Der deutsche Film. Band 11: 2000-2009 -  - E-Book

Der deutsche Film. Band 11: 2000-2009 E-Book

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Beschreibung

Dieses E-Book ist Teil einer zwölfbändigen Reihe, die die Geschichte des deutschen Films anhand der Sammlungsbestände der Deutschen Kinemathek von den Anfängen im Jahr 1895 bis zur Gegenwart dokumentiert. Jeder Band im ePUB-Format konzentriert sich auf eine Dekade und bietet einen prägnanten Überblick über die filmischen Meisterwerke und Meilensteine dieser Epoche, beleuchtet berühmte und wiederzuentdeckende Filme und würdigt das Kino, sein Publikum und die kreativen Köpfe hinter der Vielfalt des deutschen Films. Das Gesamtwerk, das über 2.700 Objekte aus allen Sammlungsbereichen umfasst und sich über 130 Jahre erstreckt, ist zudem als gedrucktes Buch und als PDF in deutscher und englischer Sprache erhältlich. DIE DEUTSCHE KINEMATHEK zählt zu den führenden Institutionen für die Sammlung, Bewahrung und Präsentation des audiovisuellen Erbes. In ihren Archiven werden dauerhaft Hunderttausende von Objekten erhalten und für die film- und fernsehgeschichtliche Forschung zur Verfügung gestellt. Die Bestände umfassen neben Drehbüchern, Fotos, Plakaten, Kostümen und Entwürfen unter anderem auch filmtechnische Geräte. Die Kinemathek kuratiert Filmreihen und Ausstellungen, sie restauriert und digitalisiert Filme. Ihre vielfältigen Angebote, darunter Installationen, Publikationen, Vermittlungsformate und Konferenzen, laden zur Entdeckung der Welt bewegter Bilder ein.

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Seitenzahl: 82

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Inhalt

Einleitung

Kunst, Autobiografie und Fiktion: Die Unberührbare und Der alte Affe Angst von Oskar Roehler

Die Gespenster-Trilogie von Christian Petzold

Andres Veiels Black Box BRD

Erfolgskomödie: Der Schuh des Manitu

Plakate zu Kinder- und Jugendfilmen der 2000er-Jahre

Eine Literaturverfilmung von Caroline Link: Nirgendwo in Afrika

Good Bye, Lenin! – 79 Quadratmeter DDR

Fußballfilme der 2000er-Jahre

Berlinale-Erfolg: Fatih Akins Gegen die Wand

Bernd Eichinger als Drehbuchautor und Produzent

Staatssicherheit und ästhetisches Paralleluniversum

Dani Levys Komödien Alles auf Zucker und Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler

Die Verfilmung von Patrick Süskinds Roman Das Parfum

Plakate des Berliner Filmverleihs Salzgeber

Insert: Der Filmverleih Salzgeber

Berliner Milieustudien

Neo-Bergfilme

Schauspielstars (V/VI)

Das weiẞe Band – Eine deutsche Kindergeschichte von Michael Haneke

2000–2009

Einleitung

Neue Strukturen

Organisatorische Veränderungen in verschiedenen Bereichen der Filmbranche wurden in diesen Jahren eingeführt und beeinflussten die weitere Entwicklung. Für das interessierte Publikum besonders sichtbar waren die Auswirkungen des Umzugs der Internationalen Filmfestspiele Berlin – der Berlinale – an den Potsdamer Platz. Dieses frühere Zentrum der Stadt war infolge der Teilung verwaist, eine Brache, neben der selbst die großartigen Bauten von Hans Scharoun – Staatsbibliothek, Philharmonie und Kammermusiksaal – wirkten wie in einem Niemandsland. Nach dem Fall der Mauer sollte hier wieder großstädtisches Flair entstehen. Ein Festivalpalais wie in Cannes oder Venedig gab es zwar nicht, doch bot der große Saal eines damals ansonsten als Musicaltheater genutzten Hauses als Berlinale-Palast deutlich mehr Sitze als der Zoo-Palast, der bis dahin als Premierenkino diente. Die am Potsdamer Platz gelegenen Multiplexe wurden zentrale Spielstätten verschiedener Sektionen. Nach der ersten Berlinale am neuen Standort im Jahr 2000 resümierte der Festivaldirektor Moritz de Hadeln, die Nostalgiker seien in der Minderheit. Der Umzug war geglückt; für etwa zwei Jahrzehnte kamen hier Publikum, Presse und Branche zusammen. Die Schließung des CineStar im Sony Center 2020 und die Reduzierung der verfügbaren Plätze im CinemaxX (2023) änderten später die Lage. Im ebenfalls am Potsdamer Platz errichteten Filmhaus fanden ab 2000 die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, das Arsenal – Institut für Film- und Videokunst sowie die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin ihren neuen Sitz.

