Der europäische Frühling - Kaspar Colling Nielsen - E-Book

Der europäische Frühling E-Book

Kaspar Colling Nielsen

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Beschreibung

Die Insel Lolland ist zum Hort der Glückseligen geworden. Hier regieren Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Menschlichkeit. Intelligente Drohnen haben viele der alltäglichen Arbeiten übernommen. Doch die Idylle hat ihren Preis, und der Eintritt ist nicht jedem gewährt. In den Städten herrscht Anarchie. Probleme werden nicht gelöst, sondern auslagert. Dänemark pachtet in Mozambique eine riesige Landfläche und baut dort für Flüchtlinge und unliebsame Asylanten eine riesige Containerstadt. Am Ende ist die Zukunft auch nur ein Geschäft.

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Seitenzahl: 518

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Das Buch

Dänemark in naher Zukunft. In den Städten herrscht Anarchie. Die, die es sich leisten können, haben sich auf der Insel Lolland eine scheinbar heile Welt erschaffen. Doch alles, woran wir seit dem Zeitalter der Aufklärung glauben, ist bedeutungslos geworden. Nicht politische Diskussionen oder Reformen bestimmen unsere Zukunft, sondern der technologische Fortschritt allein. Wir leben in dem Irrglauben, Einfluss auf die gesellschaftlichen Entwicklungen nehmen zu können; in der Lage zu sein, Dinge in Gang bringen, aufhalten oder verändern zu können. Und doch sind wir nur teilnahmslose Beobachter in einem Prozess, der sich schon lange verselbstständigt hat.

Präzise und unprätentiös verdichtet der Roman die großen Themen unserer Zeit zu einem bittersüßen Sittengemälde, welches leicht im Abgang ist, aber im Hals stecken bleibt.

Der Autor

Kaspar Colling Nielsen, geboren 1974, gilt als eine der eigenständigsten Stimmen der zeitgenössischen skandinavischen Literatur. Bereits für sein 2010 erschienenes Debut Mount Copenhagen erhielt er den renommierten Danske Bank First Book Award. Sein zweiter Roman Der Dänische Bürgerkrieg 2018 - 2024 von 2013 stand für mehrere dänische Buchpreise auf der Shortlist. Mit seinem neuesten Werk Der europäische Frühling, in Dänemark ein Bestseller, erscheint er nun endlich erstmals auf Deutsch.

Kaspar Colling Nielsen

Der Europäische Frühling

Aus dem Dänischen von Günther Frauenlob

Wilhelm Heyne Verlag

München

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel Det europæiske forår bei Gyldendal, Kopenhagen

Unter www.heyne-hardcore.de finden Sie das komplette Hardcore-Programm, den monatlichen Newsletter sowie alles rund um das Hardcore-Universum.

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Copyright © 2017 by Kaspar Colling Nielsen und Gyldendal

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion Thomas Brill

Umschlaggestaltung Johannes Wiebel / punchdesign nach einer Gestaltung von © Andreas Kjaergaard / A. Based in part on Jan Brueghel II’s Still Life with Flowers in a Glass (c. 1625 – c. 1630, oil paint on copper), Rijksmuseum

Satz und E-Book Produktion Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-22586-5V001

www.heyne-hardcore.de

Ich danke meinem Sohn, Alfred Louis Kirkegaard, meiner Tochter, Alma Elvira Kirkegaard, und meiner Lebensgefährtin, Line Kirkegaard, die mir beim Schreiben meiner Bücher immer wieder interessante und wichtige Hinweise gibt. Ich danke meinem Vater, Timm Nielsen, für die Idee zu einem schönen Kunstwerk. Ein Dank auch an Nicolas Bro und Jacob Zeuthen für all die gelesenen Seiten und die anschließenden Diskussionen. Ich danke Allan Evald Nielsen und Anders Øland für ihre Expertenmeinungen als Ärzte oder Wissenschaftler auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenzen. Ein weiterer Dank geht an Henrik Okkels, der unermüdlich die schwächsten Teile des Textes aufs Korn genommen hat. Danke, Mik Thobo-Carlsen, für deine Kommentare und Aufmunterungen. Mein größter Dank geht allerdings an meine Redakteurin, Janne Breinholt Bak, für ihr enormes Engagement und ihren unermüdlichen Willen, den Text zu verbessern und der Geschichte schärfere Konturen zu verleihen.

Inhalt

Viel später

Kapitel 1: Nastig

Kapitel 2 : Elisabeth und das RAID

Kapitel 3: Christian und Mia

Kapitel 4: Emma unternimmt einen Selbstmordversuch

Kapitel 5: Wie Stig Galerist wurde

Viel später

Kapitel 6: Leichen, aus denen Bäume werden

Kapitel 7: Emma zieht nach Hause

Viel später

Kapitel 8: Der Rattenkünstler

Kapitel 9: Der Tod der Psychologie und die Zweisamkeit der Bakterien

Viel später

Kapitel 10: Dinge, die verschwinden

Kapitel 11: Die Blutbuche

Kapitel 12: Elisabeth auf Lolland

Kapitel 13: Stig auf Lolland

Viel später

Kapitel 14: Wenn Christian Mia nicht vögeln darf, will er auch nicht mehr malen

Kapitel 15: Emma und die Frage der Empathie

Kapitel 16: Elisabeth und das RAID

Kapitel 17: Mia wird gekauft

Viel später

Kapitel 18: Elisabeth und die Sixtinische Kapelle

Kapitel 19: Stig wird depressiv

Kapitel 20: Emma zieht nach Mosambik

Kapitel 21: Flora Danica

Kapitel 22: Christian und Mia bekommen ein Au-pair-Mädchen

Kapitel 23: Frederiksstad

Viel später

Kapitel 24: Elisabeth und Hybrid Intelligence

Kapitel 25: Ein großer Bryan Ferry

Kapitel 26: Retarded Girl

Kapitel 27: Christian als Behinderter

Kapitel 28: Emma und Milat

Viel später

Kapitel 29: Der Europäische Frühling, eine Performance

Kapitel 30: Der Affe Felix

Kapitel 31: Emma kehrt heim

Kapitel 32: Eine Renaissance für die Kunst

Kapitel 33: Die Strafe der Unsichtbaren

Kapitel 34: Ein Bericht für eine Akademie

Viel später

Sehr viel später

Viel später

Jack und Wilhelm saßen unter einer großen Eiche auf der Wiese und beobachteten die Drohnen, die über den Feldern und Wiesen unermüdlich hin und her flogen, um ihre Arbeit zu verrichten.

Jack dachte nach.

»Tiere begehen wohl keinen Selbstmord, oder?«, fragte er.

»Doch«, antwortete Wilhelm.

»Ich habe aber nie von Tieren gehört, die Selbstmord begangen haben, nicht unter uns intelligenten Tieren jedenfalls.«

Wilhelm lachte. »Ach Jack, es gibt noch so viel, was du nicht weißt.«

»Wie meinst du das?«

»Es hat nichts zu bedeuten, dass du nie von Tieren gehört hast, die Selbstmord begangen haben. Das gibt es durchaus, du weißt nur nichts davon, weil diese Todesfälle nicht registriert werden. Die Dunkelziffer ist hoch, was Tiere und Selbstmorde angeht. Das hat aber nicht nur mit der fehlenden Registrierung zu tun, sondern auch damit, dass Tiere sich nicht erhängen oder eine Kugel in den Kopf schießen. Nimm zum Beispiel meinen Onkel Jens. Er ist gegen eine Scheibe geflogen und … bumm, war er tot. Es ist schwer zu sagen, ob er das mit Absicht gemacht hat. Wir wissen es nicht, wir können nur schlussfolgern, dass wir kaum Ahnung haben, was Tiere und deren Todesursachen angeht. Wie würdest du Selbstmord begehen, wenn du könntest?«

Jack hob den Kopf und sah nachdenklich in den blauen Himmel.

»Ich weiß es nicht. Vielleicht würde ich vor ein Auto laufen oder eine ganze Gruppe von Rindviechern angreifen.«

»Ja, und was, glaubst du, würden die Leute denken, wenn man dich tot und blutig im Wald findet, aufgerissen von den Hörnern der Tiere? Doch wohl ganz sicher nicht, dass du Selbstmord begangen hast. Sie würden glauben, dass ein Hund einen Bullen angegriffen und den Kampf verloren hat.«

»Was ja auch ziemlich egal ist, schließlich ist man dann tot.«

»Nein, das ist eben nicht egal, Jack. Es geht darum, dass wir dieselben psychischen Leiden bekommen wie die Menschen und deshalb auch darüber reden müssen. Es ist ein Riesenproblem, wenn jeden Tag viele Tausend Tiere Selbstmord begehen.«

»Jeden Tag?«

»Na ja, vielleicht nicht jeden Tag, aber sicher im Monat. Die Pointe ist ganz einfach, dass wir es nicht wissen.«

Jack nickte. Wilhelm begann, seine Federpracht zu reinigen.

Kapitel 1

Nastig

Stig warf einen Blick auf sein Telefon, während das Wasser für den Kaffee kochte. Er hatte eine Nachricht von Ulrik Haagerup bekommen, einem Künstler Ende fünfzig, der seit Jahren nur Ölbilder malte, die Kreise in verschiedenen Farben und Größen zeigten. Seine Werke waren beinahe unverkäuflich, weshalb Stig ihm vor ein paar Wochen vorsichtig nahegelegt hatte, auch um seiner selbst willen, das Repertoire zu erweitern. Allem Anschein nach hatte er bei Ulrik damit eine heftige Krise ausgelöst; die Nachricht war um 3.47 Uhr abgeschickt worden.

