Der deutsche Film. Band 6: 1950-1959 -  - E-Book

Der deutsche Film. Band 6: 1950-1959 E-Book

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Beschreibung

Dieses E-Book ist Teil einer zwölfbändigen Reihe, die die Geschichte des deutschen Films anhand der Sammlungsbestände der Deutschen Kinemathek von den Anfängen im Jahr 1895 bis zur Gegenwart dokumentiert. Jeder Band im ePUB-Format konzentriert sich auf eine Dekade und bietet einen prägnanten Überblick über die filmischen Meisterwerke und Meilensteine dieser Epoche, beleuchtet berühmte und wiederzuentdeckende Filme und würdigt das Kino, sein Publikum und die kreativen Köpfe hinter der Vielfalt des deutschen Films. Das Gesamtwerk, das über 2.700 Objekte aus allen Sammlungsbereichen umfasst und sich über 130 Jahre erstreckt, ist zudem als gedrucktes Buch und als PDF in deutscher und englischer Sprache erhältlich. DIE DEUTSCHE KINEMATHEK zählt zu den führenden Institutionen für die Sammlung, Bewahrung und Präsentation des audiovisuellen Erbes. In ihren Archiven werden dauerhaft Hunderttausende von Objekten erhalten und für die film- und fernsehgeschichtliche Forschung zur Verfügung gestellt. Die Bestände umfassen neben Drehbüchern, Fotos, Plakaten, Kostümen und Entwürfen unter anderem auch filmtechnische Geräte. Die Kinemathek kuratiert Filmreihen und Ausstellungen, sie restauriert und digitalisiert Filme. Ihre vielfältigen Angebote, darunter Installationen, Publikationen, Vermittlungsformate und Konferenzen, laden zur Entdeckung der Welt bewegter Bilder ein.

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Inhalt

Einleitung

Der Boom des bundesrepublikanischen Heimatfilms

Insert: Zum Genre Heimatfilm

Märchenfilme der DEFA

Oscar Martays Schaufenster des Westens

Deutscher Filmpreis und Bambi

Die Gründung der Internationalen Filmfestspiele Berlin und weiterer Festivals

Skandal um Die Sünderin

Insert: Veränderungen bei der FSK

Prestigeprojekt der jungen DEFA: Der Untertan

Karena Niehoff und der Harlan-Prozess

Frauenporträts im politischen Kontext

Schauspielstars (I/VI) (BRD und DDR)

Automobil-Komplexe

Insert:Natürlich die Autofahrer

Ilse Kubaschewskis Gloria Film-Verleih und Die Trapp-Familie

Kontinuitäten – Herbert Reinecker und Alfred Weidenmann

Der Zweite Weltkrieg im BRD-Spielfilm

Verfilmungen von Erich Kästners Kinderbüchern

Die Wochenschau in der BRD und der DDR

Mädchen in Uniform: Die Neuverfilmung von 1958

Thomas-Mann-Verfilmungen in der Adenauer-Ära

Das Stauffenberg-Attentat im Film

Filmplakate – Unterhaltung und Zeitkritik (DDR)

Filmplakate – Unterhaltung und Zeitkritik (BRD)