1 Das Experiment, D 2001, Regie: Oliver Hirschbiegel

Tarek Fahd, Häftling Nr. 77 (Moritz Bleibtreu), Szenenfoto

Moritz de Hadelns letzten Programmen wurde die geringe Anzahl deutscher Produktionen im Wettbewerb vorgeworfen. Besonders die Nichtberücksichtigung von Oskar Roehlers Die Unberührbare (D 2000) sorgte für Kritik. Ab 2002 war Dieter Kosslick als Direktor für den Wettbewerb verantwortlich. Als er in seinem ersten Jahr gleich vier deutsche Filme einlud – Baader (D 2002, Regie: Christopher Roth, ausgezeichnet mit dem Alfred-Bauer-Preis), Der Felsen (D 2002, Regie: Dominik Graf), Halbe Treppe (D 2002, Regie: Andreas Dresen, ausgezeichnet mit dem Großen Preis der Jury) und Heaven (D/I/F/USA/UK 2002, Regie: Tom Tykwer) –, wirkte das wie ein Statement. Spätere Festivalausgaben zeigten in der Regel ebenfalls mehrere deutsche Produktionen. 2004 gewann Gegen die Wand von Fatih Akin den Goldenen Bären für den besten Film. Auch in den folgenden Jahren gewannen deutsche Filme in verschiedenen Kategorien (wie Regie, Darstellung, Preis der Jury, Drehbuch) Preise, nicht jedoch für den besten Film. Kosslick stellte zudem das Festival sukzessive breiter auf, als neue Sektionen kamen Perspektive Deutsches Kino und das Kulinarische Kino hinzu. Schwerpunkte über die Filmpräsentation hinaus setzten Berlinale Talents, ein Programm für junge Kreative, die zum Austausch untereinander sowie mit Mentorinnen und Mentoren nach Berlin eingeladen werden (seit 2003), der World Cinema Fund zur Förderung internationaler Produktionen (seit 2004) und der im gleichen Jahr gegründete Co-Production Market, die alle drei Förderungen außerhalb des Berlinale-Budgets erhielten.

2 Das Filmhaus am Potsdamer Platz, Berlin, 2000er-Jahre, Außenansicht

Als ein Zusammenschluss von Filmschaffenden aller Gewerke entstand im Jahr 2003 die Deutsche Filmakademie. Die auf Initiative von Helmut Dietl, Bernd Eichinger und Ulrich Felsberg gegründete Akademie vereint über 2200 Mitglieder. Sie versteht sich als Interessenvertretung aller Filmschaffenden.

3 Keinohrhasen, D 2007, Regie: Til Schweiger

Deckblatt der Premiereneinladung

Die Vergabe des Deutschen Filmpreises erfolgte bis 2004 durch eine Kommission, seit 2005 wählen die Mitglieder der Filmakademie in einem mehrstufigen Verfahren die Gewinner, was seit den Anfangsjahren auch Kritik auf sich zog, da alle Auszeichnungen mit Preisgeldern ausgestattet sind, die von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gestellt werden. Die Fördersumme beläuft sich aktuell auf insgesamt fast drei Millionen Euro. Neben herausragenden Einzelleistungen in verschiedenen Gewerken werden auch die besten Spiel-, Dokumentar- und Kinderfilme ausgezeichnet. Die Gewinner erhalten die „Goldene Lola“ genannte Preisstatuette, bei den Filmen werden auch eine „Silberne“ und eine „Bronzene Lola“ vergeben.

