Der Fall Ulrike Guérot -  - E-Book

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Beschreibung

Wissenschaftsfreiheit adé? Wer die zum Teil mit großem, ja exzessivem Eifer vorgebrachten Anwürfe an Ulrike Guérot einordnen will, sollte deren politischen Hintergrund kennen: In einer prominenten Talk-Show- Sendung sprach sich Ulrike Guérot ungeheuerlicherweise dafür aus, dass Diplomatie und Politik vor allem darauf abzielen sollten, die Möglichkeit nach Friedensverhandlungen im aktuellen Krieg in und um die Ukraine auszuloten. Am Tag nach der Ausstrahlung der Sendung wurden mit zunehmenden Verfolgungseifer Plagiatsvorwürfe laut, obwohl ihr Buch "Wer schweigt, stimmt zu" seit dem frühen Frühjahr auf dem Markt und allgemein erhältlich war, wochenlang die Spiegelbestellerliste in oberen Rängen besuchte und in etlichen Medien besprochen wurde. Angebote von Frau Guérot an Kritiker , sich zu einem Austausch, öffentlich oder nichtöffentlich, zu treffen, wurden ausgeschlagen, die Universität Bonn versucht aktuell Ulrike Guérot vom universitären Betrieb zu entfernen. Der vorliegende Band zeichnet diese Geschehnisse nach. Klar wird: Wer stört - wird mundtot gemacht. Wehren wir diesen Anfängen.

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Seitenzahl: 109

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-450-3

1. Auflage

© Westend Verlag GmbH, Neu-Isenburg 2023

Satz: Buchgut, Berlin

Druck und Bindung: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Für alle, die den Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit nicht hinnehmen wollen.

»Wer den Gedanken nicht angreifen kann,greift den Denkenden an.«

Paul Valéry

»Die an den Pranger gestellten (…) werden zwar nicht auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wie das bei den Hexenjagden in der frühen Neuzeit der Fall war. Sie werden ›nur‹ sozial geächtet, aber der soziale Mechanismus, der hier wirksam wird, ist derselbe.«

Irene Poczka, in: »Die Regierung der Gesundheit«

Inhalt

Gabriele Gysi

Vorwort

Heike Egner & Anke Uhlenwinkel

Ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit

Christoph Lövenich

Das »Plagiat« – eine (wissenschaftliche) Betrachtung

Roberto De Lapuente

Der »Fall Ulrike Guérot«: Versuche einer öffentlichen Hinrichtung

Anhang

Dokumentation der öffentlichen Hetze

Chronologische Auswahl der Hetzartikel und sonstige Berichte über Ulrike Guérot

Distanzierung der Universität Bonn

Zuschrift bezüglich der Distanzierung der Universität Bonn von Ulrike Guérot

Erklärung des Westend Verlages im Oktober 2022

Die Autoren

Gabriele Gysi

Umstritten

Was bedeutet das, umstritten sein? Umstritten, der Streit, Streiten, verstritten, gestritten, Abstreiten. Wer ist umstritten und in wessen Augen?

Worüber wird eigentlich gestritten?

Und warum sind immer nur Personen umstritten und nicht Sachverhalte oder empirische Beobachtungen? Warum gelten umstrittene Aussagen an Universitäten nicht als der Neugier, dem Denken und Nachdenken förderlich? Wie kann ein Begriff auf solch merkwürdige Weise zur Diskreditierung von Menschen genutzt und akzeptiert werden?

Es scheint eine allgemeine Klarheit zu geben, die jede andere Position ausschließt. Nur umstrittene Personen können diese Klarheit nicht erkennen. Deshalb müssen sie in ihrem Menschsein angefochten, bestritten werden, umstritten sein. Was sind das für Menschen, die sich nicht mit einer genau vorherbestimmten Sichtweise auf Sachverhalte zufriedengeben? Sie müssen umstritten werden, denn in Unkenntnis des Selbstverständlichen, das Richtige und Gute anzuerkennen, müssen sie auf jeden Fall aus der universitären Landschaft vertrieben werden.

Immer neue Fragen lenken uns ab von sicheren Antworten. Denn wird Sicherheit allseits gebraucht und gepredigt. Da gibt es kein Erstaunen, kein Wundern mehr.

