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Menschen und Zor, einst erbitterte Feinde, sind nun enge Freunde. Admiral Marais, die legendäre „Dunkle Schwinge“, ist längst tot, doch einige seiner Weggefährten leben bei den Zor. Commander Jackie Laperriere ist Kommandantin der Cicero-Flottenbasis. Als bislang völlig unbekannte Aliens in Menschengestalt versuchen, Cicero zu übernehmen, gelingt es ihr, sie zu vertreiben. Doch der Sieg ist teuer erkauft: Cicero muss evakuiert werden, und dafür droht Jackie das Kriegsgericht. Während des Angriffs der Aliens wird auch Laperrieres Bewusstsein kurzzeitig von den Aliens okkupiert. Dadurch wurde offenbar ihre Fähigkeit zu mentalem Kontakt geweckt. Nun sieht sie sich in die Rolle des Mächtigen Qu’u gedrängt, eines Helden der Zor-Mythologie, dessen Aufgabe es ist, die
esGa’uYal, die Diener des Täuschers, zurückzuschlagen …
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Seitenzahl: 560
Das Buch
Menschen und Zor, einst erbitterte Feinde, die sich gegenseitig auslöschen wollten, sind nun enge Verbündete. Admiral Marais, die legendäre »Dunkle Schwinge«, ist längst tot, doch einige seiner Weggefährten haben sich entschlossen, bei den vogelähnlichen Zor zu leben.
Commander Jackie Laperriere ist Offizier der Imperialen Navy und Kommandantin der Cicero-Flottenbasis. Als bislang völlig unbekannte Aliens in Menschengestalt versuchen, Cicero zu übernehmen, gelingt es ihr, sie zunächst zu vertreiben. Aber der Sieg ist teuer erkauft: Cicero muss evakuiert werden, und dafür droht Jackie ein Kriegsgerichtsverfahren.
Während des Angriffs der Aliens wird auch Laperrieres Bewusstsein kurzzeitig von den Aliens okkupiert. Und dadurch wurde offenbar ihre Fähigkeit zu mentalem Kontakt geweckt. Nun sieht sie sich in die Rolle des Mächtigen Qu’u gedrängt, eines Helden der Zor-Mythologie, dessen Aufgabe es ist, die esGa’uYal, die Diener des Täuschers, zurückzuschlagen …
Der Autor
Walter H. Hunt, 1959 in Massachusetts geboren, arbeitete lange Jahre als Programmierer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Mit seinem ersten Roman »Die dunkle Schwinge«, dem Auftakt zu einer großen SF-Abenteuer-Serie, landete er auf Anhieb einen großen Publikumserfolg.
Mehr zu Walter H. Hunt unter: www.walterhunt.com
Gewidmet ist dieses Buch den vier Ladys in meinem Leben: meiner lieben Frau und Hellen Schwinge Lisa, meiner Tochter Aline, außerdem meinen Tanten mütterlicherseits, Gloria und Civita, die mir seit vielen Jahren den Rücken stärken und gute Freundinnen sind. Ich hoffe, Jackie ist nach eurem Geschmack.
Ich danke meinem wunderbaren Redakteur Brian Thomsen und meinem großartigen Agenten Don Maass. Das Beste kommt erst noch.
In seinem Traum sah er eine übel zugerichtete Landschaft, die gleich hinter dem Hügelkamm die Narben einer Schlacht trug. Eine Rauchwolke zog nahe der Stelle vorbei, an der er sich zusammengekauert hatte. Er konnte die Schreie der Verwundeten hören und den Gestank des Krieges riechen – Blut, Feuer und Tod.
Er betrachtete sich selbst, musterte das antike zeremonielle Schwert, das in einer Scheide an seinem Gürtel steckte. Seine Beine waren jung und stark, nicht alt und verkümmert. Dieser Anblick unterstrich den Traumzustand und machte ihn nur noch greifbarer. Doch dieses Gefühl! Er hatte vergessen, wie es war, jung zu sein.
Die Begeisterung, die diese Wahrnehmung auslöste, schwand gleich wieder, als ihm im Traum bewusst wurde, wohin sein hsi gebracht worden war.
Dies ist die Ebene der Schmach, sagte er sich, während eine Explosion den Wall erschütterte.
Die Ebene der Schmach – der Ort, an den sich der Held Qu’u begeben hatte, um an das gyaryu zu gelangen, das er nun trug, um sich anGa’e’ren zu stellen und das Klagelied vom Gipfel anzustimmen. Seine Vertrautheit mit der Legende und sein Wissen um die symbolische Bedeutung dieses geistigen Konstrukts ließen ihn schaudern.
Er zwang sich, am Hang entlangzueilen und den Kopf gesenkt zu halten. Ob Traumkonstrukt oder nicht, Tatsache war, dass seine Beine ihn trugen. Doch nachdem er so lange Zeit nicht zu solchen Bewegungen fähig gewesen war, stellte es für ihn eine ungewohnte und fast schon fremdartige Tätigkeit dar.
Er erreichte das Ende des flachen Kamms, der in eine weite Ebene mit hohen, aufrecht stehenden Findlingen überging. Dahinter schien sich ein breites Tal zu öffnen. Erhellt wurde diese Szene nur durch unheimlich wirkende Lichtblitze – oder handelte es sich dabei womöglich um Artilleriefeuer?
Jenseits des Tals konnte er eine riesige schwarzblaue Wand ausmachen, die sich zu beiden Seiten und nach oben so weit erstreckte, wie er sehen konnte. Unter Aufbietung all seiner Willenskraft gelang es ihm, den Blick nach oben zu richten, bis er den Kopf in den Nacken legen musste. In einer unglaublichen Höhe konnte er eine Art Festung erkennen, ein ausladendes Bauwerk mit Türmen und Nebengebäuden.
Die Eiswand: die Feste der Schmach.
Wenigstens konnte er überhaupt nach oben sehen. Nur Helden waren in der Lage, auf der Ebene der Schmach den Kopf zu heben.
Deine Phantasie wird dich noch umbringen, alter Mann, sagte er sich, doch es schien ihn nicht zu beruhigen. Dieser Traum entsprang nicht seiner eigenen Phantasie. Nicht einmal er wäre in der Lage gewesen, sich die Ebene der Schmach, die Eiswand und die Feste vorzustellen, zumindest nicht so detailliert.
Es war das Schwert, das sein hsi herschickte. Du hast es angenommen, hielt er sich vor Augen.
Es war ein shNa’es’ri, auch wenn das unvermeidbar schien.
Sechzig Jahre zuvor war ihm das gyaryu, das Reichsschwert der Zor, vom Hohen Lord angeboten worden. Er hatte es damals so angenommen wie der Admiral vor ihm. Ihm war bewusst gewesen, was er da tat und welche Konsequenzen es nach sich zog – so wie er auch wusste, was dies hier bedeutete.
Behutsam bahnte er sich seinen Weg zwischen den Findlingen hindurch, während er das gyaryu vor sich hielt. In seinen Händen fühlte es sich an, als sei es lebendig, als würde es den Ort anknurren, den es selbst gefunden hatte. Das Tal, in das er sich begab, war in Nebel gehüllt. Es war ein L’le, auch wenn es großflächiger war, einer menschlichen Siedlung ähnlicher als einer der Zor. Leute bewegten sich dort zu Fuß fort oder flogen umher, doch keiner von ihnen nahm seine Anwesenheit zur Kenntnis. Als er näher kam, schien sich manche Flügelhaltung zu verändern, als nehme sie eine längst vergessene Stellung ein, die Ehrerbietung oder Respekt bedeutete. In den meisten Fällen vermittelte die Haltung jedoch nichts weiter als Hoffnungslosigkeit.
Je näher er dem Zentrum des L’le kam, umso weniger aktive Zor sah er. In immer größerer Zahl waren sie in einer bestimmten Position erstarrt – wie Statuen oder groteske Schachfiguren, die man einfach an beliebigen Stellen platziert hatte.
Das Tal der verlorenen Seelen, dachte er.
Am anderen Ende des Tals endete die Siedlung genau an der dunklen, glatten Oberfläche der Eiswand. Inzwischen konnte er auch die Gefahrvolle Stiege erkennen, jenen Kletter- /Flugpfad nach oben, der letztlich zur Feste führte. Am Fuß der Stiege stand ein Zor, den Blick abgewandt, die Flügel in respektvoller Haltung.
Als er sich dem Zor näherte, drehte der sich um. Er stutzte, als er den menschlichen Kopf auf dem Zor-Leib sah.
»Marc?«
»Es ist schon lange her, Sergei«, sagte der Marc Hudson-Zor und setzte jenes markante schiefe Grinsen auf, an das Sergei sich erinnerte. »Sie sehen gut aus.«
»Sie auch, und erst recht für jemanden, der schon so lange tot ist wie Sie.«
»Wie lange ist es jetzt her?«
»Dreißig Jahre«, antwortete Sergei und wandte den Blick ab. »Ich hielt eine Rede bei Ihrer Beerdigung. Sie haben die meisten von uns überlebt – Bert, Uwe, sogar Alyne.«
»Alyne.« Ein Anflug von Zuneigung huschte durch die Flügel des Hudson-Zor. Sergei bekam eine Gänsehaut, als er hörte, wie Marc den Namen seiner verstorbenen Frau aussprach.
»Wieso bin ich hier, Marc?«
»Das ist esLis Wille. Oder möchten Sie die wahre Antwort hören?« Wieder lächelte der Hudson-Zor.
»Die wahre Antwort.«
»Die wahre Antwort lautet: Das Vorhergesehene wird nun beginnen. Der Flug wurde gewählt, die Entscheidung ist gefallen.«
»Muss ich dort hinauf?«, fragte Sergei und deutete auf die Gefahrvolle Stiege hinter dem Hudson-Zor.
