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Chris Karlden

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Beschreibung

Ein schreckliches Geheimnis. Eine unerträgliche Schuld. Eine verheerende Kettenreaktion. Das Team um die Kriminalhauptkommissare Bogner und Speer untersucht einen ebenso spektakulären wie grausamen Mordfall. Das gefesselte Opfer liegt unter einem Berg von Pflastersteinen begraben. Wurde es gesteinigt? Welche Botschaft steckt hinter dem Auge mit dem Strahlenkranz, das der Mörder als sein Zeichen am Tatort hinterlässt? Während die fieberhafte Suche nach ihm auf Hochtouren läuft, schlägt der Killer wieder erbarmungslos zu. Eine lange vergessene Katastrophe führt die Ermittler schließlich zu den Wurzeln der Mordserie. Als Speer und Bogner der Spur folgen, zählt plötzlich jede Sekunde, wenn sie das Töten für immer beenden wollen. Der Thriller ist in sich abgeschlossen und kann daher auch als Einzeltitel unabhängig von den anderen Büchern der erfolgreichen Reihe gelesen werden.

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DER BEWAHRER

THRILLER

CHRIS KARLDEN

INHALT

Über den Autor

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

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Nachwort

Weitere Bücher

Der Bewahrer

Copyright © 2024 by Chris Karlden

Alle Rechte vorbehalten

Chris Karlden

c/o COCENTER

Koppoldstr. 1

86551 Aichach

E-Mail: [email protected]

https://chriskarlden.de

Umschlaggestaltung: https://buchcover.design

Lektorat: Philip Anton

Erweitertes Korrektorat: Heidemarie Rabe,

E-Mail: [email protected]

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jedwede Verwendung des Werkes darf nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors erfolgen. Dies betrifft insbesondere die Vervielfältigung, Verbreitung und Übersetzung. Dies ist ein fiktiver Roman. Die Figuren und Ereignisse darin sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, wäre zufällig und nicht beabsichtigt.

ÜBER DAS BUCH

Ein schreckliches Geheimnis. Eine unerträgliche Schuld. Eine verheerende Kettenreaktion.

Das Team um die Kriminalhauptkommissare Bogner und Speer untersucht einen ebenso spektakulären wie grausamen Mordfall. Das gefesselte Opfer liegt unter einem Berg von Pflastersteinen begraben. Wurde es gesteinigt? Welche Botschaft steckt hinter dem Auge mit dem Strahlenkranz, das der Mörder als sein Zeichen am Tatort hinterlässt? Während die fieberhafte Suche nach ihm auf Hochtouren läuft, schlägt der Killer wieder erbarmungslos zu. Eine lange vergessene Katastrophe führt die Ermittler schließlich zu den Wurzeln der Mordserie. Als Speer und Bogner der Spur folgen, zählt plötzlich jede Sekunde, wenn sie das Töten für immer beenden wollen.

ÜBER DEN AUTOR

Chris Karlden, geb. 1971, studierte Rechtswissenschaften. Seine Bücher steigen regelmäßig auf Spitzenpositionen in den Bestsellerlisten und begeistern Hunderttausende LeserInnen. Insbesondere seine Thriller-Reihe um die Kommissare Adrian Speer und Robert Bogner erfreut sich einer immer größer werdenden Anhängerschaft.

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1

Sieben Monate davor

Die Nacht war schwülwarm und um kühlere Luft hereinzulassen, blieb die Tür des Klubs weit geöffnet. Matthias Hofner stand am Bartresen, der sich gleich hinter dem Eingang entlang der Wand erstreckte. Er nippte an seinem alkoholfreien Mojito und sah sich um.

Einige Leute hielten sich in kleinen Gruppen auf dem breiten Gehweg vor dem Klub auf. Immer wieder kam jemand von ihnen an die Bar, um eine Bestellung aufzugeben und dann mit den Getränken zurück nach draußen zu verschwinden. Die Zahl derer, die an der Theke verweilten, blieb überschaubar.

