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Mit Esprit, Witz und Weisheit entfaltet der passionierte Gärtner und berühmte britische Gartenschriftsteller sein einzigartiges Wissen um Pflanzen, berühmte Gärten und die erfüllende Tätigkeit des Gärtnerns. Dieses Buch ist weit mehr als ein Ratgeber: ein fantastisches tiefgründiges Lesevergnügen für nachdenkliche Gärtner. Stimmen zum Buch »Dies ist Gartenliteratur vom Feinsten.« Gregory Long, Präsident des New York Botanical Garden »Ein tiefgründiges Lesevergnügen für nachdenkliche Gärtner.« Garten + Haus »Alle Gartenliebhaber, die ich kenne, verehren Robin Lane Fox. Und alle Gartenliebhaber verneigen sich vor englischen Gärten. Wie jede Form von lebensweltlicher Hochkultur ist ein Blick auf die Zivilisationsfeinheit der Engländer von großer Hilfe und Inspiration. Das Buch sieht wunderschön aus. Als hätte sich der Designer einen Gardinenstoff aus einem Gästebad in Cotswolds zum Vorbild genommen.« Ulf Poschardt, Die Welt
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Seitenzahl: 594
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Klett-Cotta
www.klett-cotta.de
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Thoughtful Gardening« im Verlag Basic Books, New York
© Robin Lane Fox, 2010
Erweiterte Ausgabe © Robin Lane Fox, 2018
Für die deutsche Ausgabe
© 2018 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg
unter Verwendung von Illustrationen von © Niklas SagebielIllustrationen im Innenteil: © Niklas Sagebiel
Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde
Printausgabe: ISBN 978-3-608-96220-8
E-Book: ISBN 978-3-608-11022-7
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Vorwort
Einleitende Bemerkungen
ERSTER TEIL WINTER
Gute Vorsätze zum neuen Jahr
»Tresco on Teesside«
Glaube, Hoffnung, Liebe
Mein deutsches Idol
Nancy im Paradies
Wintergerüche
Eine Jägerhand
Reiseführer für ein Jahr
Die Hyänen-Hypothese
Auf holländischem Handelsparkett
Ein englischer Gärtner in der Reiterei Alexanders des Großen
Der Salatfarm-Palast
Christopher Lloyd
Jardin Majorelle
»Ach, wie ich doch Gärten liebe!«
Schneeglöckchen
Rüsslerinnen an der Macht
Lady-Killing
Frühe Kirschblüten
Sollen sie doch Eichhörnchen essen
ZWEITER TEIL FRÜHLING
Ein Garten auf der Ziegenbock-Insel
Spezielle Frühlingssträucher
»Gepeinigt von anhaltendem Überdruss«
Die Tränen der Kaiserkrone
Man gebe ihnen Prozac
Pflügen und säen
Harmonische Rhododendren
Nimmermüder Mohn
Als Connie Oliver traf
Schätze aus China
Coronas Gepräge
Wühlarbeiten
Valerie Finnis
Ableger ziehen
Die Aussaat zweijähriger Pflanzen
Mansfield-Quark
Vom Kasten ins Beet
Tierische Tunichtgute
Getrennte Betten
Glyzinien-Wege
Der himmlische Hermannshof
DRITTER TEIL SOMMER
Iris auf Drogen
Sechs der Besten
Besuchen Sie Herterton
Foxit nach Kirgisien
Rosen für trockene Standorte
Auf der Schynigen Platte
Robuster Rittersporn
Der Ätna-Ginster
Kränkelnde Kastanienbäume
Seerosen und Lotosblumen
Gesellige Deutzien
Blauer Flachs
Die Gärten der Villa d’Este in Tivoli
Kegelblumen
»Asphodelien der Neger«
Das Entfernen verwelkter Blüten
Gegenderte Landschaft
Hortensien unter Bäumen
Le Jardin Plume
Was tun mit trockenen, schattigen Plätzen?
Wiedersehen mit Rosemary
Die Bezwingung der Natur
Späte Clematis
VIERTER TEIL HERBST
Umschwärmter Schmetterlingsflieder
Sauerampfer-Suppe
Auf Liebe gegründet
Formidable Fuchsien
Das botanische Palermo
Der Hort des Friedens alter Zeiten
Unerwünschte Eindringlinge
Odyssee in Odessa
Begehrenswerte Dahlien
Anmutige Astern
Brillante Beeren
Zierapfelblüten
Krisenfreier Chrysanthemen-Start
Noble Nadelbäume
Bei Hellyer zu Hause
Welche Sorte Salbei?
Gute Nacht in Gamberaia
Weiterführende Literatur
Ausgewählte Hinweise
Dank
Bildnachweis
Die meisten Menschen beginnen erst dann mit dem Gärtnern, wenn sie einen eigenen Garten haben – einige sogar erst, wenn ihre wichtigsten Sprösslinge, die eigenen Kinder, ausgewachsen sind. Einige wenige hingegen fangen schon im Elternhaus, also sehr viel früher an. Meine Tätigkeit als Gärtner begann, als ich zehn Jahre alt war, und mit zwölf war ich ein eifriger Anbauer von Alpenpflanzen. Seit damals habe ich damit nicht mehr aufgehört und das Spektrum der mir bekannten Pflanzen, die ich selbst gezogen – und teilweise auch selbst umgebracht – habe, ständig erweitert. Inwiefern die Tätigkeit als Gärtner mein Leben erweitert hat, kann ich nicht adäquat zum Ausdruck bringen – diese Arbeit ist mir im Geiste und zunehmend in meinen Muskeln immer gegenwärtig und fügt dem, was ich tagaus, tagein wahrnehme, ständig etwas hinzu. Außerdem hat sie mich mit vielen bemerkenswerten Menschen in Kontakt gebracht, von denen ich einige wenige in diesem Buch ehrend erwähnen möchte. Das Gärtnern hat vertieft, was ich in Büchern und Gedichten und bedeutenden Gemälden finde, wobei die Eigenart der dort dargestellten Pflanzen von Kuratoren und Historikern nur selten mit bedacht wird.
Abb. 1:Arnebia echioides, mittlerweile eine Seltenheit. Sie wird auch »Prophetenblume« genannt: Satan hinterließ auf den jungen Blütenblättern Abdrücke seiner fünf Finger, Mohammed aber stellte dann sicher, dass Satan der Welt auf Dauer nichts anhaben kann. Wenn die Blütenblätter älter werden, würden die Fingerabdrücke Satans verschwinden. In meinem Garten geschieht das nach wie vor.
Dieses Buch möchte die Arbeit mit Pflanzen – kaleidoskopartig, in schnellen Wechseln – aus vielen verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Es hätte noch sehr viel mehr aufgenommen werden können, doch mir persönlich gefällt die Vielfalt und die Ausgewogenheit seines Inhalts. Sämtliche erwähnten Pflanzen meine ich selbst angepflanzt zu haben, wenn es sich um Freilandpflanzen handelt, die auf alkalischem Boden wachsen. Als ich mit der Schule fertig war, arbeitete ich einige Monate lang im großen Botanischen Garten in München, wo ich dem wunderbaren Alpinum zugeteilt wurde mit seiner nach geographischen Gesichtspunkten angeordneten Gebirgsflora und seinen ausgedehnten Flächen mit importierten Felsen, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit der Eisenbahn herbeigeschafft worden waren. Nie habe ich vergessen, was ich dort gelernt habe, oder auch die menschlichen Dramen jener Tage – allerdings bin ich heute nicht mehr ganz so bereit, vor sieben Uhr morgens mit der Arbeit anzufangen, und ich stelle mich auch nicht mehr mit siebenundsiebzig vor andere hin, um vom Gruppenführer des Gartens in einem erfreulich erdigen Samenraum auf einer Anwesenheitsliste abgehakt zu werden. Was ich aber bedaure, ist der Verlust meiner mit Edelweiß gezierten Hosenträger, doch dieses Buch hier handelt von späteren Lektionen, die ich in herrlichen englischen Gärten gelernt habe, in denen ich selbst lebte oder die ich häufig aufsuchte. Vor allem verdanken sich die folgenden Seiten dem glücklichen Umstand, dass ich für zwei ganz verschieden geartete Gärten verantwortlich bin: für den großen Garten um mein College in Oxford herum und für den knapp einen Hektar großen Garten um mein Haus in der kargen, steinigen Erde der Cotswolds.
Viele der folgenden Kapitel haben sich aus Artikeln entwickelt, die ich ursprünglich für die Financial Times geschrieben hatte. Ich verfasste für diese Zeitung über nicht weniger als vierzig Jahre in Folge eine wöchentliche Kolumne. Es fing damit an, dass mir im Januar des Jahres 1970 von Gordon Newton, dem legendären Herausgeber der Zeitung, angeboten wurde, einen Probetext zu verfassen – er war der Meinung, die FT bedürfe für die Mittwochsausgabe einer gewissen Auffrischung. Erstaunlicherweise überlebte ich nicht nur meine Eingangsbemerkung, dass die Blumen auf dem Schreibtisch des großen Mannes aus Plastik waren, er mauserte sich darüber hinaus – was ich nie erwartet hätte – zu einem zunehmend begeisterten Gärtner, der in den Jahren seines Ruhestands phantastische Fuchsien und vieles andere kultivierte.
Manchmal frage ich mich, woher der Impuls stammt, allwöchentlich – und eigentlich immer ganz vergnügt – zu schreiben. Ich glaube, er wurzelt in meinen Tagen im Internat in Eton, wo ich unter der Bettdecke im Licht meiner Taschenlampe das grandiose Buch von E. B. Anderson über Steingärten las und wo man wusste, dass meine Bitte, den Chelsea Flower Shop aufsuchen zu dürfen, nicht irgendein Vorwand war. Dieser Bitte wurde allerdings nur unter der Voraussetzung stattgegeben, dass eine weibliche Aufsichtsperson – die Gattin meines Tutors – mich begleitete, auf dass ich, überwältigt von den diversen Reizen Londons, nicht verlorenging. Dabei hätte ich nicht einmal gewusst, wo diese Reize zu finden sind. In der nahezu öffentlichen Windsor’s Library entdeckte ich dann die Bücher mit den Gartenartikeln von Vita Sackville-West, die sie für den Observer zwischen 1946 und 1961 verfasst hatte. Nach wie vor sind das (nicht nur) meiner Meinung nach die besten Gartenartikel, die ich kenne, und nie hätte ich gedacht, dass man mich eines Tages bitten würde, sie alle zu lesen und in einer neuen Auswahl zu präsentieren. Nachdem ich diese kurzen Meisterwerke entdeckt hatte, die die Autorin selbst eher mit Geringschätzung abtat, wurde ich Mitherausgeber der Schulzeitung, der Eton Chronicle, und schon damals ging mir auf, dass das Verfassen beiläufiger Kolumnen und Leitartikel etwas war, was ich gut konnte – auch mit den Deadlines kam ich ohne Weiteres klar.