Das Böse ist das Andere, also sind wir gut.

Warum wird diese vorausgesetzte Klarheit, diese scheinbar offensichtliche Trennung zwischen Gut und Böse, richtig und falsch, Wahrheit und Lüge nicht als das gesehen, was sie ist: voraufklärerischer Aberglaube. Dieser Aberglauben verlangt immer neue Wahrheitsbeweise. Sie werden gesucht und gefunden.

Was ist das für eine Gesellschaft, die Faktenchecker hervorbringt, Menschen, denen faktisch die Wahrheit innewohnt, denn sie bieten Wahrheiten für alles, über alles, Gewissheiten zu allen Sachverhalten und Fragen.

Sind sie die Jäger der Umstrittenen?

Aber warum werden Personen mit so einem Eifer gejagt und vertrieben?

Wissen die Jäger, dass sie jagen?

Wissen sie, dass die Vielzahl der medialen Darstellungsmöglichkeiten, solche Menschen anzuprangern, die Intensivierung von Vorurteilen, für die Betroffenen als ein Weg in den Suizid empfunden werden kann?

Falls es den Angeprangerten nicht gelingt, das Umstrittensein abzuschütteln, der Umstrittene annimmt, was behauptet wird, dass er, sie, es die sichere Klarheit der Allgemeinheit nicht verstehen kann, wo wäre dann sein Platz in dieser Gesellschaft?

Oft denke ich beim Anschauen von Talkshows, den Schulen des Fühlens für moderne westliche Menschen, dass die vorgestellten Emotionen gegenüber den Umstrittenen verlangen, das die Streiter gegen die Umstrittenen umgehend die Polizei rufen müssten. Denn eigentlich sind die Umstrittenen als potenzielle Straftäter zu verhaften. Sie fördern Mord und Totschlag! Oft gesagt und, noch schlimmer, auch gemeint. Die Argumente versagen, jetzt schafft sich das Gefühl Raum im umkämpften Terrain der öffentlichen Aufmerksamkeit. Damit tritt an die Stelle des Arguments das Gefühl für das Gute.

Die Kamera läuft, Ton ab: Wir fühlen und kämpfen damit unter Einsatz der gesamten dort zur Schau gestellten Gefühlswelt. Für mich ist dieses Ende der Aufrichtigkeit zugunsten eines aufgeregten authentischen Vortrags kaum zu ertragen. Die politischen Darsteller fühlen sich in die Wahrheit hinein. Die Umstrittenen verweigern den Beifall.

Was ist eigentlich die Aufgabe von Politikern und Journalisten? Sind sie Darsteller der Medienwirklichkeit, sind sie besetzt, wie Akteure im Film, und zum ständigen Vorsprechen verpflichtet?

Besonders Politiker drängen sich auf die Bühne der Öffentlichkeit. Hier zeigen sie in der Erregung durch das Publikum uns ihre Gefühle. Sie verzweifeln auf der Höhe ihrer Emotion am Bösen, an den uneinsichtigen Menschen. Sie sind in ihrer Darstellung der Empörung gegenüber diesen uneinsichtigen Personen zu jedem Gefühlsausbruch vor laufenden Kameras bereit.

Journalisten können im Anschluss die Uneinsichtigen als umstritten beschreiben. Der Gegenstand der Auseinandersetzung ist verloren, die Person steht im Zentrum. Wir finden Schuldige, das wird zur Hauptsache. Sie haben den Beifall verweigert. Jeder klatschende Zuschauer kann sich freuen, nicht umstritten und nicht erwischt zu sein.

Diese vorgelebte szenische Logik ist in und vor meinen Augen ein Kampf gegen menschliches Denken und gegen die menschliche Fähigkeit zur Empathie.

Man kann bei diesem Ausschlussverfahren von unliebsamen Ansichten, Personen, Staaten und Organisationen zuschauen und beobachten, wie immer höhere Brandmauern um das eigene Denken gebaut werden. Damit schleicht sich, als Kampf für Allgemeinwohl getarnte Ausgrenzung, das empörte Gefühl in jedes Leben.

Das ist es, was als Spaltung diese Gesellschaft in ungeahnte Aggressionen treibt.

