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Köln, 1496: Der Ritter Arnold von Harff muss überstürzt eine Pilgerreise antreten, um der Verurteilung für ein illegales Duell zu entgehen. In letzter Minute findet er Begleitung im entlaufenen Novizen Christian, wie Arnold auf der Flucht vor seiner Vergangenheit. Ihre abenteuerliche gemeinsame Reise führt sie zu den bedeutendsten Pilgerzielen der Christenheit und den unschuldigen Christian in verlockende Versuchung. Doch Arnolds Kontrahent Jan van Issum überlebt die schwere Verletzung und verfolgt Arnold und seine Familie mit unversöhnlichem Hass … Auf Grundlage des authentischen Reiseberichts des "rheinischen Marco Polos" Arnold von Harff, Ritter des Herzogs von Jülich, führt dieser unterhaltsame historische Roman seine sympathischen Helden an realen historischen Orten in spannende Abenteuer, in denen sie mehr als einmal über sich hinauswachsen.
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Cover
Titelei
Burg Wilhelmstein, 18. Oktober 1496
Beeck, 22. Oktober 1496
Köln, 2. November 1496
Köln, 5. November 1496
Köln, 6. November 1496
Köln, 7. November 1496
Rüdesheim, 13. November 1496
Ulm, 26. November 1496
Burg Ehrenberg, 29. Dezember 1496
Fernpass, Januar 1497
Reschenpass, Januar 1497
Verona, Februar 1497
Köln, Februar 1497
Rom, 21. Februar 1497
Venedig, April 1497
Köln, Mai 1497
Kythera, April 1497
Rhodos, Mai 1497
Issum, Mai 1497
Alexandria, Ramadan 902
Kairo, Shawwal 902
Köln, Juni 1497
Kairo, Shawwal 902
Köln, Juni 1497
Kairo, Shawwal 902
Köln, Juni 1497
Kairo, Shawwal 902
Köln, Juni 1497
Kairo, Schawwal 902
Köln, Juni 1497
Kairo, Dhu al-Quidah 902
Köln, Juli 1497
At-Tur, Sinai, Dhu al-Quidah 902
Köln, Juli 1497
Djebel Musa, Sinai, Dhu al-Quidah 902
Köln, August 1497
Djebel Katharina, Sinai, Dhu al-Quidah 902
Elsdorfer Bürgewald, August 1497
Katharinenkloster, Dhu al-Quidah 902
Bardenberg, September 1497
Kairo, Muharram 903
Burg Wilhelmstein, September 1497
Kairo, Muharram 903
Burg Wilhelmstein, Oktober 1497
Kairo, Safar 903
Kairo, Rabi al-Awwal 903
Burg Wilhelmstein, November 1497
Gazera, Rabi al-Awwal 903
Burg Wilhelmstein, Dezember 1497
Gazera, Rabi al-Awwal 903
Jerusalem, Dezember 1497
Burg Wilhelmstein, Februar 1498
Antiochia, März 1498
Konstantinopel, April 1498
Burg Wilhelmstein, April 1498
Venedig, Mai 1498
Burg Wilhelmstein, April 1498
Toulouse, Juni 1498
Köln, Juli 1498
Pass von Somport, Pyrenäen, Juli 1498
Pass von Roncesvalles, Pyrenäen, Juli 1498
Burg Wilhelmstein, August 1498
Erkelenz, 21. August 1498
Santiago de Compostela, August 1498
Finisterre, August 1498
Sahagún, August 1498
Burgos, August 1498
Château de Chesnay, Bretagne, September 1498
Paris, Oktober 1498
Burg Wilhelmstein, November 1498
Aachen, November 1498
Burg Wilhelmstein, November 1498
Nantes, Januar 1499
Burg Wilhelmstein, Januar 1499
Burg Wilhelmstein, April 1499
Kloster Aremberg, Blankenheim, Mai 1499
Roermond, Juli 1499
Köln, September 1499
Heinsberg, Oktober 1499
Personenverzeichnis
Zeittafel
Nachwort
Danksagung
Dirk Schillings
Der Chronist des Pilgers
Ein historischer Roman
Schillings, Dirk: Der Chronist des Pilgers. Ein historischer Roman. Hamburg, acabus Verlag 2022
1. Auflage 2022ISBN: 978-3-86282-842-5
Dieses Buch ist auch als eBook erhältlich und kann über den Handel oder den Verlag bezogen werden.ePub-eBook: 978-3-86282-844-9
Lektorat: global:epropaganda Michael HaitelSatzherstellung: Rebecca Riegel, 3w+p Typesetting Automation ExpertsKorrektorat: Elena Steighorst, PaderbornUmschlaggestaltung: © Andrea Barth | Guter Punkt, München unter Verwendung eines Motivs von Mauritius ImagesUmschlagmotiv: © mauritius images / SuperStock
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Der acabus Verlag ist ein Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH,Hermannstal 119k, 22119 Hamburg: https://www.bedey-thoms.de
© acabus Verlag, Hamburg 2022Alle Rechte vorbehalten.https://www.acabus-verlag.deGedruckt in Deutschland
Dirk Schillings
Der Chronist des Pilgers
Bidt got vur den pylgrum weech wijzer ind dichter.
Amen.
Arnold von Harff
Für Ina und Felix!
Möge euer gemeinsamer Weg vom Glück begleitet sein.
Herzog Wilhelm von Jülich und Berg hatte sich aus seinem Stuhl erhoben und mit den Fäusten auf dem Tisch aufgestützt, damit er den vor dem Tisch am Fuß der Empore knienden Ritter besser sehen konnte. Sein Gesicht war gerötet und die blassblauen Augen unter den buschigen, grauen Augenbrauen zu schmalen Linien zusammengekniffen.
»Du Vollidiot! Hirnverbranntes Rindviech!«, brüllte er.
Der Mann vor dem Tisch sackte noch weiter in sich zusammen.
»Wann lernst du endlich, dass das Ding zwischen deinen Beinen nicht zum Denken da ist?« Der Herzog erwartete glücklicherweise keine Antwort.
»Duelliert sich mit dem Bruder einer Bauerntochter! Wirst du eigentlich irgendwann mal erwachsen? Jahrelang habe ich dich wie einen Sohn behandelt. Bei den Friedensverhandlungen mit Geldern können wir uns keinen Fehler erlauben – und dann kommt so etwas! Ich muss mich doch wenigstens auf meine Leute verlassen können.« Das Gesicht des Herzogs nahm einen leicht bläulichen Farbton an.
Am anderen Ende des Saals verschwanden zwei Arbeiter, die einen Riss in der Wand ausbesserten, unauffällig durch eine Seitentür.
»Was ist, wenn König Maximilian davon erfährt? Wir haben so schon genug Probleme!«
»Wir haben uns nicht duelliert. Es war nur eine dumme Prügelei«, murmelte der Mann vor der Empore mit Blick zum Boden. Er verzichtete darauf, dem Herzog zu erklären, dass es sich nicht um eine Bauerntochter, sondern um die Tochter eines kleinen Landadeligen gehandelt hatte – eines geldrischen Landadeligen allerdings.
»Das ist doch völlig egal!«, brüllte Wilhelm. »Du hast den Kerl zum Krüppel geschlagen!« Wilhelm atmete tief durch. »Es geht überhaupt nicht darum, wie es wirklich war, sondern was weitererzählt wird«, setzte er etwas ruhiger hinzu.
»... und was der König glauben wird!«, ergänzte seine Frau leise. Sybilla von Brandenburg legte ihrem Mann ihre schmale Hand auf die Schulter.
»Großer Gott, ich sollte mich nicht so aufregen«, sagte Wilhelm und sank zurück auf seinen Stuhl. Er griff nach seinem Bierkrug und nahm einen tiefen Schluck.
»Es tut mir leid!«, sagte der Ritter. Er sah weiterhin zu Boden.
»Verdammt, Arnold, komm gefälligst hier hoch, damit ich besser sehen kann, wie leid es dir tut. Und sag’ bloß das Richtige, sonst kannst du meinen frisch ausgebesserten Kerker in der Torburg gleich mal ein paar Jahre lang ausprobieren.«
Arnold wusste, dass Wilhelm erst richtig gefährlich wurde, wenn er begann, leise zu reden und stieg die drei Stufen zur herrschaftlichen Tafel empor. Er verkniff sich allerdings jede verräterische Mundbewegung, denn er hatte keine Lust, auch nur eine einzige Nacht bei den Ratten im Kerker zu verbringen.
»Sieh mir in die Augen, wenn ich mit dir rede!«
»Ja, Herr«, sagt Arnold kleinlaut. Er war stolz darauf, genau den richtigen Tonfall getroffen zu haben.
»Der ewige Landfriede ist gerade mal ein Jahr alt und Maximilian muss beweisen, dass er es damit wirklich ernst meint. Er könnte auf die Idee kommen, an dir ein Exempel zu statuieren. Und wenn du mir bei den Friedensverhandlungen helfen sollst, dann musst du über jeden Zweifel erhaben sein«, erklärte Wilhelm nun schon etwas ruhiger. »Du musst für eine Weile aus der Schusslinie verschwinden. Ich werde dafür sorgen, dass die Familie eine entsprechende Entschädigung erhält und alle den Mund halten. Vielleicht machst du eine nette kleine Reise an einen befreundeten Fürstenhof?«
»Oder eine Pilgerreise!«, warf seine Frau leise ein. »Dann kann er ein wenig Demut lernen. Obwohl ich da keine große Hoffnung für dich habe.« Sie lächelte Arnold kurz an, wurde aber gleich wieder ernst.