Es folgten die Jahre als Undergraduate-Student in Oxford, in denen ich mich nicht aktiv als Gärtner betätigen konnte, allerdings entschädigte mich gewissermaßen die zu meinem damaligen College gehörende Anlage des Addison’s Walk, die damals die am schönsten gestaltete Landschaft in ganz England war. Frühe christliche Wüstenväter lassen manchmal die Faszination erkennen, die bei ihrer asketischen Entscheidung, der von Menschen bevölkerten Welt zu entsagen, die Wüste auf sie ausübte. Der Addison’s Walk mit seinen herrlichen Auen und den wild wachsenden Schachblumen trug mit zu der Erkenntnis bei, dass auch ich mich der alltäglichen Gegenwartsgesellschaft nie ganz anschließen würde. Damals schrieb ich zweimal in der Woche Essays für meine Tutoren, und ich hatte den Eindruck, wenn ich zwei verfassen konnte, dürfte es ja eigentlich kein Problem sein, nur einen zu schreiben, dieses Mal über das von mir so geliebte Thema Gärten. Nie hätte ich mir damals jedoch träumen lassen, dass ich einmal über zweitausend Artikel in Folge verfassen würde.
Das entscheidende Gespräch mit dem Herausgeber ging auf das dankenswerte Interesse von Pat Gibson, außerdem auf den Instinkt von Lord Drogheda zurück – beides wichtige Personen im Leben der Financial-Times-Gemeinschaft, die beispielhaft vorleben, wie man junge Kandidaten dazu ermutigt zu zeigen, was in ihnen steckt. Viel verdanke ich mittlerweile auch der geschickten Laissez-faire-Methode späterer Herausgeber, vor allem Geoffrey Owen, Richard Lambert und heute Lionel Barber. Jahrelang habe ich meine Beiträge in handschriftlicher Fassung oder über das Telefon abgeliefert, und ich danke besonders Mary Dorwald und den diversen Typistinnen-Teams der Financial Times, angeführt von der unerschütterlichen Mandy, mit der ich – wie so viele andere auch – eine ideale Ferngesprächsbeziehung unterhielt, bevor sie auswanderte, ohne mich je persönlich getroffen zu haben; während die ihr zur Seite gestanden hatten, neue Lebenswege über das Mittelmeer einschlugen.
Meine Gärtnerarbeit führe ich in Zeiten durch, die ich anderen Arbeiten stehle, da geht es mir nicht anders als vielen Lesern der Financial Times. Besonderen Dank schulde ich den vielen Personen, die mir mit Rat und Tat im Garten zur Seite standen, vor allem meinen Eltern und unserem geliebten Gärtner Leslie Aris in längst vergangenen Jahren – Jahren, von denen ich den Eindruck habe, sie lägen erst wenige Tage zurück; und ich danke denen, die mir heute regelmäßig zur Hand gehen: Marius Hardiman und Jim Marriott und ihre jeweiligen Teams in Oxford; Marcia Little und Terry Wheeler in meinem heimischen Garten. Nicht alle herrlichen Momente beim Gärtnern genießt man als Einzelgänger, und ich selbst und mein gegenwärtiger Garten verdanken viel dem Umstand, dass ich in einer kritischen Phase im Duett mit Caroline Badger arbeiten konnte.
Was nun dieses Buch betrifft, so hat mich Stuart Proffitt dazu bewegt, es zu schreiben – eine weitaus anspruchsvollere Aufgabe, als ich zunächst gedacht hatte. Viele haben mich in den vergangenen Jahren aufgefordert, ein Buch zu schreiben, und ein oder zwei Leute haben sogar versucht, es im Buchladen käuflich zu erwerben, noch bevor überhaupt der Auftrag vergeben war. Ich bin Tatjana Mitevska enorm dankbar für ihre Fähigkeit, lang verloren geglaubte Textstücke wieder aufzutreiben, sowie für ihre unverdrossene vielfältige Unterstützung. Neil O’Sullivan verdient besonderen Dank für seine intelligente redaktionelle Bearbeitung in all diesen Jahren und für die Geduld, mit der er mir den Übergang in eine digitale Zukunft eröffnete. Nicholas Spencer und Raphael Abraham sind würdige Nachfolger im wöchentlichen Trubel von Financial Times. Meine Schüler Robert Colborn und Henry Mason entschlüsselten und tippten meine Texte, die mit ihren eigenen Themen so wenig zu tun hatten, dass sie bei ihnen amüsierte Verwunderung auslösten. Jane Birdsell, sowohl Korrektorin als auch Gärtnerin, bewahrte mich mit ihren unbarmherzigen Fragen vor diversen Irrtümern. Besonders dankbar bin ich für die freundlichen Hinweise der vielen Bibliotheken, Fotografen, Gärtnereien und von Dr. Jane Lightfoot, die mich dabei unterstützte, wichtige Bilder aufzufinden oder selbst zu knipsen. Dr. Claudia Wagner war der Herausforderung vollauf gewachsen, zahlreiche Informationen aufzustöbern, die von ihrem Sachwissen auf den Gebieten der klassischen Kunst und der Gemmen weit entfernt waren.
Ich erinnere mich, wie mich meine bemerkenswerte Großmutter Enid einmal fragte, warum ich nach Oxford wollte; die weise alte Dame machte sich Sorgen, ich könne »womöglich ein Professor oder sonst etwas Fürchterliches« werden. Die Tätigkeit eines Gärtners hingegen war für sie immer etwas, für das sich der Einsatz lohnte. Ich hoffe nun also, dass ich ganz in ihrem Sinn das eine kompensiere, indem ich es mit dem anderen kombiniere.
Gärtnern hat viel mit Denken zu tun, aber Denker schauen darauf gerne geringschätzig von oben herab. Sie meinen, es handle sich um eine einerseits praktische, andererseits repetitive Tätigkeit; außerdem macht man sich dabei ja die Hände schmutzig. Einige wenige Universitäten bieten Abschlüsse in Landschaftsdesign und professionellem Gartenbau an, ihr Schwerpunkt liegt allerdings auf Unkrautvernichtung und Massenvermehrung. Sie erteilen keine Noten in praktischer Gartenarbeit und deren Verhältnis zu Kunst und Wissenschaft. Ich habe Profidenker sagen hören, die Liebe der Engländer zum Gärtnern sei für das Scheitern von England als Industrienation verantwortlich. Ich habe sogar gehört, dass sie Gartenarbeit als Ersatz für ernstzunehmende Studien abqualifizierten – ein Grund, so nehmen sie an, weshalb Frauen so gern im Garten tätig sind, denn viele Frauen im mittlerweile reiferen Alter hätten angeblich nie »stattdessen« eine richtige Ausbildung genossen. Als ich vor über fünfzig Jahren mit dem Gärtnern anfing, erzählte ein renommierter Medizinprofessor in Oxford den angehenden jungen Ärzten in seiner Abteilung, dass es zwei wichtige Regeln im Leben gebe. Sie sollten ihren Wohnsitz so wählen, dass sie das Krankenhaus zu Fuß erreichen konnten, und sie sollten ein Haus mit einem Garten kaufen, der gerade so groß war, dass die Gattin ihn allein bewältigen konnte.
Abb. 2: Gedankenversunken schreitet der Autor Mitte Juli durch seinen Garten in Oxfordshire
Doch wie überall gibt es auch auf dem Feld der Denker Ausnahmen. Bevor ich mit achtzehn Jahren nach Oxford kam, hatte ich – in einer 78 Personen umfassenden Belegschaft – mehrere Monate lang im großen Alpingarten des Botanischen Gartens in München gearbeitet. Im zweiten Jahr meines Studiums in Oxford wechselte ich zur Philosophie und stieß auf einen Helden in einer Welt des Denkens, die mir in jeder Hinsicht so vorkam, als gehe sie weit über meinen Horizont hinaus. Der berühmte Denker Ludwig Wittgenstein wurde von meinem klugen Tutor in neugierig machender Weise als »ein entschieden komischer Kauz« bezeichnet. Ich stöberte daraufhin einen Vortrag auf, den der »komische Kauz« Wittgenstein in Cambridge im Jahr 1929 gehalten hatte. Zu meiner Verwunderung hatte er gesagt, dass er manchmal »über die Existenz der Welt staunte« und dass er andererseits »die Erfahrung kannte, sich absolut sicher zu fühlen«. Auf meinen erdverbundenen Geist machte das einen ziemlich neurotischen Eindruck. Seinen Gedanken »Wie außerordentlich es doch ist, dass überhaupt irgendetwas existiert« fand ich auf interessante Weise sonderbar. Noch sonderbarer wirkte sein Gedanke »Ich bin in Sicherheit, ganz gleich, was geschieht – nichts kann mir etwas anhaben« – und er war der Meinung, dass auch andere so dachten. Man konnte sich kaum vorstellen, dass er unter Geschwistern aufgewachsen war – ja dass er sogar das Jüngste von acht Kindern war. Ganz offensichtlich hatte er nicht ein Leben gelebt wie meines, mit Pferden, und ganz bestimmt hatte er nie Brennesseln gejätet.
