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Entdecken Sie die Geheimnisse hinter dem unwiderstehlichen Charme von James Bond! Was macht den legendären Geheimagenten 007 so erfolgreich und faszinierend? In Der Bond-Appeal lüftet Autor Bernd Harder die Tricks und Kniffe, die James Bond zu einem der beliebtesten Filmhelden aller Zeiten machen. Mit den besten Sprüchen, dem gewinnendsten Lächeln und dem charmantesten Auftreten meistert Bond selbst die aussichtslosesten Lagen mit Stil und Cleverness. Dieses unterhaltsame Sachbuch beantwortet alle wichtigen Fragen rund um den Kult-Agenten: Wie mixt man den perfekten Wodka-Martini? Was verbirgt sich hinter dem geheimnisvollen Algerischen Liebesknoten? Wie gewinnt man ein Vermögen am Spieltisch? Und mit welchem Auto lässt sich sogar ein Düsenjet verfolgen? Tauchen Sie ein in die Welt von 007 und entdecken Sie, wie man mit Bonds Charisma und Cleverness mehr Abenteuer, Glamour und Erotik ins eigene Leben bringt. Der Bond-Appeal von Bernd Harder – als eBook erhältlich!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 292
Bernd Harder
Der Bond-Appeal
Knaur e-books
Der Mann, der da spätabends bei Johannes B. Kerner sitzt, ist etwa Mitte dreißig, 1,83 groß, athletisch gebaut und auffallend stilsicher gekleidet. Es geht um das Thema »Der perfekte Spion – die rätselhafte Welt der Geheimdienste«, und der TV-Talker begrüßt seinen Gast mit der Frage: »Sie sind also ein britischer Spion. Haben Sie auch einen Namen?« Und der Mann antwortet: »Mein Name ist Bond, James Bond.« Neben Bond sitzen George Smiley, John Steed und Jason Bourne.
Kerner wendet sich zuerst an den Secret-Service-Mitarbeiter mit der Geheimnummer 007: »Sie gelten als der berühmteste Geheimagent der Welt. Ist das nicht ein Widerspruch?«
Bonds stahlblaue Augen fixieren durchdringend sein Gegenüber. »In meinem Geschäft muss man auf alles gefasst sein.«
»Und was für ein Geschäft ist das?«, fragt der Moderator.
»Ich helfe Menschen, die Probleme haben.«
»Ein Problemlöser?«
»Ich würde eher sagen«, präzisiert Bond, »ein Problembeseitiger.«
Als Kerner merkt, dass seine Taktik ins Leere läuft, flüchtet er sich ins Gefühlige. »Wem würden Sie Ihr wahres Gesicht zeigen? Vor wem würden Sie Ihre Maske ablegen?«
Bonds Körper spannt sich. Er …
Halt! Stopp! Wer würde so etwas sehen wollen?
Der Autor dieses Buches hat immerhin schon mal Superman, Witchblade, Sailor Moon und Pluto zu einer Talkrunde versammelt – vier der populärsten alten und neuen Comic-Helden. Natürlich nicht real, sondern für einen Zeitschriftenbeitrag. Das war spaßig.
Sicherlich könnte man so etwas auch mit Dracula, Frankensteins Ungeheuer, King Kong und der Mumie machen. Oder mit Sherlock Holmes, Mike Hammer, Hercule Poirot und Gilbert Grissom, dem Ermittler von CSI.
Aber mit James Bond? Nein.
»Wir wollen James Bond nicht zum Essen einladen oder mit ihm Golf spielen oder uns unterhalten«, schrieb der englische Literaturdozent und Science-Fiction-Autor Kingsley Amis schon in den sechziger Jahren. »Wir möchten Bond sein!«
Amis hatte recht.
Mit Perry Rhodan oder Luke Skywalker, mit Batman oder Fox Mulder kann man aufwachsen. Sie begegnen uns schon früh in Büchern, Heften oder im Fernsehen und begleiten uns über Jahre und Jahrzehnte. Wir stolpern immer wieder über sie, und irgendwann werden aus den Helden der Kindheit und Jugend vielleicht Kultfiguren. Oder gar Freunde fürs Leben. Aber dennoch bleiben sie Strichmännchen, Sprechblasen, Filmstars.
Als ersten Bond-Film sah ich Der Spion, der mich liebte. Das war 1977, ich war elf und wollte danach unbedingt eine Seiko-Quarzuhr und einen Lotus Esprit. Niemand fand das seltsam, ganz im Gegenteil. Denn fast ohne Ausnahme sprach jeder in meinem Familien- und Freundeskreis von James Bond, als sei er eine wirklich existierende Person.
Mit elf las ich in der Lokalzeitung zumindest schon den Sport- und den Kinoteil. Und da stand, dass die »Kombination aus Sex, Gewalt und Alkohol und – in Intervallen – gutem Essen und schöner Kleidung« die Faszination der James-Bond-Filme ausmache.
Blödsinn. Nichts von alledem interessierte mich damals. Aber trotzdem beeindruckte mich James Bond.
Warum? Er konnte mit den Besten und mit den Schlechtesten umgehen.
James Bond über das eigene Erscheinungsbild zu stülpen war somit für den nächsten Schulball ebenso nützlich wie für die nächste Straßenrauferei. Tony Manero (John Travoltas Rolle in Saturday Night Fever) hätte nur für Ersteres getaugt; Superman nur für Letzteres.
James Bond aber brachte mühelos Kraft und Eleganz, Waffe und Abendanzug, Kampf und Kultur zusammen – kompetent und präsent in jeder Situation.