4 Der Rote Kakadu, D 2006, Regie: Dominik Graf

Plakat: Darius Ghanai

5 Die fetten Jahre sind vorbei

D/A 2004, Regie: Hans Weingartner

Plakat der englischsprachigen Fassung des Films: Benjamin Baltimore

Filmproduktion

Die Zahl der in Deutschland produzierten Spiel- und Dokumentarfilme stieg in diesem Jahrzehnt merklich an, auch der Anteil von Co-Produktionen mit anderen Ländern nahm zu. Verschiedene Förderinstrumente auf Bundes- und Länderebene, Co-Produktionsabkommen sowie die Förderung durch EU-Programme führten zu diesem Aufwuchs. Im Vergleich zu 87 Spielfilmtiteln im Jahr 2004 – davon 27 Co-Produktionen – waren es fünf Jahre später 150, wovon 63 mit Partnern aus dem Ausland hergestellt wurden. Bei den Dokumentarfilmen zeigte sich eine vergleichbare Tendenz: Aus 34 Titeln wurden 70. Zwar kamen damit deutsche Produktionen zahlenmäßig den aus den USA stammenden Titeln nahe beziehungsweise zogen sogar gleich, der zwischen 17 und 27 Prozent schwankende Marktanteil der einheimischen Filme zeigte jedoch keine grundsätzliche Trendwende, die Dominanz der US-Filme bestand fort.

Einzelne Titel vermochten sich in den Charts weit vorne zu platzieren, wobei sich beim Publikum Kinderfilme und Komödien der größten Beliebtheit erfreuten. Diese beiden Genres dominierten die Ranglisten der einheimischen Produktion, andere Filmtypen konnten sich nur selten an die Spitze der Liste der besucherstärksten Titel setzen. Beispiele für solche „Nr. 1 Hits“ jenseits von Komödie und Kinderfilm waren in diesem Zeitraum Anatomie (D 2000, Regie: Stefan Ruzowitzky) mit über zwei Millionen Besuchern, Die weiẞe Massai (D 2005, Regie: Hermine Huntgeburth, 2,1 Millionen) und Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders (D/ES/F 2006, Regie: Tom Tykwer), der 5,6 Millionen Kinogänger:innen erreichte. Hohe Zuschauerzahlen und Platzierungen unter den ersten zehn Titeln des Jahres erreichten unter anderem auch Das Experiment (D 2001, Regie: Oliver Hirschbiegel, 1,6 Millionen), Nirgendwo in Afrika (D 2001, Regie: Caroline Link, 1,6 Millionen), Das Wunder von Bern (D 2003, Regie: Sönke Wortmann, 3,2 Millionen), Luther (D 2003, Regie: Eric Till, 3 Millionen), Der Untergang (D 2004, Regie: Oliver Hirschbiegel, 4,6 Millionen), Sophie Scholl – Die letzten Tage (D 2005, Regie: Marc Rothemund, 1,1 Millionen), Das Leben der Anderen (D 2006, Regie: Florian Henckel von Donnersmarck, 2,3 Millionen), Der Vorleser (USA/D 2008, Regie: Stephen Daldry, 2,2 Millionen) und Die Päpstin (D/I/ES 2009, Regie: Sönke Wortmann, 2,5 Millionen). In den Top Ten machten Komödien und Kinderfilme jedoch fast immer deutlich mehr als die Hälfte der Titel aus. Unter den Filmen für Kinder beanspruchten Animationsfilme wie Der kleine Eisbär (D 2001, Regie: Piet De Rycker, Thilo Graf Rothkirch, Kris van Alphen) einen bemerkenswerten (und auch international vermarktbaren) Anteil. Zu Reihen entwickelten sich die Geschichten um Die wilden Kerle (D 2003, Regie: Joachim Masannek) und, auf Kinderbuchvorlagen beruhend, Die wilden Hühner (D 2006, Regie: Vivian Naefe) und Bibi Blocksberg (D 2002, Regie: Hermine Huntgeburth). Als noch erfolgreicher, wenn auch international schwer zu vermarkten, erwiesen sich die Komödienmuster, die Michael Herbig mit Der Schuh des Manitu (D 2001) oder etwas später Til Schweiger mit Keinohrhasen (D 2007) entwickelten – auch deren Nachfolger stürmten an die Spitze der Charts.