Ich fand dann heraus, dass er im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, ein Umstand, der sein Interesse am »Gefühl absoluter Sicherheit« erklärte. Außerdem fand ich heraus, dass er über »gedankenvolle« Tätigkeit nachgedacht hatte. »Denken wir uns«, so schrieb er, »dass einer eine Arbeit verrichtet, in der es ein Vergleichen, Versuchen, Wählen gibt«, etwas aus »gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen … Immer wieder entsteht das Problem: ›Soll ich dies Stück dazu nehmen?‹ – Das Stück wird verworfen, ein anderes versucht …« Wittgenstein dachte an die Herstellung eines Geräts, aber er hätte ebenso gut meine Arbeit im Münchner Alpinum beschreiben können, wo ich mit der spitzen deutschen Version eines englischen, geradkantigen Spatens die Erde aufgrub und zitronengelbe Butterblumen neben blauen bayerischen Enzian pflanzte, in der Hoffnung, dass sie sich in saurem Boden gut nebeneinander machen würden. Wittgenstein stellt sich dann vor, die »ganze Prozedur« werde gefilmt. »Der Arbeiter gibt vielleicht auch einige akustische Signale von sich wie ›hm‹ oder ›ha‹«: In meinem deutschen Garten entsprach dem das Rülpsen von Herrn Strauß und das notorische Furzen des Herrn Schmidt. Weder in München noch in Wittgensteins Notizbuch äußerte der Arbeiter »auch nur ein einziges Wort«. Was aber nicht heißt, dass er nicht nachdachte: »Wir könnten natürlich sein ›Denken‹ von der Tätigkeit nicht trennen. Denn das Denken ist eben keine Begleitung der Arbeit; so wenig wie der gedankenvollen Rede.« In meinem ersten Jahr in Oxford war ich überzeugt, dass ich während meiner Tätigkeit als Gärtner in München mehr nachgedacht hatte als bislang im Zusammenhang mit dem, was mir mein Altgriechisch-Tutor an Stoff geboten hatte. Und jetzt wurde mein Eindruck durch diesen großen Denker, den mein Lehrer so »kauzig« fand, bestätigt.
Gedankenvolles Gärtnern wurde zu meinem Glaubensbekenntnis.
Es gab da jedoch immer noch eine Kluft zwischen der Vorstellung des Philosophen und meiner eigenen. Sein Arbeiter arbeitet zwar denkend, doch denkt er nicht, bevor er anfängt, lange und gründlich nach, und er fasst seine Gedanken auch nicht in Worte. Sein Denken ist rudimentär; als ich dann aber meine Lektüre erweiterte, verstand ich das Ganze besser. Ich fand heraus, dass Wittgenstein zweimal in seinem Leben mehrere Monate lang als Gärtner tätig gewesen war. Damit wurde mein Held zu einem Halbgott, und obwohl ich so wenig verstand, las ich alles, was ich von seinen Schriften bekommen konnte. Im Sommer 1920 hatte er in Österreich die Ausbildung zum Volksschullehrer absolviert, die Ferien aber verbrachte er mit der Arbeit in den Gärten des Stifts Klosterneuburg in der Nähe von Wien am Ufer der Donau. Während er – zweifellos intensiv denkend – gärtnerte, kam der Abt des Klosters am Beet vorbei und bemerkte: »Ah, ich sehe, dass auch für die Arbeit als Gärtner Intelligenz eine Rolle spielt.«
Es ist zu schade, dass jener Abt dieses Buch nicht lesen kann. Seit dreißig Jahren habe ich die Ehre, für die Gärten in meinem Oxforder College, dem New College, verantwortlich zu sein, in einer Welt von Denkern, für die ich außerdem neun weitere, auswärtige Gärten betreue, unter anderem auch solche, in denen diese Denker denken, wenn auch nicht arbeiten. Ich gebe die Anweisungen für die wackeren Gartenfirmen-Teams, die von März bis Dezember an drei Tagen pro Woche für uns arbeiten, und ich tausche mich mit dem Mann, der für das Mähen verantwortlich ist, über die Rasenflächen aus, wenn er von seiner Arbeit auf den Grasflächen der College-eigenen Sportplätze freigestellt wird. Ebenso wie Wittgensteins denkender Arbeiter wähle ich, vergleiche, probiere aus, und wahrscheinlich äußere ich auch so manches »hm« und »ha!«. Nichts wird ohne meine Anweisung angepflanzt oder verändert. Die Gärtner machen die Arbeit, doch in den arbeitsreichsten Monaten, und wenn mein eigener Cotswold-Garten mir solche Treulosigkeit erlaubt, packe ich an Wochenenden oder abends auch selbst mit an. Um mich herum gehen die Studenten ihrem Denk-Geschäft nach und haben keine Zeit, sich mit dem Staunen darüber aufzuhalten, dass die Welt existiert, oder mit der Kühnheit, sich in absoluter Sicherheit zu wiegen. Meine Kollegen werden dafür bezahlt, täglich zu denken, aber ich erfahre nur selten, was sie eigentlich über den Garten denken, der sich um sie herum erstreckt, außer der Verwunderung über seine Existenz. Einige haben die sonderbarsten Vorstellungen vom Geschäft des Gärtnerns. Unser akademisches Jahr beginnt im Oktober, und einmal lud mich ein Kollege aus diesem Anlass zu einem Umtrunk ein, quasi einer akademischen Neujahrsfeier. Einer der denkenden Gäste war gerade von seinem Sommeraufenthalt in einer auswärtigen Forschungseinrichtung zurückgekehrt, wo er in einem Labor Ratten getestet hatte, und er stellte mir eine Frage, die mich regelrecht erschütterte: »Und Sie hatten auch einen guten Sommer, Robin? Hatten die Blumen alle die richtige Farbe?«
Wenn die Arbeit im Garten etwas mit Intelligenz zu tun hat, dann stellt sich mir im Blick auf meine Kollegen manchmal allerdings die Frage, wo Intelligenz zu verorten wäre. Die klugen Gärtner in diesem Buch sind keine anerkannten, bejubelten Geistesgrößen. Es zählen zu ihnen Lady Chatterleys Liebhaber und der leitende Gärtner eines bedeutenden Anwesens in Northamptonshire in der Nähe des Dichters John Clare. Und dann gab es mehr als vierzig Jahre lang in meinen College-Gärten einen weiteren bemerkenswerten Gärtner, einen ehemaligen Kriegsgefangenen aus Polen, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschlossen hatte, in England zu bleiben. Er arbeitete auf dem Land und war dann zuständig für das Unkrautjäten auf dem College-Gelände. Sein ergrauendes Haar wurde immer länger, von seinen Zähnen waren nur noch die nötigsten übrig, und die obere Hälfte seiner Gummistiefel blieb grundsätzlich heruntergeklappt, egal, wie das Wetter war. In den Wintermonaten arbeitete er unermüdlich an der Herstellung eines Gartenkarrens aus Holzbrettern, und als dieser fertiggestellt war, kutschierten ihn seine Gärtnerkollegen in einer Ehrenrunde über die Gartenwege. Stolz stand er in der Mitte des Karrens, mit seiner Gärtnersense in der Hand, in einer Pose, die italienische Künstler in ihren Darstellungen dem Tod zuschreiben, dem erbarmungslosen, triumphal alles besiegenden Sensenmann.
Dann kam für ihn die Zeit, sich in dem Holzhaus zur Ruhe zu setzen, das er sich auf einem der Kleingärten in Oxford gebaut hatte und das ihm, nachdem er viele Jahre unbehelligt darin gewohnt hatte, nun gehörte. Ich schlug die übliche Verabschiedungsfeier vor, was bei einigen der Organisatoren auf eine gewisse Skepsis stieß. Am vereinbarten Tag war der Ehrengast jedoch anwesend, gekleidet in einen überraschend eleganten grauen Nadelstreifenanzug. Eine kleine Gruppe von Kollegen wartete auf den College-Präsidenten, der die einleitenden Worte sprechen sollte. Wir warteten, und irgendwann tauchte unser Chef auf, allerdings nur um sich an das im Raum befindliche Klavier zu setzen und eine gestelzte Version einer Ragtime-Nummer von Scott Joplin zum Besten zu geben. Nach einer abrupten Unterbrechung gönnte er seinem Publikum ein strahlendes Lächeln und verkündete beifallheischend: »Ich liebe Boogie-Woogie, und Sie doch sicher auch!« Das Schweigen wurde durch unseren Ehrengast gebrochen, der in der hinteren Reihe saß und uns dann mit seiner Äußerung noch einmal zum Schweigen brachte: »Ich persönlich bevorzuge Donizetti.«
Und mittlerweile tummeln sich die denkenden Studenten bei sonnigem Wetter knutschend auf den Rasenflächen und versuchen, Bücher mit Titeln wie The Constant Flux zu lesen. Sie verhalten sich den Pflanzen gegenüber rücksichtsvoll und nehmen auch die Veränderungen in den Blumenrabatten wahr, ohne zu meinen, Gärtnern sei nichts weiter als die Suche nach Blumen in der richtigen Farbe. Wenn es dann allerdings auf den Studienabschluss zugeht, weisen alle Anzeichen darauf hin, dass sie die Vorurteile ihrer denkenden Tutoren übernommen haben. Sie teilen mir mit, dass sie hoffen, ich werde anwesend sein, um ihre Eltern kennenzulernen, denn ihre Mütter würden sich so gern Gartenratschläge von mir geben lassen. Wenn ich dann allerdings tatsächlich mit den Eltern zusammentreffe, wollen die Mütter doch nichts weiter hören als lobende Worte über ihre Sprösslinge.
Die Studenten verlassen die Universität, allerdings mit einem alarmierenden Loch in ihrem Weltwissen. In den über fünfunddreißig Jahren, die ich jetzt als Dozent tätig bin, habe ich hin und wieder mal in der einen oder anderen Lehrveranstaltung gefragt, ob einer der Anwesenden wisse, wie eine Primel aussieht. Die Studenten haben möglicherweise Gedichte von Milton oder Herrick gelesen – womöglich haben sie sogar Seminarscheine in Pflanzenkunde erworben. Doch nicht einer von ihnen wusste, was eine Primel ist. Kürzlich glänzte im Gespräch mit einem Jungen aus Irland ein leiser Hoffnungsschimmer auf; der Junge sagte, natürlich wisse er das – es sei eine hübsche Blume, die im Frühjahr blüht. Erwartungsvoll schaute ich ihn an, aber dann fuhr er fort mit der Auskunft, eine Primel sei »irgendwie rund und violett, wie ein Becher«, und er machte mit seinen großen Händen eine entsprechende Bewegung.