Arnold gab sich größte Mühe, nicht verräterisch zu grinsen.
»Eine Pilgerreise?«, murmelte er. »Da bin ich doch Ewigkeiten unterwegs!«
»Genau – was meinst du, Wilhelm, ein gutes Jahr dauert es doch nach Jerusalem und zurück, oder?«, fragte Sybilla ihren Mann mit Unschuldsmiene. »Und durch die Pilgerreise zu den heiligsten Stätten der Christenheit erhältst du ganz nebenbei auch noch die Generalabsolution und kannst noch einmal ganz von vorne anfangen«, sagte sie zu Arnold gewandt.
»Das ist eine großartige Idee, Liebste. Obwohl ich jetzt eigentlich auf keinen Mann verzichten kann, wo die Friedensverhandlungen mit Geldern mal wieder nicht von der Stelle kommen«, brummte Wilhelm. »Wenn sich nichts tut, werden wir wohl wieder gegen Geldern mobilmachen müssen. Gütiger Herr, was das wieder kosten wird!«
Arnold war erleichtert, gab sich aber weiterhin angemessen zerknirscht.
»Wir reisen ja morgen sowieso wieder ab, da kannst du mit uns nach Heinsberg kommen. Und von dort aus wirst du dann ohne Farben und Wappen und in der Dunkelheit weiter nach Caster reiten und dann nach Köln. Alle sollen glauben, dass du dich auf Burg Heinsberg versteckst. Falls Maximilian dich suchen lässt, werden seine Leute zuerst dort auftauchen. Für alle Fälle werde ich dir einen Geleitschutz mitgeben.«
Am nächsten Morgen verließ eine kleine Reisegruppe Burg Wilhelmstein. Nach einer Vorhut aus drei Rittern mit Kettenhemden und Schwertern ritten Sybilla und Herzog Wilhelm, dicht gefolgt von Arnold und drei weiteren Rittern über die Zugbrücke aus dem Burghof. Danach kamen einige Diener, die zusätzlich Packpferde führten. Die schwereren Gepäckstücke waren schon im ersten Morgengrauen mit einem Ochsenkarren losgeschickt worden. Arnold blickte zurück zu dem mächtigen Bergfried, der sich zwischen Vorburg und Hauptburg erhob. Schon als kleiner Junge hatte er sich gefragt, wie man die riesigen Steinblöcke für den Turm bewegt hatte. Seine Amme hatte ihm erzählt, dass Riesen dem ersten Wilhelm beim Bau der Burg geholfen hätten. Seither hatte er immer die Gesichter der Riesen in den Steinen der Burgmauer gesehen.
Arnold trug über seinem Kettenhemd einen Wappenrock in den Familienfarben derer von Harff: Rot, Silber und Blau. Auf der Brust war das Wappen aufgestickt, ein Schild, der in der oberen Hälfte einen blauen Turnierkragen auf rotem Grund zeigte und dessen untere Hälfte mit kostbaren Silberfäden gearbeitet war. Sybilla und ihr Mann trugen lange Reiseumhänge mit Pelzbesatz an Ärmeln und Kapuze.
Nachdem sie das Tor der Vorburg und die Zugbrücke passiert hatten, wandte sich die kleine Gruppe nach links und ritt durch einen steilen Hohlweg, über dem Buchenzweige ein goldenes Dach bildeten, hinunter ins Tal. Auf dem goldenen Herbstlaub am Boden glitzerten Eiskristalle in der blassen Morgensonne.
»Der Herbst und der Winter machen mir zunehmend zu schaffen.« Wilhelm hatte sich leicht zu Arnold herumgedreht. »Ich bin jetzt einundvierzig und hoffe, dass der Allmächtige mir noch die Zeit gibt, meine kleine Maria zu verheiraten.« Arnold erinnerte sich an sein Erstaunen, als er erfahren hatte, dass Maria schon mit fünf Jahren mit Johann von Cleve verlobt worden war. Jetzt wurde ihm klar, dass Wilhelm Sorge hatte, die Hochzeit nicht mehr zu erleben, denn darauf musste er noch mindestens zehn Jahre warten. Aber es passte zu Wilhelm, jetzt schon alles in die Wege zu leiten. Im Juli 1481 hatte Wilhelm die damals fünfzehnjährige Sybilla geheiratet, die ihn vom ersten Augenblick an durch ihr einnehmendes Wesen und ihre natürliche Anmut bezaubert hatte. Er selbst war da schon sechsundzwanzig Jahre alt. Erst zehn Jahre später wurde ihre einzige Tochter geboren. Daran hatte damals schon lange niemand mehr geglaubt. Natürlich setzte Wilhelm seine ganzen Hoffnungen in die kleine Maria.
Arnold lächelte in sich hinein.
»Ich bin froh, wenn wir in Heinsberg sind. Es ist hier doch recht unkomfortabel – und mit den restlichen Bauarbeiten wird der Vogt jetzt wohl alleine zurechtkommen.«
Im Tal angekommen bog die Reitergruppe nach rechts ab und folgte dem Weg am Fuß des Hangs. Das Flüsschen Wurm floss in einiger Entfernung durch sumpfige Wiesen, über denen noch der Morgennebel hing. Mit der Zeit vergrößerten sich die Abstände zwischen den Reitern und Sybilla ließ sich leicht zurückfallen, bis sie auf der Höhe von Arnold ritt.
»Woher wusstet Ihr von der Pilgerreise?«, fragte Arnold.
»Nun – ich habe im letzten Jahr deine Mutter besucht. In Köln, kurz vor ihrem Tod. Da hat sie mir davon erzählt.«
Arnold kniff die Lippen zusammen. Nach einer Weile sagte er leise »Danke!«
»Weißt du«, fuhr Sybilla im Plauderton fort, um die traurige Stimmung zu vertreiben, »eine Pilgerreise ist die ideale Tarnung. Du wirst aussehen wie jeder andere Pilger und alle paar Tage deinen Aufenthaltsort ändern. Und wenn du dich nicht an die üblichen Routen hältst, dann kann niemand vorhersehen, wo du morgen sein wirst. Selbstverständlich wirst du uns genauestens unterrichten, wenn du wieder da bist. Und pass bloß auf, dass dir nichts passiert!«
»Ja, Herrin!« Arnold deutete eine Verbeugung an. »Selbstverständlich werde ich Euch auch etwas Schönes mitbringen.«
»Du bist ein guter Junge«, sagte Sybilla mit einem schalkhaften Lächeln und einem Zwinkern in ihren braunen Augen. Und dann, wieder viel ernster: »Arnold, versprich mir, keine Dummheiten zu machen. So eine Reise ist ziemlich gefährlich. Ich mache mir solche Sorgen, obwohl du noch gar nicht unterwegs bist.« Und dein Hitzkopf bringt dich sowieso dauernd in Schwierigkeiten, dachte sie, sprach es aber nicht aus.
Wohlwollend betrachtete sie ihren Ziehsohn, der genauso gut ihr jüngerer Bruder sein konnte, schließlich war sie nur fünf Jahre älter als Arnold. Die Jahre hatten Arnold reifen lassen, aus einem schlaksigen jungen Knappen war ein kräftiger, groß gewachsener Ritter geworden. Der sorgfältig gestutzte Bart und der leichte Knick in der schmalen Nase gaben ihm ein verwegenes Aussehen und betonten das jungenhafte Grinsen und das Funkeln in seinen grünen Augen, das die Damen bei Hofe und anderswo schwach werden ließ. Nur auf Sybilla hatten sie keinen Einfluss, denn sie war glücklich in der Ehe mit ihrem Wilhelm, eine Gnade, die nur wenigen aus dynastischen Gründen verheirateten Frauen zuteilwurde.
Kurz darauf kamen sie an einer Felswand vorbei, in die Arbeiter ein Loch gebrochen hatten. Auch in den Hängen über der Felswand waren Löcher gegraben worden, über denen Gerüste mit Seilen und Rollen aufragten. Karren, die von kleinen kräftigen Pferden gezogen wurden, transportierten schwarze Säcke mit Kohle ab. Alles war schwarz und schlammig. Auch die Arbeiter waren so dreckig, dass sie wie Erdgeister wirkten, die direkt vor ihnen aus dem Boden zu wachsen schienen.
Arnold wusste, dass Herzog Wilhelm jetzt gleich wieder zu seinem Lieblingsthema kommen würde. Er setzte eine höflich interessierte Miene auf und war in Gedanken bei seiner Pilgerreise. Er beschloss, von Heinsberg aus einen kleinen Umweg über Beeck zu machen, um seinen besten Freund Guntram mit auf die Pilgerreise zu nehmen. Den leisen Zweifel, dass Guntram vielleicht als frisch verheirateter Ehemann andere Pläne haben könnte, schob er großzügig beiseite.
