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Eine Hochlandgeschichte. Ludwig Albert Ganghofer war ein bayerischer Schriftsteller, der durch seine Heimatromane und Volksschauspiele bekannt geworden ist.
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Seitenzahl: 173
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Der Besondere
Inhalt:
Ludwig Ganghofer – Biografie und Bibliografie
Der Besondere
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Der Besondere, Ludwig Ganghofer
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849614720
www.jazzybee-verlag.de
Dichter und Schriftsteller, Sohn des August Ganghofer, geb. 7. Juli 1855 in Kaufbeuren, wandte sich erst der Maschinentechnik zu, betrieb dann in Würzburg, München und Berlin philosophische, naturwissenschaftliche und philologische Studien und widmete sich, nachdem er 1879 in Leipzig promoviert worden war, ausschließlich literarischer Tätigkeit. Er lebt in München. G. errang seine ersten Erfolge als Dramatiker durch die für die Wandertruppe der Münchener Dialektschauspieler gemeinsam mit Hans Neuert geschriebenen Volksstücke: »Der Herrgottschnitzer von Ammergau« (Augsb. 1880; 10. Aufl., Stuttg. 1901), »Der Prozeßhansl« (Stuttg. 1881, 4. Aufl. 1884) und »Der Geigenmacher von Mittenwald« (das. 1884, neue Bearbeitung 1900). Später folgten das gemeinsam mit Marco Brociner geschriebene Trauerspiel: »Die Hochzeit von Valeni« (Stuttg. 1889,.3. Aufl. 1903), die Schauspiele »Die Falle« (das. 1891), »Auf der Höhe« (das. 1892) und das ländliche Drama »Der heilige Rat« (das. 1901). Einen großen Leserkreis erwarb sich G. durch sein frisches Erzählertalent, insbes. mit seinen Hochlandsgeschichten. Wir nennen davon die meist in einer Reihe von Auflagen erschienenen Werke: »Der Jäger von Fall« (Stuttg. 1882), »Almer und Jägerleut« (das. 1885), »Edelweißkönig« (das. 1886, 2 Bde.), »Oberland« (das. 1887), »Der Unfried« (das. 1888), »Die Fackeljungfrau« (das. 1893), »Doppelte Wahrheit« (das. 1893), »Rachele Scarpa« (das. 1898), »Tarantella« (das. 1898), »Das Kaser-Mandl« (Berl. 1900) sowie die Romane: »Der Klosterjäger« (Stuttg. 1893), »Die Martinsklause« (das. 1894), »Schloß Hubertus« (das. 1895), »Die Bacchantin« (das. 1896), »Der laufende Berg« (das. 1897), »Das Gotteslehen« (das. 1899), »Das Schweigen im Walde« (Berl. 1899), »Der Dorfapostel« (Stuttg. 1900), »Das neue Wesen« (das. 1902). Daneben veröffentlichte er noch: »Vom Stamme Asra«, Gedichte (Brem. 1879; 2. vermehrte Aufl. u. d. T.: »Bunte Zeit«, Stuttg. 1883), »Heimkehr«, neue Gedichte (das. 1884), »Es war einmal«, moderne Märchen (das. 1891), »Fliegender Sommer«, kleine Erzählungen (Berl. 1893) u. a. Im Roman »Die Sünden der Väter« (Stuttg. 1886, 7. Aufl. 1902) versuchte sich G. ohne rechtes Glück als Sittenmaler; er hat darin den Dichter Heinrich Leuthold geschildert. G. gab auch eine Übersetzung von A. de Mussets »Rolla« (Wien 1880) und mit Chiavacci die »Gesammelten Werke Johann Nestroys« heraus.
