Der Duft von Sonne und Meer - Dorothee Klein - E-Book

Der Duft von Sonne und Meer E-Book

Dorothee Klein

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Beschreibung

Der Duft von Sonne und Meer - die Erinnerung an Urlaub, Strand und Wein begleitet den Leser in diesem Buch. Es sind italienische Alltagsgeschichten und touristische Erlebnisse, wie sie nur im schönen Stiefelland geschehen können. Es sind die Gesichter der Menschen, die faszinieren, die fast von allein von sich und ihrem Leben erzählen, Gesichter mit den Lebenslinien wie die der alten Bäume: Und es sind die Erlebnisse der Reisenden, die Dorothee Klein in ihrem ganz eigenen wortmalerischen Stil aufgeschrieben hat. Jedes Wort spricht von der Liebe der Autorin zu Italien, zu Apulien und seinen Menschen. Der Duft von Sonne und Meer lässt den Alltag vergessen und vom Urlaub träumen. Es ist, als nähme die Autorin den Leser mit auf eine ganz besondere, ganz italienische Reise, deren Ende man gern noch ein bisschen hinauszögern möchte. Als Leser möchte man sie gern begleiten!

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Seitenzahl: 147

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Dorothee Klein

Dorothee Klein, geb. 1948, hat schon als Kind ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und Geschichten erfunden. Lesen und Schreiben gehörten schon immer zu ihrem Leben, so dass die gelernte Buchhändlerin als Redakteurin in einem Verlag arbeitete. Das Schreiben war zuerst einmal ein stilles Hobby, das sie in Kurzgeschichten und Lyrik auslebte. Als Vorsitzende eines Deutsch-Italienischen Kulturvereins begann sie, Vorträge zu schreiben. Sie konzipierte auch eine eigene Clubzeitung. Ihre große Liebe zu ihrer Heimat Zwei, Italien, gibt sie vor allem in ihren Erzählungen Raum, in denen ihre liebevolle Beobachtungsgabe zum Tragen kommt.

Dank der vielen Reisen in den italienischen Stiefel und den vielen Begegnungen, langjährigen Freundschaften und der ihr eigenen positiven Neugier und Abenteuerlust sind unzählige Geschichten und Geschichtchen entstanden. Einen Teil davon hat sie ihrer geliebten zweiten Heimat Apulien gewidmet.

Dorothee Klein lebt mit ihrem Mann in Leverkusen und in Apulien.

Inhaltsverzeichnis

1. Widmung

2 Nach Hause fahren

3. Du bist meine Insel

4. Da unten

5. Sprachprobleme

6. Italien pur

7. Scirocco al Campeggio

8. Ich sah

9. Ti amo Italia

10. Dr. Maggi – ein echter Arzt

11. F1icchidindia – Kaktusfeigen

12. La Storia dell' Acqua - oder: wo kommt das Wasser her

13. Mozzarella – chilo per chilo

14. Der Duft der Märkte

15. Sehnsucht nach Sonne

16. Gastfreundschaft

17. Die Geburt von Papas Liebling

18. Als Schwiegertochter durchgefallen

19. Warten

20. Sehnsucht nach Sicherheit

21. La Guardia di Finanza - ein italienisches Spiel

22. Statte

23. Brillenkauf

24, Miou und die Unaussprechhchen

25. Der Geist von la Nonna

26. Ein Brindisi aufs Jubelpaar

27. Begegnung mit der anderen Welt

28. Die Geister, die ich niemals rief

29. Willst du mal die Toten sehen?

30. Evviva Marina – das Denkmal, an dem sich die Geister scheiden

31. Olivenbaum

32. Sind Namen wirklich Schall und Rauch?

33. Momentaufnahme – Puglia Magica: Ein Land wie ein Gefühl

34. Die Krone Apuliens

35. La Festa di San Cataldo

36. Notte di Ferragosto

37. Orazio und der General a.D.

38. Da gab es einst zwei Pinien

39. Die Geschichte von Nachbars Katze

40. Wie man Spaghetti bestellt - und ein Täubchen bekommt

41. Der Kinderdiebstahl der Zigeuner

42. Weil ich hier zu Hause bin

43. an meine Leser

44. Danke

Für meinen Mann,

der mir bei all meinen Unternehmungen, in all meinen Ideen stets nur zugeredet, nie abgeraten und mich immer liebevoll unterstützt hat.