»Das steht einem anderen bevor«, erwiderte der. »Es ist ein shNa’es’ri für diese Person, nicht für Sie.«
»Was will esLi dann von mir?«
»Was glauben Sie denn?«
»Ich glaube … dass die Last des Schwerts groß ist. Ich trage es, seit der Admiral starb. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese aLi’e’er’e vollbringen kann, mein alter Freund. Ich habe den Flug gewählt, doch weiß ich nicht, ob meine Flügel mich auf diesem Weg tragen können.«
»Sie haben Sie bis hierher getragen«, gab der Hudson-Zor zu bedenken.
Sergei folgte der Geste seines Gegenübers und sah seine eigenen Flügel, wie sie die Pose des Umhüllenden Schutzes für esLi einnahmen.
»enGa’e’esLi«, sagte Sergei zu sich, vielleicht aber auch zum Hudson-Zor, und benannte damit die Flügelhaltung.
»esLiHeYar, alter Freund«, gab der Hudson-Zor zurück, dann schob sich der schillernden Nebel des Tals der verlorenen Seelen zwischen die beiden, verdeckte die Eiswand, die Gefahrvolle Stiege und schließlich auch den Hudson-Zor.
Der Captain der Cincinnatus, eines Schiffs Seiner Imperialen Majestät, hatte sich nach der Begrüßung seiner erlesenen Passagiere aus Takt und Höflichkeit zurückgezogen, damit Sergei Torrijos, der Gyaryu’har des Hohen Nestes, und Admiral Horace Tolliver von der Imperialen Navy in Ruhe in der Messe des Captains ihr Frühstück zu sich nehmen konnten.
Sergei schälte sorgfältig eine Orange, während Horace Tolliver das Essen auf seinem Teller hin und her schob.
»Wieder eine schlaflose Nacht?«, fragte Sergei.
Tolliver rieb sich den Nacken. »Ich werde es nie begreifen, wie man an Bord dieser Schiffe auch nur ein Auge zumachen kann. Daran kann ich mich einfach nicht gewöhnen.« Mit militärischer Präzision legte er seine Gabel zurück auf den Tisch. »Was ist mit Ihnen? Sie sind doch weit weg von Ihrem Garten in esYen.«
»Geschlafen wie ein Murmeltier«, antwortete Sergei, obwohl die Bilder von der Ebene der Schmach sich immer noch in seinem Kopf hielten. »Es wurde Zeit, dass Sie aufwachen.«
»Mir war nicht bewusst, dass Sie sich für meinen Schlafrhythmus interessieren, zumal Sie sich bislang alle Mühe gegeben haben, mir aus dem Weg zu gehen.«
Der ältere Mann rollte seinen Stuhl zu einem Beistelltisch und drehte sich um. Sein faltiges Gesicht ließ erkennen, dass er sich amüsierte. »Keineswegs, Horace, keineswegs. Seit ich an Bord kam, war ich darauf aus, Sie in die Ecke zu treiben, aber man hat mich die ganze Zeit über auf Trab gehalten.«
»Na gut.« Horace Tolliver stand auf und stellte sich vor einen Spiegel, um den Sitz seiner Uniform zu korrigieren. »Was verschafft mir die Ehre, vom Gyaryu ’har besucht zu werden?«
»Neugier. Und Freundschaft. Sie wissen schon … sich gegenseitig die Hand zu reichen und so weiter. Vergessen Sie nicht, dass ich selbst auch mal Offizier der Navy Seiner Majestät war … auch wenn es lange her ist.«
»Sehr lange. Vor fünfundachtzig Jahren war es eine ganz andere Navy.«
Der alte Mann sah auf; der Schmerz der Erinnerung zeigte sich in seinem Gesicht. »So lange ist es schon her? Fünfundachtzig Jahre? Da waren Sie noch nicht mal auf der Welt.«
»Sie schweifen ab.« Horace wirkte verwirrt, als er sich vom Spiegel abwandte und wieder Platz nahm. »Also gut, dann verraten Sie mir, wie ich Ihnen bei Ihrem Problem helfen kann.«
»Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass es einen wirklich gewichtigen Grund geben muss, wenn Seine Majestät Sie persönlich losschickt, um eine Flottenbasis in der Grenzregion zu inspizieren? Vor allem, wenn Sie dabei auch noch von einem offiziellen« – er tippte auf das Schwert, das quer auf seinem Schoß lag – »Vertreter des Hohen Nestes begleitet werden?«
»Cicero ist keine beliebige ›Flottenbasis in der Grenzregion‹, sondern die größte und zugleich wichtigste Basis an der Grenze des Sol-Imperiums.«
»Es ändert nichts daran, dass sie an der Grenze liegt, und zwar unmittelbar am Rand eines – mutmaßlich – unbewohnten Territoriums.«
»›Mutmaßlich‹?«
»Sie müssen mir gegenüber nicht den Ahnungslosen spielen. Ich kenne die Berichte über das Verschwinden der Negri Sembilan und der Gustaf Adolf II.«
»Die unterliegen der höchsten Geheimhaltungsstufe …«
»Vergessen Sie nicht, dass Ihre und meine Regierung Verbündete sind. Ein Vertreter des Hohen Nestes – und besonders der Gyaryu’har – hat Zugriff auf solche Dokumente. Unter normalen Umständen, Horace, würden wir sagen, dass es sich bei der Bedrohung allenfalls um Piraten handeln dürfte, die irgendwo außerhalb des Imperiums ihr Unwesen treiben. Ich bin davon überzeugt, dass die Befehlshaberin von Cicero – Laperriere heißt sie, wenn ich nicht irre – fähig genug sein dürfte, um die Umgebung zu durchkämmen, die Piraten zu finden und sie aus dem Verkehr zu ziehen. Warum werden dann hochrangige Offiziere losgeschickt, um eine Inspektion vorzunehmen? Sollen wir nachsehen, ob sie ihre Arbeit richtig macht?«
Horace verschränkte die Arme vor der Brust.
»Es ist ganz einfach, Horace. Die Admiralität vermutet, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Darum hat man Sie von Ihrem Schreibtisch und mich aus meinem Garten abgezogen, um der Sache auf den Grund zu gehen.«
»Ich verstehe. Und warum wurde ich darüber nicht informiert?«
»Sie werden ja in diesem Moment darüber informiert, Horace. Diese Ausführungen dienen dem Zweck, Sie auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen. Taten sprechen oft eine deutlichere Sprache als Worte, vor allem in diesem Fall.«
»Geschwätz.« Es tat dem Admiral gut, einem Mann von Sergeis Alter auf den Kopf zuzusagen, dass er »Geschwätz« von sich gab. Einen Moment lang genoss er das gute Gefühl, erst dann fuhr er fort: »Die Admiralität erwartet einen Bericht über den Verbleib der beiden Schiffe. Und den wird sie bekommen, weil ich beabsichtige, sie zu finden.«
»Sie … wie bitte?«
»Ich werde nicht einfach dasitzen und abwarten, bis die Schiffe von selbst auftauchen. Das ist der Grund, weshalb die Admiralität einen Flaggadmiral nach Cicero schickt.«
»Sie sind ein Stabsoffizier, Horace, kein …«
»Ich bin Admiral der Flotte Seiner Majestät, wie Sie sicher wissen dürften. Ich habe ein Offizierspatent und Erfahrung im aktiven Dienst. Wenn die Befehlshaberin von Cicero ihr Fach versteht, wird mein Einschreiten nicht notwendig sein. Wenn sie Angst hat, Maßnahmen zu ergreifen …«
»Das«, unterbrach ihn der alte Mann, »ist so ziemlich das Dümmste, was Sie in meiner Gegenwart von sich gegeben haben – besser gesagt: was Sie jemals von sich gegeben haben. Befehlshaber entlang der Grenze haben keine Angst, wenn sie es mit Piraten oder anderen Widersachern aufnehmen sollen. Sie wissen ganz genau, dass da viel mehr dahintersteckt.«
Sergei setzte seinen Stuhl in Bewegung. »Natürlich«, sagte er mit ironischer Miene, als er an der Tür ankam, »darf man solche Sachen in meinem Alter unbehelligt sagen. Wir sehen uns an Deck.«
Er lenkte seinen Rollstuhl durch die Türöffnung, hinter ihm glitt die Tür gleich wieder zu.
Der Admiral saß da, ein wenig verblüfft darüber, dass die Unterhaltung fast genauso abrupt endete, wie sie begonnen hatte.
Da geht er hin, dieser seltsame alte Mann, dachte Tolliver. Er denkt nicht mal mehr wie ein Mensch.
Aber war das wirklich so überraschend – nach fünfundachtzig Jahren unter Aliens, das Vermächtnis eines der größten Schurken der Menschheitsgeschichte auf den Schultern und das Reichsschwert in den Händen?
Welche Art Mensch hatte Admiral Marais auf dessen Vernichtungsfeldzug begleiten können? Welcher Mensch war Sergei Torrijos als junger Mann gewesen?
Es war kaum mehr als eine spekulative Frage.
Admiral Tolliver stand auf, griff nach seiner Jacke und verließ sein Quartier.
20. September 2396
Auf offenen Kanälen übertragen TIN/SRO/ADR/CIC
VON: KAdm César Hsien, Adrianople, für HQ der Admiralität, Terra
AN: Cdre Jacqueline Laperriere IN, CO / Cicero-Flottenbasis
Auf Befehl Seiner Imperialen Hoheit werden Sie Inspector-General Horace Tolliver, K Adm ISN, mit Eskorte, sowie Gyaryu’har Sergei Torrijos als Vertreter des Hohen Lord Ke’erl HeYen vom Hohen Nest unterbringen und willkommen heißen. Ich erwarte, dass Sie Adm. Tolliver und vor allem Mr Torrijos während ihrer Inspektionstour alle Wünsche erfüllen. Reiseroute und Ablaufplan finden Sie in den angehängten Vid.Aufz.