Ich hätte die Frage fallen lassen sollen, doch einen Versuch wagte ich noch, bei einer scharfsichtigen jungen Dame, die mich vielleicht durch die Wahl ihres Parfums provoziert hatte. Anfang März, während sie mir ihren Essay über gesellschaftliche Veränderungen im antiken Sparta vorlas, schwebte ein billiger Glockenblumenduft durch die Luft. Nachdem die Unterrichtsstunde beendet war, fragte ich sie nach ihren Ferienplänen, ihrer Themenwahl für das kommende Semester und – fatal angespornt durch die Glockenblumen – ob sie wisse, wie eine Primel aussieht. Verächtlich ließ sie sich auf dem Sofa zurücksinken und fixierte mich mit einem Blick, in dem schon deutlich die Zukunft in der Hochfinanz erkennbar war. »Das ist eine unglaublich pedantische Frage«, antwortete sie. »Ich sehe genau dieselben Blumen wie Sie, und Sie versehen sie eben einfach nur mit akademischen Bezeichnungen.«
Ich machte mich zum Lunch auf, völlig niedergeschmettert von dieser jungen Nihilistin, die mich zu einer »überflüssigen Person« reduziert hatte, ähnlich dem naturliebenden Vater Nikolai in Turgenjews Väter und Söhne. Ich setzte mich neben den Oxforder Logik-Professor und erzählte ihm von diesem Austausch. Unter anderem brachte ich meine Überzeugung zum Ausdruck, dass Benennungen Wissen vertiefen können und uns anspornen, das, was wir sehen, deutlicher wahrzunehmen und zu unterscheiden. Es drohten sich philosophische Tiefen aufzutun, der Professor wurde ganz still und schob das, was von seinem Mittagessen noch übrig war, auf seinem Teller herum; er machte einen so zutiefst verstörten Eindruck, dass ich schon fürchtete, ich hätte eine logische Grundregel zertrampelt. Irgendwann gab er dann freiwillig zu, dass er mir etwas gestehen müsse: »Ich weiß auch nicht, wie eine Primel aussieht.«
Zwei Wochen später packte ich ihn am Ärmel seines ausgebleichten, beigen Regenmantels und nahm ihn mit hinaus in den Garten, wo im strahlenden Sonnenschein Primeln und blaue Anemonen im frischgrünen Gras prangten. Ich pflückte sogar eine Primel ab und reichte sie ihm, was er mit der Bemerkung quittierte: »Aha, so sieht sie also aus.« Wittgenstein hätte es kaum prägnanter formulieren können. Die Freundin meines Kollegen erzählte mir wenig später, er hätte die Blume in eine kleine Vase gestellt und die Vase auf seinem Schreibtisch plaziert. Da dachte ich: Noch besteht also Hoffnung. Zwei Tage später bekam ich allerdings eine Dankeschön-Karte und die Kopie eines berühmten philosophischen Aufsatzes über Bedeutung und Referenz. Einer der Punkte, um die es dem Autor geht, ist der Umstand, dass ein Wort offenbar unterschiedliche Geltungsbereiche haben kann, wenn es von Sprechern verwendet wird, die über unterschiedliche Grade von Wissen bezüglich der Referenz verfügen. Der Autor versuchte, sein Argument mit einem Beispiel zu belegen. »Nehmen wir an, Sie sind ähnlich veranlagt wie ich und können eine Ulme nicht von einer Buche unterscheiden …« Da hatte ich mich offenbar auf einen schweren Kampf eingelassen. Ich kann Logik-Professoren eine Primel zeigen, mit einer Ulme ist mir das leider nicht mehr möglich. Außer einer kleinen Gruppe in Sussex wurden sämtliche Ulmen von Käfern gekillt.
Ich kehrte dann zu Wittgenstein zurück – in der Hoffnung, dass die Monate, die er hinter einem Schubkarren verbrachte, einen prägenderen Einfluss auf sein Denken hinterlassen hatten. In seinem Blauen Buch denkt er über das Aussetzen von Pflanzen nach. Er schreibt: »Ein Freund und ich sahen uns einmal Beete mit Stiefmütterchen an. Jedes Beet zeigte eine andere Art. Sie haben uns alle nacheinander beeindruckt. Wir sprachen darüber, und mein Freund sagte: ›Was für eine Vielfalt von Farbenmustern, und ein jedes sagt etwas.‹ Und das war es genau, was auch ich sagen wollte.« Allerdings entsprach das so ganz und gar nicht dem, was ich selbst gern gesagt hätte. »Wie hübsch« oder »wie hässlich« hätte ich gesagt oder »so ein typisch deutscher Bepflanzungs-Stil«. Schade, dass Wittgenstein nicht solche Gedanken hegte. Er fährt vielmehr fort: »Wenn man gefragt hätte, was das Farbmuster des Stiefmütterchens sagte, dann wäre die richtige Antwort, so schien es, dass es sich selbst sagte.« Für mich schien die offenkundig richtige Antwort, dass Farbmuster von Stiefmütterchen überhaupt nichts »sagen«.
Ich habe dieses Buch nicht »Unterredungen mit Stiefmütterchen« genannt, und sogar aus Wittgensteins Beispiel muss ich schließen, dass es noch größerer Mühen bedarf, um den Denkern um mich herum den Zusammenhang zwischen dem Gärtnern und dem Denken wirklich nahezubringen. Mein Text und und mein Titel [Thoughtful Gardening im englischen Original] dienen diesem Ziel, und sie sollen eine Antwort auf die Aussagen der jungen Schlange auf meinem Sofa bieten. Denken und Wissen führen nicht zu pedantischer Etikettierung durch ein hyperakademisches Gehirn: Sie erweitern vielmehr, was wir sehen. Umsichtige Gärtner denken, bevor sie wählen und pflanzen, daher möchte ich hier Gedanken über einzelne Pflanzen und ihre Vorlieben mitteilen, die ich durch eigenes Ausprobieren bestätigt gefunden habe. Hin und wieder gebe ich Lektionen weiter, die mich professionelle Gärtner gelehrt haben, denn ich glaube, diejenigen, die mit der Anzucht und Pflege von Pflanzen ihren Lebensunterhalt verdienen, wissen sehr wahrscheinlich, wie man es am besten macht – wobei sie allerdings normalerweise zu beschäftigt sind, um ihr Wissen niederzuschreiben. Manches habe ich auf meinen Reisen gelernt, man denkt dann weniger beschränkt, ich schreibe also auch meine Gedanken über Gärten auf, die geographisch weit entfernt von meinen eigenen Gärten liegen. Ich hoffe, diese Gärten werden auch aufschlussreiche Anziehungspunkte für Gärtner sein, die wie ich gerne reisen. Am meisten habe ich gelernt von schreibenden Gärtnern, wie ich selbst einer bin; einigen möchte ich für den Einfluss ihres Lebenswerks auf mein Denken und Tun einen postumen Tribut zollen.
Bei den Gärten in diesem Buch handelt es sich um Ziergärten, und mein Text ist zwar hauptsächlich praktisch ausgerichtet, doch knüpft er stellenweise auch an Romane oder Gedichte an. Das sind keine Umwege, denn auch Literatur kann dem Gärtner helfen, mehr zu sehen. Diese Art assoziativen Betrachtens geht auf die gelehrten Gärtner Chinas zurück, deren Lektüre und Dichtung die Namen und Anlagen ihrer Gärten wesentlich prägten. Im Westen setzte Ähnliches später mit Erasmus ein, der einen Garten des 16. Jahrhunderts vermittels von Assoziationen beschrieb und betrachtete, die durch seine Lektüren ausgelöst wurden. Dieser Aspekt besonnenen Gärtnerns begann also mit einem berühmten Denker, allerdings war Erasmus nicht selbst als Gärtner aktiv. Die Assoziationen vertieften, was der Garten für ihn bedeutete, und mir geschieht auch heute noch dasselbe.
Zunächst einmal kann Besonnenheit Gärtnern dabei helfen zu realisieren, worum es bei der Anlage und Pflege von Gärten eigentlich geht. Gartenarbeit wurde mit zahlreichen anderen Zielen vermischt: »Rettung des Planeten«, »Unterstützung der Biodiversität«, »Wiederbelebung einer verlorenen Welt« oder »Erschaffung einer Matrix vernetzter Biotope«. Mit all dem hat Gärtnern nichts zu tun. Gärtnern bedeutet vielmehr: Pflanzen ungeachtet ihrer Herkunft gut heranziehen und sie in eine Umgebung setzen, die zu ihnen und zu uns passt. Wenn man darauf hinarbeitet, dann ist es nicht verwerflich, Chemie einzusetzen, im Gegenteil: Es ist unpraktisch und wirkungslos, lediglich mit »organischen« Methoden zu arbeiten. Es gibt keinen »organischen« Killer, mit dem man der Ackerwinde oder Breitmaulrüsslern wirksam zu Leibe rücken könnte. Und es ist auch nicht verwerflich, kurzlebige, exotische Pflanzen vorzuziehen oder Dahlien und Chrysanthemen in leuchtenden Farben zu mögen, obwohl »natürliche« Gärtner all das angeblich verschmähen. Sämtliche Gärtner arbeiten in einer künstlichen Landschaft, auch wenn sie sich vorstellen, sie hätten ihren Garten nach »natürlichen« Prinzipien oder als »Wildblumenlandschaft« angelegt. Kunstvolle Vortäuschung ist sämtlichen Gärten eigen, aber besonnenes Gärtnern praktiziert diese Artifizialität bewusst und unabhängig. Es lässt sich nicht von rechthaberischen Moden beherrschen. Eine klassische Staudenrabatte ist nicht arbeitsaufwendiger als ein modischer Bestand an Rudbeckien und Ziergräsern, der vorspiegelt, eine Prärie zu sein. Gärten sind keine »sicheren Wildlife-Häfen«; das wahre, echte »Wildlife« wird schon beizeiten von alleine eingreifen und die Pflanzen entwurzeln. Und Gärtner sind auch nicht die »Hüter« des Bestands einer bedrohten Schmetterlingsart. Im Großen und Ganzen spielt die Hilfe von Gärtnern für bedrohte Arten eine unendlich kleine Rolle und ist nur von kurzer Dauer im größeren Kontext der Landwirtschaft und des Klimawandels, mit dem Schmetterlinge jenseits des Gartenzauns klarkommen müssen. Die Arbeit im Garten wird dumpf und beschränkt, wenn sie über moralische Zwecke definiert wird, die von anderen Interessen geleitet sind.
