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Mörderisches Friesland – Die neue Nordsee-Krimireihe mit der frischen Brise Herz und Humor von Bestsellerautor Chris Karlden Schwere Zeiten für Kriminalhauptkommissar Enno Frowein von der Kripo in Wilhelmshaven. Auf einem Strandparkplatz in seinem Heimatdorf Hooksiel wurde die Leiche einer Journalistin im Kofferraum ihres Wagens gefunden. Zudem muss Enno seine unfreiwillige Beförderung verdauen und sich an seine neue übermotivierte Partnerin Hedda Wunderlich gewöhnen, die aus dubiosen Gründen aus dem Saarland an die Nordsee gewechselt hat. Als wäre das nicht genug, drängt Kripochef Harmsen darauf, den Täter schnellstmöglich dingfest zu machen, schließlich ist Ferienhauptsaison und wer macht schon gern dort Urlaub, wo ein Mörder sein Unwesen treibt. Während Enno und Hedda unter Erfolgsdruck versuchen, als Team zu funktionieren, mischen sich zu allem Übel auch noch zwei Hobbydetektive in ihre Ermittlungen ein: Froweins Mutter Frida und ihr Freund Helge, die ihren Spürsinn und ihre Expertise zur Lösung kniffliger Mordfälle lediglich der Lektüre unzähliger Krimis verdanken. Ob das wohl gut gehen kann? Spannung zum Miträtseln garantiert! Begleiten Sie die neuen Kommissare Enno Frowein und Hedda Wunderlich bei ihrem ersten Kriminalfall vor der malerischen Kulisse der Nordseeküste!
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Mörderisches Friesland
Über den Autor
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
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Nachwort
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Ein Nordseekrimi
von
CHRIS KARLDEN
Mörderisches Friesland – Die Tote im Bademantel
Copyright © 2024 by Chris Karlden
Alle Rechte vorbehalten
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Korrektorat und Lektorat: Heidemarie Rabe,
E-Mail: [email protected]
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jedwede Verwendung des Werkes darf nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors erfolgen. Dies betrifft insbesondere die Vervielfältigung, Verbreitung und Übersetzung. Dies ist ein fiktiver Roman. Die Figuren und Ereignisse darin sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, wäre zufällig und nicht beabsichtigt.
Schwere Zeiten für Kriminalhauptkommissar Enno Frowein von der Kripo in Wilhelmshaven. Auf einem Strandparkplatz in seinem Heimatdorf Hooksiel wurde die Leiche einer Journalistin im Kofferraum ihres Wagens gefunden. Zudem muss Enno seine unfreiwillige Beförderung verdauen und sich an seine neue übermotivierte Partnerin Hedda Wunderlich gewöhnen, die aus dubiosen Gründen aus dem Saarland an die Nordsee gewechselt hat. Als wäre das nicht genug, drängt Kripochef Harmsen darauf, den Täter schnellstmöglich dingfest zu machen, schließlich ist Ferienhauptsaison und wer macht schon gern dort Urlaub, wo ein Mörder sein Unwesen treibt. Während Enno und Hedda unter Erfolgsdruck versuchen, als Team zu funktionieren, mischen sich zu allem Übel auch noch zwei Hobbydetektive in ihre Ermittlungen ein: Froweins Mutter Frida und ihr Freund Helge, die ihren Spürsinn und ihre Expertise zur Lösung kniffliger Mordfälle lediglich der Lektüre unzähliger Krimis verdanken. Ob das wohl gut gehen kann?
Spannung zum Miträtseln garantiert! Begleiten Sie die neuen Kommissare Enno Frowein und Hedda Wunderlich bei ihrem ersten Kriminalfall vor der malerischen Kulisse der Nordseeküste!
Chris Karlden, geb. 1971, studierte Rechtswissenschaften. Seine Bücher steigen regelmäßig auf Spitzenpositionen in den Bestsellerlisten und begeistern Hunderttausende LeserInnen. Insbesondere seine Thriller-Reihe um die Kommissare Adrian Speer und Robert Bogner erfreut sich einer immer größer werdenden Anhängerschaft. Die Tote im Bademantel bildet den Auftakt seiner neuen Nordsee-Krimireihe Mörderisches Friesland.