»Habe SEHR VIEL nachgedacht über das, was du gesagt hast …« Aber damit endete die Nachricht auch schon. Er schrieb weder, zu welchem Schluss er gekommen war, noch, warum er diese Nachricht mitten in der Nacht abgeschickt hatte.

Stig goss das kochende Wasser in die Tasse mit dem Nescafé und ging zum Rauchen in den Wintergarten an der hinteren Treppe. Elisabeth saß bereits mit ihrem Laptop dort. Sie hatte geduscht und war bereit, zur Arbeit zu fahren.

Er zündete sich eine Zigarette an und blickte in den Himmel. Die Sonne färbte die Wolken hellrot und orange. Es war kalt. Er drückte das Fenster etwas weiter zu.

»Sie haben noch einmal Kontakt mit mir aufgenommen«, sagte sie.

Stig sah sie wortlos an.

»Das klingt wirklich absolut faszinierend, Stig.«

Stig sagte noch immer nichts. Irgendein Forschungszentrum versuchte Elisabeth abzuwerben, aber das Institut lag auf Lolland, und wer in dem Institut arbeiten wollte, musste dort auch wohnen. Elisabeth drehte den Laptop, sodass er einen Blick auf den Bildschirm werfen konnte.

»Guck dir das mal an, Stig. Sieht doch echt toll aus, oder?« Sie versuchte, Begeisterung auszudrücken, aber in ihrem Blick lag eine Unruhe, eine Nervosität, wie er sie in den fünfundzwanzig Jahren, die sie jetzt zusammenwohnten, nur selten gesehen hatte. Auf dem Bildschirm war ein idyllisches Bauernhaus zu sehen.

»Nicht schon wieder«, sagte Stig ärgerlich und sah noch einmal gen Himmel.

Warum hörte sie mit diesem Scheiß nicht endlich auf? Er musterte sie. Ihr Mund bewegte sich, aber Stig hörte nicht zu. Er wusste ohnehin, was sie sagte. Hatte das alles schon oft gehört. Das Morgenlicht ließ sie alt aussehen, aber sie war ja auch wirklich nicht mehr jung. Ihr Mund war durch die Falten, die sich vom Mundwinkel nach unten zogen und Kinn und Wangen wie bei einem Nilpferd trennten, irgendwie breiter geworden. Sie war nicht dick. Nein. Sie gehörte gewiss nicht zu den Frauen, die mit dem Alter fett wurden. Eher im Gegenteil, ihre Beine waren knochig wie bei einem alten Pferd. Warum wollte sie aufs Land ziehen? Da wohnten doch nur Leute, die irgendwie krank waren, degeneriert, ja gefährlich.

»Das könnte richtig toll werden, meinst du nicht auch?«, fragte sie mit angestrengtem Lächeln.

»Aber Schatz, das geht doch nicht. Wie soll ich das denn machen?«, erwiderte Stig und lächelte etwas herablassend.

»Warum soll das denn nicht gehen?«

Stig sah ihr in die Augen, sie hielt seinem Blick aber stand. Es machte ihm langsam Sorgen, dass sie immer wieder mit dieser Sache ankam. Es war jetzt bestimmt schon das zehnte Mal, dass sie diesen Job ansprach. Sie schien es wirklich ernst zu meinen. Stig wusste, dass er sich alle Mühe geben musste, damit der Kelch, von Kopenhagen aufs Land zu ziehen, an ihm vorbeiging. Und nicht einfach nur aufs Land, sondern nach Lolland.

»Das geht aus vielen Gründen nicht«, begann Stig und reihte die Argumente im Kopf auf. Er lächelte noch einmal, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Sache einfach abwegig war und beruflich für ihn nicht infrage kam.

»An erster Stelle steht natürlich, dass ich dann die Galerie aufgeben müsste.«

Elisabeth lehnte sich enttäuscht zurück und sah aus dem Fenster. Sie kannte seine Argumente, hatte aber gehofft, dass er sich die Sache noch einmal überlegt hätte.

»Du kannst doch pendeln. Außerdem musst du ja nicht jeden Tag in der Galerie sein. Maximal ein paar Tage pro Woche«, fuhr sie fort.

»Es ist wichtig für das Geschäft, dass ich in Kopenhagen bin«, sagte Stig und nahm einen tiefen Zug von der Zigarette. »Wir haben doch schon mal darüber gesprochen. Ich begreife nicht, dass du das nicht verstehst.«

»Ich verstehe das wirklich nicht. Du bist achtundfünfzig, Stig.« Sie drückte die Zigarette aggressiv im Aschenbecher aus.

»Es wirkt völlig lächerlich und blöd, immer auf diesen dummen Vernissagen herumzustehen. Die haben doch keinerlei Bedeutung. Früher vielleicht, aber heutzutage ist das doch vertane Zeit. Willst du wirklich einer dieser Alten werden, die am Rollator durch Kopenhagen zöckeln?«

»Ja, das will ich«, antwortete Stig trotzig. »Und was ist mit Emma? Vielleicht denkst du auch mal an sie?«

»Was soll mit ihr sein? Sie ist einundzwanzig.«

»Du weißt ganz genau, wie ich das meine. Es ist wichtig, dass wir dort sind, wo sie ist!«

Elisabeth sah ihn müde an und klappte den Computer zu.

Er hatte gewonnen. Sie zündete sich eine weitere Zigarette an und sah resigniert aus dem Fenster, als sähe sie ihr Scheißleben in Großaufnahme irgendwo über den Dächern der Nachbarhäuser vorbeiziehen. Nur eine Frau Mitte fünfzig, die ein Kind geboren und großgezogen und ihr ganzes Leben gearbeitet hatte, konnte auf diese Art und Weise aus dem Fenster blicken, wenn sie sah, wie ihr das Leben durch die Finger rann, dachte Stig. Angestrahlt vom Morgenlicht wirkte ihr Gesicht wie aus einem Bild von David Hockney kopiert. Stig hatte keine Angst, dass sie ihn verlassen würde, denn trotz all ihres Missmutes spürte er auch den Respekt vor seiner Entscheidung. Sie war traurig, weil ihr mit der Zeit immer deutlicher wurde, dass aus dem Umzug nichts werden würde und sie das akzeptieren musste. Ihr Mund bewegte sich wieder, und Stig beobachtete ohne zuzuhören, wie ihre Lippen Worte formten und die Haut ihrer Wangen vibrierte.

»… also sag nicht, dass das was mit Emma zu tun hat«, schloss sie und ging zur Tür. »Dabei wäre es bestimmt toll für sie, uns dort besuchen zu können. Vielleicht hätte sie sogar Lust, mit uns dorthin zu ziehen.« Elisabeth verschwand in der Wohnung.

»Mann, sie ist einundzwanzig! Die will doch nicht bei ihren Eltern wohnen!«, rief Stig ihr hinterher.

Ärgerlich zog er an seiner Zigarette. Die Packung lag im Fensterrahmen. Darauf ein Bild von einem Säugling in einem Aschenbecher.

Er betrachtete seine langen, dünnen, übereinandergeschlagenen Beine. Die Haut war gelblich bleich, und unter den Haaren waren zahllose Knötchen, über die er sich keine Gedanken machen wollte. Die Haut eines Menschen verändert sich mit den Jahren. Es tauchen dabei immer wieder seltsame Sachen auf. Wie bei einem Bild, das langsam entsteht.

Er hatte nicht vor, sich beruflich zurückzuziehen. Warum auch? Die Arbeit als Galerist war physisch nicht gerade anstrengend, außerdem hatte er nur diese Arbeit. Andererseits hatte Elisabeth vielleicht wirklich recht, er musste nicht unbedingt in der Stadt bleiben. Im Grunde war das nur eine alte Gewohnheit, und vielleicht würde es Emma tatsächlich guttun, aufs Land zu ziehen.

Er drückte die Zigarette aus und zündete sich eine neue an. Es war 8.22 Uhr. Er hatte alle Zeit der Welt.

Noch einmal musterte er seine Beine. Sie sahen wirklich nicht wie Menschenbeine aus. Waren viel zu lang und ließen den Morgenmantel kurz wirken. Eher erinnerten sie an die Beine einer gehäuteten Gazelle. Er sah aus wie ein kolumbianischer Drogenbaron oder ein Pornofilmregisseur in L.A. Dabei war er gar nicht mehr so dünn wie in seiner Kindheit in Roskilde.

Im Sommer mit Badehose hatte er damals so grotesk gewirkt, dass die Leute in der Stadt sich Sorgen gemacht hatten, erst über ihn und dann über die Menschheit als Ganzes. Sein knochiger Körper hatte Erinnerungen an die Grausamkeiten geweckt, die die Nazis den Juden angetan hatten. An all das Schreckliche, das noch heute in den Kriegen überall auf der Welt passierte, und damit daran, dass der Mensch im Grunde schlecht war.