6 Das Wunder von Bern

D 2003, Regie: Sönke Wortmann

Szenenbildentwurf „Haus Lubanski“: Uli Hanisch, Zeichnung: Petra Maria Wirth Uli-Hanisch-Archiv

Eine tiefgreifende Umwälzung, die von der Produktion bis zur Präsentation alle Bereiche der Filmbranche betraf, begann in diesen Jahren: Mit der DVD wurde ab 1999 ein neues Format für den Videomarkt eingeführt, mit dem in Deutschland bereits 2001 höhere Umsätze als mit VHS-Kassetten erzielt wurden. Die neuen Möglichkeiten digitaler Verfahren bei Aufnahme, Distribution und Projektion hatten sich schon in Einzelfällen gezeigt, zum Ende des Jahrzehnts setzte dann ein Prozess ein, der in den folgenden Jahren zur Digitalisierung auf allen Ebenen führte. Die Voraussetzungen für diesen technischen Wandel wurden in den 2000er-Jahren geschaffen. In der Mitte des Jahrzehnts kamen die ersten professionellen Digitalkameras auf den Markt, die Firma Arri etwa bot ab 2005 ihre Arriflex D-20 an, der schnell Nachfolgemodelle folgten. Internationale Anbieter waren unter anderem Panavision, Sony, RED Digital Cinema Camera Company und Nikon. Analoge Materialien, in der Regel auf 35mm-Film gedreht, konnten in die digitale Weiterbearbeitung eingespeist werden, nachdem sie mittels hochwertiger Scanner digitalisiert worden waren. Die Daten konnten dann auf digitalen Schnittplätzen wie Avid oder Final Cut Pro montiert, aber auch bearbeitet werden.

7 Knallhart

D 2006, Regie: Detlev Buck

Michael Polischka (David Kross) und Lisa (Amy Mußul) Szenenfoto

Ein vollständig digitaler Workflow setzte sich jedoch erst allmählich durch. Wegen ihres besonderen Charakters bevorzugten einige Filmschaffende (vor allem in den Bereichen Kamera und Regie) zunächst weiterhin die analoge Aufnahme. Die Verbesserung der Digitalkameras und stärkere Variationsmöglichkeiten, die den zunächst als kühl oder steril empfundenen Look des digitalen Bildes veränderten, ließen die Akzeptanz jedoch steigen. In der Produktion setzten sich digitale Verfahren zuerst in der Postproduktion durch: Eine höhere Effizienz bei Schnitt, Bild- und Tonbearbeitung sowie tricktechnischen Verfahren und beim Einsatz computergenerierter Bilder (CGI) war evident. Am Ende der 2000er-Jahre war das digitale Containerformat (DCP – Digital Cinema Package) zum Industriestandard geworden. Die Umrüstung auf digitale Projektion war aber kostspielig und stellte Kinobetriebe, sofern sie nicht zu den großen der Branche gehörten, vor eine Herausforderung. Die teilweise international agierenden Kinoketten begannen auch in Deutschland den Umstieg bereits Anfang der 2000er-Jahre, dennoch lag der Marktanteil digitaler Kinos noch Ende 2009 bei nur circa 13 Prozent, das analoge Abspiel dominierte also noch. Für die flächendeckende Umrüstung auf die neue Technik bedurfte es aufgrund der notwendigen hohen Investitionen einer speziellen Förderung durch den Bund, die Länder und die Filmförderungsanstalt.

8 Der Pianist, F/PL/D/UK 2002, Regie: Roman Polanski

Während der Dreharbeiten: Roman Polanski (Mitte, in roter Jacke), Foto: Guy Ferrandis, Werkfoto