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Der Dorffriedhof von Varel lag inmitten eines botanischen Gartens. Die Gräber waren umgeben von blühenden Pflanzen, Laubbäumen und Sträuchern.
Kriminalhauptkommissar Enno Frowein war zum ersten Mal an diesem besonderen Ort der Ruhe und inneren Einkehr. Und er war sich sicher, dass es Horsts Witwe Beate ein Trost sein würde, ihren Mann hier beerdigt zu wissen.
Gestern Abend war er bei ihr gewesen und hatte ihr persönlich sein Beileid bekundet. Kinder hatte das Ehepaar keine und dass Beate deshalb jetzt allein zurückblieb, tat Enno besonders leid. Dabei lag so eine Gefühlsduselei sonst so gar nicht in seiner Natur. Doch er vermisste seinen Freund und Chef Horst Kirschner sehr und im Laufe der Beerdigung war ihm dies nochmals schmerzlich bewusst geworden.
Die Andacht und den musikalischen letzten Gruß der Blaskapelle, in der Horst Mitglied gewesen war, sowie die anschließende Litanei des Pfarrers in der Leichenhalle hatte er gut hinter sich gebracht. Doch beim Gang der Trauergemeinde zur Beisetzungsstätte hatte es Enno nun ganz nach vorn ans Grab verschlagen. Ihm gegenüber, nur getrennt durch den auf Holzbalken an Seilen über dem Erdloch thronenden Sarg, Beate, die sichtlich mit den Tränen kämpfte.
Berührt sah er hinauf in den wolkenverhangenen Himmel. In den vergangenen Tagen war es sonnig und warm gewesen. Aber heute bei Kirschners Beisetzung zeigte das Wetter wie schon den gesamten Juni über kein Erbarmen und es sah wieder nach einem baldigen Regenguss aus.
Die Sargträger, allesamt wie der Verstorbene Mitglieder des örtlichen Männergesangsvereins, ließen nun die mit Ornamenten versehene Kiste aus massivem Kirschholz in die Tiefe gleiten. Einer von ihnen hatte sichtlich Probleme mit dem Gewicht und Enno hoffte, dass dem hageren Mann sein Seilende nicht aus den Händen glitt.
Es war schon tragisch genug, dass Horst so plötzlich und unerwartet verstorben war. Über vierzig Jahre war er mit Beate verheiratet und noch ein paar Jahre länger war er bei der Polizei gewesen. Ein Ermittler durch und durch. Dass er irgendwann einmal nur noch den Rasen in seinem Garten mähen würde, hatte sich niemand so recht vorstellen können. Zwei Monate vor seiner Pensionierung war Horst abends zu Bett gegangen, eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht. Herzinfarkt. Es schien fast so, als ob Horst es vorgezogen hätte, sich vor seinem gefürchteten Rentnerdasein in den Tod zu flüchten.
Enno hoffte nun inständig, dass die Beerdigung bald vorüber sein würde und er sich endlich ins Wochenende stürzen konnte. Er fühlte sich nämlich in der ersten Reihe unter den Blicken der Trauergäste zunehmend wie auf dem Präsentierteller. Hinzu kam, dass die Anzughose ihm im Schritt zu eng saß und unaufhörlich in seiner Gesäßfalte zwickte. Unauffällig zupfte er deshalb an dem Stoff, der seine Po-Ritze quälte, und bedauerte, dass er dem Kleidungsstil, den er üblicherweise pflegte, nicht treu geblieben war. Eine schwarze Jeans, ein weißes Hemd und, wenn es kühl war, eine Lederjacke hatten es bei Traueranlässen bisher auch immer getan. Doch je näher Horsts Beisetzung gerückt war, desto unangemessener erschien es ihm, in seiner profanen Alltagskleidung dort zu erscheinen.
Schließlich hatte sein Chef großen Wert auf Etikette gelegt. Nur deshalb hatte Enno sich noch kurzfristig entschlossen, Horst die letzte Ehre in einem schwarzen Anzug zu erweisen.