Für meinen Vater, dem ich so viel verdanke. Für meine Mutter, die Apulien so sehr liebte.

Grazie.

Nach Hause fahren!

Nach Hause fahren! Träumen...

Mit geschlossenen Augen im winterkalten nassgrauen Deutschland blaues Meer spüren...

Alles nur in Gedanken.

Wieso nach Hause fahren? Ich bin es doch, in Deutschland, bei meiner Familie. Hier sind meine Wurzeln, meine Vergangenheit, meine Zukunft...

Vielleicht.

Zumindest nicht ganz.

Zu Hause, das sind auch Italien, la mia bellissima Puglia, mein Taranto. Seit mehr als 50 Jahren. Ein Stück von mir lebt, auch wenn ich in meinem Zuhause in Deutschland bin, in meinem herrlichen blauen Paradies in Lido Silvana, in meinem Puppenstübchen, wo meine Seele baumeln kann, wo ich Kraft sammle für die kalten Wintertage.

Mehr als 50 Jahre...

Ein halbes Leben, ein Großteil meiner Vergangenheit, meiner Erinnerungen, meiner Gefühle...

In diesen vielen Jahren hat sich so vieles für mich verändert. Ich bin das geworden, was meine italienischen Freunde als „metà metà" bezeichnen, eben keine richtige typische Deutsche mehr sondern zumindest zur Hälfte Italienerin. La Tarantina adottata, wie sie sagen, ich – die adoptierte Tarentinerin.

Damals, gerade mal süße 15 Jahre alt, stand ich mit wehenden Haaren barfuß auf den scharfen Klippen und schaute in dieses unendliche Blau in dieser eigenartigen Mischung von Meer und Himmel, die ich niemals begreifen werde, und ich verlor mich und meine Seele an dieses Land. So wie ich mich immer wieder verlieren und verheben werde.

Geändert hat sich viel und gar nichts. Die Wildheit der ersten Jahre wich dem touristischen Aufbau, von mir mehr gehasst als geliebt. Und der fetten Zeit folgt nun wieder die magere, die mir vielleicht die liebere ist, weil ursprünglicher und ehrlicher. Und doch ist alles zugebaut, was einst nur Landschaft war – nicht immer schön, aber natürlich und unverbaut. Heute stehen viele Häuser leer, Bauruinen, Verkommenheit dank fehlenden Geldes oder fehlender Baugenehmigung.

Ich sehe den Schmutz und die oft kindlichen Bemühungen im Kampf dagegen, die in Hilflosigkeit enden, wenn es ums eigene Wohlergehen geht in Sachen Plastik – immer noch unverzichtbar für italienische Verhältnisse. Ich höre die Lautstärke, die sich nicht verändert hat, deren Inhalte der Mode angepasst sind so wie die Kleidung, die Autos und die Frisuren. Und ich habe den Geruch des Feuers in der Nase, das mein Lido Silvana verbrannt, das einen Teil des naturschönen Gebietes zerstört hat, mir aber die Erinnerung an jene Jahre nicht nehmen konnte.

Trauer ist da, auch Tränen...

Aber ich spüre immer noch die Herzlichkeit der Menschen, die nicht nachgelassen hat, bei den Jüngeren manchmal den Geschmack unterschwelligen Misstrauens enthält oder eine Erwartungshaltung, die ich von früher her nicht kenne. Herzlich ist man immer noch, wenn auch vorsichtiger als einst. Doch wer das Herz dieser Menschen erobert hat, hat Freunde fürs Leben gefunden.