EOT
20. September 2396
Auf offenen Kanälen übertragen TIN/SRO/ADR/CIC
VON: KAdm Horace A. Tolliver, Inspector-General
AN: Cdre Jacqueline Laperriere IN, CO / Cicero-Flottenbasis
Liebe Commodore Laperriere,
ich freue mich bereits darauf, die Cicero-Basis besuchen zu dürfen. Als höfliche Geste gegenüber dem Hohen Lord werde ich von einem besonderen Gesandten begleitet, von Sergei Torrijos, dem Vertreter des Hohen Nestes. Auch wenn dieser Umstand die Inspektion etwas ungewöhnlich gestalten wird, bin ich sicher, dass Sie Ihr Kommando in der gewohnten Weise mit nur einem Minimum an Störungen werden ausüben können. Wenn es irgendetwas gibt, was meine Dienststelle tun kann, um diese Absicht noch besser zu verwirklichen, nehmen Sie ruhig Kontakt mit mir auf.
Tolliver KAdm ISN
Fünf Vindicator-Flugzeuge beschleunigten und gewannen rasch an Höhe, während die Landebahn von Cicero hinter ihnen zurückfiel. Die aufgehende Sonne, die blassorange über dem Horizont hing, sprenkelte die Tragflächen mit ihrem Licht, als die Maschinen weiter aufstiegen. Die Nachbrenner wurden gezündet, während sie die obere Atmosphäre erreichten.
Wachoffizier Lieutenant John Maisel wandte sich von den kleiner werdenden Maschinen ab und betrachtete in der Fensterscheibe des Kontrolltowers das Spiegelbild seiner Befehlshaberin. Sie wirkte müde und erschöpft, und insgeheim fragte er sich, warum sie bereits um 0600 Uhr auf den Beinen war. Etwa nur, um einen routinemäßigen Patrouillenstart mit anzusehen?
»Gruppe vier gestartet, Ma’am«, sagte er und drehte sich zu ihr um.
»Sehr gut, Lieutenant.«
»Befehle, Ma’am?«
»Nein, keine. Bleiben Sie bis auf weiteres in Alarmbereitschaft, Lieutenant.«
»Aye-aye, Ma’am.« Er sah wieder zu den Lichtpunkten, die in großer Höhe immer kleiner wurden. Als er wieder über die Schulter blickte, war seine Vorgesetzte bereits verschwunden.
Commodore Jacqueline Laperriere – »Jackie« für die wenigen guten Freunde, die sie mit ihrem Vornamen ansprachen, nicht mit ihrem Dienstgrad – ging langsam durch den verglasten Gang, der vom Kontrolltower zum Gebäude der Admiralität führte. Für jemanden, der sich ausgeruhter und unbeschwerter gefühlt hätte, wäre der Anblick des Raumhafens überwältigend gewesen. Sie selbst nahm davon kaum Notiz, als sie stehen blieb und die hektischen Aktivitäten beobachtete, die dem Start der nächsten Gruppe vorausgingen.
Sie kannte den Ablauf bis ins letzte Detail, er war ihr in Fleisch und Blut übergegangen, und sie würde es nicht wieder verlernen. Vor Jahren war sie selbst eine gute Pilotin gewesen. Dann hatte man ihr das Kommando über ein Raumschiff übertragen, doch das änderte nichts daran, dass das Führen eines Kampfflugzeugs immer noch viel besser war, als ein Kampfraumschiff zu befehligen. Als Commodore in der Flotte Seiner Majestät lag beides nun lange hinter ihr, und ihr Platz war heute der hinter einem Schreibtisch einer Flottenbasis.
Jackie sah zu, wie die K6-Sonne von Cicero allmählich höher stieg. An diesem Morgen verspürte sie weder Verärgerung noch Bedauern. Sie war dafür viel zu müde, weil sie die letzten sechsunddreißig Stunden damit verbracht hatte, jeden der vielen Kilometer Korridore und das gesamte Rollfeld zu überprüfen, mit Untergebenen zu sprechen und ohne Ankündigung Inspektionen vorzunehmen, weil sie auf die Ankunft des Inspector-General Konteradmiral Horace Tolliver vorbereitet sein wollte. Für das Personal der Basis stellte der Besuch kein besonders wichtiges Ereignis dar, schließlich war es weder die erste Inspektion der Einrichtung, noch würde es die letzte sein. Admiräle, die die meiste Zeit an ihrem Schreibtisch verbrachten, waren für die Besatzung der Basis kein Grund zur Sorge.
Einige ihrer Senioroffiziere – Jahre älter als sie selbst und untrennbar mit ihrem Posten verwachsen – hatten sie vor vier Tagen in den Offiziersclub zum Abendessen eingeladen, um ihr einerseits die Sorge vor der anstehenden Inspektion zu nehmen, andererseits aber auch zu versuchen, sie unter den Tisch zu trinken. Der Gedanke an den Abend brachte sie unwillkürlich zum Lächeln. Mit das Erste, was ein Offizier lernt, ist Alkoholgenuss in Maßen, und sie hatte sich entsprechend den besten Traditionen des Militärs behaupten können.
Dennoch wusste sie, dass etwas Großes im Gange war – es war mehr als bloß eine plötzliche Laune erforderlich, um einen alten Hasen wie Tolliver so nah an den Rand des imperialen Raums zu bringen. Es bedeutete, dass jemand bei der Admiralität von den Ereignissen der letzten Wochen – dem Verschwinden zweier Forschungsschiffe – Notiz genommen hatte.
Die Admiralität hielt es für angebracht, sich dieser Vorfälle anzunehmen, und deshalb hatte man einen Mann auf den Weg geschickt. Tolliver war Enkel und Urenkel von imperialen Premierministern und tief in Vetternwirtschaft verstrickt. Vermutlich war er schlau genug zu merken, wenn man ihm etwas vormachte. Aber von einem Soldaten hatte er so wenig, dass er jede eigenmächtige Aktion vermeiden würde.
Tolliver würde also nach Cicero kommen, seine Inspektion durchführen und dann irgendwelche Anweisungen zurücklassen. Die offiziellen Befehle wurden in militärisches Juristenchinesisch verpackt, echte Anweisungen wurden durch eine Null wie Tolliver überbracht. Einzelheiten waren ihr nicht bekannt, dennoch war anzunehmen, dass sie etwas in dieser Art zu hören bekommen würde: Lösen Sie das Problem, sonst versetzen wir Sie auf eine ruhige Station … zum Beispiel nach Pergamum. Diese Flottenbasis auf halber Strecke zwischen dem Sol-Imperium und dem treuen Verbündeten, dem Hohen Nest, war in etwa der ruhigste Posten, den man sich vorstellen konnte. Zugleich war er die Sackgasse schlechthin für eine Karriere bei der Navy.
Na gut, sagte Jackie sich. Ich werde das Problem schon lösen. Vermutlich sind es nur ein paar verdammte Piraten, wie vor sechs Jahren. Sie würden deren Schlupfwinkel finden, stürmen, die Schiffe und alle Beute beschlagnahmen. Die Piraten bekamen dann die harte Hand des Imperators zu spüren, alle anderen erhielten einen Orden.
Eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf meldete jedoch Zweifel an. Jackie wusste, die Gustav Adolf II. und die Negri Sembilan waren zu gut bewaffnet, um in die Gewalt von Piraten zu geraten. Zwar handelte es sich bei beiden um Forschungsschiffe, aber sie verfügten über Marine-Einheiten und erfahrene Crews. Es musste schon etwas sein, das groß und schlau genug war, um es mit solchen Schiffen aufzunehmen … Langsam ging sie weiter und merkte, wie diese Überlegungen sie mit neuer Energie erfüllten, die ihr half, gegen ihre Müdigkeit anzukämpfen.
Ch’k’te wachte auf, als er hörte, wie eine leichte Brise die Glocken im vorderen Flur bewegte. Während er seine Beine streckte, spreizte er zugleich seine Flügel und brachte sie in die Pose von esLiNa’yar, der Begrüßung des Tages, und schickte ein kurzes Gebet an esLi.
Manchmal bedauerte er es, nach Cicero versetzt worden zu sein. Auch wenn ihm bewusst war, dass es sich um eine Ehre handelte, auf einer der größten Flottenbasen zu dienen, stellte die Schwerkraft dieser Welt für ihn eine Belastung dar. Fliegen konnte er nur in Simulatoren, und über die Kälte wollte er lieber erst gar nicht nachdenken.
Er betrat das Bad und setzte die Schutzlinsen auf, damit das grelle Licht der Sonne von Cicero auf ein angenehmeres chromatisches Maß reduziert wurde. Dann ging er in den Vorraum, wo N’kareu, sein jüngster Cousin und alHyu, auf ihn wartete.
»Ich grüße dich, erhabener Cousin«, sagte N’kareu und deutete eine Verbeugung an. »Ich bitte achttausendmal um Verzeihung, dass ich dich in deiner Meditation gestört habe.«
»Es war ohnehin Zeit, den Morgen zu begrüßen«, erwiderte Ch’k’te und ging zum Fenster, um die Jalousie hochzuziehen, damit der Sonnenschein ins Zimmer fallen konnte.
»Was kann ich für dich tun, se Cousin?«
»Die Kommandantin bittet dich, sie mit deiner Anwesenheit zu beehren, se Ch’k’te.«
»Um diese Zeit?« Er sah zur Uhr und stellte fest, dass es erst halb sieben war.
