Der dritte König - Timo Piecha - E-Book

Der dritte König E-Book

Timo Piecha

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Beschreibung

Black Lives Matter. Weihnachten 1973. Der US-Gefreite Rufus Moody Junior ist zu Gast bei der Stadtratswitwe Gesine D. "Karpfen blau" und "Sex Machine" bescheren ihnen den Kulturschock ihres Lebens. Eine bissige schwarz-weiße Erzählung nach wahren Begebenheiten.

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Seitenzahl: 34

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Denn von den Gedanken nimmt die Seele ihre Farbe an

Marcus Aurelius

Für Donnie

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

1

Das weiße Borgwart-Cabriolet kam nicht von der Stelle. Mochten ihre Sohlen noch so sanft zwischen Gas und Kupplung modulieren, die Reifen fanden keinen Halt auf der vom Schnee verwehten Fahrbahn. Sie redete dem Fahrzeug gut zu.

„Damit musstest du rechnen, ja, Gesine, damit hast du rechnen müssen.“

Der Wind trieb den Schnee in dichten Schleiern über die Mauern der amerikanischen Kasernen hinweg und hüllte dabei das im Laternenlicht aufgereihte Kriegsgerät ein. Eine Windhose schwoll inmitten der Kreuzung und versetzte Gesine in Schwindel.

Das Hupen galt ihr. Der Fahrer des Wagens hinter ihr bedeutete ihr lebhaft winkend, doch endlich in Gang zu kommen. Wie ein Fisch hinter beschlagenem Glas musste sie dem Schnösel vorkommen; wie sie jedes Wort im Rückspiegel wiederholte.

„Zwei.Und.Sechzig!“

Ja, zweiundsechzig Jahre hatte sie ihren Führerschein schon. „Verdammich!“

Die Ampel sprang auf Rot. Gesine knöpfte ihren Lodenmantel auf, hob das Kinn, starrte auf die Straße und befreite sich von ihrem Schal, den sie sich unter die Schenkel knäulte. „Damit hättest du rechnen müssen.“

Solch ein Cabrio fuhr man eben nur sommers. Und hätte Justus nicht in letzter Minute abgesagt, wäre der Wagen bis ins Frühjahr hinein in der Garage geblieben.

‚Hättest ja auch ein Taxi nehmen können.‘

Grün. Sie sog an der Unterlippe und konzentrierte sich auf das Spiel der Pedale. Das Cabriolet wedelte mit dem Heck und näherte sich dem links liegenden Unteroffiziers-Casino. Sie sagte NCO Club, das klang weltläufiger.

Gesine bremste und wollte die Straße direkt nach dem Gegenverkehr überqueren. Bloß kein Halten mehr.

Eine Militärkolonne näherte sich von den Ready Barracks her. Die Lichtkegel eines Räumfahrzeugs blendeten sie aus Manneshöhe herab. Dabei pflügte die Maschine einen faustdicken, straßenschmutzigen Schneestrahl über das Cabrio. Die Erde bebte. Lenkrad und Rückenlehne vibrierten. Zwei Schritte neben ihr passierte einer von drei Kampfpanzern. Das Klirren der Kettenglieder ließ sie ihre Handflächen auf die Ohren pressen. Die Auspuffrohre rußten, ihr Bellen fuhr ihr durch Mark und Bein. In einer Wolke aus Abgasschwaden wartete Gesine das Ende der gespenstischen Parade ab.

Welcher der Hebel machte die Scheibe frei? Sie wählte den linken, nein, beide, mit beiden Händen. Die Arme der Wischer drohten zu versagen, zitterten und quietschten. Schließlich gaben sie die Sicht frei. Ins Dunkel. In ihrer Panik hatte sie die Scheinwerfer ausgeschaltet.

Sie lenkte den Wagen auf den Parkplatz des NCO Clubs, der wie ein verschneiter See inmitten all dieses Tumultes vor ihr lag. Der Schneefall verebbte. Die Wolkendecke brach auf und die Scheibe des Mondes zeigte sich am Himmel. Sterne flackerten, das Universum gewann an Tiefe.

„Manche sind schon gar nicht mehr, wir sehen, was schon nicht mehr ist.“

Sie dehnte ihre Atemzüge.

‚Damit hast du nicht rechnen können, Gesine.‘

Und alles nur weil Justus sie versetzt hatte. Wehe, wenn sie keinen Offizier mehr für sie hatten!

Im Schein des Mondes betrachtete sie ihr Gesicht im Rückspiegel. Ihr Rouge hatte gelitten. Vom Beifahrersitz nahm sie ihre Handtasche und kramte eine Puderdose hervor. Um die Augen herum war nichts mehr zu machen. Weit in ihre Höhlen zurückgezogen waren sie von Furchen umrahmt, die nicht mehr zu kaschieren waren. Den Wangen, deren Haut sie mit Erdbeerpink bestäubte, mangelte es an Fleisch. Lippenstift setzte sie sparsam ein. Allein seinen Gebrauch empfand sie als frivol, doch glättete er die Runzeln um den Mund, der sonst aussah, als wäre er mit einem Reißverschluss versehen.

Die Sorge, ihr Treffen zu verpassen, schob sie beiseite. Der jungen Frau vom Verbindungsbüro, dem Public Affairs Office, hatte sie ihren Wunsch mit Nachdruck dargelegt. Ein Junge aus gutem Hause, ein netter Collegeboy sollte es wie jedes Jahr sein.

Gesine hätte sich ihren Offizier auch ohne ihn zu begutachten schicken lassen können, doch ein Besuch bei den Amerikanern kam ihr gerade recht, jetzt, wo ihre seit dem Tod ihres Mannes seltener wurden. Dass es still um sie werden könnte, davor fürchtete sie sich.