Die von Stroboskopblitzen erfüllte Tanzfläche nahm etwa drei Viertel des Lokals ein. Dort bewegten sich alle im Takt der Musik und jubelten dem DJ zu, der ganz hinten im Raum auf einer Bühne vor seinem Mischpult agierte.

Auf einem Barhocker, gleich dort wo der Tresen begann, erspähte Hofner eine dunkelhaarige Frau. Er schätzte sie auf Mitte bis Ende dreißig. Sie sah blendend aus. Zudem war sie sehr schlank und fiel damit genau in sein Beuteschema.

Er nahm noch einen Schluck von seinem Cocktail und holte tief Luft. Dann ging er freundlich lächelnd zu ihr hinüber. Sie hielt den Kopf leicht gesenkt und starrte auf die Bierflasche vor sich auf der Theke, die sie mit einer Hand umklammerte. Sie nahm Hofner erst wahr, als er sich auf den freien Hocker neben ihr schwang.

Abrupt wandte sie sich ihm zu und musterte ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen.

»Keine Lust zu tanzen?«, fragte er.

Sie schwieg ihn an. Dann schaute sie wieder auf ihre Flasche, seufzte und schüttelte den Kopf. »Schätze, das geht dich gar nichts an. Und jetzt lass mich in Ruhe!«

So schnell wollte er sich aber nicht geschlagen geben. Hofner hob die Augenbrauen und gab sich verständnisvoll. »Kann es sein, dass du einen schlechten Tag hattest?«

Sie trank einen Schluck und sagte nichts.

»Meiner war nämlich auch ziemlich mies«, versuchte er es weiter.

»Ach ja?«, flüsterte sie.

Er musste innerlich schmunzeln. Die meisten Menschen hörten, ohne dass sie es zugeben würden, ganze gerne, wenn es anderen nicht so gut ging. Jetzt musste er nur noch eine entsprechende Geschichte präsentieren. Für solche Situationen hatte er immer eine gewisse Auswahl parat.

»Mein Arzt hat mir heute mitgeteilt, dass ich Krebs habe«, begann er und gab sich Mühe, dabei einen besonders gefassten Eindruck zu machen.

Sie sah in unverwandt an. »Verdammt, das tut mir leid.«

Hofner winkte ab. »Man muss eine positive Einstellung gewinnen. Und mein Arzt meinte, es bestehen gute Heilungschancen.«

»Deinen Optimismus möchte ich haben.« Jetzt lächelte sie sogar.

»Und was ist mit dir? Du siehst, mit Verlaub gesagt, auch nicht gerade glücklich aus.«

»Mein Freund hat vor einer Woche wegen einer anderen Frau mit mir Schluss gemacht und heute habe ich auch noch meinen Job verloren.«

»Oh Mann, das ist echt übel.«

Sie lachte. »Das dachte ich auch, bis du mir gerade von deiner Diagnose erzählt hast.«

»Mach dir darüber keinen Kopf und lass uns einfach über etwas anderes reden. Erzähl mal, was machst du beruflich?«, gab er sich interessiert.

Sie rollte mit den Augen. »Ich arbeite als Verkäuferin in einem großen Kaufhaus. Nein, das ist nicht richtig. Ich war als Modeverkäuferin dort tätig. Dass es einen massiven Stellenabbau geben würde, war schon länger absehbar. Ich war noch nicht so lange dabei wie andere Kollegen und habe keine Kinder. Deshalb war ich bei den Ersten, die gehen mussten.«

Hofner nahm Blickkontakt mit dem Barkeeper auf und deutete diesem an, dass er etwas bestellen wollte.

»Darf ich dich zu etwas Stärkerem als Bier einladen?«, fragte er. »Ich denke, wir haben heute beide einen Grund einen Schluck über den Durst zu trinken.«

Sie zögerte nur kurz. »Gerne.«

»Was möchtest du?«

»Gin Tonic wäre cool.«

»Gute Wahl«, sagte Hofner und bestellte zwei von den Longdrinks. Ein alkoholisches Getränk konnte er sich erlauben, ohne dass es seine Fahrtüchtigkeit erheblich beeinträchtigen würde.

»Ich heiße Thomas, aber meine Freunde nennen mich Tom«, log er, als die Drinks da waren und sie anstießen.