Stig hielt sich als Jugendlicher die meiste Zeit in seinem Zimmer auf, hörte Musik und spielte Gitarre. Die Songs der Sechziger faszinierten ihn Hendrix, Beatles, Stones, Kinks, The Who, Pink Floyd, all das alte Zeug. Später dann Slade, Sweet, Alvin Stardust, Bowie, T.Rex und Roxy Music. An den Wochenenden arbeitete er an einer Tankstelle, ansonsten kam er nicht viel raus.

Mit achtzehn, im Frühling 1981, zog er nach Kopenhagen in die Wohnung seines Onkels Knud. Sie lag in der Griffenfeldsgade, damals der reinste Slum. Als er im Umzugsbulli saß und aus der Einfahrt rollte, konnte er sich nicht des Gedankens erwehren, dass seine Mutter erleichtert wirkte. Sie blieb jedenfalls nicht draußen stehen und winkte, als der Wagen davonfuhr.

Mit einem Mal wohnte Stig in Nørrebro, ohne auch nur irgendjemanden in Kopenhagen zu kennen. Er arbeitete Teilzeit in einem Kindergarten, es belastete ihn aber mehr und mehr, dass er keine Freunde hatte, mit denen er einfach abhängen konnte. Er hatte damit gerechnet, dass sich das schon entwickeln würde, wenn er erst in der Großstadt war. Irgendwie war er davon ausgegangen, dass die Leute in der Stadt weniger beschränkt wären als in der Provinz. Ein Irrtum, der ihm zunehmend zu schaffen machte. Wenn er abends vor dem Fernseher aufgewärmte Fertignahrung aß und das blaue Licht auf sein blasses Gesicht und die kahlen, weißen Wände fiel, überkam ihn eine Einsamkeit, die sich mit der Zeit zu einer richtigen Paranoia auswuchs. Er bekam Wahnvorstellungen, fürchtete, dass jemand die Wohnungstür eintreten und ihn abschlachten könnte. Wenn er von der Arbeit oder vom Einkaufen nach Hause kam, suchte er erst alle Zimmer und Schränke nach möglichen Einbrechern ab, ehe er ganz leise den Kühlschrank füllte, damit ihm kein Laut entging, sollte er doch irgendwo jemanden übersehen haben. Nachts lag er wach und lauschte den Geräuschen des Hauses, die ihm umso geheimnisvoller und rätselhafter vorkamen, je mehr er sich darauf konzentrierte.

Nach ein paar Monaten in Kopenhagen schaffte Stig kaum noch etwas anderes, als bei lautlos gestelltem Fernseher auf seinem Sofa zu sitzen. Es musste sich etwas ändern, und an einem dieser unzähligen Abende rappelte er sich tatsächlich auf und entschloss sich, wieder unter Menschen zu gehen. Auf dem Weg zur Arbeit hatte er junge Leute auf Rollschuhen durch die Stadt fahren sehen, was ihn begeistert hatte, weshalb er sich am folgenden Morgen ein Anzeigenblättchen kaufte. Tatsächlich fand er gebrauchte Rollschuhe für 250 Kronen, die er noch am selben Tag in Herlev abholte. Sie sahen wie ganz normale, kräftige Boots mit Rädern aus. Zufrieden fuhr er mit dem Bus nach Hause, neben sich die Irma-Tüte mit den Rollschuhen. Trotzdem nutzte er sie nur selten, denn mit den Rollschuhen sah er noch größer und dünner aus. Außerdem waren sie etwas zu klein, Größe 46, sodass seine Zehen verkrampften, wenn er sie zu lange trug. Auf einer dieser Rollschuhtouren geriet er durch Zufall ins Viertel Pisserenden. Er war mit zu viel Fahrt durch die Rådhusstræde gerollt und hatte einfach nicht mehr abbiegen können.

Die Stimmung in Pisserenden war anders als im Rest der Stadt und vollkommen anders als in Nørrebro. Überall waren Punks, die trotz der Wärme Lederjacken trugen, und auf einer Treppe saßen zwei Schwule in der Sonne und küssten sich. Die ganze Straße brodelte vor Sommer, Sex und Energie. Sogar die Häuser schienen hier kräftigere Farben zu haben. Er rollte langsam durch die Larsbjørnsstræde und sah sich alles an. Die Menschen schienen sich hier alle irgendwie zu kennen. In der Teglgårdsstræde saßen die Nutten in ihren Netzstrümpfen in den Fenstern, und als er vorbeirollte, riefen sie »Wie sieht’s aus, Seemann? Lust auf eine Runde?« Stig schüttelte freundlich den Kopf und blickte geniert zu Boden.

Abends saß er zu Hause und aß Reis und Dorschrogen aus der Dose, den er in Scheiben geschnitten und in der Pfanne angebraten hatte. Der laue Sommerabend und das Summen der Stadt lockten ihn, sodass er sich schließlich entschloss, noch einmal zurück ins Viertel Pisserenden zu gehen.

Auf den Straßen waren weniger Menschen, nur vor einer gerade erst eröffneten Bar standen einige Leute. Der Laden hieß Floss. Die Gäste waren fast ausschließlich Punks, die meisten waren schon deutlich angetrunken. Einer taumelte nach hinten, stieß mit Stig zusammen und drehte sich um. Seine Augen wirkten total wild, wie bei einem tollwütigen Affen. Zum Glück zog ihn einer seiner Freunde weg, bevor der Punk auf Stig losgehen konnte. Trotz der aggressiven Stimmung betrat Stig die Bar.

Die aufgeheizte Stimmung faszinierte ihn, die dröhnende Musik und die unnahbar und hart wirkenden Menschen. Stig wollte schon wieder gehen, als der Barkeeper ihn fragte, was er wolle. Er bestellte ein Bier und bekam aus irgendeinem Grund zwei. Er kannte Punks, hatte auch in Roskilde schon mal welche gesehen, trotzdem waren diese hier anders. Alles war düsterer. Beinahe so, als wäre man in Berlin. Wenn Berlin denn so war, wie er sich die Stadt vorstellte, denn er war nie dort gewesen. Er trank nur anderthalb Bier, bevor er wieder ging, denn er sollte am nächsten Morgen helfen, einen Schuppen im Kindergarten zu streichen. Auch einige Eltern würden kommen, weshalb er nicht nach Bier riechen wollte.

Obwohl das Floss etwas Abschreckendes hatte, ging Stig von nun an jedes Wochenende dorthin, manchmal sogar werktags, wenn er am nächsten Morgen nicht arbeiten musste. Irgendwie schenkte der Ort mit all seinem Chaos, seinem Lärm und seinen verrückten Menschen seiner Seele Ruhe. Es gefiel ihm, dort zu sein, einfach am Tresen zu stehen, Bier zu trinken und die Menschen zu beobachten, die vorbeitaumelten. Es fühlte sich an, wie in einem Film mitzuspielen oder ein Theaterstück hautnah mitzuerleben. Nach ein paar Monaten fingen die Leute an, ihn zu grüßen, und manchmal wechselte der eine oder andere auch ein paar Worte mit ihm. Die Leute respektierten ihn, ohne dass er verstand, warum. Er kaufte sich enge T-Shirts und Doc Martens, um besser zu den anderen Gästen zu passen. Später eine Lederjacke und eine etwas zu kurze Levis. Wieder etwas später kam er mit einem Mann ins Gespräch, der sich Ræzor nannte. Ræzor war klein, vielleicht eins sechzig, und hatte knallrote Haare. Er kam aus Jersie unweit von Solrød und hatte ähnliche Erlebnisse hinter sich wie Stig. Auch er hatte dort, wo er aufgewachsen war, nicht ins Bild gepasst. In Jersie spielten alle Handball, sagte er, und dafür sei er zu klein, außerdem hasste er Handball. Er war in seinem Heimatort der einzige Punk gewesen.

Eines Abends zog Ræzor ein kleines Tütchen mit einem weißen Pulver aus seiner Hosentasche und hielt es grinsend vor Stigs Nase. Er zog ihn hinter sich her aufs Klo, wo sie das Zeug schnieften, noch ehe Stig irgendwelche Einwände vorbringen konnte. Speed war die ultimative Befreiung, nein, mehr als das, es überwältigte Stig und gab ihm das Gefühl berauschender Unüberwindlichkeit. Ræzor war total aus dem Häuschen, als sie »I Wanna Be Your Dog« von den Stooges spielten, während Stig an diesem Abend kaum noch etwas tat. Er stand bloß am Tresen, grinste breit und genoss es zum ersten Mal, so groß zu sein, dass er die ganze, bis zum Rand gefüllte Bar überblicken konnte. Er hatte immer gedacht, dass seine Größe ihn für die höhnischen Blicke der anderen exponierte, doch jetzt war er es, der die Menschen beobachtete und bewertete Details ihrer Kleidung, ihrer Haare. Er hörte auch Bruchstücke ihrer Gespräche. Sie redeten über Kunst und über etwas, das Bowie gesagt hatte, und über die Frage, welche seiner Platten die wichtigste war. Die Energie, die die Menschen ausstrahlten, war beinahe mit Händen zu greifen, und immer ging es um Kunst und Musik. Manchmal begannen auch einer oder mehrere, wie besessen zu tanzen, und vielleicht waren sie das auch wirklich – besessen.

Ræzor spielte Schlagzeug in einer Band und kannte fast alle im Floss. Er stellte Stig vor und half ihm, die richtigen Klamotten anzuziehen, zum Beispiel schwarze statt blauer Levis. Dann rasierte er ihm an einem Sonntagvormittag auf einem Stuhl in der Griffenfeldsgade die Seiten des Schädels, färbte den verbliebenen Kamm schwarz und zeigte Stig, wie man Eyeliner auftrug.