Da er einen solchen nicht besaß, hatte er den Zweiteiler aus reinem Polyester gestern in der Wilhelmshavener Nordseepassage als günstiges Sonderangebot von der Stange erworben. Der Verkäufer legte sogar noch eine schwarze Krawatte gratis obendrauf. Davor hatte dieser mehrfach beteuert, dass der Anzug Enno fabelhaft stehen würde. Seine Zwillingsschwester Dina holte ihn aber schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. »Du siehst total bescheuert aus«, rief sie und lachte, als er sich in dem Zwirn heute beim Mittagessen in Mutter Fridas Wohnküche präsentiert hatte.
Frida hatte kurz mitgelacht, sich aber löblicherweise gleich wieder eingekriegt. »Das geht schon«, hatte sie aufmunternd gesagt und ihm die schwarze Krawatte zu einem ordentlichen Knoten gebunden. Ein Unterfangen, an dem er zuvor trotz Zuhilfenahme einer Schritt-für-Schritt-Anleitung auf YouTube kläglich gescheitert war.
Während der Pfarrer zu einem weiteren Redeschwall ansetzte, blickte Enno sich verstohlen um. Er schätzte, dass mehr als die Hälfte der Belegschaft der Wilhelmshavener Polizeiinspektion rundum versammelt war. Und ausgerechnet Kriminalrat Bauko Harmsen hatte sich in seinem figurfreundlichen schwarzen Trenchcoat neben ihm postiert und war ihm unangenehm nah auf die Pelle gerückt.
Bauko war ein Vollbartträger und von enormer Leibesfülle. Er redete übermäßig laut und aß leidenschaftlich gern. Außerdem liebte er es, sich ins Rampenlicht zu schieben, war eingeschworener Junggeselle und hatte schwielige große Pranken. Wenn man Bauko Harmsen nicht kannte, hätte man ihn auf den ersten Blick eher für einen von schwerer Feldarbeit gezeichneten Bauern, als für einen ranghohen Kripobeamten gehalten.
Auf der linken Seite stand Arne Borchert und funkelte Enno aus der dritten Reihe zwischen den Köpfen der vor ihm Stehenden hindurch mit verengten Lidern feindselig an. Vermutlich musste sich Arne dafür auf seine Zehenspitzen stellen, denn seine Körpergröße lag deutlich unter dem männlichen Durchschnitt. Arnes lockiges blondes Haar hatte ihm im Kollegenkreis den Spitznamen Goldlöckchen eingehandelt. Doch der niedliche Name, der Arne gründlich missfiel, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Arne ein karrieregeiler Egoist mit einem Hang zu grenzenloser Selbstüberschätzung war.
Wenn Arnes Blicke töten könnten, müsste ich jetzt tot umfallen und mich zu dir ins Grab legen, Horst, ging es Enno durch den Kopf. Dabei hatte sein Zerwürfnis mit Arne auf Horsts Feier zum 40. Dienstjubiläum überhaupt erst seinen Anfang genommen.
Horsts Scharfsinn und seine Beharrlichkeit hatten unzählige Straftäter hinter Gitter gebracht. Sein Nachfolger würde es äußerst schwer haben, in seine Fußstapfen zu treten. Beworben hatte sich aber leider nur Arne Borchert auf den vorzeitig freigewordenen Posten. Dabei mangelte es Arne nicht nur an Intelligenz, sondern auch an Menschlichkeit und Empathie, Eigenschaften, die für eine solche Führungsposition nach Ennos Meinung unerlässlich waren.
Enno hoffte, dass Bauko Harmsen, der in der Sache das letzte Wort hatte, das ebenso sah, und mochte sich gar nicht ausmalen, wie sich die Arbeit unter Arne anfühlen würde.
Während der Pfarrer seine abschließenden Worte brabbelte und das Grab segnete, wandte sich Enno schnell von Arne ab und sah nach rechts, wo sein Blick an seiner hübschen Kollegin Imke, die in einem anderen Kommissariat arbeitete, hängen blieb.
