vergessen, dass sie vorhanden waren.
Die Sendung in dieser Woche verlief ohne die Probleme, die immer wieder bei Live-Sendungen drohten. Das Süßwasserkrokodilbaby, das er mitgebracht hatte, entwich nicht in den Zuschauerraum oder versuchte einen der Gäste zu beißen, und auch der spezielle wöchentliche Gast, der Devs Auftritt folgte, erschien pünktlich. In der letzten Woche war er nicht aufgetaucht, und Dev und die Moderatorin hatten die unerwartete Lücke von zehn Minuten irgendwie überbrücken müssen.
Das erste Ding passierte, als Dev in den Umkleideraum zurückkehrte, wo er sich für den Auftritt sein „Outback-Outfit“, angezogen und seine Alltagskleidung abgelegt hatte.
Glücklicherweise hatte er sich seine Brieftasche und das Flugticket in seine alte abgewetzte Jeans gesteckt, anstatt sie im unverschlossenen Raum zu lassen – denn als er sich umblickte, war seine Kleidung fort.
Es sah so aus, als hätte die Straßentheatergruppe aus Versehen seine Sachen mitgenommen, die zur selben Zeit in einem anderen Studio Aufnahmen gemacht und den Raum ebenfalls benutzt hatte. Sie ausfindig machen zu wollen, erschien ihm sinnlos. Anstatt seine Zeit damit zu vergeuden, herzumzulaufen und sich etwas Neues zu kaufen, entschloss er sich, so nach Haus zu fliegen, wie er war.
Aber vorher musste er noch das Brautmodengeschäft der DeWilde Corporation ausfindig machen, dort jemanden finden, der verantwortlich war und ihn zur Vernunft bringen.
„Da muss irgendwas los sein“, brummte der Taxifahrer über die Schulter hinweg, als der Verkehr zum Stehen kam. „Eine Hochzeit oder so etwas. Wollen Sie deswegen etwa zu DeWilde’s, Kumpel?“
Dev beschattete seine Augen und schaute aus dem Fenster. „Nein. Ist es hier in der Nähe?“
„Da hinten.“ Der Fahrer deutete in die Richtung. „Ungefähr noch dreihundert Meter. Muss eine Riesenangelegenheit sein.“ Er kurbelte am Steuerrad und drückte aufs Gaspedal, um in eine Lücke zu rutschen, die sich gerade aufgetan hatte. Unerwartet kam ihm ein LKW zuvor, und er musste voll auf die Bremse treten.
Dev wurde von seinem Sicherheitsgurt zurückgehalten, als er nach vor flog, aber der Styroporkasten auf seinem Schoß segelte gegen die Wagendecke, der Deckel sprang auf, und wie der Blitz verschwand sein Bewohner unter dem Fahrersitz.
Der Fahrer fluchte ausgiebig, und Dev löste den Sicherheitsgurt, tauchte ab und griff unter den Sitz.
Das Fluchen wurde von einem erschrockenen Aufschrei abgelöst, dann verstärkte es sich noch. Dev schloss kurz die Augen. Seine suchenden Finger fanden nichts, so rappelte er sich wieder halb auf und versuchte dem Fahrer über die Schulter zu schauen. „Es ist schon in Ordnung, es ist nur– Nicht die Tür aufmachen!“
Aber der Mann hatte die Tür bereits aufgestoßen und stand im nächsten Moment auf der Straße, mitten im dichten Verkehrsgewühl. Einige der Fahrer hupten, der Taxifahrer selbst fluchte weiterhin unflätig vor sich hin, die Augen weit aufgerissen und starr, und Dev sah gerade noch den Schwanz des Babykrokodils, als es sich aus dem Wagen schlängelte. Der Fahrer sprang mit einem Satz hoch und wäre beinahe von einer vorbeifahrenden Limousine mitgenommen worden.
Dev stieß seine Tür auf, und in seiner Eile kickte er den Styroporkasten, den er vergessen hatte, ein paar Meter weit hinaus auf die Straße. Dort wurde er sogleich von einem Bus plattgewalzt.
Dev konnte im letzten Moment das Krokodil packen, als es beinahe schon unter einem Wagen verschwunden war. Er griff es dann sanft am Nacken, während das verängstigte Tier mit seinen winzigen Zähnchen wie verrückt in die Luft biss.
Immer noch mit schreckgeweiteten Augen, wich der Taxifahrer zu seinem Wagen zurück. „Es ist ein verdammtes Krokodil!“
„Nur ein Babykrokodil“, erklärte Dev ihm. „Es tut mir leid, wenn es Sie erschreckt haben sollte–“
„Erschreckt? Es ist ein verfluchtes Krokodil!“, wiederholte der Fahrer. „Das Vieh hatten Sie in Ihrem Kasten?“
„Stimmt. Sie haben so unerwartet gebremst–“
„Mann! Sie haben ein Krokodil in meinem Taxi mitgenommen?“
„Es ist ein Johnston-Süßwasserkrokodil und völlig harmlos. Hören Sie, meinen Sie nicht, wir sollten wieder einsteigen?“
Ein Auto schoss an ihnen vorbei, der Fahrer drückte wütend auf die Hupe, während der Beifahrer eine obszöne Geste machte.
„Ich steige ein“, sagte der Mann betont und knallte die hintere Wagentür zu, bevor er sich wieder hinters Steuer zwängte. „Aber ich nehme kein verfluchtes Krokodil mit. Und Sie können von jetzt an sehen, wie Sie allein weiterkommen, Kumpel!“
„Klar, sicher. Ich kann ja zu Fuß gehen.“ Dev griff in seine Gesäßtasche und fischte umständlich einen Geldschein aus seiner Brieftasche. „Den Rest können Sie behalten.“