Sie gingen auf Punkkonzerte, auf denen Stig die für ihn neue Erfahrung machte, dank Alkohol und Speed auch selbst vollkommen auszurasten. Er kündigte seine Arbeit und bezog Stütze, was auch nicht viel weniger Geld war. Er wollte nichts mehr erreichen.

Eines Abends war er im Saltlageret auf einem Konzert der Gruppe Before. Etwas Vergleichbares hatte er nie zuvor erlebt. Der Sänger war dünn und rothaarig und wirkte vollkommen fertig. Später fand er heraus, dass der Mann Fritz Fatal hieß. Fritz lief vollständig Amok, weshalb Stig auf diesem Konzert mehrmals dachte, dass Fritz den Abend nicht lebend überstehen würde. Trotzdem fühlte er sich ungeheuer verbunden mit ihm und nahm all seine Energie auf. Jedes Mal, wenn Fritz zu Boden ging oder zu zittern begann, spürte Stig ein umso größeres Selbstvertrauen.

Ræzor fragte irgendwann, ob Stig nicht mit in seiner Band spielen wolle, ihnen fehle ein Bassist. Stig sagte, dass er Gitarre und nicht Bass spiele, aber Ræzor meinte, das sei egal.

»Das Wichtigste ist, dass du nasty aussiehst.« Ræzor hörte einen Moment lang der Musik zu und lachte dann laut. »Überhaupt, so könnten wir dich nennen. Nastig.«

Stig realisierte schnell, dass er eigentlich zu den besten Musikern der Band gehörte. Sie übten dreimal die Woche in einem Lokal des Gymnasiums in Rødovre und nannten sich Kronisk Kampe, später dann nur noch Kronisk. Ib, der sich Ib Ned nannte, war der Sänger. Auch er verausgabte sich bei den Proben und den wenigen Konzerten und war anschließend immer so fertig, dass er nur noch zitternd auf dem Boden des Übungsraums sitzen konnte. Ib Ned war auf Heroin, funktionierte anfangs aber noch ganz gut, weil seine Familie Geld hatte; seine Eltern waren die Besitzer des renommierten Fischgeschäfts am Højbro Plads. Bei den Auftritten schnitt er sich manchmal selbst, und einmal mussten sie ihn anschließend sogar ins Krankenhaus bringen. Er hatte eine wichtige Ader unter der Brust verletzt. Sie mussten wie Aliens ausgesehen haben, oder wie Leute aus der Zukunft, als sie mit dem halb nackten Ib ins Krankenhaus getaumelt waren.

Stig und Ræzor blieben die ganze Nacht im Krankenhaus und diskutierten darüber, ob Bowie mit der Young Americans-Platte aus dem Jahr 1975 seine Ideale verkauft hatte. Ræzor war überzeugt davon und diskutierte so wild, dass Ib irgendwann die Schnauze voll hatte, sich den Tropf aus dem Arm zog und wütend aus dem Krankenhaus marschierte. Stig und Ræzor blieben in der Klinik, denn eine der Krankenschwestern – sie kannten sie aus dem Floss – hatte ihnen zum Frühstück Zigaretten und etwas zu essen versprochen.

Ib war immer häufiger komplett stoned, trotzdem liebten die Leute ihn. Mit der Zeit hatten aber Stig und Ræzor in der Band das Sagen, und irgendwann sagte Ræzor etwas, dass Stig nie mehr vergessen sollte.

»Wenn die Atombombe fällt, wird es ein paar Wochen dauern, bis wir alle an der Strahlenkrankheit eingehen. Und dann, in diesen Wochen, spielen wir das ultimative, letzte Konzert. Und darauf müssen wir uns vorbereiten.«

Ib Ned lebte Ræzors Visionen. Er bespuckte das Publikum und provozierte mehrmals mitten im Auftritt irgendwelche wilden Prügeleien. Aber auch Stig genoss die Zeit und das Gefühl, auf der Bühne zu stehen und die Musik durch den Körper fließen zu lassen. Nein, ganz so stimmte es nicht Er stand auf der Bühne, und die Töne regneten über ihn wie die Pisse von Tausenden von Todesengeln, während der Rhythmus in sein Knochenmark vordrang und wie Spasmen durch seine langen Beine jagte.

Sie spielten ein paar Mal im Gymnasium und in anderen Hallen, einmal sogar im Saltlageret als Vorgruppe einer deutschen Band, bis sie schließlich ihr legendäres Konzert im Gammel Kongevej 13 AB gaben, wo auch Sods und No Knox spielten. Nach anderthalb Jahren löste die Band Kronisk sich auf, weil Ib Ned nach Berlin zog, um voll und ganz in die Junkieszene einzutauchen und ansonsten nur noch Gedichte zu schreiben. Stig hatte immer angenommen, dass Ib an einer Überdosis gestorben war oder irgendwo an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln Selbstmord begangen hatte. Doch viele Jahre später traf er ihn im Irma in Birkerød, wo er mit seiner Frau und seinen drei Kindern wohnte. Er war Zahnarzt geworden. Es stellte sich heraus, dass er nicht nach Berlin gegangen war, sondern in eine Kleinstadt in Bayern, wo sein Onkel wohnte. Er war durch die bayerischen Berge gewandert und clean geworden. Ib behauptete, dass er das nicht nur der sauberen Bergluft, sondern vor allem Heideggers Sein und Zeit zu verdanken habe. Er hieß jetzt Ib Aksel Nedergaard.

Damals zählte für Stig nur die Musik, und so war es ganz natürlich, dass er den anderen Bands in der Szene nach dem Ende von Kronisk half. Er trug das Equipment für sie und arrangierte Konzerte. Er hängte Plakate auf und kümmerte sich um Licht und Sound.

Natürlich war es nicht dasselbe, selbst zu spielen oder zu denen zu gehören, die zuhörten oder halfen, aber diese Unterschiede waren unwesentlich, denn alle gehörten sie zur selben Szene, zur selben Bewegung. Sie waren wie ein Ameisenhaufen, in dem die Ameisen unterschiedliche Funktionen innehatten, aber alle dasselbe Ziel verfolgten. Alle respektierten einander, und die Drogen stärkten das Gemeinschaftsgefühl in der Szene und grenzten sie von den anderen ab. Stig lief in seinen schwarzen Klamotten und der Ray-Ban-Sonnenbrille durch die Stadt, und wenn er nicht auf Speed war, wusste er dieses Gefühl zu genießen und auszukosten. Er war nicht mehr einfach nur Stig, er war Nastig oder Stiggy. Die Menschen begegneten ihm mit Respekt, vielleicht auch mit Furcht oder Abscheu, und wenn er von Skins Prügel bezog, wie es ihm einmal nachts am Triangel widerfahren war, geschah dies nicht, weil er hässlich oder schwach war, sondern weil er sich dazu entschieden hatte, die Kleider zu tragen, die er trug, und Nastig zu sein. Die Punkszene war für alle Anzugträger und besonders die Ökos mit ihren Vollbärten und Norwegerpullovern wie ein ausgestreckter Mittelfinger. Stig stand endlich auf der richtigen Seite. Auf der anderen waren die Kleinbürger, die mit ihren fettigen Händen und runden Köpfen in ihren pragmatischen Scheißleben feststeckten. Stig lebte den Augenblick, darüber hinaus gab es nichts, das es wert gewesen wäre, sich damit zu beschäftigen. Sein Leben hatte kein Ziel, er musste nichts erreichen. Für ihn gab es nur den großen, funkelnden, lärmenden, mutierenden Moment, in dem er sich befand.

Anfangs waren die Drogen etwas Positives. Ja, sogar die Tragödien, die sie mit sich brachten. Heroin war wie Speed nur eine andere, noch intensivere Energie. Die Drogen gaben dem Augenblick eine neue Intensität, betonten das Künstlerische daran. Nicht nur für die, die sie nahmen, sondern auch für alle anderen. Alle großen Musiker nahmen Heroin oder waren schon mal auf Heroin gewesen, und ihre Musik war dadurch nur noch besser geworden. Ein Mädchen im Floss fing an, anschaffen zu gehen. Sie hieß Unni. Sie war eine der Ersten aus der Szene, die sich Männern in Vesterbro anboten, um Geld für die Drogen zu haben. Ihr Leben und Leiden wurde schlagartig ein Teil der Szene und betraf alle, weil es dem Ganzen noch eine Dimension hinzufügte. In gewisser Weise opferte sie sich für alle anderen, für die Bewegung, die sie losgetreten hatten, auf jeden Fall musste sie im Floss nie mehr ihre Getränke zahlen. Sie war die Nutte unter den Ameisen, und auch sie wurde im dystopischen Floss-Haufen gebraucht. Die Bands schrieben Lieder über und für sie.