»Ich bin Sabine.«

Eine Viertelstunde später hatten sie ihre Gläser geleert und sie entschuldigte sich und ging auf die Toilette. Er bestellte zwei weitere Drinks. Für sich aber diesmal wieder alkoholfrei. Als die Getränke kurz darauf vor ihm standen, sah er sich verstohlen um. Niemand schien ihm besondere Aufmerksamkeit zu schenken, auch der Barkeeper war in die Zusammenstellung eines Cocktails vertieft. Das war der Moment, den er nutzen musste. Aber viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Jeden Augenblick konnte sie zurückkommen.

Schnell holte er unter dem Tresen aus seiner Hosentasche das kleine Fläschchen hervor und drehte den Pipettendeckel ab. Dann gab er ein paar Tropfen der Betäubungsflüssigkeit in ihr Glas. Gerade als das Fläschchen wieder in seiner Tasche verschwunden war, trat Sabine aus dem WC. Lächelnd kam sie auf ihn zu und setzte sich wieder neben ihn.

»Ich habe Nachschub für uns bestellt«, erklärte er.

»Okay, aber nur noch den einen Drink, dann ist für mich Schluss.«

Er nickte, hob sein Glas und prostete ihr zu. Während sie trank, durchströmte seinen Körper das warme Gefühl eines brennenden Verlangens.

* * *

Er hatte am frühen Abend in seinem Wagen in der Nähe von Hofners Haus gewartet. Gegen zweiundzwanzig Uhr hob sich das Garagentor, Hofner fuhr los und er war ihm gefolgt. Einmal verlor er den Wagen aus den Augen, entdeckte ihn nach einer Weile aber wieder. Schließlich endete die Fahrt vor diesem Klub.

Er hatte das Lokal ein paar Minuten nach Hofner betreten und eine Stelle am Rand der Tanzfläche aufgesucht, die fast im Dunkeln lag und von der aus er alles gut im Blick hatte, ohne selbst aufzufallen.

Seit drei Wochen klebte er wie ein Schatten an Hofner, wann immer sich Gelegenheit dazu fand. Dabei kochte seine Wut besonders heftig hoch, wenn er ihm so nahekam wie heute Abend. Er verspürte nichts als blanken Hass auf diesen Mann. Er hatte sich sogar schon genüsslich ausgemalt, auf welche Weise er ihn umbringen würde. Doch er wusste nicht, ob er in der Lage wäre, es auch zu tun, wenn es darauf ankam.

Nichts würde wiedergutmachen, was vor über drei Jahrzehnten geschehen war. Es gab keine Beweise für das Verbrechen. Und selbst wenn es welche gäbe oder jemand seinen Worten Glauben schenken würde, würde eine Anzeige bei der Polizei nach so langer Zeit nichts mehr bringen, da Hofners Tat inzwischen verjährt war. Strafrechtlich konnte Hofner somit nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.

Damals war Hofner arrogant, brutal und gemein gewesen. Aber er konnte im Laufe der Jahre ein besserer Mensch geworden sein. Hatte er dann noch das Recht, eine Tat, verübt durch einen damals Sechzehnjährigen, zu vergelten, noch dazu, wenn sie so lange zurücklag?

Der Schmerz in seinem Herzen war aber ungebrochen. Am liebsten hätte er sofort mit den Fäusten auf diesen Mann eingeschlagen. Aber er riss sich zusammen. Jeder hatte eine zweite Chance verdient. Menschen waren in der Lage, sich zu ändern. Daran glaubte er aufrichtig. Deshalb wollte er Hofner so lange im Auge behalten, bis er erkannte, ob der bösartige Jugendliche von einst sich zu einem besseren Erwachsenen entwickelt hatte.

Doch was er nun beobachtete, erstickte den Rest Wohlwollen, zu dem er sich gezwungen hatte. Er wusste, Hofner war geschieden. Es war nicht verwerflich, dass er eine Fremde in einem Klub ansprach. Aber als die Frau zu den Toilettenräumen gegangen war, hatte er etwas mit ihrem Glas angestellt.

2

Heute. Montag.