Der Erste, der sein wollte wie James Bond, war übrigens niemand anders als sein literarischer Schöpfer, der englische Schriftsteller Ian Lancaster Fleming. Am 28. Mai 2008 wäre Fleming hundert Jahre alt geworden, und es könnte kaum einen besseren Anlass für unseren Bond-Appeal geben als dieses Jubiläum.
Denn dass der Ex-Börsenmakler, Ex-Diplomat und Ex-Journalist sich keinen Superhelden, Sternenkrieger oder Geisterjäger ausdachte, sondern den Glamour-Agenten des britischen Geheimdienstes, hatte seinen guten Grund: Die James-Bond-Romane waren Flemings Ersatzleben.
Er selbst hatte es nur zu einem bescheidenen Intermezzo beim Marine-Nachrichtendienst während des Zweiten Weltkriegs gebracht. Seine hochfliegenden Pläne, Hitler von einem Spezialkommando ermorden zu lassen oder dessen Adjutanten Martin Bormann zu entführen, sorgten bei Flemings Vorgesetzten eher für milde Belustigung. Zum Professional avancierte der zweitrangige Geheimdienstmann erst zu Hause am Schreibtisch – stets darauf bedacht, dass sich in seinen Geschichten Held und Verfasser decken. Wir werden in den folgenden Kapiteln noch öfter darauf zurückkommen.
Und weil James Bond der Aufhänger für die Träume und Phantasien eines oft genug vom Missgeschick verfolgten ehemaligen Spions ist, balanciert die Roman- und Filmfigur auf einem Gerüst des Plausiblen oder zumindest nicht völlig Unmöglichen. »Die Anzahl von Bonds Talenten mag unglaublich erscheinen«, räsoniert der Anglistik-Professor und Schriftsteller Kingsley Amis in seiner Agenten-Hommage Geheimakte 007. »Doch wenn dem Leser jedes einzeln vorgestellt wird, erscheint es zumutbar und möglich.« Genau darum geht es in diesem Buch.
Keine der Eigenschaften und Attribute, die Fleming seinem Superagenten zuschreibt, ist willkürlich oder rein als Beiwerk gewählt, nicht einmal die berühmte Redewendung »Geschüttelt, nicht gerührt«. Und deshalb ist es sowohl möglich wie auch produktiv und spaßbringend, den Bond-Appeal systematisch aufzuschlüsseln.
Wenn sich die Existenz einer bekannten fiktiven Figur von Büchern und Filmen löst und ihr ein realer Status gewährt wird, begründet das ein Phänomen der ganz besonderen Art. Man könnte sich ihm kulturhistorisch nähern. Oder philosophisch. Oder es unter psychologischen Gesichtspunkten betrachten. Wir können aber auch einsteigen in das imaginäre Spiel und unseren individuellen Bond-Appeal entdecken und von der Leine lassen.
Kommen Sie mit. Es lohnt sich.
Wie James Bond sein – das setzt zuallererst einmal voraus, dass wir wissen, wie James Bond ist. Und wer er ist.
Obwohl das ohnehin jeder glaubt, genau sagen zu können.
James Bond – das ist glamouröses Leben, sind erotische Abenteuer, herumreisen und die Welt retten. Er besitzt die Lizenz zum Töten, fährt schnelle Autos und hält sich selten an die Verkehrsregeln. Er hatte schon Sex im Weltall und mit Frauen, die Honey, Pussy oder May Day heißen und aussehen wie Ursula Andress oder Kim Basinger.
Hin und wieder lässt er dabei ungefragt sein schwarz eloxiertes Ronson-Feuerzeug aufspringen, zündet sich eine speziell für ihn gefertigte Morland-Zigarette mit drei goldenen Streifen an und spricht den Satz aus, den er seit 1962 perfekt beherrscht: »Mein Name ist Bond – James Bond.«
Wunderbar.
»Er ist die Verkörperung männlich-brutaler Schönheit schlechthin«, schreibt die Filmzeitschrift Cinema (Sonderband Nr. 2, 1979). »Die Inkarnation all dessen, wovon der kleine Mann träumt: Er fährt den Vier-Liter-Bentley mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er ganze Schiffe in die Luft sprengt, er handhabt den Steuerknüppel des Sikorsy-Hubschraubers ebenso gekonnt wie die Knöpfe am Schaltbrett einer Raketenabschussbasis bei Dover. Wenn er nicht gerade mit einer Superschönen bei leiser Musik, Wodka-Martini und Mondschein diniert, steuert er eine Rennjacht, verführt die Agentin der Gegenseite oder gewinnt Unsummen am Roulettetisch. Zwischendurch putzt er mit der Besonnenheit eines Gentlemans, dem keine Geheimnisse distinguierter Lebensart fremd sind, erst sich und dann seine Beretta.«
Muss man noch mehr sagen?
Anscheinend nicht, denn es sind allenfalls Variationen dieses immergleichen Themas, welche uns auf der Suche nach der Person hinter dem Mythos anwehen. James Bond – das sei eine Art Rambo für Akademiker: »Bond ist so erfolgreich, weil er ständig an Instinkte appelliert, die wir am liebsten angesprochen fühlen, und uns dabei die Illusion lässt, es wären nicht die niedersten.« (www.medienobservationen.uni-muenchen.de)
Oder: James Bond – das sei die universale Männerphantasie für kleine Jungs: »Er kapert sich in St. Petersburg einen russischen Panzer, fährt damit durch die belebten Straßen der russischen Metropole und legt die sich ihm in den Weg stellenden historischen Bauten in Trümmer … Fällt sein Auto aus Versehen ins Meer, verwandelt er es in ein U-Boot. Oder in ein Hovercraft, das sich bei der nächsten Verfolgungsjagd als Hubschrauber entpuppt.« (Der Spiegel 51/1995)
Sicher, James Bond kann alles, darf alles, prügelt sich an den schönsten Ferienorten der Welt und hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen.