Dem nachdenklichen Gärtner werden sich neue Erkenntnisse erschließen – ein Vorzug, der mit den allerersten Wurzeln des Gärtnerns ursächlich verknüpft ist. Im ersten Garten stand ein Baum der Erkenntnis, und der Moment, da unsere Stammeseltern von dessen Frucht aßen, zuerst die Frau, dann der Mann, war die Geburtsstunde des gedankenvollen Gärtnerns. Ihnen ging auf, dass der Garten nicht mehr die ganze Welt war. Nach ihrer Vertreibung mussten sie feststellen, dass Pflanzen nicht grundsätzlich in göttlicher Überfülle wachsen. Seit jener Zeit mussten sie fortan denken, während sie im Schweiße ihres Angesichts gruben und ackerten, dachten und »Vergleiche anstellten, Versuche machten, Auswahlen trafen«. Vor allem mussten sie an den Garten denken, den sie verloren hatten, so wie auch besonnene Gärtner immer wieder an die Gärten in ihrer eigenen Vergangenheit denken müssen. Auch diesem Gedanken soll in diesem Buch nachgegangen werden.
Beschneiden der Haselnusssträucher und Lambertshaseln. Haselnusssträucher und Lambertshaseln müssen beschnitten werden, sobald die kleinen roten Blüten sichtbar werden. Sie sind ziemlich unscheinbar, man muss also genau hinsehen, um sie zu finden. Die männlichen Blütenkätzchen sind es, die Eindruck machen. Die Haupttriebe von Büschen, die ihren Platz ausfüllen, werden jeweils auf einige Knospen zurückgekürzt. Wenn die Büsche noch Platz haben, um sich weiter auszubreiten, muss man diese Haupttriebe nicht beschneiden oder höchstens ihre Spitzen wegnehmen. Seitentriebe werden bis auf das erste Kätzchen, von der Spitze gerechnet, zurückgeschnitten, oder, wenn keine Kätzchen da sind, bis auf die erste weibliche Blüte. Einige Triebe haben vielleicht nur Kätzchen. Diese lasse man unbeschnitten, bis die Kätzchen verwelken, dann schneidet man sie auf zwei Knospen zurück. Sie sind entbehrlich, da sie keine Nüsse produzieren werden. Schlecht plazierte Äste, die sich in der Mitte des Buschs zusammendrängen, sollte man vollständig entfernen, auch wenn das den Einsatz einer Säge erforderlich macht. Der ideale Haselnussstrauch hat ungefähr die Form eines Kelchs.
Arthur Hellyer, »February: Fourth Week«, in seinem Buch Your Garden Week by Week (1936), 6. Auflage, 1992
Der Winter ist für besonnene Gärtner eine willkommene Jahreszeit. Die Wintermonate mit ihren kurzen, heftigen Kälteperioden begrenzen außerhalb von Städten, die normalerweise wärmer sind, die Tätigkeitsmöglichkeiten im Garten; und es gibt die dunklen, verregneten Tage und die Sturmwarnungen, von denen einige dann auch tatsächlich wahr werden. Diese Grenzen werden allerdings durch die wärmeren Durchschnittstemperaturen der vergangenen zwanzig Jahre ausgeweitet; wir haben in einem heutigen Februar sehr viel mehr Tage mit klarem, überraschendem Sonnenschein als früher. Bedeutende Gärtner haben mich hin und wieder eingeladen, um ihre Gärten im Spätwinter zu besichtigen – sie haben sich der Meinung von Valerie Finnis angeschlossen, der ich in meinem Frühlingsteil ein Kapitel widmen werde, dass der Garten im Februar am besten aussieht. Ich verstehe mittlerweile, was sie meinen. Frühe Kamelien, der himmlische Geruch der aufrecht wachsenden Daphne bholua oder ›Jacqueline Postill‹ (Seidelbast), Dutzende Helleborus orientalis (Orientalische Nieswurz) und so viele Krokusse, wie die Tierwelt vor Ort übrig gelassen hat: All diese Blumen und Blüten entfalten sich im ersten Sonnenschein des Jahres wunderschön vor dem kahlen Astwerk der Bäume, der weißen Rinde einer guten Birke (Betula jacquemontii ist eine der hochwertigsten) und einem unerschütterlichen, immergrünen Rahmen aus Buchs, Osmarea und glänzendem Pittosporum (Klebsamen).
Ich habe gelernt, Ende Januar die Narzissen-Saison vorzeitig anbrechen zu lassen, indem ich die ausgezeichnete Narcissus ›Rijnveld’s Early Sensation‹ anpflanze, die auch als Schellkraut-Krokus (Crocus korolkowii) oder Gold-Krokus und ›January Gold‹ angeboten wird. Die gelben Trompeten-Narzissen werden nur rund dreißig Zentimeter hoch, aber sie halten sich wochenlang, selbst dann, wenn ein scharfer Frost die Pflanzen eine Zeitlang in die Knie zwingt. Häufig, in kälteren Regionen Englands, lässt sich der Gold-Krokus bis Anfang Februar Zeit, aber insgesamt ist er eine grandiose Varietät und absolut winterhart. Er ist eine zauberhafte Vorwegnahme des Frühlings, immun gegen Kaninchen und Dachse, und ganz einfach anzupflanzen. Bald folgt die kleinere Narzisse ›February Gold‹ (Narcissus cyclamineus), ebenfalls ein Favorit, allerdings blüht sie bei mir erst im März, und dann begleitet von ihren strahlenden Artgenossen ›Jack Snipe‹ und ›Tête-à-Tête‹. Ich verwende diese kleineren Narzissen in Gruppen, die vor Tieren sicher sind, für die Flecken nackter Erde in den Sommerbeeten. Sie sind zum Winterende hin wichtige Begleiter.
An anderen Tagen hat man Zeit zum Nachdenken und für Erinnerungen, vielleicht sogar für Besuche in Sommergärten im Ausland. Ich komme auf diesen Aspekt des Winters mit meinen Erinnerungen an den ersten Garten zu sprechen, in dem ich als Erwachsener gelebt habe, und an die bemerkenswerte Lady, der er gehörte. Und ich beschreibe andere kluge Gärtner, die in Marokko, in Deutschland und nicht zuletzt in Great Dixter in Sussex wirkten.
Abb. 3: Gartenparterre in Brécy im Winter
Im Winter hat man Zeit zu reisen, und ich habe bei einem Besuch der exzellenten Hillier Gardens in der Nähe von Ampfield in Hampshire viel gelernt über das Spektrum an Sträuchern, die von Januar bis März blühen. Die Gärten wurden von dem Fachmann Harold Hillier angelegt und vom Hampshire County Council nach seinem Tod großartig weiter betreut. Da ich auf alkalischem Boden lebe, interessiere ich mich besonders für Sträucher, die Kalk vertragen. Eigens hervorzuheben wären hier die frühblühenden Varietäten von Viburnum bodnantense – ›Dawn and Deben‹ sind die beliebtesten, ›Charles Lamont‹ ist ebenso gut. Wenn sie ins Haus genommen werden, verströmen die Blüten einen süßen, starken Pfefferduft. Sie sind als Rückgrat sämtlicher klug angelegten Gärten nicht wegzudenken. Die phantastische Zaubernuss (Hamamelis) ist ebenfalls ein wichtiger Strauch, sie kommt in den Hillier Gardens schön zur Geltung, allerdings ist sie nichts für mich, da sie keinen kalkhaltigen Boden verträgt. Gärtner auf saurem Boden haben in der ersten Jahreshälfte eine größere Auswahl.
Zwischen Lesen, Nachdenken und der Freude an frühen Narzissen wähle ich die bedingt winterharten einjährigen Pflanzen aus, deren Saatgut ich gewöhnlich per Post bestelle, da die Auswahl in Gartenzentren naturgemäß begrenzt ist. Einige dieser Samen müssen sofort in ein beheiztes Gewächshaus gepflanzt werden, vor allem die hochwachsende Nicotiana sylvestris (Waldtabak, Bergtabak) mit ihren weißen Blüten, die Tabakpflanzen-Varietät, die nicht von Mehltau befallen wird, allerdings einen frühen Start und das ganze Jahr hindurch viel Wasser braucht, wenn sie ihre großen Blätter entfalten und ihr frisches Grün behalten soll. Man setzt die Pflanzen am besten in einzelne Töpfe von zehn Zentimeter Durchmesser, bevor sie dann Ende Mai, beschützt durch Schneckenkorn, ins Freie kommen. Zusammen mit ihnen säe ich Gazanien aus, die sich in Töpfen und an den Ecken von Beeten so gut machen, vor allem die Varietät ›Tiger Stripe‹, deren gelb-orangene Blütenblätter braun gestreift sind. Gazanien profitieren von einem frühen Start, weil auch sie einzeln in Töpfe gepflanzt und schon früher im Mai ins Freie gesetzt werden können. Sie überleben auch leichten Frost. Damit sich ihre Blüten ganz öffnen, brauchen sie volle Sonne.