»Die Zukunft«, begann Wilhelm, »liegt nicht im Rittertum. Hier siehst du die Grundlage des Reichtums: Mithilfe der Kohle, die hier ausgegraben wird, kann man besseren Stahl schmieden. Bessere Waffen machen Ritter überflüssig. Die Händler werden die Macht übernehmen und die Welt verändern, nicht die Adligen und die Ritter. Wer die Rohstoffe unter seine Kontrolle bringt, der wird in Zukunft Macht und Geld haben. Dieser Jakob Fugger aus Augsburg und auch Maximilian haben das erkannt. Wir sind die letzten Ritter, Arnold! Wir werden nicht mehr gebraucht, und wenn wir uns nicht neu orientieren, dann werden wir untergehen.«
Guntram von Beeck rieb sich müde die Augen. Mitten in der Nacht hatten die Wachen ihn aus dem Bett geholt und ihm mitgeteilt, dass vor dem Tor ein fremder Ritter samt Gefolge Einlass verlangte und ihn zu sprechen wünschte. Hastig hatte er sich etwas angezogen und war in den großen Saal des Ritterguts geeilt.
»Mensch, Arnold«, begann er, offensichtlich um Fassung ringend, »du hast wirklich Glück gehabt, dass ich den Wachen nicht den Befehl gegeben habe, auf dich zu schießen!« Glücklicherweise hatte einer der Wachsoldaten gemeint, Arnold von Harff zu erkennen, einen langjährigen Freund des Burgherrn. Nur deshalb war das Tor trotz der späten Stunde noch einmal geöffnet und Arnold Zutritt gewährt worden. Sein Begleitschutz, Ritter des Herzogs von Jülich, musste allerdings draußen vor dem Tor auf der anderen Seite des Wassergrabens warten, der die ganze Anlage umgab. Schon vor vielen Jahren hatte der Großvater Guntrams die Wohnung der Familie aus dem Turm auf der von einer Palisade umgebenen Motte in das deutlich komfortablere Haupthaus des Ritterguts zu Füßen der Burg verlegt. Seitdem verfiel die Burg, die eingeklemmt zwischen Kirche und Gutshof lag und keinen Platz mehr für eine Erweiterung hatte. Östlich des Torturms mit Zugbrücke war eine neue Burg als Fluchtburg für die Bevölkerung des kleinen Weilers angelegt worden.
»Warum holst du mich mitten in der Nacht aus dem Bett?«, fragte Guntram.
»Ich gehe in den nächsten Tagen auf diese Pilgerreise. Du weißt doch, wir hatten uns gegenseitig geschworen, zusammen nach Jerusalem zu pilgern.« Arnold hatte zwei Becher mit verdünntem Wein aus einem Krug gefüllt, den ein Bediensteter aus der Küche geholt hatte, und reichte Guntram einen der Becher.
»Auf die Freundschaft und die gute alte Zeit.«
»Arnold«, sagte Guntram beschwörend, »du kannst doch jetzt nicht darauf bestehen, dass ich diesen Schwur einlöse, den ich dir an einem weinseligen Abend vor vielen Jahren gegeben habe.
Ich habe im letzten Jahr geheiratet, wie du sicher weißt. Meine Frau erwartet unser erstes Kind«, setzte Guntram hinzu. »Ich kann jetzt unmöglich Hals über Kopf auf eine jahrelange Reise gehen.«
Doch, dachte Arnold, du hast es geschworen! Aber er sagte es nicht. Resigniert zog er sich einen Stuhl herbei und setzte sich.
»Du siehst gut aus«, meinte Guntram versöhnlich. »Hattest du nicht auch vor, zu heiraten und eine Familie zu gründen?«
»Die Richtige war noch nicht dabei.«
»Mann, schau mich nicht so an, da wird mein Gewissen nur noch schlechter. Du willst mir doch nicht erzählen, dass du frisch verheiratet mit einem Freund nur wegen eines Jahre alten Schwurs mal eben so für ein Jahr oder mehr verschwinden würdest?«
»Da kann ich nicht mitreden, ich bin ja nicht verheiratet.« Arnold zuckte ratlos mit den Schultern. »Du bist mein ältester Freund. Du warst es, der mir damals auf dem Turnierplatz die Nase gebrochen hat.« Er tippt unnötigerweise auf den Knick in seinem Nasenrücken. »Ich bin immer davon ausgegangen, dass wir irgendwann einmal zusammen losziehen würden.« Enttäuscht ließ er die Schultern hängen.
»Ich bin auch weiterhin dein Freund, aber ich kann einfach nicht hier weg.«
»Versteh’ ich ja«, murmelte Arnold, »auch wenn’s schwerfällt.« Er brachte es nicht fertig, Guntram weiter unter Druck zu setzen.
»Erzähl mir von deinen Plänen«, bat Guntram erleichtert, der Arnolds Gesichtsausdruck intensiv beobachtet hatte.
Nachdem sie den Krug geleert hatten, verabschiedete sich Arnold von Guntram und kehrte zu seinen Begleitern zurück, die sich unter einer Weide am Ufer des Wassergrabens in ihre Decken gerollt hatten. Arnold dachte an die Boten, die er an weitere Freunde geschickt hatte, um sie an den alten Schwur zu erinnern. Er machte sich keine großen Hoffnungen mehr auf eine positive Antwort, nachdem sein ältester und bester Freund ihm einen Korb gegeben hatte.
Sie ritten ohne ein Wort über den von Fachwerkhäusern umstandenen Marktplatz. Aus dem Haus eines Bäckers fiel durch die bereits geöffneten Läden etwas Licht auf das Kopfsteinpflaster und sie kauften einige frische und noch heiße Weckchen, die sie im Sattel verzehrten. Nachdem sie den Ort verlassen und den Beecker Bach überquert hatten, fielen sie in einen leichten Trab, denn sie wollten noch vor dem Sonnenaufgang ein gutes Stück weitergekommen sein.
Der Mann schleppte sich mühsam den verschlammten Waldweg entlang. Er trug eine verdreckte Mönchsrobe und stützte sich auf einen kräftigen Ast. Den linken Fuß, der mit einem schlammigen Lappen umwickelt war, setzte er nur sehr vorsichtig auf.
Plötzlich hielt er an und hob lauschend den Kopf. Sein Gesicht war trotz der Kälte mit Schweißperlen überzogen und kreidebleich, die braunen Augen spiegelten Schmerz, Angst und abgrundtiefe Erschöpfung. Mit der freien Hand schob er die Kapuze nach hinten, um besser hören zu können. Dunkle Locken klebten nass an seinem Kopf. Diesmal erkannte er das Geräusch als Schnauben eines Pferdes. So schnell es sein schmerzender Fuß zuließ, kletterte er auf allen vieren den kleinen Hang rechts des Weges hoch und versteckte sich gerade noch rechtzeitig hinter einem überhängenden Baum, als an der Biegung des Weges eine Gruppe von Reitern erschien.
Zwei schlanke Windhunde begleiteten den ersten Reiter, der mit Kettenhemd, Helm und Schwert gerüstet auf seinem schwarzen Schlachtross saß. Ihm folgten zwei weitere Reiter, die ebenfalls Schwerter an ihrer Seite trugen und durch Lederpanzer geschützt waren. Ein Stück weit hinter ihnen fuhr ein Ochsenfuhrwerk, dem schließlich noch zwei weitere Reiter folgten. Weder der Ritter noch seine Begleiter trugen Farben oder Wappen, sondern nur einfache braune Umhänge.
Einer der Hunde blieb plötzlich stehen, hob den Kopf und schnüffelte. Dann rannte er los und der zweite Hund folgte ihm nur einen Wimpernschlag später. Ohne langsamer zu werden, liefen sie den Hang hinauf und blieben kläffend und knurrend an dem über den Weg ragenden Stamm des Baumes stehen. Dort löste sich eine dunkle Gestalt vom Stamm und machte unbeholfen einen Schritt nach hinten. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und rutschte aus. Der Mann rollte bis zum Fuß des Hanges und blieb mit dem Gesicht in einer schlammigen Pfütze liegen.
Die drei vorderen Reiter zogen ihre Schwerter und näherten sich vorsichtig der Gestalt. Einer der Ritter ließ sein Pferd ganz nah an den am Boden Liegenden herangehen. Auf ein Zeichen des Ritters senkte das Pferd den Kopf und sog schnaubend die Luft ein. Der Ritter sprang aus dem Sattel und trat zu dem Reglosen. Er packte ihn an der Schulter und drehte ihn um. Dann setzte er ihm sein Schwert an die Kehle, aber der Mann regte sich nicht. Inzwischen waren die beiden anderen Ritter ebenfalls abgestiegen und flankierten den Ersten.
Der Ritter schob sein Schwert in die Scheide zurück und kniete sich neben den Mann in den Schlamm der Straße. Er tastete nach der Schlagader an dessen Hals und hielt einen Moment inne. Dann legte er die Hand auf seine Stirn.
»Wir nehmen ihn mit nach Köln. Wenn wir ihn hier liegen lassen, ist er in einer Stunde tot«, sagte der Ritter.
»Aber was ist, wenn er die Pest hat?«, fragte einer seiner Begleiter.
»Mit der Pest wäre er nicht bis hierher gekommen. Das nächste Kloster ist meilenweit entfernt. Er ist verletzt, deshalb hat er Fieber. Außerdem ist er zu jung, um jetzt schon zu sterben. Ladet ihn auf den Karren und deckt ihn gut zu. Wenn er unterwegs stirbt, geben wir ihn bei den Wachen am Stadttor ab.«
Er spürte schon seit einer Weile das Licht auf seinem Gesicht. Es war so gleißend hell, dass es trotz der geschlossenen Lider in den Augen wehtat. Aber er war sowieso zu schwach, um die Augen zu öffnen.