»Er musste mal raus«, kalauert er zum Beispiel, nachdem der Bösewicht durch die geplatzte Scheibe aus dem Flugzeug gesaugt wurde. Und dafür lieben ihn Männer.
Und natürlich die Frauen.
Die treueste von ihnen war Miss Moneypenny, die Sekretärin seines Auftraggebers und Chefs »M.«. Sie war über 40 Jahre lang heimlich in Bond verliebt, und jedes Mal, wenn er in ihr Büro kam, warf er seinen Hut von weitem auf den Haken. Er traf immer, und Moneypenny verschränkte dann ihre Hände vor dem Herzen und seufzte: »Ooohh, James …«
Zu ihrem Leidwesen jedoch war Liebe im Büro nie ein Thema für Bond. Eher schon Liebe in einem U-Boot. Oder an Bord eines Space-Shuttles, das die Erde umrundet. Moneypenny versprach er stets nur intimen Trost für die Zeit nach seiner Rückkehr vom jeweiligen Auftrag.
Selbst Neider und Miesmacher bescheinigen Bond, er sei ein »globales Kulturphänomen von außergewöhnlicher Langlebigkeit« – und bekritteln bemüht seine Bindungslosigkeit und seinen Hedonismus.
Der Nonstop-Held habe auf Anhieb »nicht wirklich sympathische Züge«, doziert etwa der Psychologe Michael Baumgartner von der Universität Vancouver: »Einsam, ohne persönliche Geschichte, ohne Familie und dauerhafte Beziehungen, lernt er seine kurzfristigen Partnerinnen in Durchgangsstationen wie Hotels, Kasinos und Bars kennen.« Obendrein umgebe sich der legendäre Spion mit dubiosen Luxusgegenständen wie Alkohol, Zigaretten, teuren Uhren und spektakulären Autos.
Der kanadische Seelenforscher meint, im Verlaufe eines typischen James-Bond-Abenteuers jeglichen Realismus schwinden zu sehen zugunsten eines »völlig fiktiven Universums«. Ebendies sei der Schlüssel zum Erfolg des heroischen Kosmopoliten.
Falsch, Dr. Baumgartner.
Denn wie jeder gute Agent (und jeder echte Mythos) wird auch James Bond umso unsichtbarer, je mehr ihn alle sichtbar machen wollen.
Denn der Spitzenmann im Dienst Ihrer Majestät hat eine persönliche Geschichte – wenn auch nur in den Geheimarchiven des britischen Secret Service. Dort hält man James Bonds Lebenslauf unter Verschluss.
Ein Blick in diese Akten fördert zutage, dass James Bond in Deutschland, in Wattenscheid, geboren wurde und der Sohn eines schottischen Waffenhändlers namens Andrew Bond aus Glencoe und der Schweizerin Monique Delacroix aus dem Kanton Waadt ist.
Als er elf Jahre alt war, verunglückten seine Eltern tödlich bei einer Bergtour in der Nähe von Chamonix. Fortan kümmerte sich seine Tante Chamaine Bond aus dem kleinen Ort Pett Bottom nahe Kent im englischen Canterbury um James und schickte ihn auf die Eliteschule Eton.
Bereits nach zwei Semestern wurde Miss Bond allerdings gebeten, James vom Internat zu nehmen. Er soll angeblich ein Dienstmädchen belästigt haben. Es gelang der Tante, ihn im Fettes College, der alten Schule seines Vaters, unterzubringen. Die Atmosphäre dort galt als calvinistisch, und die schulischen wie sportlichen Anforderungen waren sehr streng.
Mit 19 Jahren trat Bond in eine Abteilung des britischen Verteidigungsministeriums ein, wo er zum führenden Beamten im Rang eines Commanders aufstieg und seitdem die Geheimnummer 007 trägt.
Nach dem Ende des Kalten Krieges kämpfte Bond zumeist gegen frei vagabundierendes Militärpotenzial in ideologiefreien Händen. Und gegen multinationale Konzerne beziehungsweise global operierende Privatorganisationen, die den Weltuntergang auf eigene Rechnung planen, wie etwa das Gangstersyndikat Spectre oder das Imperium des steinreichen Einzelgängers Hugo Drax.
Seine Gegner sind immer wieder Giganten der Wirtschaft oder der Hochfinanz. Zu Recht vermutet 007-Chef M. hinter deren respektabler Fassade Machenschaften, die ganz und gar nicht darauf ausgerichtet sind, neue Arbeitsplätze zu schaffen oder Wirtschaftsstandorte zu sichern.
Ohne hier die Details der Bond-Biographie an die Öffentlichkeit zu tragen, offenbart die Akte 007 doch eher einen desillusionierten Menschen mit Tiefgang als den »wild gewordenen Kleinbürger«, zu dem manche Kulturkritiker und Feuilletonisten den Doppelnull-Agenten herabwürdigen wollen. Und es liegt an uns, die Brüche seiner Persönlichkeit und die destruktiven Züge der Welt um ihn herum wahrzunehmen. Oder uns mit dem glücklichen Ausgang der Geschichte zu beruhigen.
James Bond, das ist mitnichten die »Inkarnation kindlicher Omnipotenzträume« (Der Spiegel) – sondern schlicht der beste Mann für das frühe 21. Jahrhundert.