Imke war immer zu einem Scherz aufgelegt und eine Frohnatur. Auch jetzt grinste sie, was Enno nun doch etwas unangemessen erschien. Er lächelte dennoch der Höflichkeit halber zurück, bis er feststellte, was der Grund für Imkes Belustigung war. Sie riss die Augen auf und deutete mit einer Kopfbewegung auf seinen Schritt. Er sah an sich hinunter, entdeckte, was Imke an ihm so witzig fand, und zog den Reißverschluss seiner Hose schnell wieder hoch.
Begleitet von einem Lied des Männergesangsvereins schritten die Trauergäste nun nacheinander ans Grab, um sich persönlich von dem Verstorbenen zu verabschieden.
Als Enno an der Reihe war, blickte er kurz hinunter auf den Sarg, tippte den Olivenstrauchzweig in das aufgebaute Weihwasserbecken und zeichnete damit über dem Grab ein imaginäres Kreuz. »Mach’s gut, alter Freund!«, murmelte er. Dann trat er beiseite und begab sich Richtung Ausgang.
Das Gefühl der Erleichterung, das Enno empfand, als er vor die Friedhofsmauern trat, währte nicht lange.
Kriminalrat Harmsen war auf einmal neben ihm und legte ihm von hinten seine Hand schwer auf die Schulter. »Wir treffen uns in einer Stunde in meinem Büro, Frowein! Wir müssen da noch was bereden«, raunte er verschwörerisch in Ennos Ohr.
Dann ließ Harmsen mit einem Klaps auf die Schulter von ihm ab und watschelte zu seinem Wagen, der ein paar Meter weiter am Straßenrand parkte.
Gegen siebzehn Uhr erreichte Enno mit seinem Wagen die Polizeiinspektion in Wilhelmshaven, deren Beamten sowohl für das Stadtgebiet als auch den Landkreis Friesland zuständig waren. Die Kollegen aus dem Kommissariat waren größtenteils schon ins Wochenende verschwunden und es herrschte insgesamt eine ungewohnte Ruhe im Gebäude. Während Enno die Treppe hinauf und durch den Korridor zu Bauko Harmsens Büro ging, sehnte er sich nach einem kalten Bier auf der Veranda seines kleinen Holzhauses, das im Garten des Eigenheimes seiner Mutter stand.
Enno hielt kurz inne und atmete durch, als er vor Harmsens Bürotür angelangt war. Dann klopfte er an. Er hatte keine Ahnung, was so wichtig war, dass es nicht bis Montag warten konnte. Wegen eines Fehlverhaltens im Dienst konnte Harmsen ihn nicht herzitiert haben, zumindest war er sich eines solchen nicht bewusst. Dennoch überkam ihn ein ungutes Gefühl, als er zaghaft die Klinke nach unten drückte und die Tür öffnete.
»Nur rein mit Dir, Frowein«, schallte Harmsen. Er saß hinter seinem Schreibtisch. »Wir haben schon auf dich gewartet.«
Als Enno eintrat, bemerkte er, dass rechts neben der Tür noch jemand im Raum stand und wer mit wir gemeint war. Wollte denn der albtraumhafte Tag heute kein Ende nehmen!
»Was will der denn hier?«, entrüstete sich Arne Borchert.
Harmsen erhob sich von seinem Drehsessel und kam hinter seinem Schreibtisch hervor.
»Nu krieg dich mal wieder ein, Borchert! Ich hab dir doch gesagt, dass noch jemand zu uns stößt.«
»Klar Chef«, sagte Borchert jetzt ganz unterwürfig und warf Enno einen missmutigen Blick zu.
Harmsen straffte die Schultern. »Also ich will dann mal gleich zur Sache kommen. Sicher fragt ihr euch, warum ich euch beide herbestellt habe?«
»Was mich angeht, kann ich mir das denken«, meinte Borchert und grinste Enno herablassend an.