Schließlich war sein Geist so weit aus seinen Träumen emporgestiegen, dass er endlich doch die Augen öffnen konnte. Im hellen Licht, das durch ein Fenster fiel, stand ein Engel mit goldenem Haar. Der Engel beugte sich über ihn und legte eine wunderbar kühle Hand auf seine Stirn. Da wusste er, dass er gestorben war. Er verspürte ein gewisses Bedauern, dass er diese Welt so früh schon verlassen hatte, konnte sich aber nicht daran erinnern, was vor seinem Tod passiert war.
Der Engel hielt ihm einen Becher vor sein Gesicht. Er setzte den Becher an seine fieberheißen Lippen.
»Ganz langsam und vorsichtig trinken!« Die Stimme des Engels klang rein und melodisch.
Die Flüssigkeit in dem Becher schmeckte bitter und war warm. Er hatte erwartet, dass es sich um Milch und Honig handeln würde, aber er kam nicht mehr dazu, darüber nachzudenken. Er brauchte seine ganze Kraft, um den Becher zu leeren, dann sank er wieder in den Schlaf zurück.
Es war Nacht. Er war vom Geräusch seiner klappernden Zähne wach geworden. Sein Körper war gleichzeitig heiß und kalt. So kalt, dass seine Muskeln sich verkrampften. Aber sein Blick war wieder etwas klarer. Trotz des krampfhaften Zitterns sah er sich um. Eine einzelne Kerze verbreitete ein wenig Licht. Der Engel war immer noch da. Er saß auf einem Hocker neben dem Bett und betrachtete ihn besorgt. Dann stand er auf und ging zu einer Kommode an der Wand. Mit einem feuchten Tuch kam der Engel zurück und wischte ihm damit den eiskalten Schweiß von der Stirn. Dann seufzte der Engel.
»Ich denke, du brauchst etwas mehr Wärme«, sagte der Engel leise.
Er hob die Decke und schmiegte sich an den zitternden Körper des Kranken.
»Wie eine billige Straßenhure! In meinem Haus dulde ich ein solch schamloses Verhalten nicht!«
Christian erwachte und hob ein wenig den Kopf. In der Nacht war ihm sein Name wieder eingefallen und er hatte erkannt, dass er wider Erwarten doch noch nicht gestorben war. Die Wärme der jungen Frau, die neben ihm geschlafen hatte, hatte seine Lebensgeister zurückgebracht. Oder war es der bittere Trank, den sie ihm gegeben hatte?
Wie ein Racheengel stand der Mann, dessen Stimme ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, über dem Mädchen, das am Boden kniete. Die blonden Haare hingen ihr offen über das Gesicht. Sie weinte.
Christian wollte ihr zu Hilfe kommen, doch er konnte sich nicht bewegen. Nur ein Krächzen brachte er hervor. Alles an ihm schien aus Schmerzen zu bestehen.
»Herr, ich habe doch nur gemacht, was wir Waisenkinder auch immer getan haben, wenn einer von uns krank war«, sagte sie leise.
»Franziska, wenn du nicht lernst, dich wie eine Dame zu benehmen, dann schicke ich dich zurück auf die Straße«, knurrte der wütende Mann. Er wusste, dass er das niemals tun würde, aber irgendwie musste er versuchen, ihr die Eigenmächtigkeiten auszutreiben.
»Aber es ist wirklich nichts passiert ...«
»Bitte!«, brachte Christian endlich heraus. Die beiden wandten ihm die Köpfe zu. »Bitte, Herr, sie sagt die Wahrheit«, krächzte er mühsam.
Alles Bedrohliche fiel von dem Mann ab, als er zum Bett des Kranken herüberkam und dessen Puls fühlte. Besorgnis stand in den grünen Augen, über denen sich eine steile Falte der Konzentration gebildet hatte.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du überlebst«, sagte er freundlich. »Kannst du dich erinnern, wie du hergekommen bist?«
Die junge Frau war aufgestanden und hatte wieder einen Becher für ihn. Diesmal war gewürzter Wein darin. Christian versuchte tapfer ein Lächeln. Als sie sich über ihn beugte, sah er, dass sie blaue Augen hatte. Ihre Haut war sehr blass, fast durchscheinend, aber um die Nase herum war sie mit goldbraunen Sommersprossen gesprenkelt. Energisch wischte sie sich die Tränen von den Wangen und lächelte zurück. Wieder hatte Christian das Gefühl, einem Engel zu begegnen. Nur mit Mühe konnte er sich an die Frage erinnern, die man ihm gestellt hatte.
»Ich bin schon froh, dass mir mein Name wieder eingefallen ist. Eine Weile dachte ich, ich wäre tot.« Er schloss erschöpft die Augen. Schon diese wenigen Worte waren zu anstrengend. Aber immerhin hatte er seinen Engel gerettet, dachte er zufrieden und überließ sich dem Schlaf.
Als er wieder erwachte, war er allein in seiner Kammer. Der Himmel, den er durch das Fenster sehen konnte, hatte eine rosarote Färbung angenommen. Von draußen drangen die Geräusche der Straße herein. Er erkannte das Knarren des Zaumzeugs und das Rumpeln von Karrenrädern auf Kopfsteinpflaster. Jemand redete und er konnte die Glocken von verschiedenen Kirchtürmen hören. Wahrscheinlich war er in einer großen Stadt, vielleicht in Köln. Er konnte sich erinnern, dass er auf seiner Flucht die Eifel von Süden nach Norden durchquert hatte und dann auf der Suche nach Deckung den Höhenzug der Ville, der ihn näher an Köln heranbringen sollte. Aber wie er in die Stadt hinein gekommen war, wusste er nicht. Seine letzte Erinnerung war die an zwei grauenhafte Bestien, die ihn töten wollten.
Er sah sich in der kleinen Kammer um. Eine Kommode mit einer Schüssel und einem Krug daneben, eine Truhe, ein Stuhl und sein Bett; an der Wand über der Kommode hing ein Kreuz aus Holz. Die Wände waren weiß gekalkt und die Decke bestand aus dunklen Balken. Die Bodendielen waren ebenfalls aus Holz. Durch den Boden konnte er Stimmen hören. Er glaubte, die Stimmen seines Engels, Franziska, und ihres Herrn, dessen Namen er noch nicht erfahren hatte, herauszuhören.
Den Versuch, sich aufzusetzen, gab er schnell wieder auf, denn bei der Bewegung schoss ein furchtbarer Schmerz durch sein Bein. Wie gerne hätte er einen Blick aus dem Fenster geworfen, vielleicht den Dom gesehen oder einfach nur über die Dächer der größten Stadt der Christenheit geblickt. Er war noch nie in einer so großen Stadt gewesen, nur einmal hatten die Mönche ihn mit nach Trier genommen, aber Köln war die Stadt seiner Träume.
Erschöpft, aber zuversichtlich schlief er wieder ein, denn er hatte gespürt, dass er wieder gesund werden würde.
»So Jung’, jetzt erzähl mal. Was hast du diesmal wieder angestellt?« Änni, die Haushälterin, Arnolds ehemalige Amme, hatte die Arme vor ihrem großen Busen gekreuzt. Sie lehnte sich auf der Holzbank zurück und blickte über den Tisch zu Arnold. In der Mitte zwischen ihnen standen ein Krug mit Bier und zwei Tonkrüge. Das Bier hatte Franziska eben von einem Wirt ein paar Häuser weiter geholt. Inzwischen war es vor den Fenstern dunkel geworden. Einige Kerzen und das flackernde Herdfeuer erhellten die Küche notdürftig. Franziska spülte in dem großen Spülstein die Schalen vom Abendessen.
»Franziska, mach jetzt mal Schluss hier und geh ins Bett.« Franziska, die gehofft hatte, das Gespräch mithören zu können, machte ein langes Gesicht. »Und sieh auf dem Weg in deine Kammer noch mal nach dem Kranken. Aber mit Abstand!« Arnold grinste, als Franziska ihn böse anfunkelte. Die Küchentür wurde heftiger als nötig ins Schloss geworfen.
»Wie läuft es mit Franziska?«, fragte Arnold, weniger aus Interesse, sondern eher um Zeit zu gewinnen.
»Ach, Arnold, ich verstehe ja, dass du sie nicht bei diesem Hurenwirt lassen konntest und auch nicht ins Waisenhaus zurückbringen wolltest. Aber manchmal ist sie ein richtiger Satansbraten. Sie kann so lieb sein und im nächsten Augenblick tut sie, was der liebe Gott verboten hat. Und mit Lesen, Schreiben und Rechnen kommt sie auch nicht zurecht. Zum Unterricht muss man sie geradezu prügeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es uns gelingt, eine Dame aus ihr zu machen.«
»Aber ich spüre, dass sie das Potenzial dazu hat.«
»Ja, das glaube ich ja auch, aber die Zeit im Waisenhaus hat ihre Spuren hinterlassen. Sie ist ja auch zutraulicher geworden, aber das Lernen fällt ihr so schwer. Wenn es nicht anders geht, werden wir sie an einen Handwerksmeister verheiraten. Kochen und backen kann sie ja. Ich verstehe sowieso nicht, warum heutzutage jeder Lesen und Schreiben lernen soll. Das setzt den jungen Leuten nur Flausen in den Kopf. Du bist doch selbst das beste Beispiel. Mit zwölf schon an der Universität von Köln. Und was hat es dir gebracht? Nur Ärger!«
»Änni, du weißt doch, Bücher werden immer günstiger und immer mehr, seit man sie drucken kann. Das Wissen der Welt steckt in diesen Büchern! Wer Bücher lesen kann, wird von diesem Schatz profitieren können.«
»Na, jetzt glaubst du bestimmt, du hättest mich von meiner eigentlichen Frage abgelenkt. Ich bin vielleicht ungebildet und kann deine schlauen Bücher nicht lesen, aber ich bin nicht dumm. Du hast dich gestern in der Abenddämmerung ins Haus deiner Mutter geschlichen, ohne die Farben deiner Familie oder des Herzogs zu tragen, also frage ich mich, was los ist. Und ich werde dir keine ruhige Minute lassen, bis ich eine Antwort habe.«
»Ist ja schon gut. Ich wollte ja antworten, aber nicht sofort.« Er wusste genau, dass Änni eine Antwort verdient hatte und auch darauf bestehen würde, eine zu bekommen. Er hatte ihr ohnehin immer schon mehr erzählt, als jedem anderen Menschen auf dieser Welt.