»Gefragt ist nicht länger der bescheidene Handlanger, der seine Freizeit im Kreis der Familie verbringt. Die neue Konsumgesellschaft verlangt von ihren Mitgliedern andere Fähigkeiten als in früheren kapitalistischen Phasen: Statt Treue zum Arbeitsplatz ist nun Mobilität erforderlich, statt sklavischer Ausführung von Anordnungen braucht man jetzt den mitdenkenden Facharbeiter, und statt Bescheidenheit ist verschärfter Konsum gefragt«, analysiert das österreichische Netzmagazin Evolver die dramatischen Veränderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte. (www.evolver.at, 17. 11. 2006)
Was also nimmt es wunder, dass der individualistische, konsumfreudige Weltmann angesagt ist, der seine Bedürfnisse frei auslebt – und unsere Phantasie stark beeinflusst. Mit anderen Worten: James Bond.
Wörtlich übersetzt heißt »bond« so viel wie Band, Fessel, Kitt oder sonstiges Bindemittel. Und tatsächlich verbindet James Bond fester als Alleskleber seine Fans von Hongkong bis Hamburg und von New York bis Hammerfest in der Überzeugung, dass er der Mann ist, den jede Frau gern kennenlernen möchte und der das Leben führt, dass jeder Mann gern führen würde. Das Leben des »berühmtesten Geheimagenten« der Welt.
Wer so einen Widerspruch aushält, hält noch eine Menge mehr aus.
Allein in der kurzen Eröffnungssequenz von Der Hauch des Todes sieht man Bond von der Brücke eines Staudamms springen, mit bloßen Fäusten kämpfen, eine Giftgasfabrik erobern, mit der Maschinenpistole schießen, Motorrad fahren, über einen Abgrund springen und ein Flugzeug aus dem Sinkflug nach oben reißen.
»So viel Stress, nur um die Welt zu retten, Jimbo?«, fragt ihn Jack Wade in Der Morgen stirbt nie. Bonds Antwort: »Ich habe leider keine Wahl, Wade.«
Wirklich nicht? Wieso nicht?
Was treibt Bond eigentlich an?
Schon so mancher von Bonds exotischen Gegenspielern hat den Kürzeren gezogen, weil er genau bei dieser Frage danebenlag.
Dr. No zum Beispiel, der einräumen muss: »Bedauerlicherweise habe ich Sie falsch eingeschätzt, Bond. Sie sind nur ein dummer Polizist.«
Nur ein dummer Polizist? Mag sein – wenn man darunter einen nüchternen Geheimdienstler versteht, der mit gepflegtem Größenwahn kein bisschen zu beeindrucken ist. »Weltherrschaft«, schnaubt Bond verächtlich. »Unsere Kliniken sind voll von Menschen, die glauben, sie wären Napoleon. Oder Gott. Immer wieder der alte Traum.«
Den er Dr. No flugs austreibt.
Auch der Mann mit dem goldenen Colt irrt sich in Bond: »Kommen Sie, kommen Sie, Mr. Bond. Sie enttäuschen mich«, höhnt Scaramanga. »Ihnen gibt es doch genauso viel Befriedigung zu töten wie mir. Geben Sie es zu.«
Doch alles, was Bond zugibt, ist, dass »es eine Befriedigung wäre, Sie zu töten«.
Was er schließlich auch tut.
Den Tod eines Gegners indes als krawallige Heldentat (oder – wie Scaramanga – als Duell) zu inszenieren käme Bond nie in den Sinn. »Töten gehörte zu seinem Beruf«, lesen wir im Roman Goldfinger über Bond. »Er hatte es nie gemocht, doch wenn es sein musste, tat er es so gut er konnte – und dachte nicht mehr daran. Als Geheimagent mit der seltenen 00-Anfangsnummer – Secret-Service-Tötungslizenz – hatte er den Tod so kühl zu nehmen wie ein Chirurg.«
Sind das Killermanieren?
Gewiss nicht. Ebenso wenig ist davon in der literarischen Vorlage zu James Bond 007 jagt Dr. No zu spüren. Dort heißt es: »Bond zog den Revolver aus dem Hosenbund. Er überzeugte sich davon, dass alle sechs Kammern der Trommel geladen waren. Bond wusste, dass ihm dieses kaltblütige Töten völlig zuwider sein würde, aber es hatte keinen Sinn, sein Gewissen erleichtern zu wollen. Hier ging es um töten oder getötet werden.«
Und das immer wieder aufs Neue.
Denn James Bond ist kein Spion, der arglose Ministerialsekretärinnen aushorcht.
Er ist ein Agent, der die Hintermänner der internationalen Schwerstkriminalität verfolgt und ganze Organisationen zerschlägt – ein »Großwildjäger im Reich des politischen Feindes und des Verbrechens, der die zur Strecke bringt, die unbarmherzig und umfassend Gewalt auf jene ausüben, die sich ihr nicht entziehen können«, schreibt der Kulturwissenschaftler Hans-Otto Hügel in dem Begleitbuch zur Ausstellung »James Bond. Die Welt des 007«.