Die Musiker und Künstler waren damals ganz anders als die Künstler, die Stig heute repräsentierte. In den Achtzigern wurde die Kunst viel wichtiger genommen. Musik war etwas Wesentliches, alles hatte Bedeutung, die ganze Szene. Stig liebte die Musiker und bewunderte ihre Radikalität, ihren Mut und ihre Kompromisslosigkeit. All das, was sie gaben. Sie opferten ihr Leben für einen Auftritt, ob sie nun vor ein paar Hundert Menschen spielten oder vor zwanzig. Es gab keine Risikoanalyse, keinen Karriereplan, keine Überlegungen für die Zukunft oder auch nur den nächsten Tag. Es gab nur das Hier und Jetzt, keine anderen Verpflichtungen, als dem Augenblick seine gesamte Energie zu entlocken.

Stig war einmal auf einem Konzert, bei dem die Hose des Sängers blutgetränkt war, weil dieser sich unmittelbar vor dem Auftritt für 500 Kronen im H.C. Ørstedsparken in den Arsch hatte ficken lassen. Der Sänger erzählte das zwischen zwei Songs, unterbrach das Konzert aber nicht, sondern sang einfach weiter. Mit noch mehr Ekstase und Energie als sonst. Die Leute flippten komplett aus. Stig erinnerte sich an seine Bewunderung für die Band und diesen Sänger. Er stand im Publikum, aber die Leute wussten, dass er die Band persönlich kannte, was ihn mit Stolz erfüllte. Stolz, ein Teil des Ganzen zu sein. Er war im inneren Kreis angekommen, wenn auch vielleicht am Rand des inneren Kreises.

Hübsche Frauen redeten mit ihm und setzten sich auf seine harten, dünnen Beine, wenn er nach den Konzerten mit den Bands Bier trank. Er liebte die Menschen, mit denen er zusammen war. Sie gingen ihren Weg bis ganz zu Ende, schreckten vor nichts zurück und ließen ihn frei sein. Er selbst machte nicht viel, aber das war gar nicht nötig, denn sie taten es für ihn. Sie zogen ihn mit sich, wenn sie auf ihren Konzerten für legendäre Augenblicke sorgten, die niemand je vergaß. Augenblicke, die sie, ihn und alle Konzertbesucher für immer definierten. Egal, ob es Bowie war, Velvet Underground, Roxy Music, Iggy Pop, Stooges, Joy Division oder all die anderen, deren Namen vielleicht nicht so bekannt waren, die aber trotzdem alles gaben, die Energie war dieselbe.

In dieser Zeit entwickelte Stig, ohne sich selbst darüber bewusst zu sein, das charakteristische, laute Lachen, das ihn für immer prägen sollte. Ein Lachen, das nicht ansteckend war und auch niemanden zum Lächeln brachte, sondern eher verächtlich klang, höhnisch. Die Karikatur eines Lachens, wie man sie bei Figuren aus Zeichentrickfilmen fand. Nastig lachte so. Stigs Lachen hatte zuvor immer nervös geklungen, besonders wenn er unter Leuten gewesen war, deren Blicke oder Worte ihn wie Ohrfeigen ins Gesicht trafen. Die lauten, heiseren Geräusche, die er jetzt von sich gab, waren vielleicht als ein Fingerzeig in eine bessere, würdigere Richtung zu deuten, obwohl auch dieses Lachen sicher ein Handicap war.

Stig drückte seine vierte Morgenzigarette aus, öffnete das Fenster des Wintergartens, damit der Rauch entweichen konnte, und ging zurück in die Wohnung. Elisabeth war längst gegangen. Er badete und rasierte sich. Zu so früher Stunde sah sein Gesicht immer älter aus. Die Säcke unter seinen Augen hatten sich im Laufe der Nacht geleert und hingen schlaff herunter, seine halblangen, grauen Haare standen in alle Richtungen ab. Er nahm einen Kamm und kämmte sie nach hinten.

Er zog seinen dunklen Wollmantel an und radelte auf seinem schwarzen Raleigh-Fahrrad zur Galerie in der Bredgade. Es war windig und kalt. Er hatte seine Handschuhe vergessen.

In der Gothersgade stauten sich die Räder, weil ein weißer BMW mitten auf dem Radweg angehalten hatte, sodass niemand vorbeikam. Wie alle anderen fuhr er verärgert auf den Bürgersteig. Eine junge Mutter mit einem Kind auf dem Fahrradsitz musste absteigen und das Rad an dem Auto vorbeischieben. Ihre Tochter warf sich hysterisch hin und her. Stig hätte am liebsten mit der Faust auf das Dach des Wagens geschlagen. Diese Idioten regten ihn auf. Andererseits war der BMW tiefergelegt, ein richtiges Gangsterauto, weshalb er es nicht tat. Er warf aber einen Blick in den Wagen. Der Fahrer telefonierte. Es war ein junger, muslimisch aussehender Mann mit rasiertem Schädel und kleiner Haarinsel ganz oben auf dem Kopf. Eine Militärfrisur, wie sie neunzig Prozent aller jungen Muslime zu haben schienen. Auf jeden Fall die Männer. Der Mann grinste entspannt und saß bequem zurückgelehnt auf dem Fahrersitz. Halt dein blödes Maul, du Idiot, dachte Stig.

Eigentlich hatte er unterwegs in einem Café noch einen Kaffee trinken wollen, aber trotz der in der Sonne stehenden Bänke sah er nun davon ab. Er musste bis zwölf noch einige Mails beantworten, danach wollte er einen albanischen Videokünstler zum Mittag treffen. Es würde ihm aber sicher noch reichlich Zeit bleiben, in der Galerie einen Kaffee zu trinken und ein paar Zigaretten zu rauchen. Und vielleicht konnte er sich auch einen Stuhl auf den Bürgersteig stellen und so doch noch die Wintersonne genießen.

Als er um die Ecke der Bredgade bog, sah er, dass Bujar bereits vor der Galerie stand und auf ihn wartete. Zwei Stunden zu früh. Mist. Er hätte doch in dieses Café gehen sollen.

Bujar war klein wie ein Zwerg und hatte schlechte Zähne. Es heißt, dass man den sozialen Status eines Mannes an dessen Schuhen ablesen kann, bei Künstlern ist das aber anders. Die größten und reichsten Künstler der Welt können in löchrigen, ausgetretenen Schuhen herumlaufen oder in Sandalen voller Farbspritzer. Will man wissen, ob ein Künstler Erfolg hat, muss man auf seine Zähne achten. Haben Künstler schlechte Zähne, sollte man mit ihnen keine Geschäfte machen. Stig hätte daran denken sollen, als er Bujar das erste Mal begegnet war.

Stig lachte sein lautes Lachen, als er Bujar die Hand gab.

»I’m a little bit early because I have an important meeting later«, sagte Bujar.

Stig wollte gar nicht darüber nachdenken, was Bujar vorhatte oder wen er treffen wollte. Es war ihm mehr als egal, außerdem ging er davon aus, dass es eine Lüge war. Aber so brauchte er ihm wenigstens kein Mittagessen zu zahlen.

»It’s fine, Bujar. Please come in.«

Stig servierte frisch gemahlenen Kaffee und schaltete den Computer ein.

Bujar hatte drei Videowerke dabei. Alles Filme, in denen er selbst die Hauptrolle spielte. Im ersten Film, Bad Timing, lief er im Sommer mit Skischuhen, Skianzug und Skiern durch eine Großstadt. Er setzte sich in ein Café, trank etwas in der Sonne und schnallte sich dann die Ski an, obwohl kein Schnee lag. Irgendwann flippte er total aus und warf die Ski frustriert weg. Stig lächelte Bujar an und sagte »Very good«, obwohl es der totale Schwachsinn war.

Bujar nickte, fletschte seine braunen Zähnen und sagte »Climate Change!«

Es musste irgendeine Krankheit im Mund sein, dachte Stig, denn nicht einmal extrem schlechte Zahnhygiene konnte dieses Braun hervorrufen.

»Oh yes, of course«, antwortete Stig und nickte ernst. Bujar lächelte. Der zweite Film hieß Oral Pleasure und lief absichtlich in zu schnellem Tempo. Während des gesamten Films redete Bujar in sein Handy, wobei er alles Mögliche unternahm. Er trug einen Anzug und einen Mantel und wollte damit vermutlich wie ein Geschäftsmann aussehen. Die Sachen sahen aber aus wie aus einem Gebrauchtladen, sodass seine ganze Erscheinung schäbig und irgendwie dreckig wirkte. Bujar aß, während er telefonierte, und nahm dann den Bus, was auch seltsam war, wenn er als Geschäftsmann durchgehen wollte. Es sei denn, in Albanien machte man das so. Er kaufte beim Telefonieren ein und bekam schließlich auch noch einen Blowjob. Man sah es in dem Film, und es versetzte Stig einen Stich, als Bujars kleiner Schwanz plötzlich am unteren Rand des Bildschirms zu sehen war.

»Everything for art«, sagte Bujar grinsend. Sein Atem stank nach Fischabfällen, die irgendwo in einem südeuropäischen Industrieviertel mehrere Wochen in der Sonne gelegen hatten. Die Videos waren Schrott, aber trotzdem nickte Stig anerkennend und lachte sein schneidendes, lautes Lachen, wofür er sich selbst hasste. Der letzte Film war kurz. Er hieß Making Art. Bujar stand darin nackt auf einem Feld. Er trank aus einem großen Krug Wasser, ohne abzusetzen, und als der Krug halb leer war, begann er zu pinkeln. Er trank dabei weiter, bis der Krug leer war und schließlich nur noch die Pisse lief. Es war ein feiner, kurzer Film. Der kleine, nackte Bujar hatte darin etwas Rührendes. Ein zentraleuropäischer Hobbit auf einem nassen, dunklen Acker. Man konnte tatsächlich auf den Gedanken kommen, dass es kleine Wesen wie Bujar waren, die die Felder düngten und fruchtbar machten. Außerdem war das Timing perfekt, es sah wirklich so aus, als liefe das Wasser nur durch ihn hindurch. Er musste vor der Aufnahme ungeheure Mengen Wasser getrunken haben.

