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Südtirol 1939. Karl Unteregger, ein junger angesehener Bergführer in den Dolomiten, hat den Auftrag angenommen, einen Touristen aus Berlin in die Berge zu führen. Der Berliner heißt Fritz Ordemann, er ist Oberpostinspektor und Nazifunktionär. Begleitet wird er von Lotte, seiner Verlobten, einem Berliner Arbeitermädchen, dreißig Jahre jünger als er. Auf der Klettertour offenbart sich rasch der egozentrische Charakter dieses Mannes, der keinerlei Widerspruch gewohnt ist. Lotte, von der Mutter in Erwartung einer guten Partie in das Verhältnis mit Ordemann gedrängt, bewunderte bislang sein so selbstsicheres Auftreten. Hier in der Welt der Berge aber spürt sie zum ersten Mal die moralische Armseligkeit Ordemanns angesichts des aufrechten Wesens des selbstbewussten Bergführers. Ein Wetterumschwung bringt mitten im Sommer Schneefall herbei. Trotzdem besteht Ordemann auf seinem vermeintlichen Recht, auf einen weiteren Gipfel geführt zu werden. Die Gefahren der Witterung interessieren ihn nicht; die Bedrohungen der Bergwelt begreift er nur als Nervenkitzel und Abenteuer, mit denen er später am Stammtisch prahlen kann. Unteregger weiß, dass diese neue Tour mit Lebensgefahr verbunden ist. Aber er ist auf die Einkünfte angewiesen, wenn er für seine Familie das Häuschen in der Nähe seines Heimatdorfes anzahlen will, das der Besitzer nur zu einem Wucherpreis verkauft. Liselotte Welskopf-Henrich vereint in dieser Erzählung, die hier erstmals in ihrer Originalfassung veröffentlicht wird, ihre Liebe zu den Bergen und zur Bevölkerung von Südtirol mit ihrer unversöhnlichen Einstellung gegenüber jeder Art von »Herrenmenschen«, eindrucksvolle Landschaftsschilderungen mit prägnanten Charakterdarstellungen und spannender Handlung.
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Seitenzahl: 131
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Liselotte Welskopf-Henrich
Der Bergführer
Erzählung
Palisander
eBook-Ausgabe
© 2015 by Palisander Verlag, Chemnitz
Erstmals erschienen 1954 im Mitteldeutschen Verlag, Leipzig
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Covergestaltung: Anja Elstner, unter Verwendung des Bildes »Dolomiten klettern« von Gustav Jahn
Lektorat: Palisander Verlag
Redaktion & Layout: Palisander Verlag
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
ISBN 978-3-957840-16-5 (e-pub)
www.palisander-verlag.de
Liselotte Welskopf-Henrich (1901-1979) war eine deutsche Schriftstellerinund Wissenschaftlerin. In den Jahren der Naziherrschaft war sie am antifaschistischen Widerstandskampf beteiligt. Ihre Erfahrungen aus der Weimarer Republik und dem »tausendjährigen Reich« verarbeitete sie in ihren Romanen »Zwei Freunde« und »Jan und Jutta«. 1951 erschien die Urfassung ihres Indianerromans »Die Söhne der Großen Bärin«, den sie später zu einem sechsteiligen Werk erweiterte. 1966 erschien »Nacht über der Prärie«, der weltweit erste Gesellschaftsroman über die Reservationsindianer im 20. Jahrhundert. In den folgenden Jahren, bis zu ihrem Tod, entwickelte sie diese Thematik in vier weiteren Bänden weiter. Darüber hinaus war sie seit 1960 Professorin für Alte Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität und seit 1962 Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Sowohl als Wissenschaftlerin als auch als Schriftstellerin fand sie internationale Anerkennung. Die Stammesgruppe der Oglala verlieh ihr für ihre tatkräftige Unterstützung des Freiheitskampfes der nordamerikanischen Indianer den Ehren-Stammesnamen Lakota-Tashina, »Schutzdecke der Lakota«.
Cover
Titel
Impressum
Über die Autorin
Vorbemerkung
Der Bergführer
Weitere Bücher
»Der Bergführer« wurde erstmals 1954 im Mitteldeutschen Verlag Leipzig veröffentlicht. Liselotte Welskopf-Henrich hatte die Handlung im Jahre 1939 angesiedelt, noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die Protagonisten der Handlung, die aus Berlin und aus Südtirol stammen, lebten somit in der Zeit des deutschen und italienischen Faschismus, und entsprechend waren ihre Lebensumstände dargestellt.
Für die damalige Veröffentlichung wurde die Handlung jedoch ins Jahr 1950 verlegt, offenkundig aus politischen Gründen, und teilweise abgewandelt. Ob mit oder ohne Einverständnis der Autorin, ist nicht überliefert. Die Absicht hinter der Veränderung ist leicht zu erkennen: Westberlin, die Frontstadt im noch jungen Kalten Krieg, sollte in einem möglichst negativen Licht dargestellt werden. Hier konnte der ehemalige Nazi Ordemann seine Vorkriegskarriere unbehindert fortsetzen, hier war das Arbeitermädchen Lotte ohne jede Perspektive.
Die Verlagerung der Handlung in eine andere Epoche führte zu verschiedenen Unstimmigkeiten der Geschichte. Die Leserschaft honorierte dies nicht: »Der Bergführer« erlebte als einziges Werk der Autorin bis heute keinerlei Neuauflagen.
Die vorliegende Fassung des Werkes beruht auf dem Originalmanuskript Liselotte Welskopf-Henrichs, so daß diese fesselnde Erzählung aus der Zeit des »Tausendjährigen Reiches« der Öffentlichkeit erstmals in ihrer ursprünglichen Gestalt zugänglich gemacht werden kann.
Frank Elstner, Januar 2015
»Föhn…«, sagten die Menschen. »Das ist der Fallwind.«
Der Sturm kam aus Süden. An den Hängen der Alpen fiel seine Glut ins Tal. Die lichten Lärchenwälder im südlichen Tirol dürsteten. Die Wiesen verdorrten, wurden braun. Weißgrau lagerten die vom Wasser abgeschliffenen Steinblöcke in den Betten der Bergbäche. Schwächliche Rinnsale tickerten und klickerten zwischen dem Geröll zu Tal. Das Vieh schlug nach den Mücken. In den Menschen pulste das Blut unruhig. Sie arbeiteten ohne Lust und waren müde, ohne Schlaf zu finden. Lange verdeckte Feindschaften platzten auf wie die rissige Erde. Die Richter fällten mildere Urteile über Untaten, wenn sie in den Föhn-Nächten geschehen waren.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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