In der Wohnstube des Pfrointnerhofes ging es gar stürmisch zu. Das paßte so recht zu dem bösen Herbstwetter, das draußen mit Heulen und Pfeifen zwischen Haus und Ställen tobte, an den Fenstern alle Läden klappern und auf den Dächern die Schindeln hüpfen und fliegen machte, von der nahen Straße hohe Wirbelsäulen von Staub und welken Blättern über den Hofraum hinwegführte und im Garten die halb ihres Schmuckes schon beraubten Bäume zauste und schüttelte, als wären sie kleine Schulbuben und der Wind ihr springgiftiger Lehrer. Das war auch das richtige Spielzeug für den Sturm, der Pfrointnerhof, der gemeinsam mit dem anstoßenden Bründlhof auf einer sanft gerundeten, das ganze Dorf und Tal beherrschenden Anhöhe frei gelegen war, halb nur einem Bauernhause, halb einem altersgrauen Herrensitze ähnlich, mit seinen schwerfälligen Mauern und den kleinen, fast an Schießscharten erinnernden Fenstern, mit den zwei bauchigen, durch die beiden Stockwerke sich emporziehenden Erkern, mit den spitz ansteigenden, von steinernen Zieraten gekrönten Giebeln und dem rußgeschwärzten Glockentürmchen inmitten des steilen Daches. Dort oben mußte man eine herrliche Aussicht haben über das schöne Tal und die weit zerstreuten Häuser, über die dunkelgrünen, in der Höhe von Steinwänden und Almfeldern unterbrochenen Waldgehänge der ringsum aufsteigenden Berge und über den See, der mitten im Dorfe begann und mit seiner ferneren Hälfte sich hineinzog zwischen die nah aneinander rückenden Felskolosse – ein Bild, das im lichten, sprossenden Grün des lauen Frühlings kaum mehr der wechselvollen Reize bot als jetzt in seinen herbstlich bunten Farben, unter dem Rauschen und Tosen des zügellosen Oktobersturmes.
Die letzte Septemberwoche hatte rauhes Wetter gebracht, es hatte mehrere Tage hindurch im Tal geregnet, und als sich endlich die grauen Wolken verzogen, sah man, daß rings auf den Bergen, bis über die Almfelder herunter schon tiefer Schnee gefallen war. Dann hatte die Sonne plötzlich wieder die alte Kraft gefunden, und unter ihren warmen Strahlen zog sich der Schnee langsam über die Almwiesen zurück, zu springenden Bächen zerschmelzend. Diesen warmen Tagen war die verwichene Nacht gefolgt, so schwül fast wie eine Gewitternacht im Hochsommer. Und dann am Morgen hatten die Berge mit ihren beschneiten Höhen jene seltsam schwärzliche Färbung gezeigt wie im April, wenn der eis- und winterbrechende Südwind im Anzug ist.
Als da der alte Pfrointner bei grauendem Tage unter die offene Haustür trat, schüttelte er bedenklich den Kopf und meinte: »Aber heut, da gebts Obacht, heut wird's noch ein tüchtigen Blaser setzen!«
Und er hatte sich als guter Wetterprophet erwiesen. Ein paar Stunden nach Mittag hatte es angefangen, jäh, mit kurzem Übergang von der völligen Windstille zum tobenden Sturm, dabei nicht das kleinste Wölklein am tiefblauen Himmel, es war der richtige Frühjahrsföhn, als hätte die Zeit in der letzten Nacht den Winter überträumt und möchte nun, noch traumbefangen, den schlummernden Lenz schon wieder aus der Erde wecken, da doch der Sommer kaum vergangen war. Ganz wie dieser ungestüme Wecker, so wild und schwül sauste der Sturm das Tal entlang, brachte ein Wogen und Fluten in alle Wipfel, als wäre das grüne Heer der Bäume zum beweglichen Meer geworden, verfing sich zwischen den Bergen und schürte im See die Wellen, daß er im weißen Schaum und zwischen seinen braunen Ufern sich ansah wie eine riesenhafte Schüssel voll gärender Milch.
Er hatte richtig prophezeit, der alte Pfrointner. Daß aber dieser Tag den Sturm nicht nur über, sondern auch unter sein Dach bringen würde, ganz unerwartet, so recht wie aus blauem Himmel gefallen, das hätte er sich schwerlich träumen lassen.