Karlheinz Böhm: Von Sissi zu Peeping Tom

Aufgeblendet in Ruinen – Filme aus dem Berliner Tiergartenviertel

Ein brisantes Thema: Die innerdeutsche Grenze

Schwulsein in der Bundesrepublik der 1950er-Jahre: Anders als Du und ich

„Halbstarken“-Filme in Ost und West

Bavaria international

Musikfilme in der Bundesrepublik

Anti-Schwarzer Rassismus in Zwei Bayern im Urwald

Der Fotograf Heinz Köster und die Berlinale 1951–1959

Insert: Heinz Köster

Gesellschaftskritik in der Adenauerzeit

Schauplatz Berlin

Serengeti darf nicht sterben: Kein Platz für Menschen

1950–1959

Einleitung

Viel Glanz, mit „Gloria“

Die Trümmerfilme verschwanden aus den Kinos und in den meisten Produktionen geriet damit auch die Vergangenheit in den Hintergrund. Das Publikum in der Bundesrepublik strömte in Heimat- und Schlagerfilme, die heile Welten und leichte Unterhaltung boten. Das Genre der Heimatfilme dominierte das Kinoangebot, Hunderte Titel erschienen in diesem Jahrzehnt. Etliche wurden in Farbe gedreht, was für die damalige Filmproduktion noch kein Standard war. Die Storys spielten jenseits der Städte, präsentierten schöne Landschaften und dörfliche Gemeinschaften. Diese Schauwerte machten den Reiz für das Publikum aus. Hinzu kamen musikalische Einsprengsel, die wie in die Handlung eingestreut wirkten. „Eskapismus“ lautete das entsprechende Urteil der Kritik. Um die Mitte des Jahrzehnts kamen Kriegsfilme aus eigener Produktion in die westdeutschen Kinos. In Titeln wie Canaris (BRD 1954, Regie: Alfred Weidenmann) oder Des Teufels General (BRD 1955, Regie: Helmut Käutner) wurden die Hauptfiguren zu Widerstandskämpfern stilisiert. Beispiele wie die 08/15-Trilogie von Paul May (BRD 1954–1955) rückten einfache Soldaten in den Mittelpunkt und zeichneten sie vor allem als Opfer linientreuer Vorgesetzter. Skeptischer fiel Kinder, Mütter und ein General (BRD 1955, Regie: László Benedek) aus, der von dem aus der Emigration zunächst als amerikanischer Filmoffizier zurückgekehrten Erich Pommer produziert wurde. Ähnliches gilt für Haie und kleine Fische (BRD 1957) von Frank Wysbar, auch er ein Remigrant. Bernhard Wickis Die Brücke (BRD 1959) über den sinnlosen Einsatz Jugendlicher in den letzten Kriegstagen markierte einen gewissen Endpunkt der Kriegsfilme. Der reale Widerstand gegen den Nationalsozialismus wurde in dieser Zeit kaum je thematisiert; gleich zwei Filme jedoch erzählen von dem gescheiterten Attentatsversuch der Gruppe um von Stauffenberg: Fast zeitgleich kamen Georg Wilhelm Pabsts Es geschah am 20. Juli und Falk Harnacks Der 20. Juli in die Kinos – zwischen ihren Premieren im Juni 1955 lagen nur zwei Tage.

1 Des Teufels General, BRD 1955, Regie: Helmut Käutner

Während einer Drehpause v. l. n. r.: der Darsteller Harry Meyen, Helmut Käutner und der Hauptdarsteller Curd Jürgens Werkfoto

Für die mittelständische westdeutsche Filmproduktion war die Unterstützung durch Verleihfirmen, die mit Vorabgarantien die Budgets sicherten, sehr wichtig. Das verschaffte den Verleihern zugleich Einfluss auf die Stoffwahl oder auf die Besetzung. Ein prominentes Beispiel dafür war Ilse Kubaschewskis Münchener Gloria-Filmverleih GmbH. Kubaschewski selbst trat auch selbst als Produzentin auf, wie bei den sehr erfolgreichen, von Wolfgang Liebeneiner inszenierten Musikfilmen Die Trapp-Familie (BRD 1956) und Die Trapp-Familie in Amerika (BRD 1958). Ebenfalls als Produzentin agierte sie bei Nachts, wenn der Teufel kam (BRD 1957), den Robert Siodmak inszenierte. Er war aus den USA zurückgekehrt, wo er mit The Killers (USA 1946) einen Klassiker des Film noir inszeniert hatte. Andere von den Nationalsozialisten vertriebene Filmschaffende, die wieder in der Bundesrepublik arbeiteten – manche nur für einen Film, andere für mehrere – waren Fritz Lang, Walter Reisch, Peter Lorre, Gerd Oswald, Gottfried Reinhardt oder Fritz Kortner. Sie brachten Erfahrungen aus dem US-Kino mit, die zu einer allmählichen Veränderung im westdeutschen Nachkriegsfilm beitrugen. Als neue Form wurde der experimentelle Spielfilm Jonas (BRD 1957, Regie: Ottomar Domnick) wahrgenommen, und einige Genrefilme zeigten eine neue Härte in ihren Storys.