»Also wie ihr euch sicher schon denken könnt, geht es um die Nachfolge des Kollegen Kirschner. Und ich dachte mir, es wäre gut, wenn ihr meine Entscheidung erfahrt, bevor am Montag die Kollegen wieder da sind. Dann habt ihr übers Wochenende Zeit, euch auf die neue Situation einzustellen. Ich weiß ja, dass ihr beide nicht die besten Freunde seid. Na ja, und Kirschners Beerdigung wollte ich auch noch abwarten.«
Harmsen machte eine Sprechpause, um den entscheidenden Worten, die er gleich nachschieben würde, ein noch höheres Gewicht zu verleihen. Ohne eine Miene zu verziehen, sah er zuerst Enno und dann Arne für ein paar Sekunden an.
Arne nutze Harmsens kurzes Schweigen, um diesem noch tiefer als sonst in den Allerwertesten zu kriechen. »Find ich gut von Ihnen, Chef! Ich meine, dass Sie das Thema Beförderung heute schon abhaken wollen. Das gibt mir die Möglichkeit, gleich im Anschluss den Kuchen für Montag zu bestellen.«
Harmsen zog eine Augenbraue hoch und strafte Borchert mit einem bösen Blick für die Unterbrechung.
Schon klar, dachte Enno. Harmsen hatte ihn zu Borcherts Beförderung hinzugebeten, damit er am Montag nicht vor versammelter Mannschaft aus allen Wolken fallen würde, wenn Arne ihm als sein neuer Vorgesetzter präsentiert wurde.
»Gab’s denn keinen anderen Bewerber, der für die Stelle infrage kam?«, machte Enno seinem Unmut kurz Luft.
Harmsen schenkte ihm einen vernichtenden Blick. »Vielleicht lasst ihr mich jetzt einfach mal ausreden.« Harmsen kratzte sich am Hinterkopf und verzog gequält das Gesicht. »Ich hab mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Vielleicht sollte ich es mir sogar noch mal überlegen.«
»Chef, das brauchen Sie nicht!«, sagte Borchert. »Sie können sich auf mich verlassen. Glauben Sie mir, ich bin genau der Richtige für den Job.«
»Was hab ich dir schon öfter gesagt, Borchert?«
»Ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen, Chef«, gab Borchert sich erstaunt.
»Eigenlob stinkt!«
»Und was heißt das jetzt?«, fragte Borchert.
»Na, dass du den Posten nicht bekommst«, platzte es aus Harmsen heraus. »Ich dachte, das solltest du vor dem Wochenende erfahren.«
»Aber ... wer bekommt ihn denn dann?«, fragte Goldlöckchen konsterniert.
Harmsen wandte sich Enno zu und knabberte kurz an seiner Unterlippe. »Frowein, hiermit befördere ich dich zum ersten Kriminalhauptkommissar und Kommissionsleiter.«
Harmsen nahm Ennos Hand und schüttelte sie. »Herzlichen Glückwunsch!«
Borchert sackten die Beine ein und er stolperte nach hinten. Dabei zeigte er auf Enno. »Der ... der hat sich doch gar nicht auf den Posten beworben.«
»Doch, das hat er«, stellte Harmsen mit eindringlichem Blick auf Enno klar. Enno hatte zwar schon den Mund geöffnet, um Protest einzulegen, schloss ihn aber wortlos wieder.
Borchert marschierte in Richtung Tür. »Kameradenschwein«, rief er Enno zu. »Ich hab dich gefragt, Frowein, ob du dich auf den Posten beworben hast, und du hast nein gesagt, du kämst nicht im Traum darauf, dich als Leiter zu bewerben, hast du gesagt. Viel zu stressig, hast du gesagt! So wie du, Frowein, möcht ich mal lügen können.«
Dann verließ er grußlos das Zimmer und warf die Tür geräuschvoll ins Schloss.
»Können Sie mir mal verraten, was das soll?«, fragte Enno entrüstet an Harmsen gewandt.
Der streifte sich mit der Hand über sein stoppeliges Haar und ging im Raum auf und ab. »Ich konnte doch nun den Borchert nicht auf Kirschners Stuhl setzen.«
»Aber gab es denn niemanden von außerhalb, der den Job wollte.«
»Nö«, sagte Harmsen.
»Aber ich hab mich nicht auf die Stelle beworben«, protestierte Enno.