»Also, wie soll ich anfangen? Da war diese hübsche dunkelhaarige Schönheit, Sophie, und nachdem ich sie unauffällig umworben hatte, haben wir uns eines Abends heimlich getroffen und sie hat mir gezeigt, dass sie unter ihrem Unterkleid auch sehr schön ist.« Arnold spürte, dass er rot wurde. Er war jetzt fünfundzwanzig Jahre alt, Ritter des Herzogs von Jülich und wurde rot, weil er seiner ehemaligen Amme von seinen Weibergeschichten erzählte. Innerlich schüttelte er über sich selbst den Kopf.
»Du hattest aber nicht die Absicht, sie dann auch zu heiraten?« Änni legte wie immer den Finger auf den wunden Punkt.
»Nein, eine Heirat mit Sophie wäre auch nicht standesgemäß gewesen. Davon abgesehen, dass sie zwar hübsch aussieht, aber von recht einfachem Gemüt ist. Jedenfalls wusste ich nicht, dass ihr Bruder zu Hause weilte, der ein Mann von Karl von Egmond ist, dem Herzog von Geldern. Jan van Issum, so heißt der Bruder, ging mit einer Mistgabel auf mich los, als ich das nächste Mal in die Nähe von Sophie kam. Was sollte ich tun? Er wollte mich abstechen und da musste ich doch mein Schwert ziehen. Ich habe aber nur versucht, den Stiel der Mistgabel zu treffen, aber dieser Verrückte hat so eine seltsame Drehung gemacht, dass ich seinen Arm getroffen habe. Also eigentlich nicht nur getroffen, sondern, äh, gewissermaßen abgeschlagen. Ich habe die Blutung gestillt und bin abgehauen.
Die van Issums stellen das jetzt so dar, als hätte ich Jan aufgelauert, um mich mit ihm zu duellieren. Wenn König Maximilian davon erfährt, und dafür wird Karl von Egmond schon sorgen, dann muss er mich bestrafen, weil ich den großen Landfrieden gebrochen habe. Herzog Wilhelm kann mir auch nicht groß helfen, denn der arbeitet ja auch an einer Rechtsreform und würde sich eine Blöße geben, wenn er jetzt der Selbstjustiz Vorschub leisten würde.
Sybilla hatte die Idee, dass ich für eine Weile verschwinden sollte. Sie hat Wilhelm vorgeschlagen, ich sollte eine Pilgerreise nach Jerusalem machen. Damit würde ich der weltlichen Gerichtsbarkeit entgehen, denn es gilt immer noch der Grundsatz, dass man durch eine solche Reise Generalabsolution erhält.«
Arnold hatte nach der langen Erklärung einen trockenen Mund und nahm einen Schluck Bier. Es war ganz still, nur der Docht der Kerze zischte kurz. Daher nahm Arnold auch das ganz leise Knarren der Küchentür wahr. Vorsichtig erhob er sich, damit die Bodendielen nicht knackten, und schlich zur Tür, die er mit Schwung aufriss. Franziska, ihres Halts beraubt, stolperte ihm entgegen. Arnold ging ihr aus dem Weg und sie fiel der Länge nach zu Boden. Benommen rappelte sie sich auf und kam zwei Schritte auf Arnold zu. Mit der rechten Hand rieb sie über ihr schmerzendes Knie.
»Nimmst du mich mit nach Jerusalem?«, fragte sie trotzig.
Arnold hob drohend die Hand, schlug aber nicht zu.
»Wenn ich noch einen Ton von dir höre oder du bei drei noch vor mir stehst, dann sorge ich dafür, dass nicht nur dein Knie weh tut. Eins – zwei ...«
Franziska drehte sich wortlos um und rannte die Stiege hinauf.
»Und sieh nach dem Kranken!«, rief Arnold ihr noch hinterher. Er schloss die Tür und ging zurück zum Tisch. Kopfschüttelnd sah Änni ihm entgegen.
»Du glaubst doch nicht, dass du bei dem Mädchen mit Ohrfeigen weiter kommst. Davor hat sie keine Angst!«
»Ein paar Ohrfeigen haben noch niemandem geschadet.«
»Aber auch nicht immer genützt.«
Vorsichtig öffnete Franziska die Tür zum Zimmer des kranken Mannes, von dem sie immer noch nicht wussten, wer er war. Eine Kerze brannte auf der Kommode. Erstaunt stellte sie fest, dass der Kranke die Augen geöffnet hatte und im Bett saß.
»Ich habe gedacht, ich wäre tot und du wärst ein Engel.« Christian merkte selbst, dass dieser Gesprächsanfang recht seltsam klang. »Was war da unten los?«
»Ich wollte wissen, was sie zu besprechen haben.« Franziska rieb sich verstohlen das Knie. Sie setzte sich auf den Hocker. Mit Abstand, dachte sie grimmig. »Und Arnold hat mich beim Lauschen an der Tür erwischt.«
»Der Racheengel?«
»Ja, er hat manchmal wirklich etwas von einem Racheengel.«
»Wo bin ich hier überhaupt?«
»Im Haus des Ritters Arnold von Harff in der Sankt-Mauren-Straße in Köln.«
»Ich kann mich immer noch nicht erinnern, wie ich hier hergekommen bin.«
»Das ist klar, du warst ja auch nicht bei Bewusstsein. Sie haben dich auf der Bedburger Straße auf den Karren geladen und mitgenommen.«
»Warum haben sie mich nicht einfach dort liegen lassen?«
»Arnold kann so etwas nicht gut. Er hatte auch schon mal einen dreibeinigen Hund, den er gesund gepflegt hat.«
Christian wollte dazu lieber nichts sagen. »Und was ist mit dir? Du bist nicht seine Tochter, oder?«
»Nein, ich bin auch so ein Findelkind. Arnold hat mich aus einem Hurenhaus gerettet, wo ich als Jungfrau angeboten wurde.« Oh barmherzige Mutter Maria, warum erzähle ich das einem Wildfremden?, dachte Franziska, aber sie redete einfach weiter. »Ich habe in einem Waisenhaus gelebt, bis ich zwölf war. Dann wollte mich die Mutter Oberin an einen Bäcker als Magd verkaufen, aber der Kerl war alt und hatte Mundgeruch und er wollte mich anpacken. Da bin ich weggelaufen und dieser Hurenwirt hat mich erwischt. Das war noch ekelhafter. Und dann kam Arnold. Er sollte mein erster Freier sein, aber er hat nichts gemacht, sondern mich einfach mitgenommen. Danach hat er die Sache mit dem Bäcker und dem Waisenhaus geregelt. Jetzt lebe ich seit zwei Jahren hier in seinem Haushalt und es ist viel besser als vorher. Jedenfalls meistens. Arnold hat herausgefunden, dass meine Mutter wohl eine feine Dame gewesen sein muss, denn in dem Körbchen, in dem ich vor Sankt Claren abgelegt wurde, waren edle Tücher und ein Rosenkranz mit Edelsteinen. Und jetzt will er, dass ich Lesen und Schreiben lerne.«
Sie hatte angefangen, eine blonde Strähne ihrer Haare um den Finger zu wickeln. Christian hätte gerne ihre Hand genommen.
»Was ist so schlimm am Lesen und Schreiben?«
»Weißt du, ich versuche es ja, aber diese komischen kleinen Striche und Kringel verschwimmen immer vor meinen Augen und ich kann sie mir einfach nicht merken. Und beim Schreiben tut die Hand immer so weh.«
»Ja, das ist am Anfang immer so!«
Franziska sah, dass Christian lächelte. Das Lächeln vertrieb die Anzeichen von Krankheit und Angst in seinem offenen und ehrlichen Gesicht. Nett sah er aus, fand Franziska.
»Kannst du denn lesen?«, fragte sie.
»Ich bin im Kloster Aremberg in der Eifel zum Scriptor ausgebildet worden.«
»Du bist doch noch gar nicht so alt?«
»Ich bin schon 16 und hätte im nächsten Jahr meine Gelübde abgelegt und gleichzeitig meine Ausbildung abgeschlossen.« Christian merkte, dass er rot wurde. Er hatte wenig Übung darin, sich mit Mädchen zu unterhalten.
»Dann findest du wohl auch, dass ich lesen lernen sollte.«
»Naja, du bist ein Mädchen und noch dazu ein Findelkind. Warum sollte man dir Lesen und Schreiben beibringen? Das ist doch überflüssig!«
»Meinst du, ich bin es nicht wert, Lesen und Schreiben zu lernen?« Franziska stiegen die Tränen in die Augen. Sie wusste nicht, warum ihr diese Ansicht jetzt so viel ausmachte, wo Christian doch eigentlich ihrer Meinung war. Also stand sie auf und ging zur Kommode. Dort schüttete sie aus einem abgedeckten Krug etwas verdünnten Wein in einen Becher und reichte ihn Christian.