Unter Hauptverwaltung

Die DEFA geriet Anfang der 1950er-Jahre in eine Krise. Die Produktion sank von zwölf Filmen 1949 auf sechs bzw. sieben in den Jahren 1952 und 1953. Ende Juli 1952 veröffentlichte das Politbüro der SED daraufhin eine Resolution zum „Aufschwung der fortschrittlichen deutschen Filmkunst“, kurz darauf fand die 1. Filmkonferenz statt. Die dort verkündeten Prinzipien des sozialistischen Realismus konnten weder über die lähmende Mehrfachkontrolle von Filmstoffen noch über die offizielle Skepsis gegen alles, was Unterhaltung bieten wollte, hinwegtäuschen. Die 2. Filmkonferenz im Juli 1958 schloss im Tenor nahtlos an den Vorgänger an und beendete die kurze Tauwetterperiode nach Stalins Tod (5. März 1953). In diesem Rahmen, in dem viele Filmschaffende in der DDR durchaus überzeugt am „Aufbau des Sozialismus“ mitwirken wollten, mit ihren Werken bei den Funktionären aber oft genug auf Ablehnung stießen, entwickelte sich das DEFA-Schaffen in diesem Jahrzehnt.

2 Der 20. Juli

BRD 1955, Regie: Falk Harnack

Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg (Wolfgang Preiss, r.)

Szenenfoto

Mit Der Rat der Götter (DDR 1950) realisierte Kurt Maetzig einen formal ambitionierten, in der politischen Anlage eindeutigen Film, der am Anfang vieler weiterer antifaschistischer Produktionen der DEFA steht. Wie etliche Filme nach ihm klagte er Unterstützer des Nationalsozialismus in der Großindustrie an, hier die IG Farben, zugleich behauptete er deren ungehindertes Fortwirken in der Bundesrepublik. Als erster DEFA-Film wurde, nach Intervention der KPdSU, Falk Harnacks Das Beil von Wandsbek (DDR 1951) verboten. Der erfolgreich gestartete Film sei schädlich, weil er Mitleid mit den Mördern hervorrufen könne. In Harnacks Verfilmung des Romans von Arnold Zweig spielte Erwin Geschonneck den Scharfrichter im Dienst der Nazis, einen Schuldigen und „Mitläufer“.

3 Haie und kleine Fische

BRD 1957, Regie: Frank Wysbar

Teichmann (Hansjörg Felmy)

Szenenfoto (Ausschnitt)

Das kalte Herz (DDR 1950) von Paul Verhoeven, zugleich der erste Farbfilm der DEFA, markierte den Beginn der beliebten Kinderfilme. Ihm folgte, prächtig ausgestattet und mit spektakulären Trickaufnahmen, Wolfgang Staudtes Die Geschichte vom kleinen Muck (DDR 1953), der auch das internationale Publikum faszinierte. Mit Der Untertan (DDR 1951) nach Heinrich Mann hatte Staudte einen sarkastischen Blick auf das Kaiserreich und historische Kontinuitäten geworfen. In der Bundesrepublik wurde der Film zunächst verboten und erst sechs Jahre später, deutlich gekürzt, freigegeben. Im Kalten Krieg blieben Aufführungen von Filmen aus dem jeweils anderen Teil Deutschlands eine Ausnahme. Doch arbeiteten zu dieser Zeit bei der DEFA noch viele Filmschaffende, die in der Bundesrepublik einschließlich Westberlin wohnten. Solche von der SED als bedenklich eingeschätzten Engagements wurden bis 1957 beendet.

4 Der Rat der Götter

DDR 1950, Regie: Kurt Maetzig

Plakat: Kurt Geffers

Die Forderung der Partei, in Biografien historischer Persönlichkeiten Vorkämpfern des Sozialismus ein filmisches Denkmal zu setzen und zugleich die Politik der SED zu legitimieren, wurden von Kurt Maetzig mit Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse (DDR 1954) und Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse (DDR 1955) linientreu umgesetzt. Auch dank organisierter Besuche von Arbeitskollektiven oder Schulklassen wurden sie zu einem „triumphalen Erfolg“ (Ralf Schenk).