Um die dritte Nachmittagsstunde, just als die ersten Schindeln von den Dächern flogen, war Marti, der junge Bründlbauer, im Pfrointnerhof erschienen, mit seinem Sonntagsstaate angetan, ein Nelkensträußlein hinter der Goldschnur des grünen Filzhutes. Der alte Pfrointner hatte seinen Gast aufs beste empfangen, denn seine erste Meinung war gewesen, daß es einen Roßhandel gelte. Man setzte sich, sprach eine Weile so hin und her, von der Wintersaat, von den Unfällen, die sich beim Abtrieb der Herden von der Alm ereignet hätten, natürlich auch von dem ›Teufelswind‹, der draußen mit Pfeifen um die Mauern fuhr. Als dann der junge Bründlbauer nach mancherlei Umschweifen eine nachdenkliche Pause machte, war der Pfrointner der festen Überzeugung, daß nun die Frage kommen würde, wie teuer wohl der dreijährige Fuchs zu haben wäre, der überzählig im Stall des Pfrointnerhofes stand. Da machte er aber nun große Augen, als er zu hören bekam, daß es der Bründlbauer nicht auf den dreijährigen Braunfuchs, sondern auf einen zwanzigjährigen Rotfuchs abgesehen hatte. Nicht mehr und nicht weniger wollte Martl als das einzige Kind des Pfrointners, die Zäzil, zu seinem Weibe. Erst war der Pfrointner starr und stumm vor Staunen – aber während dieses Schweigens begann er schon mit seinem flinken Hausverstande zu rechnen, das Für und Wider zu überlegen, das heißt nur das Für, denn ein Wider gab es hier nicht – und dann schlug er lachend sein Jawort in die Hand des jungen Bauern, dem er seit Jahren von Herzen zugetan war, weit über die nachbarliche Freundschaft hinaus. Die Bäuerin wurde gerufen, und auch sie schlug vor heller Freude die Hände über dem Kopf zusammen. Nur schade, daß die Zäzil gerade drunten im Dorfe war; aber sie mußte jeden Augenblick nach Hause kommen. Mit schwatzhafter Geschäftigkeit deckte die Bäuerin den Tisch und schoß dann in die Küche, um für das ›Schalerl‹ Kaffee zu sorgen, das bei einer richtigen Brautschau nicht fehlen durfte. Der Pfrointner begann nun gleich ›verstandsam‹ zu reden, wie er es nannte. Ein langes Handeln und ›Raiten‹ war da nicht nötig, denn die Rechnung ging gleich auf. Der alte Pfrointner und der junge Bründler – einer wog so schwer wie der andere. Die Zäzil war des Pfrointners einziges Kind, der Marti sein eigener Herr, ohne Eltern und Geschwister – da brauchte man nur den Zaun zwischen den beiden Nachbarhöfen aus der Erde zu reißen. In dem stattlicheren Pfrointnerhause sollte das junge Paar wohnen, während der Pfrointner mit seiner Alten in das Bründlhaus hinüberziehen wollte. Auch wollte er nichts von einem langen Brautstand wissen – ganz nach Martls Geschmack. Drei Sonntage waren nötig für das dreimalige Aufgebot in der Kirche, am vierten Sonntag sollte die Hochzeit sein. Da kam das Brautpaar gerade noch vor der ehefeindlichen Adventszeit unter Dach, denn
»Kathrein Sperrt die Geigen ein«,
wie der Pfrointner lachend zitierte.
Marti war mit allem einverstanden, aber – und er brachte das mit verlegenem Zögern vor: »Alles is mir recht, aber die Zäzil sollt man doch ehnder auch noch fragen. Sie is allweil die Hauptperson, und da muß man doch hören, was denn 's Madl meint zur ganzen Sach.«
Der Pfrointner zog die Brauen in die Höhe und machte ein dummes Gesicht. Dann platzte er los: »Jetzt is gut! Was soll denn 's Madl anders meinen, als was ihr Vater und ihr Mutter meint!« Einen ›nobligeren Hochzeiter‹ könnte man ja im ganzen Tal nicht finden, und auch abgesehen von Haus und Gut wäre der Martl ein ganzer Kerl, vor dem man Respekt haben müsse und dem zum richtigen Bauer nichts mehr fehle als höchstens ein Dutzend Jährlein und die Bäuerin, die er soeben suchen kam. Was Marti darauf erwidern wollte, wurde durch den Eintritt der Pfrointnerin abgeschnitten, die mit dem angekündigten ›Schalerl‹ Kaffee erschien. Sie bestellte den Tisch mit goldgeränderten Tassen, schenkte sie voll und überraschte den staunenden Brautwerber noch mit einem riesigen Gugelhupf. Sie hätte halt einen guten Schutzengel, lachte sie, der müsse in seiner himmlischen Weisheit wohl ›gespannt‹ haben, was der heutige Tag noch bringen würde, und hätte ihr deshalb eingegeben, den Sonntagsgugelhupf schon am Samstag in der Früh zu backen statt wie gewöhnlich erst am Samstagabend. Sie wolle ihm dafür aber auch eine halbpfündige Kerze stiften. Nun saßen sie zu dreien um den Tisch, lachten, griffen zu, stießen mit den dampfenden Kaffeeschalen auf das Wohl des fürsichtigen Schutzengels an und ließen ihn leben ›bis auf hundert Jahr nach der Ewigkeit‹, wie der Pfrointner seinen lustigen Trinkspruch spezifizierte.