In der zweiten Februarhälfte säe ich das phantastische Antirrhinum ›Royal Bride‹ von Thompson and Morgan, eine hohe Varietät mit langen Trauben duftender weißer Blüten, die, wenn welke Blüten entfernt werden, auch gut wiederkommen. Sie übertrifft alle anderen aus dieser Familie, die ich ausprobiert habe. Außerdem beginne ich mit der Aussaat der Hauptstütze meiner Außenbeete, hohen, weißblühenden Kosmeen. Die verbreitetsten Samenpäckchen enthalten ›Cosmos Sonata‹, eine kürzere, langweiligere Varietät; ›Purity‹ hingegen wächst höher und hat größere Blüten, und die beste ist ›Cosmonaut‹ mit ihren halbgefüllten Blüten. Auch sie können einzeln eingetopft werden. Empfehlenswert ist es, den Hauptstengel zu beschneiden, um die Entwicklung von Seitenstengeln und weiteren Blüten anzuregen. Sie reagieren ausgezeichnet auf regelmäßiges Gießen, wenn sie ausgepflanzt werden, sowie auf konstantes Entfernen der welken Blüten – damit lässt sich die Blütezeit bis in den Oktoberfrost hinein verlängern. Gleichzeitig säe ich die unverzichtbaren Rudbeckien (Sonnenhüte), auf die man, egal wie der Sommer ausfällt, sich immer verlassen kann. ›Rustic Dwarf‹ (Rudbeckia hirta, auch ›Schwarzäugige Susanne‹) ist nach wie vor die robusteste Mischung; die besten Einzelblüten erhält man jedoch von der neuen Hybride ›Prairie Sun‹, einer ganz ausgezeichneten, sechzig Zentimeter hohen Varietät mit flachen, sonnengelben Blüten und einem erstaunlichen Durchhaltevermögen: Sie blüht bis Ende Oktober. Rudbeckien sind meine Antwort auf die Unberechenbarkeit heutiger Sommer, denn sie gedeihen sowohl in feuchten wie in trockenen Verhältnissen. Und schließlich kommen Ende März noch meine Zinnien-Samen an die Reihe. Die Setzlinge wachsen sehr schnell und mögen es nicht, wenn es zu lange dauert, bis sie dann Ende Mai ins Freie gesetzt werden können. Auch sie werden am besten in einzelne Töpfe gesetzt. Die besten Zinnien erhält man aus traditionellen Mischungen großblütiger Pflanzen in Rot- und Gelbtönen. Wenn sie in Höhe oder Blütengröße zurückgestutzt werden, verlieren sie ihren spezifischen Reiz. Keine dieser Pflanzen bekommt man im Frühsommer zu einigermaßen bezahlbaren Preisen auf dem Markt.
Abb. 4 und 5: Antirrhinum ›Royal Bride‹ (links) und Rudbeckia hirta ›Prairie Sun‹ (rechts)
Mitte Februar erweitert sich die Aktivität des Gärtners dann über das Gewächshaus hinaus in den Garten selbst. Ich wende mich dem ersten unliebsamen Trippeln tierischer Pfoten zu – nicht weil ich Tiere nicht leiden kann, sondern weil ich ihre Anwesenheit in einem empfindlichen Blumengarten nicht schätze. Die meisten dürfen sich von mir aus gerne jenseits des Gartenzauns tummeln und vermehren, aber ebenso wie Unkraut eine Pflanze am falschen Ort ist, so ist ein Wildtier in einem Ziergarten ein Schädling. Der Februar bewirkt einiges an tierischen Umtrieben: Er treibt alternde Dachse ins Exil und männliche Füchse weit hinaus auf der Suche nach Partnerinnen. Wenn man das überleben will, muss man als Gärtner sehr wachsam sein.
Die Tage mit gutem Wetter sollte man nutzen, um insgesamt früh im Jahr mit den wichtigen Dingen anzufangen. Früh genutzte Zeit bedeutet Zeitgewinn in der Frühjahrshektik. Ich versuche, die Beete Anfang März von Unkraut zu befreien und aufzulockern, so dass sie an den Stellen für Mulch aufnahmebereit sind, wo ich Laubkompostschichten auf der Oberfläche ausbringen möchte. Es handelt sich dabei nicht um »organische« Nahrung. Als Quelle der für die Pflanzenwurzeln entscheidenden Chemikalien ziehe ich Kunstdünger dem ineffizienten Naturkompost vor. Der Sinn einer »organischen« Oberflächenschicht besteht darin, dass sie die Struktur des Erdreichs öffnet und verbessert, was den Wurzeln das Leben erleichtert. Eine dicke Mulchschicht trägt außerdem dazu bei, die natürliche Feuchtigkeit zu speichern, weshalb man sie am besten nach einem nassen Winter oder einer Feuchtigkeitsperiode im Frühjahr aufträgt. »Organisch« ist nichts weiter als ein verführerisches Schlagwort; im Zusammenhang mit Natur wurde es, soweit ich weiß, zuerst von D. H. Lawrence verwendet. Seinen Beitrag zum leidenschaftlichen Gärtnern werde ich im Frühlingsteil meines Buches vorstellen, allerdings bin ich nicht seiner Auffassung, was das Ideal des »Organischen« betrifft. Es handelt sich dabei auch bestimmt nicht um einen universellen Imperativ. Einige Blumenbeete verschont man besser mit einer organischen Mulchdecke, vor allem wenn es sich um gut entwässernde Erde handelt, auf der Pflanzen aus steinigen, kargen Biotopen wachsen sollen. Nicht alles, was die Anpflanzung lohnt, wächst am besten auf schwammigem, verrottendem Kompost, der heutigen Gärtnern mit solcher Penetranz aufgedrängt wird. Es bedeutet eine ziemliche Einschränkung, ein ausschließlich »organischer« Gärtner zu sein, und ich habe im Lauf der Zeit gelernt, eklektisch vorzugehen: Gegen Schädlinge und Unkraut benutze ich anorganische Substrate, ebenso für Pflanzen, die zusätzliche Chemikalien brauchen; organische Materialien setze ich nur dort ein, wo der Boden zu karg oder zu schwer für die Pflanzen ist, die darin wachsen sollen. Beide Gruppen, sowohl organische wie anorganische Präparate, versorgen die Wurzeln der Pflanzen mit gleichartigen Chemikalien. Als »Nahrung« unterscheiden sie sich lediglich hinsichtlich ihrer Effizienz. Entscheidend ist, dass Pflanzen nicht »essen«: Sie trinken, und sie trinken das, was durch »organische Nahrung« abgeschwemmt wird.
Was für den Garten gilt, ist auf Innenräume übertragbar: Es ist nützlich, früh und systematisch anzufangen. Im Frühlingsteil dieses Buches werde ich noch auf die Neigung von Johannisbeersträuchern (Ribes) eingehen, früh Blüten zu entwickeln, wenn Zweige geschnitten und in warme Innenräume genommen werden, sobald sich die ersten Knospen zeigen. Dasselbe gilt bereits Mitte Februar für die gelbblütigen Forsythien, die als Zweige in der Wärme gut fünf oder sechs Wochen früher anfangen zu blühen und die Räume eines Hauses mit ihrem Licht erfüllen.
Mein neues Jahr wimmelt von guten Absichten – sie Vorsätze zu nennen, wäre allerdings zu optimistisch. Ich nehme mir vor, die Dinge, die im Garten anfallen, pünktlicher zu erledigen. Ich nehme mir vor, daran zu denken, die Pflanzen in den Töpfen zu gießen, auch wenn sie mitten in der Wachstumsphase sind. Ich fasse den Entschluss, keine Blumenzwiebeln in braunen Papiersäcken ungepflanzt herumliegen zu lassen. Ich möchte versuchen, Pflanzen, die es brauchen, rechtzeitig hochzubinden und nicht erst am Morgen, nachdem sie umgeknickt sind. Vielleicht schaffe ich es ja sogar, auf Ohrwürmer Jagd zu machen. Ich nehme mir vor, während strenger Frostperioden nicht auf den Rasenflächen herumzuspazieren. Ich möchte daran denken, die Sweet-Williams-Samen auszusäen, damit sie im Jahr darauf blühen, und das in der ersten Juniwoche zu erledigen. Ich nehme mir vor, nicht mit Steinen nach Eichhörnchen zu werfen. Stattdessen werde ich eine neue Eichhörnchen-Falle kaufen und Erdnussbutter als Lockmittel benutzen. Wenn ich ein Eichhörnchen gefangen habe, packe ich es ins Auto und lasse es im Garten des am nächsten wohnenden Parlamentsmitglieds frei, das für ein Verbot der Fuchsjagd votiert.
Außerdem möchte ich mich mit den Bedürfnissen eines Gartens auseinandersetzen, der bereits einige Jahre hinter sich hat. Es ist erstaunlich, in welchem Ausmaß sich vieles ganz anders entwickelt hat, als ich es ursprünglich geplant hatte. Die Kletterpflanzen an den Mauern sind größtenteils zu mächtig. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Hainbuchen und Pyrus calleryana ›Chanticleer‹, die meine Wege säumen, so groß werden und einen solchen Aufwand an Formschnitt brauchen würden. Ich habe nicht erwartet, dass so viele Beetpflanzen in einem derartigen Ausmaß ins Kraut schießen würden. In Bodennähe sind einige der besten kleinen mehrjährigen Pflanzen an Altersschwäche eingegangen, ein Risiko, auf das Gartenbücher nur selten hinweisen. Sämtliche Nelken haben nicht einmal abgewartet, bis sie mittelalt waren, und ich kann kaum fassen, wie viele ich schon ersetzt habe. Ich hatte immer angenommen, Besitzer von Hochbeeten hätten den Überblick verloren, wenn ihre Beete im Herbst über und über mit feuerroten Zauschnerien-(Weideröschen-)Blüten bedeckt waren. Im vergangenen Herbst bildeten meine eigenen Hochbeete eine flammend rote Zauschnerien-Zone. Die alten Matten niedrigwachsender Phloxpflanzen haben in der Mitte braune Flecken. Ameisen haben einen kleinen Reiherschnabel (Erodium) mit rotäugigen Blüten umgebracht, und irgendetwas hat sich offenbar in der Mitte meines im Herbst blühenden Enzians niedergelassen. Gar nicht denken möchte ich an die herrliche kleine Campanula ›Lynchmere‹, die sich in einem ganz prächtigen Zustand befand, als ich sie letztes Jahr ausgrub und versuchte, sie zu teilen. Aufgrund der Form ihrer Wurzeln kann sie nicht geteilt werden – und ist eingegangen. Offenbar bin ich nicht der Einzige, dem es nicht gelingt, sie zu vermehren, denn sie ist jetzt aus dem Angebot vieler Pflanzschulen im Plant Finder verschwunden, dem Führer der »Royal Horticultural Society« zu »über 70 000 Pflanzen und 640 Stellen, von denen man sie beziehen kann«.