5 Canaris

BRD 1954, Regie: Alfred Weidenmann

Plakat: Bruno Jaddatz

Regisseure wie Maetzig, Erich Engel und Slatan Dudow waren der DEFA von Beginn an verbunden; daneben gab es kurzzeitig reaktivierte Ufa-Routiniers wie Hans Deppe, Arthur Maria Rabenalt oder Eugen York und sympathisierende „Westregisseure“ wie Wolfgang Staudte, Wolfgang Schleif und Artur Pohl. Mitte der 1950er-Jahre kamen neue Namen hinzu. Zu dieser zweiten Generation der DEFA-Regisseure gehörten Konrad Wolf, Frank Beyer, Gerhard Klein, Heiner Carow, Joachim Kunert und Günter Reisch. Sie prägten in den folgenden Jahren die Entwicklung des DEFA-Films, nicht unbehelligt von den Ansprüchen der Partei.

6 Kein Platz für wilde Tiere

BRD 1956, Regie: Bernhard Grzimek, Michael Grzimek

Plakat

Aufbau und Systemkonkurrenz

Dokumentarische Filme schilderten den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur und Städte. Zugleich nahmen sie Partei für ihre Seite in der im Kalten Krieg geteilten Welt. Die mitten durch Deutschland verlaufende Grenze der Blöcke führte zu jeweils deutlichen Positionierungen bei Wochenschauen in Ost und West sowie eigenständigen Produktionen. Sogenannte Marshallplan-Filme feierten die westeuropäische Zusammenarbeit mit antikommunistischer Grundierung. Später in der Bundesrepublik tätige Regisseure wie Victor Vicas und Georg Tressler realisierten hier Kurzfilme. In der DDR entstanden als Reaktion eigene Filme, die den Aufbau thematisieren: Heiner Carow und Karl Gass begannen mit Die Wette gilt (DDR 1954, Regie: Heiner Carow) und Turbine I (DDR 1953, Regie: Joop Huisken, Buch: Karl Gass) ihre Karriere. Während abendfüllende dokumentarische Filme in der Bundesrepublik Ausnahmen blieben und sich meist auf „exotische“ Themen, Reise- oder Naturstoffe konzentrierten (Serengeti darf nicht sterben, D 1959, Regie: Michael und Bernhard Grzimek, als bester Dokumentarfilm mit dem Oscar ausgezeichnet), entstanden in der DDR deutlich politisch-propagandistische Werke. Andrew und Annelie Thorndike machten mit ihren polemischen Kompilationsfilmen Schule (Du und mancher Kamerad, DDR 1956). Weitere Filme griffen die Nachkriegskarrieren von bereits vor 1945 prominenten politischen, militärischen und industriellen Eliten an und zeichneten die Bundesrepublik als von ihnen beherrscht – in Fortsetzung des Nationalsozialismus. Der offizielle Antifaschismus der DDR sah Mitläufer und Täter nur im anderen Staat – und im eigenen nicht die stalinistische Realität.

7 Die Trapp-Familie, BRD 1956, Regie: Wolfgang Liebeneiner

Baronin Maria Trapp (Ruth Leuwerik, r.), Szenenfoto

Der Siegeszug des Fernsehens führte im Westen dazu, dass dokumentarische Formen aus den Kinos allmählich verschwanden. Im TV entstanden neue Formate. Die DEFA hielt dagegen weiterhin an der Produktion von „Dokfilmen“ fest, die nach den Verkrustungen der 1950er-Jahre allmählich die Realität des eigenen Staates sensibel in den Blick nahmen.