»That’s really good, Bujar«, sagte Stig aufrichtig und versuchte, nicht zu überrascht zu klingen.

»Yes, it’s a corpus, the three films together.«

»Yes, yes, of course.«

Neben den Installationen hatte Bujar Zeichnungen von Strichmännchen gemacht, die auf alle nur erdenklichen Weisen Sex hatten. Stig wusste, dass diese Zeichnungen wertlos waren, er machte sich aber keine Gedanken darüber. Vielleicht hatte er im Laufe seines Galeristenlebens so viel Blödsinn gesehen, dass er es nicht mehr bemerkte. Wie die Einwohner bestimmter Städte auf dem Land den Güllegestank auch nicht mehr wahrnahmen.

Als Bujar gegangen war, setzte Stig sich endlich mit einer Tasse Kaffee auf den Bürgersteig in die Wintersonne. Danach wollte er in den Laden an der Ecke und sich ein bisschen Käse und Schinken, ein paar Cornichons und drei Brötchen kaufen.

Kapitel 2

Elisabeth und das RAID

Elisabeth arbeitete in Nørrebro in der Fakultät für Neurowissenschaften. Auf dem Weg zur Arbeit kam sie an den Absperrungen der Einwandererzone am Ende des Tangensvej vorbei. In der Fakultät angekommen, holte sie sich einen Kaffee, begrüßte ihr Team und verschwand in ihrem Büro. Sie hatten gerade ein langjähriges Projekt abgeschlossen, in dem sie Mäuseföten menschliche Stammzellen eingesetzt hatten, um so das Potenzial der Stammzellentherapie zu untersuchen. Konkret war es um die Frage gegangen, ob damit bislang unheilbare Krankheiten wie Huntington, Parkinson oder Alzheimer behandelt werden könnten. Die untersuchten Proben aus dem Hirngewebe der erwachsenen Mäuse hatten ebenso eindeutige wie interessante Ergebnisse geliefert, auch wenn noch vieles unklar geblieben war. Die mit Stammzellen behandelten Mäuse waren deutlich intelligenter als die Tiere der unbehandelten Vergleichsgruppe. Bis zu viermal schneller hatten sie die ihnen gestellten Aufgaben gelöst. Noch interessanter im Hinblick auf die mögliche Behandlung von Menschen war aber die Tatsache, dass aus den dreihunderttausend Stammzellen, die sie den Mäuseföten eingesetzt hatten, zwanzig Millionen Zellen bei den erwachsenen Tieren geworden waren. Die Humanzellen überlebten also nicht nur, sondern teilten sich und übernahmen Teile des Hirns. Besonders interessant war dabei die Tatsache, dass es sich bei den eingesetzten Zellen nicht um Neuronen gehandelt hatte, sondern um sogenannte Gliazellen, denen man bisher für die Funktion des Gehirns weniger Bedeutung beigemessen hatte. Da Elisabeth schon in früheren Studien darauf hinweisen hatte können, dass Gliazellen eine wichtige und noch relativ unbekannte Rolle für gesunde, gut funktionierende Hirne spielten, hatte man sich entschlossen, diese Zellen auch für die nun abgeschlossene Versuchsreihe zu nutzen.

Das menschliche Gehirn ist aus Neuronen und Gliazellen aufgebaut. Neuronen sind zuständig für unsere Gedanken und unsere Persönlichkeit. Ein menschliches Gehirn besteht aus mehr als hundert Milliarden Neuronen, die miteinander kommunizieren. Jedes einzelne Neuron hat Tausende von Verbindungen zu anderen Neuronen. Neuronen entsenden kleine, elektrische Impulse, die an den Synapsen geringe Mengen chemischer Stoffe freisetzen. Bei den Synapsen handelt es sich um mikroskopisch kleine Zwischenräume zwischen den Verbindungslinien der Neuronen. Wenn wir Matheaufgaben lösen, entsteht im Gehirn eine ganz bestimmte Struktur, eine spezifische Verbindung zwischen den Neuronen, die sich sofort wieder ändert, wenn man etwas anderes macht. Fühlt man sich bedroht, gibt es dafür eine bestimmte Struktur, wie auch für das Laufen, für die Liebe und so weiter. Das Gehirn ist ein neutrales Netzwerk aus Milliarden von Zellen, die beständig Tausende von Milliarden von Verbindungen herstellen – mehr, als es Sterne im Universum gibt. Das Gehirn verbraucht dabei in etwa die gleiche Menge Strom wie ein tragbarer Computer.

Bei den Gliazellen, die Elisabeth und ihr Team den Mäusen injiziert hatten, handelte es sich in gewisser Weise um Hilfszellen der Neuronen, die dafür sorgten, dass die Verbindungen auch richtig funktionierten. Des Weiteren wird in den Gliazellen die Cerebrospinalflüssigkeit hergestellt, in der das Hirn gebettet ist. Die Zellen regulieren den Säuregrad im Gehirn und sorgen im Allgemeinen für optimale Bedingungen für die Neuronen. Es gibt verschiedene Gliazellen, aber diejenigen, die sie den Mäusen injiziert hatten, entwickelten sich zu Astrozyten, sternförmigen Zellen mit Fangarmen, die den Neuronen helfen, Verbindungen miteinander aufzunehmen. Elisabeth sah in den Astrozyten so etwas wie ein Schmiermittel für das Gehirn. Ihr Versuch zeigte, dass die menschlichen Astrozyten die kleineren, mauseigenen Astrozyten verdrängten.

Elisabeth sah sich noch einmal die Datensätze an, die ihre PhD-Studenten erstellt hatten. Sie wollte die Analyse selbst noch einmal durchgehen, ohne ihnen dies mitzuteilen, denn sollten sie Fehler gemacht haben, würden diese Fehler ihr angelastet werden. Sie überprüfte immer alle Datensätze.

Es würde einen Monat dauern, alle Daten zu verifizieren, und dann sicher noch einmal ein Jahr, die entsprechenden Artikel darüber zu schreiben, obwohl sie sich darauf verstand. Elisabeth hatte früh erkannt, was man tun musste und was wichtig war. Dieser Tatsache hatte sie es zu verdanken, dass sie schon mit vierzig Professorin geworden war. Viele ihrer Kollegen, durchaus fähige Leute, hatten nie verstanden, wie sehr es darauf ankam, sein Wissen zu dosieren, damit man auf Basis der Resultate so viele Veröffentlichungen wie nur möglich verfassen konnte. Viele waren der Meinung, es gehe darum, den einen Superartikel zu schreiben, aber ein solches Vorgehen war das reinste Lotteriespiel. In der Regel überlebte man damit in einer Akademie wie der ihren nicht lange, und ganz sicher wurde man so nicht Professor.

Mit ihrer Karriere war es unaufhaltsam bergauf gegangen. Mit jeder Beförderung hatte sie mehr Freiheit, mehr Geld oder leichteren Zugang zu den interessantesten Forschern in ihrem Themengebiet bekommen.

In letzter Zeit hatte sie sich zu fragen begonnen, worauf sie im letzten Teil ihrer Karriere noch Lust hatte. An der Universität konnte sie nicht viel weiter kommen – und auch international war es kaum möglich, die Leiter noch eine Stufe höher hinaufzuklettern. Sie zählte in ihrem Fachgebiet zu den am meisten zitierten Wissenschaftlern weltweit, was in Anbetracht der Tatsache, dass sie ihr ganzes Leben in Dänemark geforscht hatte – mit dem entsprechend begrenzten Budget –, mehr als gut war. Was also war ihr Ziel? Sie sah aus dem Fenster, aus dem sie auf drei verschiedene Betonmauern blickte die Wand des Hauses unmittelbar gegenüber, die eines anderen, etwa fünfzig Meter entfernt, und schließlich noch die des neuen Gebäudes, das noch etwas weiter entfernt gerade erst errichtet worden war. Es konnte stürmen oder vollkommen windstill sein. Von alldem bekam sie in ihrem Büro nichts mit. Sie öffnete das Fenster. Die Luft strömte herein und wirbelte ein paar Unterlagen von ihrem Schreibtisch. Sie legte sie zurück und beschwerte sie mit ihrer Tasse. Dann schloss sie die Augen und atmete tief durch, aber auch die Luft wirkte irgendwie künstlich, wenn sie erst in ihrem Büro war. Was war das eigentlich für ein seltsames Experiment, Menschen in Städten wohnen zu lassen, ohne jede Natur, wenn man doch wusste, dass sie mindestens die letzten zweihunderttausend Jahre draußen in der Natur verbracht hatten. Und da hatte man die frühen Formen der Menschheit noch gar nicht berücksichtigt. Aus evolutionsbiologischem Blickwinkel war das wirklich grotesk. Gehirn und Körper des Menschen hatten sich entwickelt, um in der Natur zurechtzukommen, Menschen sollten sich in großen Städten nicht wohlfühlen, und vermutlich war das auch so. Vielleicht war Emma deshalb krank geworden. Vielleicht war sie in Wahrheit nur ein ganz normales Mädchen in einer unnormalen, inhumanen Umgebung? Sie schloss das Fenster, hörte aber noch eine Reihe von Polizeiwagen in hohem Tempo über den Tagensvejen fahren. Sicher auf dem Weg zur Einwandererzone in Nørrebro, vermutlich gab es dort wie so oft Krawalle.