Kyra ging mit dem Gesicht näher an den Badezimmerspiegel heran. Fünf Tage war es her, dass Jannick zugeschlagen hatte. Die Eisbeutel, mit denen sie die Stelle unter dem linken Auge gekühlt hatte, hatten geholfen. Die Schwellung war merklich zurückgegangen und der Bluterguss von Rot über Violett und Dunkelblau nach Schwarz verlaufen. Mit reichlich Make-up würde sie die Stelle kaschieren können.

Entschuldigt hatte sich ihr Ehemann nicht bei ihr. Die Hand sei ihm ausgerutscht, und das auch nur deshalb, weil sie ihn so sehr gereizt habe. Er hatte somit ihr die Schuld an dem Ganzen zugeschoben. Sie wusste mittlerweile genau, wie er tickte. Wie hatte sie nur so unverschämt sein können, ihm zu widersprechen? Er wusste doch viel besser, was gut für sie war und was nicht.

Mit den Kolleginnen aus dem Friseursalon nach Feierabend auf einen Drink in eine Bar zu gehen, hatte er ihr verboten. Als sie dennoch darauf beharrte, hatte er ohne weitere Ankündigung zugelangt.

Sie hatte sich auf der Arbeit für eine Woche krankmelden müssen. Aber so wie es aussah, würde sie morgen wieder in den Salon können, ohne dass jemandem das Veilchen auffiel. Sie konnte es kaum erwarten, endlich wieder das Haus zu verlassen, in dem sie sich mittlerweile wie eine Gefangene vorkam. Über alles, was sie tat, musste sie Jannick Rechenschaft ablegen. Und er hatte sogar in jedem Zimmer Überwachungskameras installiert. Der Kerl war krank. Warum hatte sie das erst so spät kapiert.

Kyra schüttelte den Kopf. »Wie konntest du nur auf den Typen reinfallen und ihn nach so kurzer Zeit heiraten?«, flüsterte sie ihrem Spiegelbild zu. Doch selbst hier musste sie vorsichtig sein. Es war nicht ausgeschlossen, dass er mit dem Ohr an der Badezimmertür lauschte, dem einzigen Raum, den er nicht verwanzt hatte.

Eine Wortspielerei kam ihr in den Sinn, und ein bitteres Schmunzeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie war die Beziehung einfach zu blauäugig eingegangen.

Wie dumm sie doch gewesen war. Nachdem sie einen Monat ein Paar gewesen waren, hatte sie ihre Wohnung aufgegeben und war kurz vor Weihnachten zu ihm gezogen.

»Das Geld für die Miete kannst du dir sparen, wenn du zu mir ziehst«, hatte er sie gelockt. »Du schläfst doch sowieso schon die ganze Zeit in meinem Haus«, hallten seine Worte in ihren Ohren nach.

Und das stimmte. Sie war schon immer ängstlich gewesen. Nachts allein in ihrer Wohnung zu sein, hatte sie stets als unangenehm empfunden. Ohne das Licht anzulassen, konnte sie nicht einschlafen. Aber sobald sie neben Jannick lag, spielte das keine Rolle mehr. Diese Abhängigkeit hatte er früh erkannt und ausgenutzt. Jetzt konnte sie nicht einmal mehr in ihre eigene Wohnung flüchten. Sie fühlte sich wie ein Insekt, das einer Spinne ins Netz gegangen war.

Und in dem Fall, dass sie nicht spurte oder gar mit dem Gedanken spielte, ihn zu verlassen, würde er, so hatte er angekündigt, sie finden und ihr Dinge antun, gegen die das blaue Auge eine Lappalie war.

Dabei war er so aufmerksam gewesen, als sie sich vor vier Monaten kennengelernt hatten. Ihre letzte Beziehung lag damals erst ein paar Wochen zurück. Jannick hatte freundlich grüßend den Friseursalon betreten und sich umgeschaut.

Ihre Blicke kreuzten sich und blieben aneinanderhaften. Sein Lächeln wurde breiter. Sofort hatte sie sich von ihm angezogen gefühlt und es so angestellt, dass sie diejenige sein durfte, die dem neuen Kunden die Haare schnitt. Hätte sie das doch nur nicht getan!