Bond fügt sich den wechselnden Ansprüchen seines Jobs, er akzeptiert auch ungeliebte Anforderungen und Aufträge um ihrer höheren Bedeutung willen. »Ich wurde verraten«, erklärt Bond in Stirb an einem anderen Tag seine mehrmonatige Gefangenschaft in Nordkorea. »Das war alles. Das nennt man Berufsrisiko.«
Ein »infantiler Hanswurst«, zu dem manche Kritiker Bond immer wieder machen wollen, redet anders daher. Bond ist auch kein gefühlskalter Rambo, sondern ein gefühlskontrollierter Profi. Was ihn bei der Stange hält, sind nicht Medaillen, Publicity und Ritterschlag; seine Triebfedern scheinen in erster Linie Pflichtbewusstsein, Ergebenheit gegenüber M. und Vertrauen in dessen Urteil, Hartnäckigkeit und Patriotismus zu sein (obwohl er wahrscheinlich alles über Charles und Diana gelesen hat).
Und er glaubt natürlich an die westliche Kultur und Lebensart.
Dass er dabei zwischen Charmeur und Haudegen agiert, liegt in der Natur der Sache. Der persönliche Stil, den Bond mit Männlichkeit und Ironie kultiviert, hebt ihn heraus aus der namenlosen Welt der Geheimdienste, in der er ansonsten bloß eine Nummer wäre.
Andererseits ist Bond stets froh, »endlich losschlagen zu können«, lesen wir beispielsweise in Dr. No. »Er gestand sich ein, dass ihn dieses Abenteuer erregte. Es hatte für ihn genau die richtigen Zutaten: körperliche Anstrengung, Geheimnisse und einen erbarmungslosen Gegner.«
Bonds beständiges Kreisen um die Themen Tod, Freiheit, Verantwortung und Handeln legt eine gewisse geistige Nähe zum Existenzialismus nahe – was sich auch in Bonds Replik »Ich habe leider keine Wahl, Wade« andeutet.
In der Buchversion von Liebesgrüße aus Moskau erfahren wir noch etwas mehr über Bonds Lebensphilosophie. Dort sinniert unser Agent: »Man musste seinem Schicksal folgen und durfte froh sein, dass man kein Gebrauchtwarenhändler war oder Journalist eines Revolverblattes oder ein Krüppel – oder tot.«
Apropos Tod: »Wie schaffst du es zu überleben?«, will Elektra King in Die Welt ist nicht genug von Bond wissen.
Seine Antwort: »Ich labe mich an Anmut und Schönheit.«
Ist das Hedonismus, wie Psychologe Baumgartner meint?
Nicht im Sinne einer nur an materiellen Genüssen orientierten, egoistischen Lebenseinstellung.
Den Romanen von Ian Fleming können wir – anders als den Filmen – eine nahezu durchgängige Biographie unseres Agenten entnehmen. Als sehr aufschlussreich erweist sich in Feuerball ein medizinischer Befund, der Bond unter anderem seinen Alkohol- und Tabakkonsum ankreidet.
Der entscheidende Satz darin ist: »Der Beamte ist nicht empfänglich für Vorhaltungen, wonach Zügellosigkeit die in seinem Beruf unumgängliche Spannung nicht lindern kann und höchstens auf Rauschzustände hinausläuft, die seiner Kondition schaden.«
Kann man es dem Geheimdienstmann 007 ernsthaft verdenken, dass er bei seinem entsagungsreichen und aufopferungsvollen Dienst für solche Vorhaltungen nicht gerade empfänglich ist?
Im gleichen Buch erklärt Bond Miss Moneypenny, warum er eigentlich raucht und trinkt: »Ich sterbe einfach lieber am Suff als am Durst. Und wegen der Zigaretten – das ist nur, weil ich mit meinen Händen nichts anzufangen weiß.«
Man muss gewiss nicht so weit gehen wie die Vertreter des sogenannten Psychologischen Hedonismus, die davon ausgehen, dass alle Menschen grundsätzlich bestrebt sind, ihre Lust beziehungsweise Freude zu maximieren, und dass die Aussicht auf Lust (oder die auf Vermeidung von Unlust) überhaupt das Einzige ist, was sie zum Handeln motivieren kann. Aber wie spricht Bond in Liebesgrüße aus Moskau so weise: »Wen die Götter vernichten wollen, den liefern sie zuerst der Langeweile aus.«
Nichtsdestotrotz: Alkohol, das ist eine von zwei Schwächen Bonds, die sein Dossier beim sowjetischen Geheimdienst KGB penibel auflistet. »Alkohol, doch nicht im Übermaß«, lesen wir in Liebesgrüße aus Moskau.
Und: Frauen.
In der Tat wird Bond recht häufig aus einem – dadurch zum Coitus interruptus degradierten – Akt gerissen und zu seinem nächsten Auftrag gerufen. Ist das amoralisch, sexistisch?
Nein, es bedeutet, dass unser Agent, anders als etwa der Rationalist Sherlock Holmes, ein Privatleben hat. Und bis auf wenige Ausnahmen spielt er weder den Pascha noch den Frauenfeind, sondern gibt sich gegenüber den Bond-Girls als Beschützer.
Und nicht zu vergessen: Bond ist empfindsamer Witwer.
In Im Geheimdienst Ihrer Majestät ehelicht er die Contessa Teresa Di Vincenzo. Zwei Stunden nach der Hochzeit wird sie von Bösewicht Ernst Stavro Blofeld ermordet. Und mit ihr stirbt Bonds Traum, der sich als »das beste Hochzeitsgeschenk von allen« gewünscht hatte: »eine Zukunft«.
Man liebt nur zweimal?
Stimmt genau. In Casino Royale ist es dann Vesper Lynd, für die Bond zweifellos tiefe und aufrichtige Gefühle entwickelt. Der Roman geht hier noch weiter als der Film. Dort heißt es, Bond sei nach ihrer ersten Liebesnacht mit »übervollem Herzen« auf sein Zimmer gegangen.