Freunde – ach, es sind viele. Jene von einst, die mir erhalten geblieben sind, mit denen ich mein Leben in guten wie in schlechten Zeiten geteilt habe, die mir vertraut sind, mich oft mehr berühren, als es die Familie je könnte, unverzichtbarer Teil meines Lebens...

Und da sind jene, die im Laufe dieser vielen langen schönen Jahre dazukamen, die mir ihr Vertrauen schenkten und denen ich aus tiefstem Herzen vertraue.

Es ist ein reiches Leben, ein schönes und unvergessliches, hoffnungsvolles und erwartungsvolles. Es ist greifbare Vergangenheit, erlebte Gegenwart und ersehnte Zukunft.

Nein, nach mehr als 50 Jahren bin ich nicht mehr blauäugig und hebend naiv diesem wunderbaren Land und seinen Menschen gegenüber. Ich sehe und erlebe kritisch, was geschieht, aber doch mit der Liebe zu meinem Apulien und seinen Bewohnern, einer Liebe, die sich in all den Jahren entwickelt hat, die Trauerränder trägt, wenn die Geschehnisse nicht himmelhochjauchzend sind.

Nach Hause fahren heißt, in mein persönliches Paradies zurückzukehren und dort zu leben – nicht Urlaub zu machen, sondern mit allen Schwachheiten und Schwächen, Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten des italienischen Alltags mit den Menschen in einem Teil des Stiefels zu leben, der immer noch unglaublich viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt hat.

Und wenn nun die erste Frühlingssonne ihre Strahlen auf meinen Schreibtisch schickt, dann wird die Sehnsucht nach meinem blauen Paradies, nach meinem Apulien ganz besonders groß.

Es ist die Sehnsucht nach den Freunden, dem Meer, dem unnachahmlich blauen Himmel, dem Eintauchen in eine besonders reichhaltige Geschichte, die zu erforschen niemals endet, nach dem Wiedersehen und Wiedererkennen jener Altstadt, meiner città vecchia mit ihren Menschen und Palästen, Kirchen und Klöstern, die mich so lange schon fasziniert.

Meine Wintersehnsucht heißt Taranto, Puglia, Paradiso Azzurro...

Du bist meine Insel

Ruhe ist da.

Frieden, den ich lang nicht sah.

Du bist meine Insel.

Alltag ist fort.

Ängste meiden diesen Ort.

Du bist meine Insel.

Träume sind neu.

Stunden, die ich nicht bereu'.

Du bist meine Insel.

Wärme hüllt mich ein.

Möchte einfach bei dir sein.

Sei bitte meine Insel.

Für die beiden Lieben meines Lebens:

Für Dich und für Apulien

Da unten

...am Ende der Welt – zumindest am Ende Italiens...

Santa Maria di Leuca, am Leuchtturm. Blicke versinken im unendlichen Blau, Sinne verschmelzen im alles überspannenden Weiß – Himmelsweiß, dem die gleißende Mittagssonne jegliche Farbe entzogen hat.

Wind streichelt Haut, leicht und sanft, macht die Kraft der Septembersonne erträglich, schenkt in dieser ausgetrockneten Felsenwelt warmes zuversichtliches Leben.

Wellen kräuseln, Schaumkronen tanzen. Und dann blitzt wie eine Irritation in dieser blauen Welt ein weißes Segel auf, verschwindet schon bald um die Felsnase in der nächsten Bucht.

Faszination der Farbe, Faszination der Gefühle.

Es sieht fast so aus, als könne man genau erkennen, wo Adria und Ionisches Meer ineinander fließen, sich vermischen, wie aus zwei Meeren eines wird. Faszination...

Träume...

Ja, mit geschlossenen Augen sehe ich sie, diese imaginäre Linie, die es nicht gibt, die aber da ist, zumindest in meiner Phantasie...