»Sie kam mir im Korridor vor der Offiziersmesse entgegen, se Cousin, und bat mich, herzukommen und dich zu wecken. Sie möchte, dass du dich nach dem Morgenmahl mit ihr in ihrem Bereitschaftsraum triffst.«
Ch’k’te sah zu, wie ein Geschwader Flugzeuge in den Himmel aufstieg.
»Ist sie jetzt schon dort?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.
»Ich … ich glaube ja, Cousin.«
»Sehr gut. Dann leg meine Uniform bereit, se N’kareu, während ich noch einen Moment lang nachdenke.« Der jüngere Zor verbeugte sich und ging ins Schlafzimmer.
Ch’k’te ließ seine ausgefahrenen Klauen auf der Fensterbank ruhen, dann befreite er seinen Verstand von allen Gedanken. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Kreis von esLi, den Inneren und den Äußeren Frieden. Langsam verblasste das flackernde Licht auf der Nickhaut, und die leisen Geräusche, die sein alHyu verursachte, gerieten allmählich in den Hintergrund, während sein Geist sich auszudehnen begann.
Über die Jahre hinweg hatte er sich dieser morgendlichen Übung bedient, um sich mit den Strukturen des menschlichen Geistes vertraut zu machen, von dem er hier auf Cicero umgeben war. Vor allem machte er sich dabei mit dem hsi seiner Vorgesetzten Commodore Laperriere vertraut, und es waren ihre Muster, nach denen er als Erstes Ausschau hielt.
Er nahm sie fast sofort wahr: eine starke und extrem fremde Persönlichkeit, ein Geist, der sich schnell bewegte, um die Müdigkeit zu vertreiben. So wie jedes Mal, wenn er ihren Geist klar und deutlich berührte, konnte er fast sehen, wie sie von dem Bericht aufblickte, den sie las, und dabei seinen Namen halb laut, halb in Gedanken aussprach.
»Ch’k’te?«
Begleitet war dieses Wort von einer Fülle von Gefühlen. Die Geistberührung, die für Ch’k’te als Fühlendem etwas ganz Natürliches darstellte, war für den Commodore eine neuartige Erfahrung. Sie war dem Gedanken mit einiger Sorge begegnet, konnte sich im Lauf der Zeit dennoch daran gewöhnen. Die Möglichkeit, in einem Notfall auf diesem Weg zu kommunizieren, hatte sie vor allem anderen dazu motiviert, sich auf dieses Experiment einzulassen. Ch’k’te seinerseits hatte sich über die Gelegenheit gefreut, mehr über diese ihn stets so verwirrenden menschlichen Verbündeten zu erfahren.
Der gesprochene Name klang, als komme er vom Grund eines tiefen Brunnenschachts. Er verspürte einen sonderbaren Druck, der am Rand seines Bewusstseins nagte, als habe jemand zum ersten Mal seinen Geist wahrgenommen und wolle nun herausfinden, woraus er bestand.
Ch’k’te?
Dunkle Schemen bewegten sich durch die Leere. Er verspürte ein äußerst unangenehmes Gefühl in der Magengegend. Darunter regte sich eine rasch wachsende Angst, die ihren Ursprung bei Jackie hatte.
Er versuchte, ihren Namen auszusprechen, doch er blieb stumm, als sei bereits das Bemühen zu viel.
Sie war keine Fühlende, daher konnte sie keine imaginären Gedankenformen und -konstrukte bilden, um mentale Attacken zu bändigen. Was immer es war, das ihre zarte Gedankenverbindung berührt hatte, attackierte nun Jackie mit brutalen Energien, und sie verstärkte deren Wirkung auch noch durch ihre eigene Angst.
Ch’k’te?, hörte er sie abermals sagen.
Die Emotionen wurden stärker, die düsteren Formen rückten näher. Er konnte sie fast erkennen: gewaltige Ungeheuer, die schlimmsten albtraumhaften Gestalten, die esGa’u schicken konnte, um kleine Nestlinge zu erschrecken. Sein Bewusstsein kämpfte gegen die Vorstellung an, seine Phantasie könnte all das erst geschaffen haben, und er versuchte, die Verbindung zu unterbrechen. Er musste feststellen, dass ihm das nicht möglich war. Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er sich den Erscheinungen zuwandte, die sich ihm langsam näherten.
Die Gestalt, die ihm am nächsten war, versuchte ihn zu berühren …
»Ch’k’te?«
Im gesamten Volk sind die Reflexe eines Soldaten wohl die, die am tiefsten in Fleisch und Blut übergegangen sind. Er muss sich auf sie verlassen können, wenn er überleben will. Bei der ersten Berührung griff Ch’k’te nach dem Tentakel, der sich in seine Richtung streckte, und hob die Hände, um das Ding mit enGa’e’Li, der Kraft des Wahnsinns, von sich zu schleudern.
Langsam öffnete er die Augen, um zu sehen, wonach er gegriffen hatte … und stellte fest, dass er einen sehr erschrocken dreinblickenden N’kareu über seinem Kopf hielt.
Ch’k’te zwang sein Herz dazu, wieder langsamer zu schlagen, bis es eine normale Frequenz erreicht hatte, dann setzte er seinen Cousin auf dem Boden ab. Er strich die Flügelfedern glatt und zog die Krallen ein.
»Es ist nicht ratsam«, sagte er ruhig, »einen Krieger während seiner Meditation zu stören.«
»Ich bitte achttausendmal um Verzeihung, Cousin«, entgegnete N’kareu mit gesenktem Blick. »Aber du sahst aus … als wärst du in Gefahr gewesen.«
»Wieso das?«, fragte Ch’k’te.
N’kareu antwortete nicht, sondern zeigte auf die Fensterbank. Acht tiefe Löcher waren im Kunststoff zu sehen, von Ch’k’tes Krallen in das Material gebohrt.
Sergei sah zu, wie Cicero Prime als Holo über dem Tisch seines Wohnzimmers beständig größer wurde. Er verspürte nicht den Wunsch, den Landeanflug auf der Brücke mitzuerleben, wo sich Admiral Tolliver inzwischen befand. Er begnügte sich damit, in seinem Quartier zu bleiben. Die Brücke eines Raumschiffs war ihm längst fremd geworden, auch wenn er einen Großteil seines Lebens damit zugebracht hatte, solche Schiffe zu befehligen.
Die Umstände hatten eigentlich keinen anderen Menschen aus ihm gemacht. Es hatte ihn nicht einmal besonders berührt, als er miterlebte, wie sich das Sol-Imperium von Admiral Marais distanzierte, was inzwischen eine Ewigkeit her zu sein schien.
Die Zeit hatte dennoch ihren Tribut gefordert: Sie hatte ihn alt werden lassen, seine Beine waren nutzlos, seine Arme waren schwach, und sein Atem ging bedächtig und gleichmäßig. Die Zeit hatte ihm seine Ehefrau Alyne und seinen engsten Freund Marc Hudson genommen, nachdem sie Admiral Marais ins Exil gefolgt waren.
Und die Zeit hatte ihm auch Marais genommen. Einige Jahre nach dem Krieg hatte er ein Buch geschrieben, doch in den Augen der Menschheit war er nie rehabilitiert worden. Marais starb als Feind der menschlichen Spezies. Für die Menschen blieb er das Monster, das jene schreckliche Gewalt entfesselt hatte, die notwendig gewesen war, um den Konflikt mit den Zor für alle Zeit zu beenden.
Es war ein Konflikt, den zu Beginn nicht einmal Sergei richtig verstanden hatte. Vom Admiral war zudem niemals die Erklärung gekommen, er bereue seine Taten oder schäme sich für sie, während das Sol-Imperium dank einer verdrehten Logik mehr als willens gewesen war, die Früchte seiner Arbeit zu ernten.
Marais war ins Exil gegangen und niemals zurückgekehrt. Nach menschlichen Denkgewohnheiten hätten die Zor den Mann hassen müssen, weil er so viel von ihrem Blut vergossen hatte. Stattdessen aber akzeptierten sie den Admiral als das Zusammenwirken der rachsüchtigen Dunklen Schwinge und der neues Leben schenkenden Hellen Schwinge. Ihm war sogar das gyaryu überreicht worden, das Reichsschwert des Hohen Nestes. Für die Menschen, die den Mann verstoßen hatten, war das ein widersinniges Verhalten, das sie selbst Jahrzehnte später noch immer nicht begreifen konnten.
hi’i Sse’e hatte nach dem Krieg weiter das Amt des Hohen Lords ausgeübt – der arme, blinde Sse’e. Chris Boyd, Großvater des derzeitigen Gesandten, hatte einen Traum, den er mit dem alten Hohen Lord teilte, in dem der mysteriöse Adjutant des Admirals, Captain Stone, als Kreuzung aus Zor und Mensch zu sehen war, der Sse’e mitteilte, dass der nie wieder träumen würde.
Es war eine zutreffende Prophezeiung, denn keine zwei Jahre nach dem Ende des Krieges nahm sich hi’i Sse’e das Leben, indem er sein Herz selbst zum Stillstand brachte. Sergei war vermutlich der einzige noch lebende Augenzeuge, der den Leichnam des alten Zor als blutige Masse auf dem Boden der einstigen Meditationskammer hatte liegen sehen.
hi’i Dra’a, der Sohn von hi’i Sse’e, war ebenfalls »von den Acht Winden berührt« worden und starb ein Jahr später im Garten. Er war ebenfalls nicht in der Lage gewesen, die lenkenden Träume zu empfangen. Für das Sol-Imperium ergab das alles keinen Sinn, da dort ohnehin niemand auf Erkenntnisse aus den Träumen des Hohen Lords wartete.