Am Tag danach hatte er nach Feierabend vor dem Salon auf sie mit einem Strauß Rosen gewartet. Sie hatte es immer als Makel empfunden, als Single durchs Leben zu gehen. Nie war sie nach einer Trennung lange allein geblieben, und genau darin lag der Fehler ihres Lebens: Sie fühlte sich minderwertig, wenn sie keinen Mann an ihrer Seite hatte, und setzte immer alles daran, diesen Zustand schnellstmöglich zu ändern.

Aber jetzt, da sie bereits auf die vierzig zuging, musste sie erkennen, dass ein Singledasein einem gewalttätigen Ehemann bei Weitem vorzuziehen war.

Im Januar hatte er um ihre Hand angehalten und drei Wochen später waren sie verheiratet. Damals hatte er seine wahre Natur noch vor ihr verborgen, hatte sich charmant und humorvoll gezeigt und ihr mit lieben Worten und Gesten seine Wertschätzung entgegengebracht.

Schon wenige Tage nach der standesamtlichen Hochzeit jedoch hatte sie erkennen müssen, dass das nur Schauspielerei gewesen war, um sie in seine Fänge zu locken, aus denen er nicht gewillt war, sie je wieder freizugeben.

Sein schnelles dreimaliges Klopfen an die Badezimmertür, riss sie aus ihren Gedanken.

»Was machst du denn so lange da drin?«, rief er.

Bevor sie sich fassen und etwas antworten konnte, drückte er die Klinke nach unten und öffnete die Tür.

Schnell wandte sie sich ihm zu und lächelte. »Ich habe mich hübsch für dich gemacht«, sagte sie.

Er schnaufte mürrisch. »Das sollte schneller gehen. Aber das bekommen wir auch noch hin. Ich fahre jetzt ins Büro. Später kaufe ich noch im Supermarkt ein.«

»Aber das kann ich doch erledigen«, entgegnete sie.

Er strafte sie mit einem scharfen Blick.

»Du bleibst hier! Und denk dran ...« Er deutete mit dem Zeigefinger nach oben zur Decke im Flur. »... Ich sehe und höre dich, auch wenn ich nicht hier bin.«

Sie nickte. »Ab morgen kann ich wieder zur Arbeit.«

»Das entscheidest nicht du. Ich habe deine Chefin eben angerufen und ihr gesagt, dass du noch auf unabsehbare Zeit ausfällst.«

»Du hast was?« Sie biss sich im gleichen Moment auf die Zunge. Dass sie wieder zur Arbeit gehen konnte, war ihr einziger Lichtblick gewesen.

Er presste die Lippen aufeinander und seine Wangenmuskeln zuckten. Ein untrügliches Zeichen, dass er gleich ausrasten würde. »Hast du etwa etwas dagegen, dass ich mich um dich kümmere?«

»Nein, natürlich nicht. Entschuldige bitte.«

Er schnaufte mehrmals, schien sich aber wieder zu beruhigen. »Du brauchst nicht zu arbeiten. Auf dein lächerliches Gehalt können wir gut verzichten. Ich verdiene reichlich und hier im Haus ist auch genug für dich zu tun. Kochen, Putzen und schließlich wollen wir auch noch ein Baby.«

Bei dem Gedanken, mit diesem Scheusal ein Kind zu haben, wurde ihr übel.

»Du hast wie immer recht«, kapitulierte sie und senkte den Blick. »Ich war wieder mal zu dumm, um das eben sofort zu begreifen. Klar, dass ich den Job aufgebe, wenn du das für das Richtige hältst.«

Jedem normalen Menschen wäre eine solche Unterwürfigkeit geheuchelt erschienen; er jedoch ließ sich so am ehesten besänftigen. Und sie wollte nur, dass er schnell das Haus verließ.

»Du hast Glück, dass ich gleich um neun Uhr den ersten Klienten habe, sonst würde ich das gerne noch mit dir ausdiskutieren«, sagte er nicht ohne drohenden Unterton. Dann drehte er sich um und ging zur Haustür.