»Deine Bewerbung gibst du mir am Montag. Sechs Wochen zurückdatiert, das versteht sich von selbst«, zwinkerte Harmsen ihm kumpelhaft zu.
»Aber ich will nicht. Ich meine, ich kann das nicht.«
Harmsen wandte sich Enno grimmig zu. »Das hast du jetzt aber dem Kirschner zu verdanken. Der kam vor vier Wochen zu mir ins Büro und meinte, er will, dass, wenn er ausscheidet, du seinen Job bekommst. Ich musste es ihm hoch und heilig versprechen. Er hat gesagt, der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.«
Enno wurde plötzlich speiübel.
»Ich kann doch nicht den letzten Wunsch eines Verstorbenen unerfüllt lassen, das bringt Unglück!«, zeterte Harmsen. »Was ist jetzt, Frowein, akzeptierst du den letzten Willen deines alten Chefs oder soll ich dir doch den Borchert vor die Nase setzen?«, drohte er dann.
Enno schluckte schwer. »Ist gut. Am Montag bekommen Sie meine Bewerbung.«
Harmsen strahlte. »Na also. Gut so, mein Junge. Warum nicht gleich so!« Er machte zwei entschlossene Schritte auf Enno zu und schlug ihm mit seiner rechten Pranke so fest auf die Schulter, dass Enno leicht in die Knie ging. »Du bekommst natürlich auch einen neuen Partner, äh, ich meine Partnerin. Du und Borchert, das geht ja nicht zusammen.«
Enno sah Harmsen schweigend an. Egal, was dieser jetzt noch vom Stapel ließ, er würde es widerstandslos über sich ergehen lassen, und während Harmsen euphorisch weiterredete, schaltete Enno gedanklich ab und hatte nur ein kühles Bier und den Liegestuhl auf seiner Veranda im Kopf. Deshalb bekam er auch den Namen seiner neuen Kollegin nicht mit, sondern nur wie durch Watte gegen Ende von Harmsens Geschwafel, dass die Neue am Montag anfangen würde und sich vom Landeskriminalamt Saarbrücken an die Nordsee beworben habe.
»Kann ich jetzt gehen?«, fragte Enno, als Harmsen aufgehört hatte zu reden.
»Ich kann mich doch auf dich verlassen, Frowein?«, bohrte Harmsen und hob drohend den Finger. »Nicht, dass du dir’s anders überlegst und hinschmeißt. Denk dran, was dein Freund Kirschner davon halten würde. Er wollte, dass du seinen Job übernimmst. Falls du aber doch einen Rückzieher machst und einen Versetzungsantrag einreichst, werde ich den ablehnen. Du musst dann mit dem Borchert zusammenarbeiten. Nur, dass dir das klar ist.«
Enno nickte. »Ist klar.«
»Na dann, ab ins Wochenende mit dir! Da kannst du dich schon mal seelisch und moralisch auf die nächste Woche und die neue Aufgabe vorbereiten.«
Harmsen legte jetzt den Kopf schief und lächelte irgendwie heimtückisch. »Warum hat der Arne dich eigentlich so auf dem Kieker?«, fragte er dann. »Da steckt doch noch mehr dahinter als ein Konkurrenzkampf um den Chefposten. Das spür ich doch.«
Enno verzog die Mundwinkel nach unten. »Da könnten Sie richtigliegen. Da war mal was zwischen uns.«
»Mehr willst du mir wohl dazu nicht sagen«, stellte Harmsen beleidigt fest.
Enno zuckte bloß die Schultern und nickte.
Harmsen sah Enno ernst an. »Ihr solltet euren Streit beilegen. Ich mag keine Animositäten unter den Kollegen in meiner Dienststelle. Das ist nicht gut für das Betriebsklima.«
Wenn das so einfach wäre, dachte Enno und nickte abermals.
Harmsens Gesicht hellte sich wieder auf. »Aber jetzt wollen wir nicht weiter Trübsinn blasen. Frowein, was bin ich froh, dass du jetzt den Job vom alten Kirschner machst«, gluckste er.