Und in dem später erschienenen Im Geheimdienst Ihrer Majestät erfahren wir, dass Bond regelmäßig Vespers Grab in Royale-les-Eaux besucht: »Die Tragödie, die er hier erlebt hatte, zog ihn jedes Jahr zurück. Zum Casino und zu dem kleinen Friedhof mit dem schlichten Marmorkreuz: ›Vesper Lynd, R. I. P.‹.«
Was also soll man sagen, wenn beispielsweise Der Spiegel über Bonds Frauenverschleiß lästert: »Mädchen aus allen Kontinenten, ob blond, ob braun. Rassenvorurteile kennt er, ganz aufgeklärter Playboy-Leser, nicht.« (Der Spiegel 42/1965) Die richtige Antwort gibt der englische Literaturwissenschaftler und Science-Fiction-Autor Kingsley Amis in seiner Abhandlung Geheimakte 007: »Ich glaube, in vielen Fällen nimmt der Kritiker von vorneherein einem Menschen wie Bond den Erfolg bei Frauen einfach übel … Dabei fühlen sich Frauen von ihm angezogen, weil er sie mag und nett zu behandeln weiß.«
Bond hat natürlich weitere Vorzüge. Frauen ziehen gutaussehende Männer hässlichen vor, sie haben für mutige Männer mehr übrig als für feige. Dagegen kann man anscheinend nichts tun.
Eine ganze Reihe von uns jedoch könnte sich an Bond eine Scheibe abschneiden. Im Gegensatz zu vielen Helden besitzt Bond ein ausgeglichenes und umgängliches Naturell und ist nicht von Launen abhängig. Das gefällt Frauen an einem Mann.
Und, wie schon Tatiana Romanova in Liebesgrüße aus Moskau sofort bemerkte: »Bond sieht sehr sauber aus.«
An Bond eine Scheibe abschneiden.
Genau das ist es, worum es in Der Bond-Appeal geht.
James Bond entstammt nicht dem Märchenpersonal. Er ist kein strahlender Ritter und kein Hexer. Bond ist ein Gentleman-Abenteurer, der sich auf einer Stehparty ebenso behaupten kann wie im knallharten Fight mit Auftragsmördern. Und seine Erlebnisse sind weder »die Antwort auf den Erlebnisfrust seiner Zeitgenossen« noch »glatt und leer wie die Hochglanzfotos in Herrenmagazinen«, auch wenn Kulturpessimisten das hineindeuten wollen.
Nein. James Bond zeigt uns, wie wir in den allermeisten Situationen bestehen können.
Auch wenn er am seidenen Faden hängt beziehungsweise an seinem Schnürsenkel wie In tödlicher Mission.
Bond ist zugleich Herr der Lage und Mann von Welt, kann sich immer angemessen verhalten und entwickelt auch auf die Schnelle verblüffende Strategien. Es ist in erster Linie diese psychische Grundausstattung, die ihn unverwundbar macht.
Klar, die wenigsten von uns kommen je in die Verlegenheit, eine Atombombe entschärfen zu müssen. Oder werden ohne Fallschirm aus einem Flugzeug geworfen.
Dennoch sind wir alle ein bisschen Bond.
Überleben wir nicht auch Tag für Tag im Job?
Kämpfen wir nicht auch stets aufs Neue um das Herz der oder des Liebsten?
Sind wir nicht auch selbstbewusst und stilvoll, schlagfertig und wagemutig, realitätsorientiert und auf das Machbare hin ausgerichtet?
In diesem Kapitel ging es um den biographisch-psychologischen Hintergrund der Lifestyle-Ikone James Bond, soweit wir diesen erhellen können.
In den nächsten Kapiteln beleuchten wir Bonds äußere Erscheinung, seinen persönlichen Stil und widmen uns verschiedenen seiner speziellen Fähigkeiten.
Denn die Welt ist ernster geworden, wir brauchen wahre Helden.
Sie zum Beispiel!
Das Lieblingsgetränk von James Bond?
»Na klar, der Martini! Geschüttelt, nicht gerührt!«, werden Sie sagen.
Und in der Tat ist der Martini zu Bonds Markenzeichen geworden. Allerdings trinkt er in den Filmen und Romanen mitnichten am häufigsten den bekannten Cocktail. Ganz vorne in seiner Gunst liegt nämlich – der Champagner.
Ganze 35-mal greift Bond in den bislang 21 Filmen zur Champagnerflöte und nur 22-mal zum Martiniglas. In den ersten zwei Bond-Filmen mit Roger Moore kommt der Martini sogar überhaupt nicht vor. Wahrscheinlich, weil Moore sich von seinem Vorgänger Sean Connery absetzen wollte.
Erst in Der Spion, der mich liebte hören wir wieder den Klassiker, als Bond und die Sowjet-Agentin Anya Amasova (»Triple X«) einander beschnuppern:
»Möchten Sie etwas trinken, Major Amasova, oder darf ich Sie Triple X nennen?«
»Sie sind gut informiert.«
»Informationen verlängern das Leben. Die Dame möchte einen Baccardi on the rocks.«
»Und für den Gentleman einen Wodka-Martini, geschüttelt, nicht gerührt.«
In Leben und sterben lassen dagegen gibt Bond bloß Bestellungen à la »Bourbon und Wasser bitte« auf, und in Der Mann mit dem goldenen Colt plaudert er zum Beispiel über »34er Mouton«.
Warum identifizieren wir Bond dann so sehr mit dem Martini?
Dafür gibt es mehrere Gründe.