8 Das kalte Herz, DDR 1950, Regie: Paul Verhoeven

Holländer-Michel (Erwin Geschonneck) und Peter Munk (Lutz Moik), Szenenfoto

Blicke nach „drüben“

Selten nur stellten sich Spielfilme der deutschen Teilung, die politische Agenda war dabei immer spürbar. In DEFA-Filmen wurde das Thema häufiger aufgegriffen als in der Bundesrepublik. Dort dominierte antikommunistische Tendenz, etwa in Postlagernd Turteltaube (BRD 1952, Regie: Gerhard T. Buchholz), kaum dagegen war sie in Helmut Käutners Himmel ohne Sterne (BRD 1955) präsent. In der DDR wiederum herrschte die vermeintlich sozialistische Perspektive vor, besonders deutlich in einem frühen Beispiel: Martin Hellbergs Das verurteilte Dorf (DDR 1952). Doch wenn in Berlin – Ecke Schönhauser (Regie: Gerhard Klein, DDR 1957) drei Jugendliche in dem Glauben, sie hätten einen Totschlag begangen, nach Westberlin fliehen, gilt zwar der Westen als verdorben wie eh und je. Aber die Perspektive konzentriert sich nicht auf Systemkritik, sondern stellt die ihren Freiraum suchenden Figuren in den Vordergrund. Der von Wolfgang Kohlhaase geschriebene Film hat deswegen zu Recht den Vergleich mit westdeutschen Produktionen hervorgerufen. Seine Jugendlichen und die aus Die Halbstarken (BRD 1956, Regie: Georg Tressler) leben in verschiedenen Systemen – ihre Wünsche aber ähneln sich.

9 Berlin – Ecke Schönhauser, DDR 1957, Regie: Gerhard Klein

Dieter (Ekkehard Schall), Szenenfoto (Ausschnitt)

Jahre des Booms

In den 1950er-Jahren erreichten die Zahlen der Kinobesuche, der Kinos und der produzierten Filme einen Höhepunkt. Der Gipfel lag in der Bundesrepublik im Jahr 1956 bei 817 Millionen Eintritten, in der DDR ein Jahr später bei 316 Millionen. Für den danach einsetzenden Rückgang war zum Teil die allmählich einsetzende Konkurrenz durch das Fernsehen verantwortlich. So gab es im Jahr 1960 in der Bundesrepublik 3,4 Millionen angemeldete Geräte, in der DDR knapp über eine Million. Der merkliche Schwund bei den verkauften Kinokarten hing jedoch auch mit veränderten Konsumbedürfnissen und einem die Interessen des Publikums oft verfehlenden Angebot zusammen. rr

Der Boom des bundesrepublikanischen Heimatfilms

Zur Premiere vom Schwarzwaldmädel (BRD 1950, Regie: Hans Deppe) brachte die Deutsche Bundespost einen Sonderstempel heraus, die Mitwirkenden zeigten sich für die Neue Deutsche Wochenschau vom 19. September 1950 fröhlich-fleißig beim Postkartenstempeln: Extrawerbung für den ersten westdeutschen Farbfilm, der zu einem spektakulären Erfolg wurde: 16 Millionen Besucher:innen strömten in die Kinos, der riesige Publikumszuspruch löste eine regelrechte Welle aus, die Periode der Heimatfilme begann. Gegenüber der Operettenvorlage erfand Drehbuchautor Bobby E. Lüthge eine neue Rahmenhandlung samt Eisrevue und deren Star Malwine (Gretl Schörg), die zu Werbezwecken bei ihrem Auftritt kostbare Juwelen trägt – was fortan zu einigen Verwicklungen führt. Neben den eingängigen Musiknummern und den Aufnahmen pittoresker Landschaften nahmen vor allem die damals 24-jährige Sonja Ziemann und der rund 20 Jahre ältere Rudolf Prack als Liebespaar das Publikum ein. Es störte sich nicht am Altersunterschied, sondern folgte dem neuen Traumpaar auch bei weiteren zehn Kinoauftritten, darunter ihrem nächsten Heimatfilm Grün ist die Heide (BRD 1951, Regie: Hans Deppe), der ebenfalls zum Kassenhit der Saison wurde.