»Jaja«, sagte Enno. »Es bleibt mir wohl auch nichts anderes übrig.«
»Du wirst es nicht bereuen«, versuchte Harmsen ihn aufzumuntern.
Da wiederum war Enno sich nicht so sicher.
»Na dann mal Tschüss und bis Montag«, verabschiedete er sich.
Er hatte sich erst ein paar Meter im Flur entfernt, als hinter ihm die Tür wieder aufging.
»Da wäre noch was, Frowein!«, rief Harmsen ihm durch den Korridor hinterher.
Seufzend drehte Enno sich um.
»Du bringst doch am Montag sicher ein paar leckere Kuchen mit? So eine Beförderung muss schließlich gefeiert werden.«
»Geht klar«, sagte Enno.
»Prima«, freute sich Harmsen und verschwand wieder in seinem Dienstzimmer.
Auf dem Heimweg von Wilhelmshaven nach Hooksiel kreisten Ennos Gedanken ausschließlich um diese verfluchte Zwangsbeförderung zum leitenden Kriminalhauptkommissar. Unter Kirschners Fittichen war sein Job in den letzten zehn Jahren angenehm und komfortabel gewesen. Kirschner hatte ihm gesagt, was er tun sollte, und er war dessen Weisungen bereitwillig nachgekommen.
Und jetzt sollte plötzlich er derjenige sein, der die Entscheidungen traf und für das Ergebnis der Ermittlungen verantwortlich war.
Je mehr er darüber nachdachte, desto frustrierter wurde er. Harmsen hatte ihn mit dieser Beförderung ordentlich überfahren. Gleichzeitig hatte Harmsen ihm aufgezeigt, dass er ansonsten Arne Borchert als seinen neuen direkten Vorgesetzten zu akzeptieren hätte, und das war überhaupt nicht hinnehmbar. Wie er es auch drehte und wendete, einen Ausweg aus diesem Schlamassel gab es nicht.
Als er gegen achtzehn Uhr seinen alten BMW in die gepflasterte Einfahrt seines Elternhauses lenkte, stand dort unerwarteterweise schon Dinas Kleinwagen und nur knapp verhinderte seine Vollbremsung einen Zusammenstoß.
Fluchend stieg Enno aus seinem Wagen und warf die Tür krachend ins Schloss.
Eigentlich sollte seine Schwester um diese Uhrzeit noch in ihrem Geschäft in der Fußgängerzone weilen und den Touristen Souvenirs verkaufen. Genervt marschierte Enno seitlich vorbei hinter das Haus in den Garten und über den frisch gemähten Rasen zu seinem Blockhaus. Als er die Eingangstür seines Zwei-Zimmer-Domizils öffnete, empfing ihn ein ohrenbetäubendes Getöse. Verursacher waren seine Mutter Frida, Schwester Dina, deren elfjähriger Sprössling Tamme und Mutters rein platonischer Freund Helge Schlicker. Sie hatten bunte Faschingsluftrüssel im Mund und bliesen, was das Zeug hielt, hinein.
Kurz darauf nahmen sie die Rüssel aus den Mündern und riefen »Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung« im Chor, gefolgt von weiteren Trötenstößen, und dazu klatschten sie auch noch.
Enno presste die Lippen zusammen und starrte die ungebetenen Gäste entgeistert an.
Frida reichte ihm freudestrahlend eins der gefüllten Sektgläser, die auf dem Couchtisch standen. »Na mach schon! Greif zu! Wir wollen doch nicht, dass der Schampus warm wird«, meinte sie, als er nicht reagierte.
»Was soll denn der ganze Aufmarsch?«, motzte er.
Frida senkte das Glas.
»Wonach sieht es denn aus? Wir wollen mit dir auf deine Beförderung anstoßen«, freute sie sich.
Enno ging an ihr vorbei zum Kühlschrank, der in der Ecke neben der kleinen Küchenzeile und der Tür zum Schlafzimmer seinen Platz gefunden hatte, und angelte sich eine Bierflasche aus der Nullgradzone.
»Du warst zwar auf einer Beerdigung, aber die Trauermiene könntest du jetzt auch mal ablegen«, fuhr Dina ihn vorwurfsvoll an.