Der allererste Bond-Film war James Bond 007 jagt Dr. No. In diesem Streifen wird bei der Konfrontation Bonds mit seinem Gegenspieler Martini gereicht. Wäre zum Beispiel Goldfinger der erste Bond-Film gewesen, würden wir heute möglicherweise Kentucky Bourbon als den typischen Bond-Cocktail ansehen.
Außerdem betrieb die Firma Smirnoff in James Bond 007 jagt Dr. No und rund um den Film ein aggressives Marketing für ihren Wodka. In der Frühphase des Kalten Krieges war alles Russische verpönt; mit dem westlichen Wohlstand der sechziger Jahre lockerten sich jedoch diese Vorbehalte, und Bond konnte seine Weltläufigkeit dadurch ausdrücken, dass er seinen Martini mit Wodka nahm.
Das Statement »geschüttelt, nicht gerührt« bringt mithin nicht nur zum Ausdruck, dass der Superagent Ihrer Majestät Stil hat und einen individuellen Lieblingscocktail – sondern dass er auch weiß, wie dieser zubereitet wird, und er diesbezüglich dem Barkeeper detaillierte Order geben kann.
Vor den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts (also bevor James Bond das Licht der Leinwand erblickt hatte) war Wodka in Westeuropa und den USA erstaunlich unbeliebt. 1939 musste ein eingewanderter Ukrainer die Destillerie Smirnoff in Connecticut an die Heublein Company verkaufen, weil niemand seinen Wodka trinken wollte. Heute ist die Marke Smirnoff weltberühmt und das Unternehmen einer der größten Wodkafabrikanten rund um den Globus – und entwickelt unter anderem Cocktails parallel zum jeweils aktuellen James-Bond-Film.
1952 veröffentliche Ian Fleming, zweitrangiger Journalist und Exmitarbeiter des britischen Geheimdienstes, seinen ersten Roman. Sein Held trug zwar den »langweiligsten Namen, den ich je gehört habe« (Fleming über James Bond), war aber der Geheimagent, der Fleming selbst gern gewesen wäre: ausgestattet mit vielen Frauen, vielen Feinden, vielen Drinks. Und immer Sieger.
Kein Wunder also, dass der Schöpfer sein literarisches Geschöpf nach seinen eigenen Vorlieben schuf. Und dazu gehörte der Kleidungsstil ebenso wie der Wodka-Martini. Flemings Vater war Angehöriger des schottischen Geldadels, der Bond-Erfinder selbst fühlte sich zum Diplomaten berufen und galt als Kenner der gehobenen Lebensart.
Während des Zweiten Weltkriegs kommentierte er sogar äußerst abfällig die Zubereitung der Cocktails in seiner Londoner Lieblingsbar, der American Bar im Hotel Savoy: »Wenn ich Ihnen sage, dass man im Savoy Hotel die Martinis jetzt aus Badewannen-Gin und Sherry mixt, dann wissen Sie, dass wir uns rapide zum Sumpfleben zurückentwickeln, und schon diese Übergangsphase ist schlichtweg ungenießbar.«
Seinem Superagenten schrieb Fleming später die übermenschliche Fähigkeit auf den Leib, Wodka aus Kartoffeln von solchem aus Getreide unterscheiden zu können. Schon im ersten Buch, Casino Royale, sagt Bond zu einem Barmann, der ihm gerade einen Drink gemixt hat: »Ausgezeichnet. Aber wenn Sie dazu einen Wodka nehmen, der nicht aus Kartoffeln, sondern aus Getreide hergestellt ist, werden Sie merken, dass er noch besser schmeckt.«
Im Film Diamantenfieber erkennt Bond gar den Jahrgang des Sherrys am Geschmack. Als M. ihn darauf aufmerksam macht, dass es bei Sherry keinen Jahrgang gibt, antwortet Bond mit ironischem Snobismus: »Ich wollte nur den Jahrgang der Weine in Erinnerung bringen, aus denen dieser Sherry gebrannt wurde.«
Da entfährt M. nur noch ein verblüfftes »Oh!«.
Ian Fleming liebte es, sich als Ausbund an Kultiviertheit, Wissen und Charme zu gerieren. Und er wählte den Wodka-Martini als ein Symbol für Lebensstil.
Je mehr Bände Fleming auf seiner goldenen Schreibmaschine (die er sich in London anfertigen ließ) herunterschrieb, desto ähnlicher versuchte er seinem selbstgeschaffenen Idol zu werden. Wie Bond rauchte er sechzig Zigaretten am Tag und putzte seine Wodka-Martinis »geschüttelt, nicht gerührt« weg.
Das Rezept für diesen Drink ist kein Geheimnis. In Casino Royale schreibt der literarische Vater des Superspions:
»Einen trockenen Martini«, sagte Bond. »In einem tiefen Champagnerglas. Drei Teile Gordon’s (englischer Gin; Anm. d. Autors), einen Teil Wodka und einen halben Teil Kina Lillet (französischer Wermut; Anm. d. Autors). Schütteln Sie das Ganze, bis es eiskalt ist, und garnieren Sie es mit einer großen, dünnen Scheibe Zitronenschale. Haben Sie das?«
Als Fleming am 12. August 1964 starb, waren seine ersten beiden Bond-Bücher verfilmt worden, und Wodka-Martini war in aller Munde. Hätte der gescheiterte Karrierediplomat und erfolgreichste Schriftsteller der fünfziger Jahre noch Daniel Craig als 007 erlebt – er wäre fraglos begeistert gewesen. Denn Craig ist, statistisch betrachtet, der trinkfesteste Bond. Er nimmt in Casino Royale zwölf alkoholische Getränke zu sich, mit sieben Drinks ist George Lazenby (Im Geheimdienst Ihrer Majestät) guter Zweiter.