Abb. 6: Rote Crocosmia coccinea zusammen mit Achillea ptarmica ›Perry’s White‹
Die bequemste Methode, mit bereits älteren Gärten umzugehen, ist, sie einfach in Ruhe weiterwachsen zu lassen, bis sie senil werden. Das erste Anzeichen reiferen Alters ist gegeben, wenn die Besitzer solcher Gärten verkünden, sie würden nur anpflanzen, was zu ihren Gärten passt. Diese Pflanzen gewinnen dann die Oberhand, und die Besitzer bezeichnen ihren Pflanzstil als »Wiesen-Look«. Der »Look« besteht aus zu vielen winterharten Geranien und Baldrianpflanzen sowie aus zu vielen Vergissmeinnicht des Vorjahres, die sich selbst ausgesät haben. Wenn ich in diesem Jahr den Sonnenhut Rudbeckia ›Goldsturm‹ nicht unter Kontrolle bekomme, werde ich behaupten müssen, dass das Beet, in dem er steht, schon vor Jahren als Wiese geplant worden war.
Darüber hinaus muss ich mich der Tatsache stellen, dass viele der schlimmsten Eindringlinge Pflanzen sind, für die ich gutes Geld bezahlt und die ich selbst eingeschleppt habe. Lassen Sie sich nie eine nicht näher bestimmte im Herbst blühende Sonnenblume aufschwatzen. Zu dieser Familie gehört unter anderem die zügellose Jerusalem-Artischocke (Topinambur), deren Knollen entsetzlich schwer auszurotten sind. Pflanzen Sie nie eine weißblühende Achillea ptarmica ›The Pearl‹ oder ›Perry’s White‹ in einem Beet, das einen zivilisierten Eindruck machen soll. Als Schnittblumen sind sie hübsch anzusehen, aber die wuchernden weißen Wurzeln widersetzen sich sogar einem Spaten.
Am wichtigsten ist in solchen Situationen Entschlusskraft. Anfänger und Besitzer von neuen Gärten haben, wenn sie mit dem Gärtnern beginnen, ihre Fehler noch vor sich, wohingegen Gärtner mittleren Alters mit den Fehlern leben müssen, die sie selbst verschuldet haben. Versuchen Sie, auf Ihre alternden Kreationen mit dem Auge eines gerade neu eingetroffenen Besitzers zu schauen. Nachdem ich mich auf dieses Wagnis eingelassen hatte, gab ich mehrere skrupellose Schnitt- und Fällungsmaßnahmen in Auftrag. Weg mit den faden, staubigen Platanen und einem mittelalten Walnussbaum, der in zu großer Nähe zum Haus stand und den ich übernommen hatte. Die Hälfte meiner Bäume hätte schon vor Jahren verschwinden können, doch ich hatte vergessen, wie ich mir meinen Garten zu Beginn zurichten musste, indem ich einen ganzen Wald vernichtete. Unterstützt von der Ladeschaufel eines Baggers entwurzelte ich, als ich das Gelände übernahm und erst einmal für Durchblick sorgen und Platz für Wiesen schaffen musste, über einhundert riesige Leyland-Zypressen. Und es ist nie zu spät, das Licht hereinzulassen.
Abb. 7: Agapanthus ›Slieve Donard‹ in meinem Garten
Dass Gärten in Schönheit altern und im Lauf der Zeit einen friedvollen Zustand der Reife erlangen, ist nichts als Wunschdenken. Stillstand gibt es in Gärten nicht, und wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass wir eine Dauerkarte für den Weg des geringsten Widerstands haben. Gärten brauchen in ihrem fünfundzwanzigsten Jahr genauso viel Kontrolle, Strukturierung und Umdenken wie in ihrem dritten Jahr. Die letzten zehn Jahre, in denen im Fernsehen und in umwerfend gut gemachten Zeitschriften das Gärtnern in leuchtendsten Farben dargestellt wurde, haben viele Menschen dazu verlockt, Gärtnern als eine Art ins Freie versetzte Innendekorations-Aufgabe anzusehen, als handle es sich um eine neue Lampe oder einen Sofabezug. Erst wenn einige Pflanzen sterben und andere anfangen zu wuchern, lernen Gärtner, dass der eigentliche Reiz des Gärtnerns darin besteht, dass man nie etwas festnageln kann.
Ich selbst werde mich jedenfalls nie festnageln lassen. Ich habe gelernt, meiner Experimentierfähigkeit zu vertrauen, meinem Vermögen, mich auf Versuche einzulassen, die der Realität mindestens zwei Schritte voraus sind. Ich bin so veranlagt, dass ich in meinem Garten mit viel Aufwand einen neuen Swimming Pool anlegen ließ und prompt jegliches Interesse am Schwimmen verlor. Jahrelang stand der Pool Mutter Natur zur freien Verfügung, und er verwandelte sich in eine dramatische Wildnis aus selbst ausgesätem Sommerflieder und Binsengras. Ernährt werden die Pflanzen mit einer Diät aus den ertrunkenen Igeln, die während der Wintermonate auf dem Wasser treiben. Jahrelang hoffte ich, das Wasser würde spontan menschliches Leben hervorbringen. Oder noch besser: Es würde der Beweis gelingen, dass die Bibel recht hat, und aus dem Wasser entstiege mir eine Gehilfin, ein muskulöser Eva-Klon. Jedenfalls würde sie keine Arbeitserlaubnis brauchen.
Bis jetzt hat der Pool allerdings lediglich eine Generation Molche zustande gebracht. Meine aktuelle Vision sieht momentan so aus, dass ich das vormals flache Ende mit klarem, grasfreiem Wasser fülle und in alten Autoreifen weißblühende Wasserrosen darin anpflanze. Sie wissen ja, wie das so ist mit Vorsätzen – mir gefällt die Vorstellung, mich in einen »Künstler der fließenden Welt« zu verwandeln. Aber wahrscheinlicher ist wohl, dass sich die Wasserrosen zu den nächsten Eindringlingen auswachsen werden, die ich selbst eingeladen habe.
Wie ernsthaft müssen Gärtner sich auf den Klimawandel einstellen? Für die faulen Tage nach dem Festessen am Neujahrstag ist das keine müßige Frage. Es wird eine Menge Geld dafür ausgegeben, und die Angst vor heißem Klima vervielfacht die Ausstoßmenge an heißer Luft anderer Art. In England hat sich die »Royal Horticultural Society« (RHS) auf ein Problem gestürzt, das sie als »Gardening in the Global Greenhouse« [Gärtnern im Globalen Treibhaus] umschreibt. Der »National Trust« veranstaltete Konferenzen über die Marschroute für die kommenden achtzig Jahre. Es gibt ein »UK Climate Impact Programme«, und schon erreichen uns die ersten Ausläufer einer Flut von Literatur, die uns sagt, was wir zu tun haben.
Die »Royal Horticultural Society« klärt uns auf, dass es in englischen Gärten in Zukunft mehr Loquat-Früchte, Granatäpfel, Guadalupe-Palmen und eine niedrig wachsende nordafrikanische Convolvulus-Art geben wird, die man von Seiten der RHS »blue rock bindweed« zu nennen beschlossen hat [im Deutschen: Kriechende Winde oder Blaue Mauritius]. Im Hinblick auf Hecken wird »gutes Gartenmanagement« so aussehen, dass Oleander angepflanzt wird, diese entsetzlichen Stauden, die um italienische Tankstellen herum wachsen. Wir sollen Myrte in unsere Gärten aufnehmen, so wird uns empfohlen, und Seidenbäume, die ich in Bestform in Delhi gesehen habe. Ob die Experten an diese Empfehlungen wohl tatsächlich glauben? Haben sie je versucht, sich um einen Garten im Umkreis von Chipping Norton zu kümmern, vom erbarmungslosen Derbyshire ganz zu schweigen? Ihr von zwei Professoren verfasster zusammenfassender Bericht bringt die abgehobene Formulierung hervor, Tresco habe sich nach Tunbridge Wells ausgebreitet und sei auf dem Vormarsch nach Teesside (was in Deutschland ungefähr einer Verschiebung der klimatischen Verhältnisse in der Bodenseeregion auf die Nordseeinsel Borkum entspräche). Sollte das tatsächlich der Fall sein, dann geht dieser Prozess an vielen Gärtnern unbemerkt vorüber. Erst kürzlich hatten wir drei Frosttage in den Cotswolds, die in meinem Garten mehrere Kletterrosen umbrachten, die immergrünen Säckelblumen vernichteten und mehrere Exemplare der bewährten, als robust geltenden Zistrose mit dem passenden Namen ›Snow White‹ eliminierten.
Zwei Jahre vor dieser Frostperiode erwachten wir in einem vierundzwanzig Stunden anhaltenden wunderschönen, tief verschneiten »Winter-Wunderland« um die verträumten Türme von Oxford. In diesem Zeitraum wurden die Bartfadenpflanzen und die Ehrenpreisgewächse hinweggerafft. Wenn der »National Trust« schon über den »Einfluss«, also gar nicht mehr über die Realität des Klimawandels spricht, dann gehen die Experten offenbar davon aus, dass das Klima bereits auf einer anderen Ebene angekommen ist. Allerdings können sie nur aus dem Grund an diese Ebene glauben, weil sie von statistischen Durchschnittswerten ausgehen. Sie verkennen völlig die tödliche Potenz immer wiederkehrender kurzer, heftiger Unterbrechungen des größeren Musters. Mutter Natur ist unbeständig, und ich weigere mich, ihr zu trauen, auch wenn sie sich im Winterbikini präsentiert.