Der Anschlag auf die Carolinenschule, bei dem sechs Kinder und vier Erwachsene ums Leben gekommen waren, lag gerade einmal zwei Jahre zurück. Im selben Jahr hatten vier Dschihadisten den Louvre angegriffen. Drei von ihnen hatten sich mit Messern Zugang zum Museum verschafft und im Innern des Museums eine Bombe gezündet. Der vierte hatte sich und zahlreiche Besucher draußen vor dem Eingang in die Luft gesprengt. Der Anschlag kostete zweiundsechzig Menschen das Leben, überdies verlor die Welt unschätzbare Kunstwerke, unter anderem die Mona Lisa, auf die die Terroristen es ganz gezielt abgesehen hatten. Dann hatte es die Schießerei im Casino Logo in Hamburg gegeben, bei der zweiundfünfzig Menschen umgekommen waren, gefolgt von dem Anschlag mit dem Lastwagen auf den Markt Naviglio Grande in Mailand, wo vierunddreißig Menschen starben. Der Abschluss war der Bombenanschlag auf The Den in Bermondsey im südlichen London, das Heimstadion von Millwall, bei dem ganze dreihundert Menschen den Tod fanden.

Europa hatte sich im Laufe von zwei Jahren dramatisch verändert, und damit auch das Bild, das man von den Muslimen hatte. Was nicht nur mit den Terroranschlägen zusammenhing. Auch nicht damit, dass Muslime in den Gewalt- und Kriminalitätsstatistiken überrepräsentiert waren, oder mit der Tatsache, dass die dritte Generation der Einwanderer in den Schulen ebenso schlecht zurechtkam wie ihre vor Jahrzehnten eingereisten Großeltern. Eine ganz neue Erkenntnis hatte sich Bahn gebrochen Europa befand sich im Krieg mit dem Islam, und dies nicht, weil die Europäer sich das wünschten, sondern weil die meisten Muslime dies so sahen.

Elisabeth hatte diese Entwicklung erst in Zusammenhang mit den Untersuchungen nach dem Bombenanschlag auf die Carolinenschule bemerkt. Die beiden Schuldigen waren ein siebenundzwanzigjähriger Däne marokkanischer Abstammung und ein einundzwanzigjähriger Däne mit palästinensischen Wurzeln. Die beiden hatten sich mit Küchenmessern gewaltsam Zugang zur Schule verschafft und sich selbst auf dem Schulhof in die Luft gesprengt. Die Analysen des Sicherheitsdienstes zeigten schließlich, dass mindestens vierzig Menschen im Mjølnerparken, wo die Terroristen wohnten, von deren Plänen gewusst hatten, ohne versucht zu haben, sie aufzuhalten oder die Polizei zu informieren. Die Menschen im Milieu kannten die Pläne, unschuldige Kinder zu ermorden, trotzdem hatte niemand eingegriffen. Diese Tatsache war von größerer Bedeutung als der eigentliche Anschlag, zeigte sie doch, dass Sympathie und Akzeptanz für derartige Terroranschläge unter den ganz normalen Muslimen weitverbreitet war, wie verrückt die Anschlagspläne der Dschihadisten auch sein mochten.

Zwei Wochen nach dem Anschlag hatte es eine Gedenkfeier für die Toten gegeben, auf der Ministerpräsidentin Mette Frederiksen eine historische Rede gehalten hatte, die erste ihrer Art. Sie forderte darin nämlich nicht zu Besinnung und Versöhnung auf, sondern verlangte stattdessen, dass die Muslime Farbe bekannten und sich öffentlich vom Terrorismus distanzierten. Taten sie das nicht, würde man sie als mitschuldig betrachten. Vermutlich hat kein Ministerpräsident zuvor jemals solche Beifallsstürme geerntet wie sie an diesem Abend, denn sie sprach genau die Wut an, die sich in den Menschen aufgestaut hatte. In den Wochen danach unternahm die Polizei Hausdurchsuchungen in Hunderten von Wohnungen in den dänischen Gettos. Überall im Land kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Bewohnern.

Gleichzeitig begannen rechtsradikale Gruppierungen, Muslime auf offener Straße zu überfallen, ihre Opfer waren insbesondere Männer mit langen Bärten und verschleierte Frauen. In manchen Fällen gerieten diese Konfrontationen zu regelrechten Straßenschlachten in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Vierteln. Die Polizei versuchte erfolglos, die Konfliktparteien zu trennen, sodass schließlich das Militär eingesetzt werden musste. Ähnliche Konflikte entwickelten sich in vielen anderen europäischen Ländern. Das Militär patrouillierte durch die Gettos, und auch wenn die offizielle Erklärung für die Anwesenheit des Militärs der Schutz der muslimischen Mitbürger war, fühlten die Muslime sich eingesperrt, sodass es schließlich allabendlich zu Auseinandersetzungen zwischen jungen muslimischen Männern und Soldaten kam. Die Unruhen wurden in den Medien breitgetreten, und Elisabeth hatte die dramatische Entwicklung wie alle anderen intensiv verfolgt. Die jungen Muslime warfen mit Steinen und Molotowcocktails, und manchmal beschossen sie die Soldaten sogar mit Pistolen. Die Soldaten durften das Feuer natürlich nicht erwidern, schließlich standen ihnen ja größtenteils minderjährige Zivilisten gegenüber. Das Militär versuchte deshalb, die Angreifer mit Gummigeschossen und Wasserwerfern in Schach zu halten, was sich als nicht sonderlich effektiv erwies, weshalb die Soldaten oft zurückweichen mussten und die Kämpfe sich immer häufiger auch auf normale Wohnviertel ausdehnten. Die Situation wurde zunehmend untragbar. Schließlich entschloss man sich dazu, Stacheldrahtzäune um die Gettos zu ziehen und bewachte Ausgänge einzurichten, wo man sich einer Leibesvisitation unterziehen und seinen Ausweis vorzeigen musste, um passieren zu dürfen. Die Maßnahme dämpfte die Konfrontationen und führte dazu, dass die Kämpfe sich nunmehr nur noch innerhalb der Gettos abspielten.

Die europäische Bevölkerung forderte immer lauter, dass die Außengrenzen für Flüchtlinge und Einwanderer geschlossen wurden. Gleichzeitig wollte man aber auch die Kontingente einhalten, da die sonst drohenden Konsequenzen unüberschaubar waren. Denn was würde passieren, wenn die Nachbarländer der Konfliktregionen, die nach wie vor die meisten Flüchtlinge aufnahmen, ihrerseits auch nicht mehr bereit wären, ihre Kontingente einzuhalten? Würden sich dann Millionen von Flüchtlingen auf den Weg nach Europa machen und die Länder in ein unabsehbares Chaos stürzen?

Der dänische Staat hatte für die Lösung dieses Problems einen ganz eigenen, innovativen Ansatz. Er pachtete einen Landstrich in der Größe von etwa hundert Quadratkilometern an der Ostküste von Mosambik nördlich von Namula. Das Gebiet hatte Botschaftsstatus, und der Pachtvertrag lief über neunundneunzig Jahre. Dort baute man aus umgebauten Maersk-Containern eine Stadt mit Platz für dreihunderttausend Menschen. Hier wollte Dänemark in Zukunft seine Flüchtlinge empfangen. Die auf dem Pachtgrund neu errichtete Stadt hieß Frederiksstad. Sie war ein Flüchtlingslager, eine Flüchtlingsstadt, die aber eine sichere und perspektivreiche Alternative zu den bedrohten Leben in den Heimatländern der Flüchtlinge darstellte. Jedem Bewohner wurde ein kleines Containerhaus mit einem ebenso kleinen Garten zugewiesen. Es gab Straßen und Plätze wie in einer richtigen Stadt, Krabbelstuben, Kindergärten, Schulen, Gymnasien und Universitäten. Es gab ein Rathaus, ein Gericht und eine Polizeistation. Ein Versammlungshaus und diverse Freizeitaktivitäten Theater, Kino, zwei Schwimmbäder und Kunstrasenplätze mit Flutlicht. Auch Banken und Versicherungen siedelten sich an. Darüber hinaus gab es vier Moscheen. Mit der Zeit sollte sich ein stabiles Wirtschaftssystem bilden, die Ländereien rund um die Stadt sollten bestellt werden, damit die Leute auch weiterhin in der Landwirtschaft arbeiten und die Bevölkerung selbst ernähren konnten. Noch bevor Frederiksstad fertig gebaut war, hatten die meisten europäischen Länder das dänische Flüchtlingsstadtmodell kopiert.

Kopenhagen war in der letzten Zeit immer militärischer geworden. Abends, wenn sie ins Bett gingen, hörte Elisabeth oft die schweren Militärfahrzeuge durch Christianshavn in Richtung Urban Planen rollen. Die Geräusche verhießen nichts Gutes, sie klangen wie die Mobilmachung für einen bevorstehenden Krieg. Elisabeth wollte raus aus der Stadt. Sie wollte an einen Ort, an dem Ruhe und Frieden herrschten.