»Du hast doch gerade selbst gesagt, du wolltest es überhaupt nicht lernen!« Ratlos schüttelte er den Kopf. Er hatte von anderen Novizen gehört, dass es schwierig sei, Mädchen zu verstehen.
Wortlos ging Franziska aus der Stube. Widerstreitende Gefühle tobten in ihrem Inneren. In ihrer Kammer angekommen, warf sie sich auf ihr Bett und weinte sich in den Schlaf.
Sie saßen am Küchentisch und hatten gerade das Abendessen beendet. Franziska räumte die Teller, einen Rest Brotfladen und den großen Steinguttopf mit dem Eintopf ab. Christian, dessen Fieber seit gestern nicht wiedergekommen war, durfte auch aufstehen und war auf einen Stock gestützt die Stiege heruntergekommen. Sein linker, bandagierter Fuß lag auf einem Hocker.
»Herr«, sagte er, »ich bin jetzt bald so weit, dass ich Euch nicht mehr lästig fallen muss. Habt Dank für alles, was Ihr für mich getan habt.«
»Hast du denn schon Pläne, wohin du gehen willst? Du läufst doch auch vor irgendetwas weg.«
»Ich dachte, ich versuche hier in Köln ein Kloster zu finden, das mich aufnimmt.«
»Aber man hat doch nach dir gesucht? Ist Köln wirklich weit genug von der Eifel entfernt, um sich hier sicher zu fühlen? Was wirft man dir denn vor?«
»Ich soll aus dem Skriptorium Steine und Goldstaub zur Farbherstellung gestohlen haben. Der Lapislazuli und der Malachit sollen besonders wertvoll gewesen sein. Aber ich habe ein Gespräch belauscht und war so gewarnt. Als die Büttel des Richters von Blankenheim ins Kloster kamen, bin ich weggelaufen.«
»Was hast du mit den gestohlenen Dingen gemacht?«
Christian blickte Arnold entsetzt an. »Ich habe nicht gestohlen, der Cellerarius war es und wollte mir die Schuld in die Schuhe schieben. Bitte, Herr, glaubt mir.«
»Ich wollte nur sehen, wie du reagierst. Ich glaube dir.« Arnold hielt es für unwahrscheinlich, dass Christian überhaupt in der Lage wäre, zu lügen. Zumindest würde man an seinem Gesicht ablesen können, dass er die Unwahrheit sagte.
»Ich glaube ihm auch«, sagte Franziska, die an den Tisch zurückgekommen war.
Arnold runzelte die Stirn über ihre Einmischung, sagte aber nichts.
»Der Cellerarius war noch recht jung und brauchte das Geld für die Hurenhäuser in Trier«, erzählte Christian weiter. »Ich hatte ihn schon länger im Verdacht, weil ich ihn einmal im Scriptorium erwischt habe. Als sich dann der Verdacht bestärkte, dass im Scriptorium Edelsteine und Gold verschwinden, hat er mir geschickt die Schuld in die Schuhe geschoben. Und ich war ja nur ein kleiner Novize, noch dazu der Sohn eines Bauern. Wer sollte mir glauben?«
»Nein, da hast du recht. Und spätestens unter einer Befragung mit Folterwerkzeugen hättest du irgendwann alles erzählt, was sie hören wollen.«
Es klopfte am Tor.
»Franziska, schau nach, wer es ist, aber lass Gero aufmachen. Der ist langsamer als du.« Sie hatten diese Vorsichtsmaßnahme eingeführt, weil weiterhin die Gefahr bestand, dass man Arnold zur Befragung abholen würde. Franziska rannte auch gleich die Stiege hoch, um aus einem Fenster im ersten Stock zu schauen. Nach wenigen Augenblicken war sie wieder da. »Stadtwache, drei Mann. Und zwei sind gerade um die Ecke hinters Haus.«
»Verdammt!« Arnold sprang auf und griff nach einem großen Lederbeutel, der an der Wand lehnte. »Komm schon, Christian!«
»Was, ich?«
»Was glaubst du, was passiert, wenn sie das Haus durchsuchen?«
Es klopfte wieder. Diesmal ungeduldiger und lauter.
»Immer langsam«, hörten sie Geros Stimme von draußen. »So schnell sind meine alten Beine schon lange nicht mehr.«
Arnold packte Christian am Arm und zog ihn durch den Flur zu einer Falltür. Er ergriff den Ring und klappte die Tür nach oben auf. Auf einer Truhe an der Wand stand eine Kerze auf einem Steingutteller. Eine schmale Steintreppe wurde sichtbar. Arnold nahm die Kerze und ging vor.
»Ich helfe dir, auch herunterzukommen. Zieh den Kopf ein, die Decke ist am Anfang noch recht niedrig.« Christian war fast so groß wie Arnold und beide mussten auf der Stiege die Köpfe einziehen.
Kaum war Christian im Keller verschwunden, schloss Franziska die Falltür wieder und schob die Truhe von der einen Seite des Flurs hinüber auf die Falltür. Nur Augenblicke später trampelten die drei Soldaten der Stadtwache in die Küche.
»Wir suchen Arnold von Harff, Ritter des Herzogs von Jülich, dem dieses Haus gehört. Er soll vor einem Gericht aussagen, das seine Einlassungen dann dem König übermitteln wird.«
»Der Herr ist nicht da«, sagte Änni. Franziska schlich sich unauffällig durch die Hintertür aus dem Haus. Sie huschte im Dunkeln über den Hof und betrat hinter Gero wieder die Küche. Änni hatte sich vor den Spülstein mit dem gebrauchten Geschirr gestellt, aber einer der Soldaten kam näher und sah an ihr vorbei.
»Was soll das heißen, er ist nicht da? Könntest du das etwas genauer erklären? Oder sollen wir dich gleich mitnehmen und befragen? So wie es aussieht, war er gerade noch da.«
»Wir haben zu Abend gegessen und dann ist der Herr noch einmal fortgegangen. Vielleicht versucht ihr es auf dem Berlich oder in einer der Kneipen in der Umgebung.«
»Du willst uns also weismachen, du wüsstest nicht, wo dein Herr ist.«
»Jung, ich bin nur eine alte Haushälterin und mein Herr ist ein Ritter. Warum sollte der einem alten Fräuchen wie mir seine weisen Beschlüsse mitteilen?« Änni hatte ihre Sicherheit wiedergewonnen. »Glaubst du, der Herr sacht et mir, wenn er zu den Huren auf dem Berlich jeht?«
»Wir müssen das Haus durchsuchen.«
»Selbstverständlich, wenn et euch jlöcklich macht.«
Arnold schützte die kleine Kerzenflamme mit der Hand. Sie erleuchtete das Dunkel im Keller notdürftig. Runde Steinbögen, Säulen und Gewölbe wurden sichtbar.
»Wirst du laufen können?«, flüsterte er.
»Es wird gehen, wenn wir nicht zu schnell sein müssen.«
»Der Keller geht von meinem Haus bis unter das Nachbarhaus. Wahrscheinlich irgendetwas aus der Römerzeit, das die Erbauer als Grundlage benutzt haben. Da gibt es einen Ausgang zum Hof und von dort können wir auf das Nachbargrundstück.«
Christian war froh, dass er den Stock mitgenommen hatte, und humpelte vorsichtig hinter Arnold und dem Kerzenschein her. An einer niedrigen Tür angekommen, kramte Arnold in seinem Beutel. Er zog ein Stück Wurst hervor. Christian war verblüfft. Wollte dieser seltsame Ritter jetzt etwas essen? Von draußen war leises Kratzen an der Tür zu hören. Arnold reichte Christian wortlos die Kerze und schob den Riegel zur Seite. Kaum hatte er die Tür vorsichtig einen Spaltbreit geöffnet, drängelte sich eine zottige Bestie hindurch, stellte ihre Vorderpfoten auf Arnolds Schulter und leckte ihm über das Gesicht. Danach ging sie wieder mit allen vieren zu Boden und schnappte sich das Stück Wurst aus Arnolds Hand. Arnold drehte sich grinsend zu Christian um.
»Wenn du einen sicheren Fluchtweg brauchst, freunde dich mit dem Hund des Nachbarn an. Komm schon, der ist jetzt beschäftigt. Und mach die Kerze aus.«
Es war dunkel, aber nachdem es am Nachmittag geregnet hatte, war der Himmel jetzt sternenklar.
»Zum Glück ist Neumond, sonst wäre es jetzt viel zu hell.«
Licht fiel aus einem Fenster, aber sie umgingen den hellen Flecken im Hof und hielten sich dicht an der Hofmauer. Hinter einem Schuppen war die Mauer zur Hälfte eingebrochen. Arnold half Christian über den Haufen aus Ziegeln, über den Brombeerranken wuchsen. Danach kam ein Grundstück, auf dem jetzt fast kahle Weinstöcke standen. Arnold kramte wieder in seinem Beutel und zog ein Stück Leder und eine Schnur heraus, die er Christian reichte. Er nahm ihm die Kerze aus der Hand und verstaute sie nun in seinem Beutel, den er dann wieder über die Schulter warf.