Plötzlich hob Marti den Kopf und lauschte gegen den Hof. Von seinen Lippen schwand das Lächeln, ein merkwürdiges Zucken kam über seine Lider, und während er sich mit unruhiger Hand durch die krausen Haare fuhr, stammelte er: »Ich mein', sie kommt!«
»So? Kommt s' einmal!« fuhr der Pfrointner auf. »Na also, is ja recht! Da wird nacher bald alles auf gleich sein!«
Leichte Schritte klapperten draußen über die Steinplatten des Flurs, die Haustür krachte, wohl von einem Windzug erfaßt und zugeschlagen, und eine frische, wohlklingende Mädchenstimme ließ sich vernehmen: »Aber so ein Wind! Na! Grad anheben hab ich müssen, daß er mich net davongetragen hat!«
»Geh, Zäzil, geh eini in d' Stuben!« antwortete die kichernde Stimme einer Magd. »Ein Bsuch is drin! Du, da wirst schauen!«
»Was? Ein Bsuch? Bei so eim Wetter?«
Die Tür öffnete sich, und Zäzil erschien auf der Schwelle. Vom dunklen Hintergrund hob sich ihre schlanke, schmucke Gestalt in klaren Linien ab. Blühende Jugendkraft und schwellende Gesundheit sprachen aus den weichen und doch energischen Formen dieses Körpers. Ein dunkelbrauner, eng gefältelter Rock, mit weißer Schürze darüber, floß von den Hüften nieder und zeigte noch die blaugeflammten Strümpfe über den kurzen, nicht gerade zierlichen Halbschuhen. Um die volle Brust und die runden Arme spannte sich in faltenloser Knappheit ein schwarzes, gestricktes Leibchen, dessen roter Brustschild unter der breit ausgelegten Leinenkrause halb verschwand. Auf schlankem Halse saß ein runder Kopf, umwunden von den schweren, vom Sturm ein wenig zerzausten Flechten des rotbraunen Haares, davon sich ein paar kleine Löckchen über die sonnverbrannte Stirne kräuselten. Kein eigentlich schönes Gesicht, aber anziehend in seiner frischen Farbe, in dem eigenartigen Widerspiel seiner Züge. Ein kecker, fast männlich geschnittener Mund, und darüber zwei große, dunkle, träumerische Augen; dieses Gesicht war das klare Spiegelbild einer in sich geteilten Mädchenseele, in welcher unruhig Wetter mit warmer Sonnenhelle wechselte, eigenwilliger Trotz gegen stille Sanftmut kämpfte. Doch schien diese letztere im Augenblick nicht obenauf zu sein; das verrieten die geschürzten Brauen und die fest geschlossenen Lippen. Vielleicht hatte das Toben da draußen auch die Unruhe in dieser Mädchenbrust geweckt, die nach dem anstrengenden Gang im Sturme noch unter hastigen Atemzügen sich hob und senkte.
Mit einem verwunderten Blicke streifte Zäzil die Gesellschaft am Tische. »Schau... Martl... du bist da! Grüß dich Gott!« sagte sie halb lachend, halb im Tone gelinder Enttäuschung. »Jetzt hab ich schon wunder gmeint, wer kommen is, weil d' Resl draußen gar so eine Metten gmacht hat. Ja, was is denn? Schmeckt dir leicht der Kaffee nimmer daheim, weil dir bei uns ein aufkochen laßt?« Sie schüttelte den Kopf, als spüre sie noch die zausende Last des Sturmes, warf den kleinen, mit weißem Adlerflaum geschmückten Hut, den sie in der Hand getragen, auf die Platte des nebenanstehenden Schrankes und drückte die beiden Hände über die brennenden Wangen.