1 Schwarzwaldmädel, BRD 1950, Regie: Hans Deppe

Szenenfoto, koloriert

Schwarzwaldmädel war nicht die erste auf Leon Jessels Operette zurückgehende Verfilmung, doch keiner der drei Vorgänger erlangte vergleichbare Popularität. Der Komponist war wegen seiner jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten mit Aufführungsverbot belegt worden. Im Dezember 1941 hatte die Gestapo den 70-Jährigen verhaftet und schwer misshandelt. Zwei Wochen nach der Verhaftung war er an den Folgen der Torturen gestorben. rr

2 Grün ist die Heide

BRD 1951, Regie: Hans Deppe

Wiederaufführungsplakat: Rolf Goetze

3 Schwarzwaldmädel

BRD 1950, Regie: Hans Deppe

Der Maler Hans Hauser (Rudolf Prack) und Bärbele Riederle (Sonja Ziemann)

Szenenfoto

4 Schwarzwaldmädel, BRD 1950, Regie: Hans Deppe

Theo Patzke (Hans Richter, Mitte), Bärbele Riederle (Sonja Ziemann, 2. v. r.) und Hans Hauser (Rudolf Prack, r.), Szenenfoto

5 Grün ist die Heide, BRD 1951, Regie: Hans Deppe

Bei einem Eintopfessen zur Bewerbung des Films, vorne v. l. n. r.: die Darstellerin Else Reval, der Darsteller Willy Fritsch, der Kameramann Kurt Schulz, die Darstellerin Maria Holst (3. v. r.) und der Herstellungsleiter Kurt Ulrich (2. v. r.)

Foto: Foto-Croner

Zum Genre Heimatfilm

Das Genre überschwemmte förmlich das Kino der Bundesrepublik der 1950er-Jahre, seine Titel fanden sich regelmäßig unter den kassenträchtigsten Produktionen. Mit rund 300 Beiträgen machte es fast ein Viertel der in diesem Jahrzehnt hergestellten Filme aus. Die Attraktivität des Genres hatte mehrere Gründe. Die Filme boten Schauwerte auf: Meist wurden sie in Farbe gedreht, damals eine besondere Attraktion. Die Geschichten spielen in fotogenen Landschaften ohne Trümmer – ein Gegensatz zu den Zerstörungen, die für die Menschen noch alltägliche Umwelt waren. Dargestellt werden die idyllischen Gegenden als intakte Kulturregionen, vermeintlich in der Tradition ruhend, was häufig durch Trachten beglaubigt werden soll. Heide, Schwarzwald und Alpen – allerdings nicht die schroffe Gipfelwelt des Bergfilms – sind bevorzugte Schauplätze. Zur Unterhaltung tragen regelmäßig eingestreute musikalische Nummern bei, die Konflikte drehen sich meist um ein Liebespaar, das Missverständnissen ausgesetzt ist, die sich zuverlässig im Happy End auflösen. Daneben enthalten diese Filme unterschwellig Verweise auf reale Schwierigkeiten bei der Integration von Vertriebenen, die hier jedoch bereits als gelungen, jedenfalls nicht als primärer Konfliktgrund erscheint. Nur selten spielen die Storys auf zurückliegende Kriegserfahrungen an, die Vergangenheit wird nicht zum Thema. Indirekt wirken jedoch unvollständige Familien als Verweis. Weit in die Vergangenheit zurück aber führt in Rückblenden der ungewohnt düstere Schwarz-Weiß-Film Rosen blühen auf dem Heidegrab (BRD 1952, Regie: Hans H. König). Die beiden ersten Großerfolge Schwarzwaldmädel und Grün ist die Heide realisierte die Berolina-Film GmbH von Kurt Ulrich, die mit 15 Heimatfilmen binnen nicht einmal eines Jahrzehnts den größten Output erreichte. Sechs weitere Firmen kamen in diesen Jahren ebenfalls auf mehr als zehn Titel des Genres. Österreichische Produktionen waren spätestens mit Der Förster vom Silberwald (A 1954, Regie: Alfons Stummer), der im Ursprungsland noch den Titel Echo der Berge trug, Teil der Heimatfilmwelle. rr

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