Wir haben keine genaue Vorstellung, wie in Großbritannien der Einfluss einer möglichen globalen Erwärmung im Lauf der nächsten achtzig Jahre aussehen würde. Einige der angesehensten Experten warnen, es könne hier zu heftigeren Kälteperioden kommen. Wir wissen lediglich, dass es in den vergangenen fünfzehn Jahren in den meisten Wintern weniger Frostperioden gab, dass wir einige wenige sehr nasse, aber noch mehr sehr trockene Winter hatten und einige richtig heftige Unwetter. Was bedeutet diese Unterschiedlichkeit? Wenn Gärtner anfangen, über »Klimawandel« zu reden, greife ich zu einer Quelle mit meisterhaften Beobachtungen, dem in den Jahren zwischen 1751 und 1773 in Hampshire geführten Garden Calendar, angelegt von dem akribischen Naturforscher Gilbert White. Zwischen 1757 und 1760 waren die Winter so mild wie unsere Winter im neuen Jahrtausend. Am 26. Dezember 1757: »Sehr mildes Wetter: Bislang fast kein Frost.« 1758: Es »ging sehr mild weiter, ausgenommen nur ein kurzer Frost zum Jahresende«. Am 19. Januar 1759 beobachtete er, dass »viele Blumenarten einige Wochen vor der erwarteten Zeit aus dem Boden kommen: Die Schneeglöckchen und einige Krokusse blühten bereits, noch bevor der alte Dezember sich verabschiedet hatte«. Am 18. Dezember 1760 gab es »schon sehr mildes Wachstumswetter: Das Gras auf den Wiesen hörte all die Monate nicht auf zu wachsen«, und »milde, sonnige Tage wie im April lockten die Fliegen und andere Insekten aus ihren Schlupflöchern«. Am 1. Januar 1761 verpflanzte er eine vielköpfige Narzisse in voller Blüte und nahm sie ins Haus. Es gab damals keinen »National Trust«, der ihm empfohlen hätte, Bananenbäume zu pflanzen, und das war ein Glück – denn im Dezember 1762 herrschte elf Tage lang anhaltender Frost, und am 31. Dezember 1766 »war der Boden unter den Betten gefroren«. Das Wetter schwankte genau wie in unserer Gegenwart zwischen ungewöhnlicher Milde und plötzlichen monate- oder tagelangen Frostperioden. Ich möchte Gärtnern in den 2010er Jahren nachdrücklich den einfachen Rat geben: Tun Sie nichts. Ich weigere mich zu glauben, dass man damit rechnen darf, Sabal mexicana (die kleine Texas-Palme) und zarte Mimosenhecken würden innerhalb der nächsten vierzig Jahre in englischen Gärten überleben. Die englischen Eis-Dämonen müssen sich nur eine einzige Nacht lang so verhalten, wie sie es seit Jahrhunderten gewöhnt sind, und es wäre vorbei mit der Pracht.
Wie immer können Ängste noch vermehrt werden, vor allem, wenn es um Gartenpraktiken geht, die die Angstmacher tief in ihrem Inneren ablehnen. Der »National Trust« und die RHS gingen so weit, mir warnende Dokumente über die Ausbreitung neuer Insekten und Schädlinge »aufgrund wärmerer Durchschnittstemperaturen« zukommen zu lassen. Ich habe so meine Zweifel, ob daran tatsächlich das Zickzack-Muster auf unserer Wetterkarte schuld ist. Man klärt uns auf, Berberitzensträucher seien nun durch eine neue Sägewespen-Art bedroht, die aus Südeuropa stammt. Kamelien sind einer in England neu aufgetretenen Japanischen Blattpest ausgesetzt.
Der eigentliche Grund dafür ist meiner Meinung nach die Zunahme von Importpflanzen, die in unseren Gartenzentren zum Verkauf angeboten werden. Die Sägewespe kam nach Holland, und da unsere weltberühmten englischen Gärten stark davon abhängig sind, dass die Niederlande die englischen Gartenzentren mit Pflanzen beliefern, kann es kaum überraschen, dass dieser Schädling jetzt auch in England zuschlägt. Dasselbe gilt für das Insekt, das unsere Kastanienbäume befallen hat, allerdings würde es in Kälteperioden genauso zuschlagen. Es überlebt auch noch kältere Temperaturen als minus zwanzig Grad.
Die Drohkeule Klimawandel ist ein willkommenes Schreckgespenst, wenn man tief in seinem Inneren Rasenflächen und großzügig angelegte Blumengärten hasst. Ist das Wetter im Sommer wirklich so schrecklich geworden, dass der englische Rasen zum Untergang verurteilt ist und die einzige Antwort St.-Augustine-Gras lautet? Viele Gärtner dürften stattdessen in Versenk-Regner investieren, die sie aus ihren umfangreichen Regenwasserbehältern speisen. Die Professoren der RHS behaupten in ihrer Studie: »Mit fortschreitender Klimaveränderung wird die sehr viel größere Herausforderung für die Gärtner darin bestehen, den traditionellen englischen Cottage Garden anzulegen.« Sie deuten sogar an, dass die Anpflanzung von Lupinen problematischer werden wird. Meine Lupinen gediehen nie prächtiger als in den heißen Sommern der letzten Jahre, und was den »traditionellen« Cottage Garden angeht – was soll das überhaupt sein, und welche Pflanzen wuchsen darin?
Es gab zwar Unwetterkatastrophen, aber Katastrophen sind kein sicherer Hinweis auf kontinuierlichen Wandel. Die Wind- und Sturmphasen der jüngsten Zeit schlugen 1987 zu, dann wieder 1990, als sie traditionsreiche Gärten beschädigten, vor allem im Süden Englands. Der »National Trust« kann auf den Verlust von Bäumen im Sheffield Park in Sussex verweisen, andere denken an die Stürme, die in Tresco Verheerungen anrichteten oder in Leonardslee so erfreuliche neue Sichtschneisen eröffneten. Hatten diese Stürme etwas mit einer Erwärmung des englischen Klimas und einer steigenden Wahrscheinlichkeit von Sturmfluten zu tun? Mit Gilbert White lassen sich auch diese Befürchtungen in einen größeren Kontext stellen. »Das Jahr 1751 war eines der nassesten Jahre seit Menschengedenken. Vom 20. Februar bis zum 20. Mai kamen immer neue Stürme und sintflutartige Regenfälle.« Das Jahr 1755 hatte »einen schrecklichen Winter mit Erdbeben, Überschwemmungen und Unwettern und Dauerregen, der Frost war kaum erwähnenswert«. Im Dezember 1761 »fielen während der gesamten Herbst- und Wintermonate große Mengen Regen«, und am 23. und 24. Dezember gab es »gewaltige Regenfälle und Überflutungen«. Das »Hochwasserklima« ist keine moderne Neuerfindung. Es zauste und überflutete bereits die Mitte des 18. Jahrhunderts.
Und was sollen wir nun nach Meinung der globalen Erwärmer tun? Ihr Vorschlag, im eisigen Moreton-in-Marsh oder in Much Wenlock Myrtenhecken anzulegen, ist ein schlechter Witz. Die RHS empfiehlt uns außerdem allen Ernstes, »in Wässerungsanlagen und Teiche zu investieren – sie werden der Tierwelt guttun«. Gleichzeitig lassen sich diejenigen, die effiziente, von Menschenhand hergestellte Düngemittel hassen, keine Gelegenheit entgehen, uns zu erzählen, die erhöhte Überschwemmungsgefahr würde das Risiko erhöhen, dass solche Kunstdünger aus der Erde ausgewaschen werden, und wir sollten stattdessen haufenweise Kies und organische Materie benutzen. Aber wie organisch sind diese Haufen in Wahrheit? Im Garten der RHS in Hyde Hall wurden für einen neu eingerichteten »Trockengarten« bereits »260 Tonnen Gabbro« verarbeitet. Falls Sie nicht wissen, worum es sich dabei handelt: Gabbro ist ein vulkanisches Gletschergestein, das von Schottland nach Essex transportiert werden musste. Das gesamte Projekt kommt meines Erachtens einer ökologischen Vergewaltigung gleich: 800 Tonnen Mineralgemisch wurden verarbeitet, 460 Kubikmeter importierter Erde und aberwitzige Mengen »zerstoßener roter Granit«.
Besonnene Gärtner werden auch weiterhin Regentonnen kaufen, um überschüssiges Regenwasser zu speichern, und ihre Gärten mit einem Grundbestand an Pflanzen ausstatten, die zuverlässig winterhart und in der Lage sind, auch mit Trockenperioden klarzukommen. Absolut winterharte, im Winter blühende Schneeball-Sträucher sind und bleiben eine klügere Wahl als Mimosen. Die im Frühjahr blühende Nieswurz ist durch Minustemperaturen und Stürme nicht umzubringen. Frühblühende Kirschbäume überleben Trockenphasen, Kälte und Wind. Viele Narzissensorten blühen wild im glazialen Russland und seinen Nachbarregionen. Im Sommer kann ich mich auf Beetpflanzen mit stämmigen, wasserspeichernden Wurzeln verlassen, die besten Varietäten der Taglilien, viele der gelbblühenden Alanten-Arten und die ausgezeichnete Campanula lactiflora (Riesenglockenblume), vor allem die tiefblaue Prichard’s-Varietät, die aus der großartigen Pflanzschule von Alan Bloom in Norfolk stammt. An den Rändern dieses Grundbestands hat es eine leichte Verschiebung gegeben, was garantierte Winterfestigkeit betrifft: Viele rot- und gelbblühende Montbretien, immergrüne Abelien mit rosa- und pinkfarbenen Blüten und neue Agapanthus-Arten haben das Spektrum möglicher Pflanzen erweitert. Zurückzuführen ist das auf bessere Aufzuchtbedingungen und größere Experimentierfreudigkeit unter den Gärtnern, nicht auf einen faktischen Sprung auf ein neues, wärmeres Klima-Niveau. Dieser Grundbestand an Pflanzen ist so zuverlässig und vielfältig, dass sich keiner nach einer unpassenden Palme sehnen muss, die oberhalb ihres dicken, hässlichen Stamms braun und zunehmend struppig aussieht. Es gibt Tausende von Pflanzen, die im englischen Klima gedeihen, das schon seit eh und je ein Klima der Extreme ist. Dieses vielfältige Spektrum ist noch lange nicht ausgeschöpft, also machen wir es uns doch einfach zunutze.
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