Glühende Röte war über Martls Züge geflogen. Er wollte sich erheben, sich hinter dem Tisch hervorschieben. Der Pfrointner aber zog ihn auf die Bank zurück, und während die Bäuerin verlegen ihrer Tochter entgegentrippelte, um sie unter den stotternden Worten: »Aber Madl, geh sei gscheit... geh, da komm her...« zum Tische zu führen, schrie der Alte: »Bleib nur sitzen, Martl, in aller Ruh kannst sitzenbleiben, das sag ich dir! Und dir, Madl, dir sag ich: Du leg dir für heut ein anderes Reden ein! Heut kommst net aus mit deine gschnappigen Sprüch! Da komm her! Da setz dich her zu mir! Mach weiter! So! Und jetzt schau dir ihn an, den Martl... und sein Sträußerl am Hut! Spannst was, Schnoferl? Ja, grad ein bißl auflusen brauchst, nacher kannst die Trompeten blasen hören! Anschauen tu ihn... als Hochzeiter is er da... und dich will er haben! Von mir und der Mutter hat er 's Jawort schon, alles is ausgredt, schön und verstandsam, morgen is Sonntag, da kann dich der Pfarr zum erstenmal verkünden, und über vier Wochen schmirb ich meine alten Füß und tanz auf deiner Hochzeit! Grad einschlagen brauchst! Tummel dich, Madl, besser kannst es nimmer treffen!«
Da war nun Stille in der Stube, während draußen der Sturm sein Pfeifen und Rauschen trieb.
Zäzil stand und rührte sich nicht. Wie auf dem Gesichte des stillen Brautwerbers, der bald mit verlegenem Blick am Tischtuch hing, bald mit bangen Augen das stumme Mädchen streifte, so wechselten Röte und Blässe auch auf Zäzils Wangen.
»No also, Madl, was is jetzt? Red, sag ich, red!«
»Aber geh«, so suchte die Bäuerin den Alten schüchtern zu beschwichtigen, »was bist auch so rausgrumpelt damit ... schau an ... 's Madl is ganz erschrocken!«
»Ja, ja«, stotterte Martl und schluckte dabei, »schau, Zäzil, überleg dir's... schön in der Ruh ... und nacher red!«
Mit zitternden Händen knitterte Zäzil eine Weile an ihrer Schürze umher; dann nickte sie vor sich hin und sagte: »Besser kann ich's ja nimmer treffen, hat der Vater gmeint. Ah ja! Der schönste Hof, ein Stall voll Roß und Vieh, die besten Wiesen und Äcker, ein ganzer Berg voll Wald ... lauter noblige Sachen! Ah ja! Ob aber neben meim Verstand bei mir was anders auch noch mitredt ... ob mir auch der Bauer gfallt, dem alles ghört ... nach so was braucht man ja bei mir net z'fragen!«
»Aber gwiß, Zäzil«, stammelte Martl, »ich selber frag dich drum ... ich selber.«
»Sie kommt ein bißl spät, dein Frag!«
Dem Pfrointner schwollen die Adern an den Schläfen, und ungeduldig schlug er die Faust auf den Tisch.
»Aber Bauer, geh, was treibst denn!« jammerte die Pfrointnerin.