»Binde dir das Leder um den verletzten Fuß. Damit solltest du ein paar hundert Schritte weit laufen können, ohne dass die Verbände nass werden.«
Das feuchte Weinlaub dämpfte ihre Schritte. Am Ende der Rebenreihen war wieder eine Mauer, die sich allerdings leicht überklettern ließ, da an vielen Stellen der Mörtel aus den Fugen gebröckelt war.
»Die Luft ist rein«, flüsterte Arnold, der als Erster über die Mauer sehen konnte. Christian kletterte hinterher und versuchte, sich vorsichtig auf der anderen Seite herabzulassen, um seinen verletzten Fuß nicht zu sehr zu belasten. Als er mit seinem ganzen Gewicht an der Mauerkrone hing, brach dort ein Stein heraus. Christian fiel auf die Straße und der Stein sprang klappernd über das Kopfsteinpflaster. Ein Hund bellte.
»Verdammt, das war zu laut.« Arnold zog Christian auf die Füße. »Lass uns schnell hier verschwinden.« Das Klappern des Stocks auf dem Kopfsteinpflaster erschien Christian ebenfalls viel zu laut. Hinter ihnen hörten sie schnelle Schritte. Arnold lief vor ihm her und Christian fiel etwas zurück. Sie liefen an Häusern aus Stein und Fachwerk vorbei. Die wenigen Passanten, die noch unterwegs waren, schauten ihnen nur kurz hinterher, kümmerten sich aber nicht weiter um sie. Einige Schritte vor Christian bog Arnold an einer Ecke mit einem runden Turm nach rechts ab. Christian erreichte die Ecke wenig später, doch als er schlitternd um die Kurve bog, lief er nur noch wenige Schritte und blieb dann verwirrt stehen.
Arnold war verschwunden. Nur ein Straßenköter trottete in einiger Entfernung über die Straße. Nebelschwaden trieben dicht über dem Pflaster. Christian gab sich einen Ruck und humpelte zügig weiter. Als er das zweite Haus passiert hatte, wurde er plötzlich von links gepackt und in einen engen Zwischenraum zwischen zwei Häusern gezerrt. Eine Hand lag auf seinem Mund und Arnold zischte fast unhörbar: »Keinen Laut.« Augenblicke später rannten zwei Verfolger an ihnen vorbei, ohne den schmalen Durchgang zwischen den Häusern zu bemerken.
»Weiter jetzt, die kommen garantiert zurück.«
Arnold zog Christian zwischen den Häusern hindurch, die sich über ihnen beinahe berührten. Er spürte raue Steinwände rechts und links. Sehen konnte er nichts, aber er konnte es am Boden quieken hören, als die Bewohner des Durchgangs von ihnen gestört wurden. Es wurde wieder etwas heller, als sie die Häuser passiert hatten. Jetzt war ein wenig mehr Platz, die Gasse war breit genug für zwei, führte aber weiterhin zwischen Mauern hindurch.
Arnold kam an Christians linke Seite und stützte ihn. Nach etwa fünfzig Schritten knickte die rechte Mauer nach rechts ab. Vor ihnen öffnete sich ein unordentliches Trümmergrundstück. Der Pfad schlängelte sich von der linken Mauer weg zwischen Gestrüpp auf eine Erhöhung zu. Im Näherkommen konnte Christian Reste von Wänden und Steinbögen im schwachen Sternenlicht erkennen. Alles war überwuchert mit Birken, kleinen Büschen und Brombeerranken. Arnold führte Christian jedoch an dem verfallenen Gebäude vorbei bis zum anderen Ende des Grundstücks.
»Vorsicht, hier geht’s abwärts.« Sie stiegen einige unregelmäßige Stufen hinab. Vor ihnen gähnte eine schmale Öffnung. Arnold ging zwei Schritte hinein und legte seinen Beutel ab.
»Willkommen in der Unterwelt!«
Christian bekreuzigte sich zur Sicherheit, während Arnold wieder in seinem Beutel kramte. Er holte ein kleines Kästchen hervor, aus dem er einen Stahlring, Zunder und einen Feuerstein nahm.
»Die im Dunkeln leben, scheuen das Licht«, sagte Arnold geheimnisvoll. Christian bekam eine Gänsehaut auf seinem Rücken. Trotz der Kälte hatte er Schweißperlen auf der Stirn. Er wusste, dass er nicht mehr viel weiter kommen würde.
»Wenn wir gleich Licht haben, sind es nur noch ein paar Schritte. Man sollte sich hier in der Nacht nicht allzu weit hineinwagen.«
Arnold packte Feuerstein und Zunder mit der einen Hand und schlug Funken mit dem Stahlring in seiner anderen Hand. Schon begann der Zunderschwamm zu glühen und Arnold legte ein paar feine Pflanzenfasern auf die Glut, die er vorsichtig anblies. Gleich darauf flackerte ein kleines Flämmchen, das er an den Docht der Kerze hielt.
»Schaffst du es noch ein kleines Stück weiter? Dann können wir uns ausruhen.« Der Gang war leicht abschüssig und nach kurzer Zeit gingen rechts und links weitere Gänge ab. Arnold wählte den rechten, breiteren Gang, der in einer kleinen Kammer mündete.
»Wenn man uns hier angreift, sitzen wir in der Falle«, flüsterte Christian unbehaglich. »Und außerdem ist das ein Grab!« Er hatte im flackernden Kerzenschein zerbrochene Sarkophage an der Rückwand entdeckt.
»Keine Sorge, die Totenruhe störst du hier nicht mehr. Die Gräber sind mehr als tausend Jahre alt und schon lange leer. Und vor dem traurigen Gelichter, das hier unten wohnt, muss man sich auch nicht fürchten, wenn man ein gut ausgebildeter Ritter ist und nicht einschläft«, sagte Arnold mit schiefem Grinsen. »Ein Eingang ist außerdem besser zu verteidigen als mehrere.«
Wieder kramte Arnold in seinem unergründlichen Beutel und zog zwei lange Messer in Lederscheiden und eine Stundenkerze hervor. Er zündete sie an der anderen Kerze an und hielt ihr unteres Ende kurz in die Kerzenflamme. Dann drückte er sie auf eine Ecke eines Sarkophags. Eines der Messer schob er zu Christian herüber. Mit dem anderen setzte er sich auf einen Mauervorsprung in einer Ecke der Kammer.
»Es ist jetzt etwa zwei Stunden vor Mitternacht. Also geht in zehn Stunden die Sonne wieder auf. Sagen wir, wir kriechen in acht Stunden wieder aus unserem Versteck, dann können wir den Dom noch in der Dunkelheit erreichen, aber auf den Straßen wird schon wieder etwas los sein. Leg du dich hin, ich werde die erste Wache übernehmen und wecke dich, wenn ich nicht mehr kann.«
Christian erwachte. Er wusste nicht, was ihn geweckt hatte, aber im Traum hatte er eine gewisse Unruhe bemerkt. Benommen blickte er sich um. Die Stundenkerze auf dem Rand des Sarkophags zeigte an, dass vier Stunden vergangen waren. Arnold saß in der Ecke neben dem Gang und hatte die Augen geschlossen. Ein leises Scharren kam aus dem Gang. Wahrscheinlich wieder mal die Ratten, dachte Christian. Das Licht der Kerzen fiel nur einige Schritte weit in den Gang hinein, danach kam die Dunkelheit.
Wieder drang ein Geräusch aus dem Gang, diesmal eindeutig ein kleines Steinchen, das angestoßen worden war. Arnold straffte sich und öffnete die Augen. Christian, der bisher noch keine Bewegung gemacht hatte, legte den Finger an die Lippen. Mit einer lautlosen, fließenden Bewegung kam Arnold auf die Füße und drückte sich an die Wand neben der Öffnung des Gangs. Christian drückte sich ebenso leise in eine Mauernische auf der anderen Seite der Kammer. Beide zogen ihre Messer aus der Scheide. Christian betrachtete angewidert die lange Klinge.
Lange Zeit passierte nichts, bis er schon meinte, er habe sich das Geräusch nur eingebildet. Arnold suchte seine Augen mit seinem Blick und schüttelte unmerklich den Kopf. Dann machte er eine winzige Kopfbewegung zum Eingang des Ganges. Augenblicke später sprang eine dunkle Gestalt in den Lichtschein. Christian sah nur den hoch erhobenen Knüppel, den der Angreifer in einem weiten Bogen schwang. Arnold tauchte unter dem Knüppel durch und gelangte so dem Angreifer, der von seinem eigenen Schwung herumgerissen wurde, in den Rücken. Mit einer lässigen Bewegung trat er ihm das Standbein unter dem Körper weg. Der Angreifer taumelte und fiel der Länge nach hin. Sein Kopf schlug mit einem dumpfen Geräusch gegen die Kante eines Sargdeckels. Reglos blieb er am Boden liegen.
»Christian, setz ihm deine Klinge an die Kehle!« Arnold war wieder an die Wand neben dem Eingang zurückgekehrt. »Der Nächste, der diese Kammer betritt, ist tot!«, sagte er laut. Der Mann am Boden regte sich. Christian drückte sein Messer gegen den Hals des Angreifers. Der öffnete benommen die Augen, bewegte sich aber nicht mehr. Schritte waren im Gang zu hören. An der Grenze zwischen Licht und Schatten konnte Christian eine weitere dunkle Gestalt sehen.
»Was wollt ihr hier? Ihr gehört nicht zu uns«, sagte eine raue Stimme aus der Dunkelheit.