»Ich rufe dich nach dem Termin an«, rief er.

Bloß nicht, dachte sie. Als sie die Haustür ins Schloss fallen hörte, sank sie auf die Knie und begann bitterlich zu weinen.

Was sollte sie nur tun? Sie hatte niemanden, an den sie sich wenden konnte. Der Polizei traute sie nicht. Mit ihrem Bruder hatte sie schon seit ein paar Jahren keinen Kontakt mehr. Andererseits hatte er ihr früher immer geholfen, wenn sie in Schwierigkeiten steckte. Sie stand auf, beseitigte vor dem Spiegel die Spuren aus ihrem verweinten Gesicht, zog die Nase hoch und begab sich ins Wohnzimmer. Dort nahm sie ihr Handy und ging zurück ins Bad.

Noch war ihr Mann nicht in seinem Büro, wo er auf einem Monitor die Kamerabilder überblickte. Die Chancen, dass sie unbemerkt mit ihrem Bruder Till telefonieren konnte, standen also jetzt am besten.

3

Sieben Monate davor

Sabine fasste sich mit der Hand an die Stirn. »Mir wird auf einmal so schwindelig.«

»Kein Wunder. Es ist auch viel zu warm und stickig hier drin. Ein bisschen frische Luft könnte nicht schaden«, schlug Matthias Hofner vor.

Sie nickte. »Mir geht es wirklich nicht gut. Begleitest du mich bitte nach draußen und rufst mir ein Taxi?«

»Klar, das mache ich gerne.«

Hofner nahm sein Handy und täuschte einen Anruf bei einem Taxiunternehmen vor.

Sabine begann in ihrer Handtasche zu kramen.

»Falls du nach deinem Geldbeutel suchst, den kannst du stecken lassen. Die Rechnung übernehme ich.«

Sie lächelte. »Na dann mal vielen Dank.«

Er winkte dem Barkeeper zu und machte ein Zeichen, dass er zahlen wollte, und gab ihm ein dickes Trinkgeld.

»Bist du immer so großzügig?«, erkundigte sich Sabine.

Ein wenig nuschelte sie bereits. Sie war aber noch in der Lage, selbst vom Hocker aufzustehen und ohne seine Hilfe zu gehen. Doch das würde sich schon sehr bald ändern und wenn sich ihr Zustand hier drin noch mehr verschlechterte, würde das die Aufmerksamkeit des Personals und des einen oder anderen Gastes erregen. Sollte es zu einer polizeilichen Befragung kommen, würde man sich dann eventuell an ihn erinnern können. Daher war nun Eile geboten.

»So viel hab ich doch gar nicht getrunken«, wunderte sich Sabine, als sie auf den Gehweg traten.

»Es kommt immer auf die Tagesform an«, beruhigte Hofner sie. »Wenn man gestresst ist und zu wenig gegessen und geschlafen hat, verträgt man weitaus weniger Alkohol.«

»Das wird es wohl sein«, flüsterte Sabine.

Alles lief nach Plan. Im nächsten Moment sackte sie in den Knien ein. Damit hatte er gerechnet. Er fasste sie schnell am Arm und verhinderte so, dass sie fiel.

»Ich bin plötzlich so müde«, lallte Sabine nun. Ihre Lider senkten sich leicht. Sie lächelte.

Außer einem jungen Kerl, der in einer Gruppe in ihrer Nähe stand und nur kurz zu ihnen schaute, schien niemand von einem Mann, der seine augenscheinlich angetrunkene Frau stützte, Notiz zu nehmen.

Hofner legte seinen Arm um ihre Taille und bugsierte sie in Richtung Auto, das nur wenige Meter weit entfernt parkte. Sie ließ es ohne Widerworte geschehen.

Das Mittel, das er ihr verabreicht hatte, würde sie bald völlig willenlos werden lassen. Sie registrierte jetzt schon kaum noch, was um sie herum geschah.

»Ich fahre dich jetzt nach Hause. Es dauert zu lange, bis ein Taxi kommt«, behauptete er.