Abgeschlagen liegt Roger Moore mit durchschnittlich vier Drinks pro Film an letzter Stelle, Pierce Brosnan, Sean Connery und Timothy Dalton begnügen sich mit jeweils fünf. Was für einen Zeitraum von knapp zwei Stunden (Filmlänge) aber auch so schlecht nicht ist.
Normalerweise indes trinkt man den Wodka-Martini-Mix gerührt. Warum also bei James Bond geschüttelt?
Man darf wohl davon ausgehen, dass Ian Fleming seinem Agenten diese Masche als eine Art persönliche Note auf den Leib geschrieben hat – ein sogenannter Autorphraseologismus, der sich auch durch alle Bond-Filme zieht und unglaublich lässig klingt: »Einen Wodka-Martini. Geschüttelt, nicht gerührt.«
Oder gibt es eine andere, möglicherweise begründetere Erklärung?
Im Internetforum www.jamesbondfilme.de etwa lesen wir: »Das Schütteln des Martinis bringt zusätzlich Sauerstoff ins Glas und damit auch in den Körper, wo er bei der Beseitigung der sogenannten [freien] Radikale hilft. Diese ungesättigten Moleküle schwächen das Immunsystem und gelten als Ursache vorzeitigen Alterns.«
Wodka-Martini als geheimer Jungbrunnen des smarten Weltenretters, während wir Normalos fade Vitaminpillen als Anti-Aging-Maßnahme einwerfen? Nette Idee, aber Unsinn – unter anderem deswegen, weil die Theorie von der Alterung durch freie Radikale erst 1956 formuliert wurde, und zwar von dem US-amerikanischen Mediziner Denham Harman von der Universität Nebraska.
Durchaus richtig an dieser Erklärung ist allerdings der Teil mit dem »zusätzlichen Sauerstoff«. Außerdem lässt Schütteln einen Drink stärker abkühlen. Ob und wie intensiv nun beides den Geschmack eines Cocktails beeinflusst oder nicht, darüber streiten sich die Kenner hingebungsvoll.
Ein amerikanischer Connaisseur beharrt im Webforum www.straightdope.com jedenfalls darauf, dass geschüttelte Martinis »erfrischender, schärfer und weniger ölig« schmecken.
Zu einer derartig bedeutsamen Fragestellung äußert sich natürlich auch die Wissenschaft – beispielsweise der Physikprofessor Metin Tolan von der Uni Dortmund. Die Antwort, meint Tolan, liege in der Verteilung der Moleküle in dem Longdrink: »Wenn der also gerührt wird, sind alle Moleküle gleich verteilt. Wenn er geschüttelt ist, dann sind die Moleküle, die für den Geschmack verantwortlich sind, ein kleines bisschen weiter an der Oberfläche.«
Und deswegen lautet Tolans These: »James Bond ist ein Genießer. Der kommt niemals, in keinem Film, dazu, seinen Martini wirklich auszutrinken. Er kann nur immer einen Schluck nehmen. Und dieser Schluck soll wenigstens gut schmecken.«
Eingedenk dieser widersprüchlichen Debatte liegt Daniel Craig also nicht ganz falsch, wenn er in Casino Royale auf die Frage »Geschüttelt oder gerührt?« gereizt antwortet: »Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert?«
Denn im Grunde ist das Ganze eine Glaubenssache.
Im Shaker mit Eis geschüttelte Drinks werden schneller kalt – und nichts ist scheußlicher als ein warmer Drink. Andererseits schmelzen die Eiswürfel schneller und verwässern den Drink stärker – gerührte Getränke sind also intensiver.
Es kann Ihnen sogar passieren, dass Sie den Wodka-Martini »on the rocks« serviert bekommen, dass also der Barkeeper zuerst einige Eiswürfel in ein Glas gibt und das Getränk anschließend über die Eiswürfel (die »rocks«) schüttet. Dann sollten Sie aber schleunigst die Bar wechseln, denn der Mann weiß anscheinend nicht, was er tut.
Letztendlich entscheiden Sie selbst, wie Sie Ihren Martini bevorzugen. Nur tun Sie sich selbst einen Gefallen: Bestellen Sie in einer anständigen Bar niemals mit dem geflügelten Bond-Zitat. Der Barkeeper hat den Gag schon hundertmal gehört und findet ihn längst nicht mehr komisch.
James Bond drückt mit dieser Redewendung aus, dass er stilsicher ist. Sie dagegen setzen sich damit dem Verdacht aus, dass Sie keinen eigenen Stil haben.
Wenn Sie ein Lieblingsrezept haben, sagen Sie dem Barkeeper einfach, wie die Zusammensetzung sein soll und ob Sie Ihr Getränk lieber sehr kalt (also geschüttelt) oder eher stark (also gerührt) mögen. Dann wird er (oder sie) wissen, dass jemand vor ihm steht, der sich auskennt, aber keine Mätzchen nötig hat – echter Bond-Stil eben. Wenn Sie keinen Lieblingsmartini haben, fragen Sie einfach, welcher in dieser Bar der beste ist.
Es ist immer okay, etwas Neues auszuprobieren. Hier die Rezepte dafür.
(aus dem Roman Casino Royale, benannt nach der Bond-Geliebten Vesper Lynd)
3 Teile Gordon’s Gin
1 Teil Wodka (ein russischer Getreidebrand ist vorzuziehen)