»Wir wollen uns hier nur für eine Nacht verstecken, dann sind wir wieder weg«, sagte Arnold laut und ohne aus der Deckung zu kommen.
»Wenn ihr unseren Schutz wollt, müsst ihr bezahlen.«
»Mach dich nicht lächerlich, Mann. Wir sind bis jetzt ganz gut alleine zurechtgekommen.«
»Aber du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ihr hier auch wieder heil herauskommt! Und wenn schon, werdet ihr vielleicht am Ausgang erwartet.«
Blitzschnell erwog Arnold die Möglichkeiten. »Also gut, was kostet euer Schutz?«
»Zwei Goldstücke, eins für jeden von euch.«
»Für den Preis hätte ich Federbetten und ein ordentliches Abendessen erwartet.«
»Red’ nicht lange herum. Zahlt ihr den Preis oder nicht?«
Arnold gab Christian ein Zeichen, den Gefangenen freizugeben, was dieser nur zu gern tat. Er hatte sich den Kerl inzwischen genauer angesehen und festgestellt, dass in seinen fettigen Haaren Läuse herumkrabbelten. Er mochte sich gar nicht vorstellen, welches Ungeziefer noch unter seiner zerschlissenen Kleidung war. Christian nahm das Messer weg und machte einen großen Schritt zurück. Der Mann kam schwankend auf die Füße. Arnold hatte in einem kleinen Geldbeutel an seinem Gürtel gekramt und eine Münze in die Hand genommen. Als der Mann auf ihn zukam, drückte er ihm die Münze in die Hand und gab ihm mit der anderen Hand einen Stoß, der ihn in den Gang stolpern ließ.
»Das war nur eine Goldmünze!«, ertönte vorwurfsvoll die Stimme von vorher.
»Stimmt, die andere gibt es, wenn ihr uns im Morgengrauen zu einem Ausgang bringt, der möglichst nah am Dom liegt.«
»Wenn ihr geht, haltet euch rechts und es wird euch ein Führer erwarten.« Schritte im Gang verhallten, dann war es wieder still.
»Puh, das war knapp.« Arnold schnappte sich sein Bündel und kam zu Christian herüber. »Da nickt man nur mal kurz ein und dann so was.« Er ließ sich nieder und lehnte sich gegen einen Sarkophag. »Ich denke, wir sollten besser nicht mehr einschlafen.«
Christian konnte sich nicht vorstellen, dass er in dieser Nacht noch ein Auge zumachen würde. »Vielleicht erklärt Ihr mir, wie das alles jetzt weitergehen soll«, schlug er vor.
»Ich hatte sowieso geplant, übermorgen, nein, morgen, wir haben ja schon längst nach Mitternacht, meine Pilgerreise anzutreten. Am Vormittag des sechsten Novembers soll ich im Dom offiziell in einer Messe den Status eines Pilgers annehmen. Wir müssen es nur bis in den Dom schaffen.«
»Was heißt wir?«, fragte Christian irritiert.
»Naja, ich bin irgendwie noch nicht dazu gekommen, dich zu fragen. Aber du bist ja auch gerade erst wieder einigermaßen gesund. Also es sieht folgendermaßen aus: Ich möchte mindestens bis nach Jerusalem kommen und wenn möglich noch weiter und einen Bericht über meine Reise schreiben. Einige Freunde, die mir hoch und heilig versprochen haben, mitzukommen, haben entweder bedauernde Absagen geschrieben, oder sich erst gar nicht gemeldet. Ich bin also ganz allein. Du weißt nicht, ob du weiterhin gesucht wirst und es ist auch nicht klar, ob ein Kloster in Köln oder anderswo dich mit dieser Vorgeschichte aufnehmen wird. Du kannst lesen und schreiben und weißt, wie man ein Buch herstellt. Damit wärst du der ideale Reisegefährte.«
»Ich habe weder das Geld, um eine solche Reise zu bezahlen, noch bin ich in der Lage, weitere Strecken zu laufen.«
»Das mit dem Geld lass mal meine Sorge sein. Und zufällig habe ich für den ersten Teil der Reise mit einem Oberländer-Schiffer gesprochen, der am siebten November rheinaufwärts fahren wird und uns mitnehmen würde.« Arnold grinste Christian an, der sich langsam mit dem Gedanken anfreundete, eine Pilgerfahrt anzutreten.
»Ich habe mir das alles schon genau überlegt. Du bekommst einen Gulden pro Monat plus Kost und Logis, die nötige Kleidung und Material. Dafür wirst du die Reisewege aufschreiben und auch sonst wichtige Dinge notieren. Selbstverständlich wären die Berichte, die du schreibst, in meinem Besitz, solange ich dich dafür bezahle. Wir würden Kopien anfertigen, die wir nach Köln schicken, für den Fall, dass unsere Aufzeichnungen verloren gehen. Solltest du bis zum Ende der Reise dabei bleiben, würde ich dich dann beauftragen, den Reisebericht nach meinen Vorstellungen aufzuschreiben.«
»Warum wollt Ihr das Buch nicht drucken lassen?«
»Naja, in der Hinsicht bin ich ein bisschen altmodisch. Ich mag diese gedruckten Seiten nicht. Sie sind irgendwie so leblos, ganz anders als eine schöne Handschrift. Außerdem soll der Bericht keine Massenware werden, sondern ausgewählten Familien zukommen, allen voran natürlich Herzog Wilhelm.«
In der folgenden Diskussion über Reisewege und Inhalte des Reiseberichts merkte Christian überhaupt nicht mehr, dass er längst von Arnold überzeugt worden war. Er war Feuer und Flamme für ihr Vorhaben und daher überrascht, als Arnold schließlich sagte, sie müssten jetzt aufbrechen. Ein Blick auf die Stundenkerze zeigte, dass es Zeit war zu gehen.
»Eine letzte Frage musst du mir allerdings noch beantworten: Wirst du, gewissermaßen als mein Chronist, diese Pilgerreise mit mir gemeinsam antreten?
»Ja, natürlich! Wir reden doch schon seit Stunden über nichts anderes mehr.« Christian strahlte. Das war genau das, was ihm im Kloster am meisten Freude bereitet hatte – Bücher schreiben. Und diesmal würde er nicht nur ein Buch kopieren, sondern ein eigenes Buch mit einer ganz neuen Geschichte schreiben.
Der Führer entpuppte sich als schlaksiger, etwa 14-jähriger Junge, der sie an der Gabelung von zwei Gängen erwartete. Über seiner Gugel hatte er sich ein Tuch um den Kopf gewunden, das im Nacken verknotet war. In einer Mauerspalte steckte eine Fackel, die er nun herauszog. Er machte eine einladende Handbewegung und setzte sich in Bewegung.
Schweigsamer Bursche, dachte Arnold und blickte prüfend zu Christian herüber. Der sah nach der turbulenten Nacht dennoch besser aus, als Arnold erwartet hatte. Vorsichtig folgten sie dem Jungen weiter in die Dunkelheit hinein. Schon nach ein paar Minuten hatte Arnold die Orientierung verloren.
»Bist du sicher, dass es hier in Richtung Dom geht?«, fragte Arnold.
Der Junge drehte sich um, grinste, sagte aber nichts. Ein Stück weiter war eine Wand eingedrückt. Es gab nur einen engen Durchlass, den dahinter liegenden Raum konnte man nur erahnen. Der Junge wollte gerade über die ersten herausgebrochenen Steine steigen, da packte Arnold ihn an der Schulter und hielt ihn zurück.
»Da gehe ich zuerst durch«, sagte er und nahm dem Jungen die Fackel aus der Hand. »Christian, du gehst als Letzter. Und zieh dein Messer, das ist der perfekte Ort für einen Hinterhalt.«
Christian machte ein fragendes Gesicht, hielt sich aber an Arnolds Anweisung. Arnold quetschte sich durch den Engpass, die Fackel weit nach vorne gestreckt. Der Junge war gleich hinter ihm und wollte sich an ihm vorbei drängeln, sobald wieder etwas mehr Platz war. Aber Arnold klemmte blitzschnell die Fackel in eine Mauerspalte, packte ihn mit einer Hand um die Taille und setzte ihm mit der anderen Hand das Messer an die Kehle. Der Junge erstarrte, doch als Arnold einen Schritt in den Raum machte, der sich vor ihnen öffnete, versuchte er, sich aus Arnolds Umklammerung herauszuwinden und Arnold gleichzeitig einen Fuß wegzutreten. Arnold packte fester zu.
»Bist du irre? Fast hätte ich dir den Hals durchgeschnitten!«
Arnold versuchte, mit der freien Hand nach der Kehle des Jungen zu greifen. Er hatte nicht die Absicht, ihren Führer zu verletzen, denn das hätte unweigerlich zu einem Kampf mit den in der Dunkelheit lauernden Räubern geführt. Seine Hand glitt von der Taille des Jungen nach oben, während er das Messer wegsteckte und wieder nach der Fackel griff.
Christian blickte alarmiert hinüber zu Arnold, weil der plötzlich leise lachte. Arnolds Hand lag nicht an der Kehle des Jungen, sondern auf einer Rundung, die sich unter der groben Tunika nicht abzeichnete, die man aber gleichwohl darunter spüren konnte.
»Ich glaub’s nicht – der Kerl ist ein Mädchen! Du überlässt einem Mädchen eine so gefährliche Aufgabe?«, fragte er laut in die Dunkelheit vor ihnen.