»Mmh«, raunte sie nur. Ihr Kopf sackte leicht nach vorne, sie schreckte zusammen und richtete ihn wieder auf. Ihre Beine trugen sie kaum noch und ihre Muskeln erschlafften zunehmend, sodass er sie mit jedem Schritt stärker stützen musste.

Er entriegelte seinen Wagen, öffnete die Beifahrertür und bugsierte sie auf den Sitz, den er zuvor schon so eingestellt hatte, dass es leichter war, sie darauf abzusetzen.

Sabine war weitestgehend weggetreten und nahm nicht mehr bewusst wahr, was mit ihr geschah. Sie wunderte sich auch nicht darüber, dass der fremde Mann zwar vorgegeben hatte, sie nach Hause zu fahren, sie aber nicht nach ihrer Adresse gefragt hatte. Ihr Kopf lag zur Seite gedreht auf der Kopfstütze und ihre Lider hoben und senkten sich im Zeitlupentempo. So sah sie besonders zart und unschuldig aus. Sie befand sich jetzt in einer Art Halbschlaf und morgen, wenn die Wirkung des Mittels verflogen war, würde sie sich an nichts von dem erinnern, was er in den nächsten Stunden mit ihr anstellen würde.

Er schloss sanft die Beifahrertür und ging um den Wagen herum. Bevor er einstieg, sah er sich noch einmal unauffällig nach allen Seiten um. Die Leute vor dem Klub schenkten ihm keine Aufmerksamkeit. Die umliegenden Gehwege waren menschenleer. Beruhigt atmete er durch. Dann setzte er sich hinters Steuer und fuhr los.

Schon im Vorfeld hatte er einsame Plätze in der Umgebung ausgekundschaftet. Er entschied sich für den Pappelplatz, einen Parkplatz am Rande des Grunewalds.

Es war bereits halb ein Uhr nachts und auf der Straße herrschte nur noch wenig Verkehr. Nach ein paar Hundert Metern fuhr er auf die Stadtautobahn A 100. Etwa drei Kilometer später nahm er die Ausfahrt Olympiastadion und erreichte über den Messedamm und die Eichkampstraße nach weniger als einer Viertelstunde sein Ziel.

Bis auf einen unbesetzten Pkw am rechten Rand war der Platz leer. Langsam ließ er seinen Wagen an das entgegengesetzte Ende rollen und parkte unter einer Baumkrone. Er stellte den Motor ab und wandte sich Sabine zu. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete gleichmäßig. Er wischte ihr mit einem Taschentuch den Sabber ab, der aus ihren Mundwinkeln geronnen war, und strich ihr übers Haar.

»Sind wir schon da?«, fragte sie leise.

»Ja, das sind wir«, antwortete er.

Dann machte er sich daran, ihr das Top abzustreifen und ihren BH zu öffnen. Gierig glitten seine Finger über ihre nackten Brüste.

»Hey, was machst du da«, stammelte sie und versuchte kraftlos, seine Hand wegzudrücken.

»Ich will nur ein bisschen spielen«, flüsterte er.

In dem Moment wurde die Fahrertür aufgerissen. Hofner ließ von seinem Opfer ab und fuhr herum. Etwas Hartes traf ihn unvermittelt mit voller Wucht ins Gesicht. Seine Nase brach. Es knackte fürchterlich und ein Blutschwall ergoss sich über ihn. Dann verlor er das Bewusstsein.

* * *

Er war Hofner und der Frau aus dem Klub nach draußen gefolgt und hatte beobachtet, wie sie in den Wagen verfrachtet wurde. Jetzt stand für ihn außer Frage, dass Hofner ihr etwas in ihren Drink gemischt hatte.

Natürlich war er an dem Mistkerl drangeblieben. Als dieser auf den Parkplatz einbog, war er weitergefahren und hatte seinen Wagen etwa fünfzig Meter weiter in einer Nische am Straßenrand abgestellt. Dann war er zurückgelaufen.

Als er Hofners Wagen erreichte und auf einen Blick erkannte, was vor sich ging, rastete er aus. Er ergriff einen faustdicken Stein, der unmittelbar vor dem Wagen lag, riss die Tür auf, und als Hofner sich umdrehte, schlug er ihm diesen mit voller Kraft ins Gesicht. Hofners Nasenbein knackte wie ein brechender Ast.