Nach hi’i Dra’a war das Gleichgewicht der Hohen Lordschaft anscheinend wiederhergestellt worden, da die vorhersehenden Träume zum Hohen Lord zurückkehrten. Damit einher ging auch das Vertrauen in eine neue freundschaftliche Verbindung zwischen dem Volk und der Menschheit. Seit über achtzig Jahren herrschte Frieden, da jede Spezies lernte, was es über die jeweils andere Seite zu wissen galt …
Die Jahre schienen schwer auf Sergei zu lasten, der in seinem Quartier an Bord der Cincinnatus saß und das Holo des bewohnbaren Planeten im Cicero-System betrachtete. Auf einmal stieg von dort eine Rauchfahne auf und nahm die Form einer Hand an, die nach Sergei zu greifen versuchte. Er fühlte, wie Angst einem eigenständigen, lebenden Wesen gleich sich in ihm ausbreitete.
Seine Hände ertasteten das fauchende gyaryu. Er streckte die Flügel aus, um sich zu schützen …
Das Interkom erwachte plötzlich zum Leben: »Wir werden in weniger als einer Stunde ankommen, Sir. Ortszeit auf der Basis ist 0630. Haben Sie irgendeinen Wunsch?«
Sergei ließ langsam die Arme sinken. Ihm fiel auf, dass er die Flügelhaltung en Sha’e’esLi eingenommen hatte, der Umhüllende Schutz für esLi. Sorgfältig legte er das Schwert zurück auf seinen Schoß. Er bekam eine Gänsehaut, dann verschwanden die Flügel.
»Mr Torrijos?«, plärrte es aus der Bordsprechanlage. Die Stimme klang nun etwas drängender.
»Ja, verdammt«, brachte Sergei schließlich heraus. »Hat man denn hier nie seine Ruhe? Nein, ich brauche nichts.«
Er sah zu seinen Schultern und hatte fast das Gefühl, wieder die Flügel sehen zu können.
Du bist wohl eingedöst, du alter Narr, dachte er. Die Ebene der Schmach, Flügel, die aus deinen Schultern wachsen – du weißt doch gar nicht mehr, ob du schon schläfst oder noch wach bist.
Sein Blick kehrte zurück zum Holo. Die Kugel, die den Planeten Cicero zeigte, war größer geworden, präsentierte sich nun aber wieder als normale Welt.
So fängt es an, dachte er. Wer hatte vor Angst aufgeschrien … und was hatte ihn berühren wollen?
Über das Interkom des Schiffs ertönte ein Alarm, aber Sergei war längst wieder in seine Gedanken versunken.
Eine steife Brise wehte über die Landebahn, zerrte an den Fahnen und drang durch die Galauniformen der Truppe, die in Habtachtstellung dastanden und darauf warteten, dass der Shuttle zum Stehen kam. Es war ein schöner, klarer und kalter Morgen – und damit unangenehm genug für eine lästige Inspektion.
Jackie Laperriere wartete zusammen mit ihrem Stab. Trotz ihres dicken Mantels konnte sie die Kälte deutlich spüren. Sie hätte diese Aufgabe einem ihrer Untergebenen übertragen können, doch für sie war es ein besonderes Vergnügen, den Kontrollturm zu verlassen und sich auf das Rollfeld zu begeben. Außerdem bekam sie so die Gelegenheit, dem Admiral und den Mitgliedern seiner Delegation persönlich zu begegnen – allen voran jenem rätselhaften Gyaryu’har, dem berühmten Sergei Torrijos, dem letzten Überlebenden aus der Zeit der Kriege mit dem heute wichtigsten Verbündeten der Menschheit.
Ch’k’te sah dem anstehenden Besuch mit gemischten Gefühlen entgegen, nicht zuletzt wegen jenes beunruhigenden Zwischenfalls am Morgen. Er war ein Fühlender, und ihm war bewusst geworden, dass dieses Ereignis etwas Wesentliches darstellte.
Als Ch’k’te kurz vor 0700 in ihrem Büro eingetroffen war, hatte sie auf ihrem üblichen Platz am Konferenztisch gesessen. Ihr war deutlich anzusehen gewesen, wie aufgewühlt sie gewesen war. Ch’k’te blieb in Habtachtstellung stehen, bis sie ihn ausdrücklich aufforderte, sich zu rühren, dann setzte er sich ihr gegenüber an den Tisch.
»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir erklären könnten, was geschehen ist.«
»Es tut mir äußerst leid, se Commodore, dass ich nicht …«
»Eine Erklärung, Commander Ch’k’te«, unterbrach sie ihn. »Ich habe keine Entschuldigung verlangt.«
Für den Bruchteil einer Sekunde flammte in Ch’k’te Wut auf, die er aber so schnell wieder unter Kontrolle hatte, dass sich seine Klauen nicht einmal einen Zentimeter weit herausschoben. Und doch hatte Jackie den kurzen Moment der Anspannung mitbekommen.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Die letzten Tage waren recht schwierig. Ich spürte Ihre geistige Berührung, doch diese Bilder… sie waren sehr deutlich. Verzeihen Sie meine Ungeduld. Was ist da geschehen?«
»Etwas von außerhalb schaltete sich in unseren Kontakt ein, etwas Feindseliges und Fremdes.«
»Etwas Fremdes? Welche Spezies?«
»Keine, die mir bekannt wäre. Es war weder Mensch noch Rashk oder Otran. Es handelte sich eindeutig um niemanden vom Volk, aber es war unbestreitbar etwas sehr Mächtiges, se Commodore. Mentale Kontakte finden auch zwischen zwei dafür ausgebildeten Fühlenden ohne Worte statt. Doch dieser Geist war viel mächtiger, so mächtig, dass er die Verbindung vollständig beherrschte.«
»War es … war es das, was wir sahen?«
»Ein Fühlender schafft manchmal eine Gedankenform, um ein bestimmtes Gefühl zu beschreiben. Angst war in diesem Fall das Gefühl. Mein hsi schuf ein Bild, das auf meiner eigenen Phantasie basierte. Daher würde ich sagen, se Commodore, dass der Besitzer dieses Verstandes womöglich völlig anders aussieht als das, was wir wahrnahmen.«
»Was werden Sie im Hinblick auf diesen ›Kontakt‹ unternehmen?«
»›Kontakt‹ ist vielleicht ein zu kräftiges Wort, um es zu beschreiben, se Commodore. Aber ich werde tun, was Sie befehlen.«
»Was ich befehle? Was werde ich denn befehlen?«
Auf diese Frage hatte er keine Antwort erhalten.
Auf Cicero waren nur wenige Fühlende stationiert, weil es keinen großen Bedarf gab. Die Imperiale Große Vermessung hatte Sonnensysteme kartographisch erfasst, die dreißig bis vierzig Parsec jenseits von Cicero lagen, dort aber nichts finden können, was in irgendeiner Weise an intelligentes Leben erinnerte. Das Gebiet bei Albireo hatte sich im Vergleich dazu als eine Brutstätte an Fühlenden-Aktivitäten erwiesen, nachdem es zum Erstkontakt mit den Otran in einem System gekommen war, das zu der Zeit nur die Bezeichnung 79 Vulpeculae getragen hatte. Jenseits von Cicero gab es jedoch nichts Neues zu vermelden – ein paar menschliche Siedlungen außerhalb des Imperiums, aber keine empfindungsfähigen Aliens … und erst recht nichts von der Art, wie es ihnen während des Kontakts begegnet war.
Gar nichts von dieser Art.
Der Admiral und sein Stab hatten sich in den Besucherquartieren im Hauptkomplex eingerichtet. Jackie hatte dafür gesorgt, dass die Vertreter der Zor im Parterre gleich neben dem weitläufigen Gewächshaus untergebracht wurden. Von den vorderen Fenstern der Suite aus konnte man eine tropische Landschaft überblicken, die immun war gegen jene Stürme, die über der schützenden Permaplast-Kuppel tobten. Sie wusste nur wenig über den Gyaryu’har, hoffte aber, dass es ihm zusagte. Nach dem zu urteilen, was ihr zu Ohren kam, nachdem er sein Quartier bezogen hatte, war ihre Vermutung richtig gewesen.
Zu Beginn der ersten Tagwache nach ihrer Ankunft waren sie für die Inspektion bereit. Es gab viel zu sehen, aber eigentlich nichts Neues: Cicero Prime war vor gerade mal zwei Jahrzehnten besiedelt worden, und auszuhalten war ein Leben nur nahe dem Äquator, weil die Temperaturen dort ›lediglich‹ bitterkalt waren. An den Polen verhinderten dicke Eiskappen und brutale Stürme eine Besiedlung. Die geringe Neigung der Planetenachse hatte zudem zur Folge, dass die verschiedenen Jahreszeiten nur minimale Veränderungen mit sich brachten und es kaum Erholung von der beständigen Kälte gab.
Es erstaunte niemanden, dass die Gruppe fast die gesamte Zeit in geschlossenen Räumen verbrachte. Admiral Tolliver schien sich in erster Linie für die Sauberkeit und die Arbeitseffizienz zu interessieren und fand kaum etwas, was er hätte kommentieren oder gar kritisieren können. Der Repräsentant des Hohen Lords erwies sich dagegen bei allen nur denkbaren Themen als sehr wissbegierig – von der Stimmung des Personals bis hin zu den Wetterzyklen.
»Er ist erstaunlich«, sagte Jackie leise zu Ch’k’te, als sie beide einen großen Shuttlehangar durchquerten.
»Er ist der Gyaryu’har«, antwortete Ch’k’te, als sei damit alles klar.
»Das ist keine Erklärung«, ließ sie ihn wissen.