Doch da fing der Alte schon zu wettern an: »Jetzt hab ich's gnug mit dem dalketen Gred. Der Martl hat in Ehren bei Vater und Mutter um dich anghalten. Was braucht's denn weiter noch? Bei mir und deiner Mutter war's auch net anders, und ich mein', du hast in deine zwanzig Jahr nix gemerkt, als wenn's bei uns zwei net zum Glück ausgschlagen wär. Da wird man extra für dich keine neue Mod erfinden. Und drum red jetzt, sag ich, und gib dem Martl ein richtiges Ja!«
Zäzils Augen funkelten, und ihre weißen Zähne nagten an den Lippen. Nun drückte sie den hübschen Kopf in den Nacken und murrte: »Na... ich mag net!«
Da standen sie alle beide auf den Füßen, Martl und der Pfrointner, und während Martl wortlos auf das Mädel starrte, bleich bis in den Hals, schrie der Alte: »«Was? Du magst net? Und warum net, wenn ich fragen darf?«
»Weil ich net mag... ich mein', das wär Grund gnug!«
»Hoho, du ... oder... oder bist mir am End gar verliebt in so ein Tagdieb?«
»Net daß ich wüßt! Und wenn ich ein möcht, so war er kein Tagdieb, der, den ich mag! Aber wenn der Martl schon weiter was hören will... ich laß mich net verhandeln wie ein Stückl Vieh, das man am Strickl aus'm Stall aussi führt und in den andern Stall eini. Ich mein', ich wär doch ein bißl ein bessern Handel wert als wie ein solchenen! Ah na! Auf so ein von alle Tag, der sich net weiter um mich plagt, als daß er auf'n Feierabend über'n Zaun ummisteigt, sein Spruch fürbringt und mit der Geldbutten scheppert, auf so ein steh ich net an ... ich kann schon auf ein andern warten, der wo ...«
Ihre weiteren Worte erstickten unter der zornbrüllenden Stimme des Pfrointners. »Jetzt is gut! So ein Reden! Das is mir ganz was Neues! Oder meinst am Ende, unser Herrgott wird extra für dich ein Bsondern erschaffen ...«
»Ja, Vater, ja! Allweil gfallt's mir noch daheim, und 's Warten verdrießt mich net... 's Warten auf so ein Bsondern!«
Der kecke, selbstbewußte Klang dieser Worte machte den Pfrointner völlig starr. Martl zuckte schweratmend die Schultern und sagte mit schwankender Stimme: »No ja ... so ein Bsonderer bin ich freilich net... ich bin halt einer, wie die andern sind.«
»Wer weiß?« Und Zäzil lachte gezwungen auf. »Einer von die andern, wann's ihm z'tun gwesen wär um mich, der hätt sich doch ein Zeitlang gstellt danach, hätt mir diemal den Weg abgwart und wär auf d'Letzt gwiß net an mir vorbei zum Vater gangen. Aber du! ›Grüß Gott‹... ›Bhüt dich Gott!‹ und unter der Zeit einmal ein ›Zäzil, wie geht's dir?‹... das ist seit lange Jahr dein einziges Reden gwesen. Schau, da wundert's mich schier, daß grad auf mich denkt hast, weil jetzt eine Bäuerin brauchst. Ja, Martl, ja, ich weiß, du brauchst eine. Seit dem Frühjahr bist allein auf deim Hof... da wachst dir halt jetzt d' Arbeit und der Ärger mit die vielen Ehhalten übern Kopf. Aber laß dir raten, Martl... eine Bäuerin dingt man net ein wie eine Hauserin oder eine neue Magd, bei so eim Wetter, weil grad auf'm Feld draußen nix mehr schaffen kannst... oder am Samstag auf'n Abend, weil grad mit'm Dungführen fertig bist und ein paar Minuten Zeit zum Reden hast.«
»Ja Himmel Kreuz divi domine!« fluchte der Pfrointner. »Jetzt reißt mir aber der Faden, du ungute Gredl, du! Und wenn schon so blind bist, daß net zugreifst mit alle zwei Hand, muß man denn nacher so ein rechtschaffenen Menschen beleidigen auch noch?« Dabei rollte der Alte die Augen so grimmig, daß seine sanfte, weißhaarige Bäuerin alle Ursache gegeben fand, sich wieder aufs Beschwichtigen zu verlegen.
»Aber, Leutln, Jesses na!« so greinte sie. »Wer wird denn jetzt da ein Unfried durcheinander machen, 's Madl mag halt einmal net! So was kann man ja in der Güt auch ausreden! Seids doch gscheit, und... sie mag halt net!«
»Ja... sie mag halt net!« äffte der Pfrointner mit breitem Munde nach.
»No, ja, sie mag halt net!« kam es noch als ein kleinlautes Echo von Martls zuckenden Lippen. Aber seine heiser schwankende Stimme wurde klar und sicher, während er weiter sprach: »Und d' Nachberin hat recht... weswegen denn ein Unfried auch noch! Wenn 's Madl net mag, da is die ganze Sach schon ausgredt, für heut und alle Zeit. Aber... ein paar Wörtln hätt ich noch zum sagen.« Er schob sich hinter dem Tisch hervor, und da stand er nun hoch aufgerichtet und drehte den Hut zwischen den schwieligen Händen. In seinem kräftigen