Hinter mir, unter mir karges Land, das ich nicht unter den Füßen spüre angesichts jenes Blaus, das mir Flügel verleihen könnte. Vielleicht. Gedanken und Gefühle fliegen. Durch alle Zeiten der Geschichte, durch Vergangenheit und Gegenwart und in die Zukunft.

In Bruchteilen von Sekunden, nicht länger als ein Wimpernschlag dauert, bin ich gestrandete Spartanerin, erobernde Römerin, Begleiterin des großen Federico oder Pilgerin ins Heilige Land...

Ich fühle mich Goethe so nah, Gregorovius, den ersten Reisenden, den Musikern, Dichtern, Malern... möchte malen, erspüren...

Plötzlich sind da Stimmen. Touristen. Ein Bus, nein, zwei, drei. Die Menschen stürmen heran, reißen Fotoapparate hoch, knipsen nach rechts und nach links, zeigen ins Nichts. Sensation, wo keine ist. Eben Touristen, herangekarrt an einen besonderen Ort, an einen, den sie auf ihrer Liste abhaken. Gesehen, da gewesen.

„Mutter, mach mal ein Foto!" Er drückt ihr den Apparat in die Hand und stellt sich in Positur, eine Witzfigur in zu weiten, zu kurzen Hosen, über die sich der zu dicke Bauch wölbt. Den Rest mag ich gar nicht ansehen.

Dann rutscht er mit den Sandalen, in denen dunkle Socken einen Teil seiner Stachelbeine bedecken, über den unebenen Boden. Sie schiebt den Hut in den Nacken, hebt den Fotoapparat und drückt ab.

Touristen eben.

Ich kann ihnen nicht meine Augen leihen, nicht meine Gefühle mit ihnen teilen, fühle mich allein in der Menge.

Bin ich keine Touristin?

Sie steigen wieder ein, fahren davon, haben aufs Meer geschaut und waren doch blind. Sie haben nichts gesehen, nichts verstanden. Sie waren da, am Ende der Welt, und das können sie mit ihren Fotos beweisen.

Noch einmal versinken meine Blicke in diesem einmaligen und unnachahmlichen Blau. Ich versuche mich zu konzentrieren auf jene unsichtbare Linie, an der die Wasser miteinander und mit dem Himmel verschmelzen. Verspreche, zurückzukehren, mehr zu sehen, zu entdecken, zu spüren...

Und irgendwo dahinten, dort wo Blau und Weiß sich vereinen, wo das Wasser den Himmel zu berühren scheint, so wie ich in meinem Innersten berührt bin, irgendwo dahinter, nicht sichtbar, vielleicht spürbar, da ist Griechenland.

Die Welt endet nicht, die Geschichte schreibt sich selbst fort...

Sprachprobleme

Sprachhürden und Ausspracheschwierigkeiten können einen in manch fatale Situation bringen. Vor allem dann, wenn man vor Aufregung die einfachsten grammatikalischen Regeln vergisst.

Ich war ja immer davon überzeugt gewesen, dass mir so etwas nicht passieren konnte, dass ich geübt genug war, auch in schwierigen bis emotionellen Momenten einen klaren und kühlen Kopf zu bewahren.

Zumindest hatte ich das geglaubt...

Dass ich so schnell eines anderen belehrt werden sollte, wäre mir im Traum nie eingefallen. Schon gar nicht dann, wenn ich nichts anderes zu tun hatte, als einen Brief zu verlesen und ein paar Hände zu schütteln.

Aber es war eben auch kein normaler Brief. Nach all den Jahren, in denen ich mich um die Freundschaft zu Italien bemüht hatte, durfte ich endlich ganz offiziell das Wappen unserer Stadt mit einem Gruß unseres Oberbürgermeisters in den Ort tragen, in dem ich mich schon so lange zu Hause fühlte.