Ch’k’te brachte seine Flügel in eine andere Stellung, die von Ehrerbietung bis Belustigung alles bedeuten konnte. »Der Gyaryu’har verfügt über große Weisheit und sehr viel Macht.«
»Als ein Fühlender?«
»Nicht wirklich.« Wieder bewegte Ch’k’te seine Flügel. »Er trägt das gyaryu und besitzt die Macht, es gegen die es-Ga’uYal zu richten – die Diener des Täuschers.«
»Aber heute wohl nicht mehr so sehr, würde ich sagen.«
»Warum sagen Sie so etwas?«
»Na ja, weil er in einem Rollstuhl sitzt.«
»Ich bitte achttausendmal um Verzeihung, se Jackie, aber ich wüsste nicht, wo da der Zusammenhang besteht.«
»Sie sagten, er richtet …«
»Ja.« Zum dritten Mal veränderte Ch’k’te die Flügelhaltung. »Er richtet das Schwert gegen die esGa’uYal«, wiederholte er. »Auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein« – er machte eine Geste in Richtung des alten Mannes, der geduldig einer Beschreibung über den Schutzmechanismus des Hangars vor Witterungseinflüssen zuhörte –, »bedeutet nicht, dass er in seinen Fähigkeiten eingeschränkt ist. Die Diener des Täuschers sind …«
»Hier bei uns?«
Ch’k’te konnte seinen Gesichtsausdruck nicht verändern, doch seine Augen verrieten sein Erstaunen.
»Es würde seine Anwesenheit hier bei uns erklären.«
»Ich dachte, er gehört zum Gefolge des Admirals, sozusagen ein Beobachter für das Hohe Nest.«
»se Jackie, der Gyaryu’har gehört niemals zu irgendeinem Gefolge. Wenn er hier ist, dann, weil das gyaryu hier benötigt wird.«
»Was Sie sahen … was wir sahen …«
»Ich fürchte, das ist es«, erwiderte Ch’k’te auf ihre unausgesprochene Frage.
Jackie lud ihre Gäste zu einem Essen in die Offiziersmesse ein; das war nach außen hin eine höfliche Geste, verlief tatsächlich aber höchst angespannt. Jackie machte die Anwesenheit des Zor-Gesandten nervös, insbesondere wenn sie daran dachte, was Ch’k’te glaubte. Der Gyaryu’har war aus einem bestimmten Grund hier, der vermutlich mindestens so wichtig war wie der des Admirals.
Nach dem Essen kamen die Würdenträger in Jackies Bereitschaftsraum zusammen und setzten sich an den auf Hochglanz polierten Holztisch. Jackies Vorgänger – ein Adliger, der wohlhabend genug war, um die Fracht zu bezahlen – hatte ihn mit nach Cicero gebracht und dann dort zurückgelassen, als man ihn versetzte.
Jackie nahm am Kopfende des Tisches Platz, Admiral Tolliver und sein Stab wählten den Bereich am gegenüberliegenden Ende, während die anderen Mitglieder der Gruppe – der Gyaryu’har und zwei Adjutanten – sich auf die freien Plätze dazwischen verteilten. Ch’k’te setzte sich rechts neben sie.
»Commodore«, begann Admiral Tolliver. »Wir haben eine weite Strecke zurückgelegt. Vielleicht könnten Sie so freundlich sein, Ihren Bericht vorzutragen.«
»Aye-aye, Admiral.« Sie hatte sich auf eine derartige Präsentation vorbereitet, stand auf und stützte sich auf der Tischplatte ab, während sie sich umschaute.
»Der Imperiale Erkundungsdienst führt regelmäßig Erkundungen in einem Gebiet durch, das sich dreißig bis vierzig Parsec jenseits der Flottenbasen des Sol-Imperiums erstreckt«, erklärte sie. »Diese Erkundungen dienen verschiedenen Zwecken, unter anderem der Suche nach Welten, die sich für Kolonien oder industrielle Anlagen eignen. Der Dienst ist zudem immer auf der Suche nach Erstkontakten.«
Tollivers Miene war ausdruckslos, doch seine Augen vermittelten eine unausgesprochene Aufforderung: Das wissen wir doch alles, komm lieber zum eigentlichen Thema.
»Der Erkundungsdienst spielt oft eine entscheidende Rolle beim Aufspüren potenzieller Gefahren für das Imperium, insbesondere Zufluchtsstätten von Plünderern und Piraten. Man darf dabei nie vergessen, dass diese Art von Erkundung große Risiken in sich birgt. Die meisten Welten sind lediglich von unbemannten Sonden kartographisch erfasst worden, und selbst die von ihnen zusammengetragenen Informationen können nicht jede astrographische oder sonstige Gefahr aufzeichnen, die dort drohen kann. Ein System, das bei der Imperialen Großen Vermessung erfasst worden ist, kann für die Besatzung eines Raumschiffs trotz allem noch mit Bedrohungen aufwarten. Cicero selbst wurde zuerst vom Erkundungsdienst erforscht. Auch wenn das Klima nicht gerade als gemäßigt durchgehen kann …« – sie lächelte in die Runde –, »… ist diese Welt doch ein seltener Fund: erdähnlich, atembare Atmosphäre. Doch sogar Cicero war nicht ohne Gefahren. Im Jahr 2376 kam ein Team aus Geophysikern ums Leben, das hier landete und bei der kartographischen Erschließung des nördlichen Kontinents versehentlich eine Eislawine auslöste.«
Sie hielt kurz inne, dann fuhr sie fort. »Das Verschwinden der Erkundungsschiffe ist höchst bemerkenswert, auch wenn eine Vielzahl von Gründen in Frage kommen kann. Diese Schiffe sind gut bewaffnet, die Besatzungsmitglieder hat man erstklassig ausgebildet. Was immer geschehen sein mag, eine gründliche Untersuchung ist mehr als gerechtfertigt.«
Jackie sah von ihren Notizen auf und blickte von einem zum anderen, schaute Ch’k’te, dann dem Admiral und schließlich dem sehr, sehr alten Gyaryu’har in die Augen, der geduldig dasaß und darauf wartete, dass sie weiterredete.
»Die Negri Sembilan«, fuhr sie nach einer Weile fort, »ist ein Schiff der Malaysia-Klasse und wird bereits in der fünften Generation gebaut.« Über dem Tisch tauchte auf ihre Geste hin eine graphische Darstellung auf. »Vier weitere Schiffe dieser Art sind hier auf Cicero stationiert. Die Kampfstärke liegt zwar unter der eines Frontschiffs, dennoch ist das Schiff selbst für den Einsatz gegen gut bewaffnete Gegner ausgelegt. Die Crew besteht aus zweihundertvierundsiebzig Mann, davon sind dreiundzwanzig Offiziere. Zur Besatzung gehört eine Gruppe von fünfundzwanzig Wissenschaftlern, außerdem ein Trupp Marines, sechsunddreißig Mann stark, die in vier Schwadronen zu je neun Mann aufgeteilt sind. Die Negri Sembilan wurde im Oktober 2374 auf der Sternbasis Cheltham in Dienst gestellt, ihr gegenwärtiger Captain hat das Kommando seit über acht Standardjahren inne.«
Wieder folgte eine kurze Pause. »Die Gustav Adolf II. ist ein Schiff der Emperor Cleon-Klasse, ebenfalls in der fünften Generation. Sie ist etwas schwächer bewaffnet als die Negri Sembilan, Größe und Crewstärke sind aber in etwa identisch. In Dienst gestellt wurde sie im Juni 2377 auf der Sternbasis Adrianople. Der gegenwärtige Kommandant befehligt das Schiff seit drei Jahren. Seit beide Schiffe im Februar 2391 der Station Cicero zugewiesen wurden, hat jedes der Schiffe an über zwanzig Missionen teilgenommen. Beide Schiffe trugen dabei leichtere Beschädigungen davon.« Sie schaute auf ihren Monitor. »Die Negri bei einem Piratenüberfall nahe der Zor-Siedlung bei ElesHyu vor achtzehn Monaten, die Gustav durch einen Meteoritenschauer, der sich 2391 bei einem Routineeinsatz ereignete. Ein umfassender Bericht über die Reparaturen steht Ihnen zur Verfügung.«
Als sie fortfuhr und sagte: »Kommandant der Negri Sembilan ist Captain Damien Abbas«, sah Torrijos sie an, was ihr aus einem unerklärlichen Grund Unbehagen bereitete. »Die Gustav Adolf II. wird von Captain Maria Dunston befehligt. Die Dienstakten der beiden sind makellos, zudem wurden sie wiederholt für besonderen Mut belobigt, ebenso für herausragende Pflichterfüllung …«
»Entschuldigen Sie, Commodore«, unterbrach Tolliver sie und hielt eine Hand hoch. »Ihre Ausführungen sind sehr informativ; Sie sind ja für Ihre Gründlichkeit bekannt. Ihre Anmerkungen bezüglich der Gefahren des Erkundungsdiensts haben wir zur Kenntnis genommen, ebenso die untadeligen Leistungen beider Schiffe und ihrer jeweiligen Befehlshaber. Tatsache ist jedoch, dass diese beiden Schiffe verschwunden sind. Klären Sie uns bitte über dieses ›Verschwinden‹ auf.«
»Ja, Sir.« Gedankenverloren spielte sie mit einem Stylus, riss sich dann aber zusammen. »Ich habe das Verschwinden beider Schiffe den Vorschriften entsprechend gemeldet. Es gehört zur Routine, dass ein Erkundungsschiff mindestens einmal pro Standardwoche eine Mitteilung an die Basis hier auf Cicero sendet. Den letzten Bericht der Negri Sembilan erhielten wir vor viereinhalb Wochen, von der Gustav Adolf II. vor drei Wochen. Beide Schiffe operierten unabhängig voneinander und aktualisierten die Daten der Großen Vermessung von 2388. Die Negri befand sich in Sektor 19.6.6 …«
Über dem Tisch tauchte ein 3-D-Display auf, das Kolonien der Menschen und der Zor sowie andere erkundete Welten ebenso darstellte wie die Route des Schiffs. »Die letzte Positionsmeldung stammt aus der Nähe dieses namenlosen K3-Sterns.« Ein kleiner Pfeil markierte das Ende der Route.