Er starrte auf den Mann, dessen Kopf schlaff zur Seite gekippt war, der aber noch schwach atmete.

Er warf den Stein in hohem Bogen in den angrenzenden Wald und marschierte zurück in Richtung seines Wagens, blieb jedoch, nachdem sich seine Schritte nach und nach verlangsamt hatten, schließlich stehen. Er ballte die Fäuste. Hofner war noch immer das Schwein, das er schon als Jugendlicher gewesen war. Niemals würde er aufhören, Leid zu verbreiten.

Tränen traten in seine Augen, als er an das denken musste, was an dem Flusslauf geschehen war. Er wandte sich wieder dem Wagen zu und wischte sich das Gesicht trocken. Es hatte sich gut angefühlt, ihn zu schlagen, wie gut mochte es erst sein, ihn sterben zu sehen. Er hatte nie vorgehabt, dieses Hirngespinst in die Tat umzusetzen. Aber jetzt ... Eine bessere Gelegenheit würde sich vermutlich nicht mehr bieten, die Welt von diesem Scheusal zu befreien und gleichermaßen seine Rachegelüste zu befriedigen.

Die Straße war um diese Zeit kaum noch befahren. Nur alle paar Minuten rauschte ein Fahrzeug vorbei. Dennoch konnte jeden Moment jemand von der Straße auf den Parkplatz abbiegen.

Noch rang er mit sich. Sein spontanes Handeln erhöhte das Risiko, dass er Fehler beging, aufgrund derer er überführt werden könnte. Aber der Drang, Hofners Leben auszulöschen, gewann nun die Oberhand.

Er ging zurück und öffnete den Kofferraum von Hofners Wagen, der bis auf eine Werkzeugtasche und einen Baustellenhelm leer war. In der Tasche fand er eine Rolle Klebeband.

Er hievte den Mistkerl von seinem Sitz, schleifte ihn zum Heck und verfrachtete zuerst den Oberkörper, danach die Beine in den Stauraum. Dann pappte er Hofner ein Stück Klebeband auf den Mund, umwickelte Hand- und Fußgelenke damit und schloss den Kofferraum.

Plötzlich nahm er das Geräusch eines Motors wahr. Es wurde schnell lauter. Falls das Fahrzeug auf den Parkplatz einbog, war er aufgeschmissen. Schnellen Schrittes begab er sich zur Beifahrerseite, holte die halb ohnmächtige Frau aus dem Wagen und legte sie sanft auf der Grasnarbe ab, die den Parkplatz vom Waldrand trennte. In ihrer Handtasche fand er ihr Handy. Das Abblendlicht eines Autos fiel durch die Bäume auf den Parkplatz. Er hielt den Atem an. Das Fahrzeug fuhr vorbei. Das war also noch mal gut gegangen.

Dann setzte er sich in Hofners Wagen und wählte den Notruf. Für diesen Zweck brauchte er das Handy nicht mittels PIN zu entsperren. Sofort meldete sich ein Beamter.

»Am Pappelplatz beim Grunewald liegt eine bewusstlose Frau«, erklärte er und verstellte dabei seine Stimme.

Er brach das Gespräch ab, startete Hofners Wagen und fuhr über die Königsallee durch den Grunewald Richtung Süden, wechselte auf die A 115 und verließ diese wieder an der Ausfahrt 3. Über die Spanische Allee gelangte er auf den Wannseebadweg, der ihn durch dichten Wald in Richtung der Insel Schwanenwerder führte. Kurz vor der Inselstraße machte die Straße einen scharfen Rechtsknick und wechselte von Asphalt zu einem unbefestigten Untergrund.

Nach etwa einem Kilometer endete der Weg. Er manövrierte den Wagen in eine Schneise zwischen den Sträuchern und stellte den Motor ab. Wenige Meter entfernt lag das Ufer der Havel mit einer Reihe von Bootsanlegestegen.

Es gab keinen treffenderen Ort, um es Hofner heimzuzahlen.

---ENDE DER LESEPROBE---