Noch einmal streckte sie die Hand nach dem Umschlag aus, der auf ihrem Schreibtisch lag. Auf dem Absender stand dick RAID. Sie nahm das Schreiben heraus. Es war zehn Seiten lang. RAID stand für Research in Artificial Intelligence and Drones. Es war eine neue dänische Forschungseinheit, die ihr eine attraktive Stellung auf Lolland anbot. Das RAID war inspiriert vom Forschungszentrum DARPA (The Defense Advanced Research Project Agency) in den USA, das unter Präsident Obama ein kleineres Vermögen an Forschungsgeldern bezogen hatte. Das RAID sollte zwei verschiedene Themengebiete erforschen künstliche intelligente Systeme und die Entwicklung von Drohnen und Robotern, samt einer Kombination aus beiden. Besonders aufsehenerregend fand sie, dass sie mit dem DARPA kooperieren wollten, denn das DARPA war in Verruf geraten, unseriöse Forscher zu beschäftigen, die sich unrealistische, unerreichbare Ziele gesetzt hatten, nur um noch mehr Forschungsgelder zu bekommen. Die meisten Wissenschaftler verachteten die DARPA-Leute, weil ihre eigenen Projekte verglichen mit den DARPA-Projekten verblassten – und das, obwohl sie häufig realistischer und interessanter waren. Gleichzeitig waren alle aber auch neugierig darauf, ob sie im DARPA tatsächlich erreichen konnten, was sie sich vorgenommen hatten. Schon die Hälfte wäre eine Sensation gewesen. Außerdem waren alle neidisch auf die Forschungsbudgets des DARPA.

Ein dänischer IT-Milliardär, Morten Lund, führte die Gruppe der Investoren an, die in das RAID eine Milliarde investieren wollten. Es sollte ein interdisziplinäres Umfeld geschaffen werden, in dem die Hirnforschung ein wichtiger Bestandteil war. Elisabeths Freund und Mentor, James McIntyre – er war Professor an der Cornell University im US-Bundesstaat New York –, hatte ihr persönlich geschrieben und unterstrichen, wie sehr sie explizit an ihr interessiert waren, weil sie eine der renommiertesten Hirnforscherinnen der ganzen Welt sei. Seine schmeichelhaften Worte rührten sie.

Nahm sie die Stelle am RAID an, würde sie mit den besten Wissenschaftlern der Welt zusammenarbeiten können. Viele kannte sie bereits persönlich. Und neue Fachgruppen würden hinzukommen und mit ihnen kooperieren IT-Leute, Immunologen, Neurobiologen, Ingenieure und gewöhnliche Erfinder. Ihre Aufgabe wäre es, Systeme mit genereller Intelligenz zu entwickeln; intelligente Netzwerke, die nicht darauf beschränkt waren, spezifische Aufgaben zu lösen und ihr Wissen in einem begrenzten Umfeld zu entwickeln, sondern die interagierten, voneinander lernten und so Aufgaben in vielen verschiedenen Zusammenhängen und Milieus lösen konnten.

Es kribbelte in Elisabeths Bauch, als sie den Brief vom RAID las. Nichts auf der Welt würde sie lieber tun, als diesen Job anzunehmen. Aber sie konnte nicht, denn Stig wollte nicht umziehen, weil er meinte, auf Vernissagen von talentlosen Künstlern gehen zu müssen. Es war wirklich lächerlich. Sie sah Stig vor sich, wie er, viel zu laut lachend, in irgendeiner unbedeutenden Galerie stand.

Sie trank einen Schluck Kaffee. Er war mittlerweile kalt geworden. Es ging gar nicht nur um den Job. Sie spürte, dass auch in ihrem Leben etwas geschehen musste. Entweder nahm sie diese Arbeit an, oder sie ließ sich scheiden, suchte sich einen Lover oder hatte einfach nur Sex mit einer ganzen Reihe von Männern. Ihre Freundin Tone hatte Verhältnisse mit mehreren jungen Männern, obwohl sie seit dreißig Jahren mit einem Historiker verheiratet war. Sie behauptete, es gebe Unmengen von jungen Männern, die auf alte Frauen wie sie abfuhren. Elisabeth hatte ernsthaft darüber nachgedacht. Einmal war sie sogar mit Tone in der Stadt gewesen, aber die Kerle, die sie aufs Korn genommen hatten, waren einfach zu jung gewesen. Sie war nie den Gedanken losgeworden, dass diese Männer Emma kennen könnten oder vielleicht sogar schon mal mit ihr zusammen gewesen waren. Außerdem hatte sie die offene Geilheit und Aufdringlichkeit dieser Männer abgestoßen, trotz der vier Gin Tonic, die sie getrunken hatte. Tone hatte mit einem von ihnen Sex auf der Toilette gehabt, und sie meinte, Elisabeth sei zu wählerisch, sie solle sich einfach gehen lassen. Vielleicht hatte ihre Freundin recht. Ihr Sexleben war nicht gut. Eigentlich inexistent. Schon nach Emmas Geburt war es bergab gegangen, und als Emma zwölf oder dreizehn war und ihre Probleme wirklich Fahrt aufgenommen hatten, war die Intimität zwischen Stig und ihr beinahe vollkommen zum Erliegen gekommen. Sie hatte keine Lust. Sie fand Stig abstoßend. Insbesondere seinen langen, dünnen, unappetitlich rosafarbenen Schwanz. Er sah eher aus wie ein inneres Organ, wie der Schwanz eines Hundes, nur eben länger. Wenn sie gelegentlich doch noch miteinander schliefen, fühlte es sich an, als wühlte Stig mit einem Stöckchen in ihrer Scheide herum, als suchte er da drinnen nach irgendetwas.

Manchmal wünschte sie sich, dass Stig nicht mehr da wäre. Das würde alles so viel einfacher machen. Sie könnte einen anderen treffen. Sie hatte schon öfter darüber nachgedacht. Nur an der Sache mit Emma würde das nichts ändern, und hätte ein neuer Mann Verständnis für Emmas Probleme? Bestimmt nicht in einem solchen Grad wie Stig. Stig liebte Emma, und Emma liebte ihn, da war Elisabeth sich sicher. Er war ein guter Vater. Warum wächst die Liebe zu einem Kind mit den Jahren, während die zu einem Partner verblasst? Sie kannte nicht ein Paar, das schon Jahre zusammen war und dem es immer noch gut ging. Als sie nach dem Abend mit Tone mit dem Fahrrad nach Hause gefahren war, hatte sie darüber nachgedacht, dass sie in all den Jahren nur eine richtige Freundin gehabt hatte – Berit, mit der sie zur Schule gegangen war. Elisabeths Vater war Arzt gewesen, und ihre Mutter hatte sich als Hausfrau um sie und ihre kleine Schwester gekümmert. Sie wohnten in einem gelben Haus in Rungsted. Als Kind hatte sie oft gedacht, dass sie eine normale Familie waren, die in einem ganz normalen Einfamilienhaus wohnte. Erst in der Pubertät wurde ihr bewusst, dass es ihnen besser ging als den meisten anderen. Berit wohnte an der Grenze zur Gemeinde Virum, ihre Mutter trank, weshalb Berit oft bei Elisabeth war. In dieser Zeit hatte Elisabeth ein richtig schlechtes Gewissen für ihre heile Familie und dafür, dass es ihr so gut ging. Es war immer leckeres Essen im Kühlschrank, und ihr Vater arbeitete zwar viel, doch er liebte seine Mädchen und hatte zu Hause niemals schlechte Laune. Elisabeth und Berit begannen, sich schwarz zu kleiden und kräftiges Make-up zu tragen. Sie toupierten sich die Haare, rauchten und ließen sich nicht mehr dazu herab, mit den anderen in der Klasse zu reden. Elisabeth nannte sich nur noch Beth. Beth und Berit waren unzertrennlich, bis sie im Gymnasium auseinanderglitten. Berit war die Schule leid und ging ein Jahr vor dem Abi ab. Elisabeth wusste nicht, was mit ihr geschehen war, und sie hatte es auch nie gewagt, auf Facebook nach ihr zu suchen. Seither hatte sie nie eine richtige enge Freundin gehabt.

Elisabeth blätterte zur letzten Seite des Briefes, auf der die Pläne für Lolland beschrieben wurden. In Wahrheit handelte es sich um eine Annektierung der gesamten Insel. Eine Gruppe von Investoren wollte gemeinschaftlich zehn Milliarden Kronen investieren. Sie hatten ein Konsortium gegründet unter der Leitung von Persönlichkeiten aus der Gemeinde, von Repräsentanten des Wirtschaftsbündnisses Lolland-Falster-Business, einem Vertreter von Vestas in Nakskov und einem Bürgervertreter. Falster war von den Plänen nicht betroffen. Man wollte Nakskov, Sakskøbing, Maribo und die anderen Städte restaurieren. Die Insel sollte zu einem Cutting-Edge-Experiment sowohl für verschiedene Arten grüner Energie als auch für IT-Technologie und Technologieentwicklung werden. Die Landwirtschaft sollte auf ökologische Verfahren umgestellt werden, ja man wollte sogar noch weiter gehen und nur noch nachhaltige Produkte in bestmöglicher Qualität herstellen.