»Das nächste Ziel war ein F6-Stern der Hauptreihe, der, nach der kartographischen Erfassung zu urteilen, über acht Planeten verfügen soll, davon einen möglicherweise bewohnbaren. Da den Robotsonden eine Zuverlässigkeit von achtzig bis neunzig Prozent zugeschrieben wird, ist nicht davon auszugehen, dass sie einen Himmelskörper von solcher Größe übersehen haben, der einen Fehlsprung verursachen könnte. Nachdem die Negri nicht zum vereinbarten Zeitpunkt Meldung machte, leitete ich einen Bericht an die Admiralität und beauftragte die Gustav Adolf II., nach dem Schiff zu suchen.«
Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. »Die Gustav unternahm zwei Sprünge. Der erste davon führte an den letzten bekannten Aufenthaltsort des anderen Schiffs, der zweite zu dem erwähnten F6-Stern. Wir empfingen einen Bericht aus dem System, dass man dort weder auf Trümmer noch auf ungewöhnliche Strahlungswerte gestoßen war. Der Kommandant der Gustav führte eine komplette Erfassung des Systems durch, konnte aber nichts Außergewöhnliches melden, wenn man von der Tatsache absieht, dass die sechs Fühlenden an Bord Krankheitssymptome zeigten. Da zwei von ihnen Mitglieder eines Landeteams auf einer bewohnbaren Welt gewesen waren, schrieb der Captain dieses Vorkommnis einem Virus zu und ließ die Erkrankten den Vorschriften entsprechend impfen und in Quarantäne unterbringen. Kurz darauf waren alle Betroffenen wieder genesen.«
»Wohin flog die Gustav dann?«, wollte Tolliver wissen.
»Wie mein Bericht bereits ausführt, Sir, empfingen wir danach von der Gustav keine Mitteilungen mehr. Ich besitze keine Informationen über das nächste Ziel. Mein letzter Befehl von der Admiralität lautete, hier zu bleiben, keine weiteren Schiffe zu entsenden und auf Ihre Ankunft zu warten.«
»Gut.« Tolliver beugte sich vor und legte die Hände verschränkt vor sich auf den Tisch. »Commodore, lassen Sie mich kurz die Position der Admiralität zu den von Ihnen beschriebenen Ereignissen darlegen. Mir wurde aufgetragen, Sie darüber zu informieren, dass der Erste Lord an Ihrem Verhalten nichts auszusetzen hat. Er bat mich, Ihnen sein Lob für Ihren Einsatz bei den Ermittlungen auszusprechen, sobald ich hinsichtlich der Fakten zufrieden gestellt war.«
Jackie versuchte herauszufinden, was in Tolliver vorging, hatte dabei aber solche Mühe, dass sie es gleich wieder aufgab. »Danke, Sir.«
»Ihre Berichte sind äußerst gründlich. Ich muss Sie allerdings bitten, mir Ihre Vermutung mitzuteilen, was Ihrer Ansicht nach mit den Schiffen geschehen sein könnte.«
»Eine … Vermutung, Sir?«
»Natürlich völlig inoffiziell.«
»Ja, natürlich.« Sie wusste genau, dass nichts von dem, was man mit einem Admiral besprach, wirklich zu hundert Prozent inoffiziell blieb. Dennoch würde sie ihm antworten.
Sie sah auf ihre Notizen und auf die letzten Berichte der beiden Schiffe, dann ging sie das Ganze noch einmal im Geiste durch.
Die Negri war in ein System geflogen, über das nur Daten aus der Imperialen Großen Vermessung vorlagen und das bis dahin lediglich von einer unbemannten Sonde erkundet worden war. Falls das Schiff angegriffen worden war, hatte die Gustav nur zehn Tage später keinerlei Hinweis darauf finden können. Im ganzen System gab es kein anderes Schiff, keine massive Hintergrundstrahlung, einfach nichts. Doch die Gustav war dort ebenfalls verschwunden, ohne dass von ihr noch eine Meldung gekommen war. Keiner der beiden Captains hätte sich über die Regeln hinweggesetzt.
Es war kaum vorstellbar, dass sich die Crew eines der beiden Schiffe dazu entschließen konnte, zu irgendwelchen Piraten überzulaufen oder auf einen wilden Kriegszug zu gehen. Dafür waren die Besatzungen viel zu gut ausgebildet und zu integer. Wären sie angegriffen worden, hätte irgendjemand ganz sicher einen Weg gefunden, eine Nachricht abzusetzen, ganz gleich, wie kurz sie ausgefallen wäre.
Was blieb dann noch?
»Ich habe nur wenige Anhaltspunkte, Admiral. Das wenige, über das ich verfüge, zieht eine Schlussfolgerung nach sich, für die das Etikett ›höchst spekulativ‹ noch maßlos untertrieben wäre.«
»Ich bin bereit, sie mir anzuhören, Commodore. Fahren Sie fort.«
»Sir.« Sie legte die Hände flach auf den Tisch. »Es ist denkbar, dass es zu einem Erstkontakt gekommen ist.«
Das Wort ›Erstkontakt‹ schien endlos lang im Raum nachzuhallen. Die Menschheit konnte auf drei Erstkontakte zurückblicken: mit den Rashk, den Zor und erst jüngst mit den Otran. Von diesen dreien waren lediglich die Zor ein extrem brutales Volk gewesen. Die Rashk – eine bäuerliche Reptilienspezies, die auf den Welten der Vega beheimatet waren – interessierten sich nicht für Kriegführung. Die Otran, die Mitte des Jahrhunderts von den Zor und den Menschen gemeinsam entdeckt wurden, hatten eine deutlich kriegerischere Einstellung, doch sie begannen eben erst mit der Erforschung des Alls.
Es gab noch zahlreiche Vermächtnisse aus der Zeit des Kampfs der Menschen gegen die Zor. Obwohl seit dem Ende des Kriegs fast ein Jahrhundert vergangen war, waren die Narben noch nicht alle verheilt – Narben wie die von Marais’ Flotte zerstörten Nester, Welten, die von den Zor auf lange Zeit unbewohnbar gemacht worden waren.
Das offensichtlichste Vermächtnis war dieser sehr alte Mann, der hier auf Cicero am Konferenztisch saß und anscheinend ganz gelassen blieb, während über einen möglichen Erstkontakt gesprochen wurde.
»Wir haben nichts, was darauf schließen ließe«, sagte Sergei leise.
»Ich wurde um eine Einschätzung gebeten, se Gyaryu’har, und die habe ich vorgebracht. Tatsache ist, dass wir eigentlich gar nichts haben, um irgendwelche Vermutungen anzustellen.«
Sergei lächelte. »Üben Sie ein wenig Nachsicht mit einem alten Mann, Commodore Laperriere, bevor Sie diese Schlussfolgerung ziehen. Wir haben einen kleinen Schnipsel, der für Aufklärung sorgen könnte.«
»Sir?«
»Uns wurde soeben berichtet«, sprach er weiter, »dass alle Fühlenden an Bord der Gustav Adolf II. während der Erfassung des Systems an irgendeiner Krankheit litten. Zu meiner Zeit … war es üblich, täglich einen Personalbericht zu erstellen. Ich kann doch annehmen, dass bei den regelmäßigen Mitteilungen der Erkundungsschiffe diese Berichte mitgeschickt werden. Es könnte hilfreich sein, sich den Bericht des Chefarztes der Gustav anzusehen. Aufgrund der Erfahrungen anderer Fühlender« – er lächelte nicht länger, sondern machte einen besorgten, fast schon verängstigten Eindruck – »könnten wir daraus etwas entnehmen.«
Ch’k’te fuhr seine Klauen ein paar Zentimeter weit aus und musste sich zwingen, sie wieder zurückzuziehen. Er tauschte einen Blick mit Jackie aus.
Tolliver sah äußerst verärgert zu Sergei. »Was reden Sie denn da?«
»Der Hohe Lord hat … geträumt.«
Horace Tolliver schnaubte wütend. »se Sergei, wollen Sie mir wirklich weismachen, dass Sie nur hier sind, weil der Hohe Lord geträumt hat?«
»Ich bitte um Verzeihung, se Admiral«, warf Ch’k’te ein. »Die vorausblickenden Fähigkeiten des Hohen Lords sind bereits bekannt …«
»Mit diesen Fähigkeiten kann man wohl kaum einen Feldzug gewinnen, Kommandant«, unterbrach Tolliver ihn. »Darf ich Sie daran erinnern, dass dies hier die Imperiale Navy ist, keine spiritistische Sitzung für ein paar elende Fühlende.«
»Horace, bei allem …«, setzte Sergei an, doch Admiral Tolliver hob eine Hand.
»Entschuldigen Sie, se Sergei.«
Der ältere Mann verstummte.