Es war ein kleiner Festakt während der Sagra d'Uva, des Traubenfestes. Unsere Freunde sangen auf der kleinen Bühne in dem so schön mit frischen Trauben dekorierten Pavillon gleich vor dem Schloss. Der Platz davor war schwarz vor Menschen. So viele waren gekommen; schließlich waren wir als „ospiti d'onore", als Ehrengäste angekündigt worden.

Da standen wir nun auf dieser Bühne neben dem Bürgermeister in unseren Tanzkostümen aus der Zeit um die Jahrhundertwende von 1800 nach 1900 und blickten in erwartungsvolle Gesichter.

Ein gewisser Stolz erfüllte mich, als ich das Mikrophon nahm. Mein Herz klopfte auf einmal bis in den Hals. Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich hier meine Stadt vertrat, mein Land...

Mit klarer Stimme verlas ich den Brief unseres Oberbürgermeisters, nachdem ich das Wappen möglichst würdevoll überreicht hatte. Ich hatte ihn mühevoll übersetzt und mir helfen lassen, damit ich keinen Fehler machte. Meine kleine Rede dazu, die Erklärung, warum wir gerade hier so glücklich waren, war ebenfalls fast fehlerfrei.

Doch das alles war mir auf einmal nicht mehr genug. Ich glaubte, den Menschen, die uns so freundlich empfangen hatten, noch ein ganz persönliches Wort, vielleicht eine Entschuldigung für mein fehlerhaftes Italienisch schuldig zu sein.

Aufregung pur. Also setzte ich in meinem gefühlsduseligen Überschwang hinzu:

„Scusate i miei sbagli. Ma spero che ci capisciamo lo stesso! - Entschuldigt meine Fehler! Ich hoffe, wir verstehen uns dennoch!"

Für einen Moment herrschte Totenstille, dann klang plötzliches Gelächter auf, dem frenetischer Beifall folgte. Unser Freund nahm das Mikro und jubelte hinein: „Leute, jetzt haben wir uns aber alle nass gemacht!"

Ich war empört, wusste nicht, was das sollte. Ob er mir wieder einmal das bisschen Beifall nicht gönnen wollte? Ein Blick auf meine Freundin zeigte mir jedoch, dass da noch etwas anderes geschehen sein musste. Sie saß da wie eine Statue aus purem Eis, ein Gletscher unter fröhlichen Menschen.

Der Bürgermeister bedankte sich artig und forderte uns dann auf, unsere alten Tänze vorzuführen. Die Leute sangen unsere Alt-Berliner Lieder auf Italienisch mit, was witzig klang und uns fast aus dem Takt brachte.

Der Auftritt verging wie im Rausch. Erst als ich später das immer noch eisige Gesicht meiner Freundin sah, plumpste ich unsanft in die Wirklichkeit zurück.

„Wie konntest du so einen Fehler machen?", fragte sie voller Entsetzen. „Das hast du noch nie getan!"

Nun erst erfuhr ich, dass ich statt ci capiamo vor Aufregung ganz ordinär und in angehauchtem Dialekt „ci ca pisciamo" gesagt hatte, was wohl bedeutete: „Wir bepinkeln uns gemeinsam". Zumindest so ungefähr. Oder war es sogar noch ordinärer?

Nun packte mich ebenfalls das schiere Entsetzen, und ich schämte mich zutiefst. In den nächsten Tagen mochte ich mich nicht im Ort sehen lassen!

Wie gut mein netter kleiner ordinärer Fehler angekommen war, erfuhr ich etwa eine Woche später.

In Tarantos Altstadt feierte man ein Fest mit einer großen Ausstellung. In den Straßen und in vielen der leer stehenden Paläste zeigten Firmen und Organisationen, was die Stadt und das Umland zu bieten hatten. Auch Pulsanos Fremdenverkehrsverein zeigte sich von seiner besten Seite. In einem jener Palazzi hatte man in der ersten Etage in einem Raum einen „Strand" angeschüttet, einen Liegestuhl und einen Sonnenschirm und einen Tisch mit Prospektmaterial aufgestellt.

Unser Bekannter, damals Chef dieses Vereins, hatte Dienst. Wenn er seinen Stand schließen würde, wollten wir gemeinsam Essen gehen. Hunger hatte ich längst. Also fragte ich ihn, wie lange er noch bleiben wollte.

Benito grinste von einem Ohr bis zum anderen und erwiderte sehr laut und betont deutlich: „Un'urina solo!"

Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich begriffen hatte. Das war sie also, die berühmte Retourkutsche! Schallend lachend ließ ich mich in den Liegestuhl fallen und meinte nur: „ Va bene!" Mehr brachte ich wirklich nicht heraus.

Was Benito gesagt hatte? Ein Urinchen – ja wirklich, das ist die wörtliche Übersetzung.

Was er gemeint hatte: Un'oretta – ein Stündchen...

Italien pur...

Italien pur – so stellt man sich eben in Deutschland das „richtige" Italien vor: Wäsche, die an den Hauswänden herunterhängt und dem Nachbarn fast das Fenster säubert, Wäsche, die quer über der Straße von Haus zu Haus aufgehängt wurde (manchmal frage ich mich, wie??), Wäsche, die an jedem Wochentag, sogar am heiligen Sonntag den Fleiß und die Sauberkeit der Hausfrauen beweist, ganz gleich, ob im düsteren Innenhof oder an der Straßenfront, an den alten Palazzi oder den modernen Hochhäusern, bei Wind und Wetter und allen Abgasen und über den laut rufenden Straßenhändlern...

Stillleben pur...

Wäre in Deutschland nicht möglich, wo es diese Richtlinien gibt, nach denen die Wäscheleinen auf den Balkonen eine gewisse Höhe nicht überschreiten dürfen, zudem nur für die „kleine" Wäsche erlaubt sind, wo an der Straßenfront bitte gar nichts zu hängen hat, es gibt schließlich Trockenkeller, und wo der Sonntag, bitte sehr, noch ein wäschefreier zu sein hat. Na, und die Händler hatten bitte leise zu sein!

Schade, das italienische Stillleben, diese Selbstverständlichkeit, diese besondere Leichtigkeit des Seins gefällt mir besser.

Und dann Fassungslosigkeit, wenn eben diese Wäsche vom Betttuch bis zur langen Unterhose über den engen staubigen und viel befahrenen Gassen im Wind flattert, wenn gleich nebenan ein Palazzo restauriert wird und Steine Staub aufwirbeln...

Stillleben – Lebensstil...

Lebensstil?

Ja, Lebensstil, von dem wir in unseren Breiten mit den Zwangsjacken des modernen Lebens und den so gestrengen Vorschriften aller Art so viel verloren haben...

Bei uns schaut jeder zu sehr auf den anderen, besteht man zu sehr auf seinem vermeintlich gesetzlich abgesicherten Recht, vergisst man zu schnell, dass man vielleicht auch mal auf den Nachbarn angewiesen ist. Neid und Unzufriedenheit steht dem leichteren und glücklicheren Leben mit aller Macht entgegen.

Wer bei uns ein Fest feiert, der denkt eher ans Geld, an die Größe des Geschenkes, an die teure Einladung und daran, dass man auf gar keinen Fall jemanden vergessen darf und dass man zeigen muss, wer man ist. Zwangsjacken...

Die gefühlsmäßige Wichtigkeit von Gemeinsamkeit mit Familie und Freunden ist bei uns kühler Selbstdarstellung gewichen. Oder feiern Sie noch St. Joseph am 19. März als Tag des Mannes? Muttertag, Vatertag, Tag der Frau, Ferragosto, also am 15. August Maria Himmelfahrt, den Ostermontag mit Freunden, Valentinstag, das Pfingstfest als Familienfest, Santa Lucia, San Lorenzo...?

Es gibt noch mindestens eine ganze Handvoll an Festen und Gedenktagen, die man in harmloser Fröhlichkeit miteinander begehen kann.