Horace Tolliver sah sich um. »Ich erkenne die Möglichkeit an, dass das gründliche Studium der Krankenunterlagen der Gustav etwas ergeben könnte. Wahrscheinlich wird dabei herauskommen, dass alle Vorschriften berücksichtigt und alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden. Ich werde aber nicht zulassen, dass die Arbeit dieser Basis und eine angemessene Untersuchung einer uns unbekannten Gefahr von den Hirngespinsten eines Fühlenden bestimmt werden. Das gilt vor allem hinsichtlich der geistigen Verfassung Ihres Hohen Lords. Ich glaube nicht, dass es vertretbar ist, irgendetwas auf die Dinge zu geben, die er sagt, sieht oder träumt. Das ist meine Ansicht, und sie kann meinetwegen so in den Akten vermerkt werden.«
Im Raum herrschte Schweigen, als er geendet hatte. Er sah einen nach dem anderen an, erwartete Widerspruch und offenen Widerstand, doch nichts kam. Sergei schien kurz davor, etwas zu sagen, schwieg jedoch weiter.
»Commodore Laperriere, Sie werden eine vollständige Untersuchung der Erkrankung dieser Fühlenden an Bord der Gustav Adolf II. vornehmen«, fuhr er schließlich fort. »Außerdem werden Sie alle Schiffe zurückrufen, die der Autorität des Militärbezirks von Cicero unterstehen, und mir einen Statusbericht zukommen lassen, inwieweit diese Schiffe für Flottenoperationen einsatzbereit sind.«
»Sir.« Jackie sah Admiral Tolliver eindringlich an. »Ich … meiner Ansicht nach, Sir, ist ein offener kriegerischer Akt zu diesem Zeitpunkt weder gerechtfertigt noch klug. Ich werde keine Verantwortung für die Erteilung eines solchen Befehls übernehmen.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, Sir, dass ich offiziell protestieren werde, wenn Sie aufgrund der momentanen Beweislage eine militärische Operation in die Wege leiten. Selbstverständlich werde ich meiner Pflicht nachkommen und Ihre Befehle befolgen … und zwar Wort für Wort.«
Nach einer langen Pause entgegnete Tolliver: »Sie haben Ihre Befehle, Commodore, führen Sie sie aus.« Noch bevor er geendet hatte, stand er auf, dann verließ er den Bereitschaftsraum, dicht gefolgt von seinen Adjutanten.
Er fühlte, wie die Schiffe Cicero verließen und zum Sprung ansetzten. Im gleichen Moment wusste er, dass ihr Schicksal besiegelt war. Es hätte die Glaubwürdigkeit arg strapaziert, von einem anderen Fühlenden zu erwarten, dass er ihm glaubte – doch er wusste es. Er hatte die Berührung dieser Schwinge vor Jahren schon einmal gespürt, als sein Vater E’er ihm auf dem Sterbebett liegend die Hohe Lordschaft mithilfe des Rituals Te’esLi’ir übertrug. Was E’er nur als düsteren Schatten wahrnahm, erschien dem neuen Hohen Lord wie in ein abscheuliches, gleißendes Licht getaucht. Für ihn war es, als würde ein e’chya einen dunklen Schleier über seine Augen legen …
Hinter vorgehaltenem Flügel hatten sich die Lords und Höflinge im Hohen Nest immer gefragt, ob der Verstand von Ke’erl HeYen tatsächlich in alle Acht Winde verstreut worden war. Wahnsinn bedeutete bei der Hohen Lordschaft weder eine Seltenheit noch etwas gänzlich Unerwünschtes – immerhin eröffnete der Wahnsinn einem träumenden Fühlenden hin und wieder ganz neue Perspektiven. Doch in einer Zeit des relativen Friedens ärgerten sich die am stärksten zur Gewalt neigenden Gruppierungen des Volks über den schwachen und halb verrückten Hohen Lord, der in seiner Meditationskammer saß und träumte, während die chya’i in ihren Scheiden vor sich hinrosteten.
Sie verstanden es nicht, aber Ke’erl wusste, dass esGa’uder Täuscher eine Abrechnung mit einem Feind prophezeit hatte, der größer war als die Menschheit – und der nun gekommen war. Während er sich durch die Randbereiche der Zivilisation langsam seinen Weg bahnte, schien die Sonne weiter über dem Hohen Nest. Ke’erl war diese Tatsache ebenso bekannt wie dem Gyaryu’har, der zudem die gesamte Phase von der Dunklen Schwinge bis zur Gegenwart erlebt hatte und der nun am Rand des erforschten Alls Zeuge für esLi war.
esLi allein würde darüber urteilen.
Das Aircar setzte auf dem Rollfeld der persönlichen Landebahn des Imperators auf Molokai auf. Einige Augenblicke später öffnete sich die Schleuse, Mya’ar HeChra – esGyu’u des Hohen Nestes – kam heraus und schwebte langsam zu Boden. Während er den Höhenunterschied von rund fünf Metern zurücklegte, breitete er die Flügel nur ein wenig aus. Er hatte nicht warten wollen, bis der Schwerkraftstrahl des Aircars ihn absetzte.
Sol-Imperator Dieter Xavier Willem stand auf dem Rollfeld und wartete auf Mya’ar. Es entsprach nicht den Gepflogenheiten, dass der Imperator persönlich seinen Besuchern so weit entgegenkam, nicht einmal auf seinem privaten Anwesen, aber der Besucher kam als Vertreter des Hohen Nestes. Auf Diamond Head und damit in Anwesenheit des Imperialen Hofs wäre das vielleicht noch etwas anderes gewesen, doch auf Molokai gab es keine Höflinge und keine Politiker. Randall Boyd vom Büro des Gesandten stand ein Stück entfernt hinter ihm.
»hi Imperator«, sagte Mya’ar und neigte den Kopf. Man hatte sich darauf geeinigt, dass der Imperator mit dem gleichen Zusatz angeredet wurde wie der Hohe Lord. Doch das Hohe Nest hatte auch erfahren müssen, dass es den Menschen nicht behagte, wenn man ihren Imperator mit seinem eigentlichen Namen ansprach. Es gab zudem ein Tabu, was das Berühren des Imperators anging, sodass Mya’ar davon absah, bei der Begrüßung die Unterarme des Regenten anzufassen.
»se Mya’ar«, erwiderte der Imperator.
»se Randall«, sagte Mya’ar an den Gesandten gerichtet. Randall war Nestkind des Ersten, der diesen Titel trug. Er war natürlich mit den Gebräuchen des Volks vertraut, und er vollzog die komplette Begrüßung mit dem Zor.
»Ich danke Ihnen für Ihr Entgegenkommen, hi Imperator«, wandte sich der esGyu’u wieder an den anderen Mann, während sie über die Landebahn gingen. »Mir ist bewusst, dass Ihr Terminplan ausgefüllt ist. Wäre die Nachricht nicht so dringend …«
»… dann wäre sie mir lediglich übermittelt worden«, unterbrach der Imperator ihn und hielt eine Hand hoch. »Ich muss mich entschuldigen, dass ich Sie noch nie hierher nach Molokai eingeladen habe, se Mya’ar. Ihr verehrter Vorgänger, si Le’kar, kam oft zu Besuch. Von ihm habe ich auch die surush-Blüten an dem Spalier.« Er deutete auf einen Baum, der vom friedlichen Himmel und dem Strand dahinter eingerahmt wurde.
»Ich hoffe, es wird nicht mein letzter Besuch sein, hi Imperator.«
»Dessen bin ich mir sicher … Wie ich hörte, überbringen Sie mir eine Nachricht von meinem guten Freund hi Ke’erl?«
»Das ist richtig. Ich glaube …« Er blickte kurz zu Randall, dann zurück zum Imperator. »Ich glaube, Sie werden sie beunruhigend finden.«
»Das Hohe Nest grüßt meinen Freund und Bruder hi Dieter Xavier Willem, Sol-Imperator.«
Die Stimme des Hohen Lords Ke’erl HeYen drang aus dem Holo, das mitten im Zimmer sein Ebenbild zeigte. »Es tut mir leid, dass ich so kurzfristig mit Ihnen Kontakt aufnehmen muss, doch die Angelegenheit ist gravierend genug, um meinen Inneren Frieden zu stören, und ich fürchte, Sie werden auf die gleiche Weise reagieren wie ich.
hi Imperator, sechs Schiffe Ihrer Imperialen Navy sind innerhalb der letzten Sonnen aus dem Cicero-System abgeflogen. Sie waren für den Kampf mit den esGa’uYal gerüstet, doch auf der Ebene der Schmach werden sie sich unbewaffnet wiederfinden.
Ich bitte achttausendmal um Verzeihung, mein Bruder und Freund, doch dies ist ein unkluger Einsatz unserer begrenzten Mittel. Wir hatten bereits den Gyaryu’har auf den Dunklen Pfad geschickt, und wir warteten darauf, dass der Schleier gelüftet wurde. Vater Sonne ist nun weiter am Himmel emporgestiegen, jedoch habe ich keinen Hinweis darauf erhalten können, ob das etwas Gutes oder etwas Schlechtes zu bedeuten hat.
Ungeachtet Ihrer Absichten, hi Imperator, ist das Schicksal dieser Krieger längst besiegelt. Sollten sie zurückkehren, wird ihr Erscheinungsbild verändert sein. Die esGa’uYal sind bereits aus der Ebene herausgekommen, doch der eine, der die Steige hinaufgehen wird, hat noch nicht das shNa’es’ri passiert.
Alles Gute, mein Bruder. esLiHeYar.
Das Holo verblasste, und auf eine Geste des Imperators hin schaltete sich die Zimmerbeleuchtung wieder ein. Eine Zeit lang war außer dem Zwitschern der Vögel und dem Geräusch der Wellen, die an den Nordstrand von Molokai schlugen, nichts zu hören. Mya’ar wartete geduldig auf seiner Sitzstange, während Randall gerade auf seinem Platz saß.
Der Imperator lehnte sich in seinem Sessel nach hinten. »Das war die komplette Nachricht?«
»Ja, hi Imperator.«