Denn wir müssen nur noch denken, um recht zu haben. Denken wie andere auch! Damit kann die Berechtigung zum Handeln in Anspruch genommen werden. Damit müssen Handlungen für das von mir, vom Staat, von anerkannten, nicht umstrittenen Organisationen, durch wen auch immer, nur nicht umstritten, nach den von den Medien vervielfältigten Anweisungen berechtigt sein. Jetzt müssen Maßnahmen durchgeführt werden, welche auch immer, es muss sein, denn sie sind unumstritten wahr.

Das wäre das Ende menschlichen Nachdenkens.

Wir müssen aber denken, um etwas zu verstehen. Das müssen wir tun, weil wir nicht wissen. Das Nichtwissen ist die Voraussetzung unseres Denkens. Wie kann eine Gesellschaft das Nachdenken auf Faktenchecker abwälzen? Wann ist dieser Irrsinn ausgebrochen?

Wer erklärt hier wem den Krieg?

Für jeden Schauspieler ist der Versuch, etwas zu verstehen, die Grundlage der lebendigen Simulation von Leben. Vielleicht waren gerade deshalb die Schauspieler mit ihren Szenen im Rahmen der #allesdichtmachen-Aktion zum Lockdown so erfolgreich, witzig und genau, weil sie die Erfahrung und nicht die »unbestrittene Ansicht« schildern.

Aber nicht nur im Schauspiel ist Lebenswirklichkeit Gegenstand der Untersuchung und Ausdruck menschlicher Kommunikation. Die Auseinandersetzung mit der Natur und menschlicher Geschichte und Gegenwart ist für uns Menschen unumgänglich.

Auf keinen Fall sollte der ultimative Schluss menschlichen Nachdenkens den von Terminkalendern gestressten Politikern und Journalisten überlassen werden.

Als Schauspielerin kann ich noch hinzufügen, wir dürfen ihnen auch nicht das kameragerechte Fühlen überlassen. Denn dann wird nicht nur in gleichgeschalteten, Faktenchecker-geprüften Gedanken gedacht, sondern auch im Gleichschritt gefühlt. Dieses transhumanistische Bild menschlicher Beziehungen ist nicht nur eintönig und langweilig, es ist auch unrealisierbar, weil Krieg in jede Lebenssituation getragen wird. Die Konflikte des Lebens sind weder technisch noch durch einseitige Zuweisung von Böse und Gut, wahr und unwahr, lösbar.

Die Politik entzieht sich der Aufgabe des Abwägens und verantwortlichen Entscheidens, stattdessen wird gefühlt und gekämpft gegen Umstrittenes, das in Folge des Kampfes zum Verbotenen reift.

Eine einzige Wahrheit wird postuliert und bis in die Unkenntlichkeit wiederholt.

Das wäre das Ende der Aufklärung und ein tragischer Vorgang für die westliche Welt.

Aber es gibt Menschen, die sich diesem Verlauf in den Weg stellen, die Umstrittenen. Und es gibt Räume, die den Widerspruch fordern sollten. Es gibt einen Ort, der explizit zum Verstehen, nicht zum Rechthaben, als eine zivilisatorische Leistung entwickelt wurde, die Universität.

Die, für deutsche Universitäten, auf Wilhelm von Humboldt zurückgehende Verbindung von Forschung und Lehre bringt Lehre, das Wissen, mit der Forschung, also dem Nichtwissen, in einen institutionellen Zusammenhang.

Wir Menschen forschen, weil wir nicht wissen, aber verstehen wollen und müssen.

Der Sieg der Gewissheit ist eine Niederlage, denn solche Gewissheiten müssen in Propaganda enden. Die öffentlichen Wahrheiten können das Nachdenken nicht ersetzen. Auch Wahrheiten altern und sind vergänglich. Das liegt in der Natur des Menschen und der ständigen Veränderung der Verhältnisse.

Darum danke ich dem Westend Verlag für das Verlegen dieses Buches.

Es ist unverzichtbar Zeugnis abzulegen von den Irrungen und Wirrungen der Zeit, von dem Wahnsinn der Gewissheit.

Aber vor allem bedanke ich mich bei den »#Umstrittenen« für ihre Klugheit und ihren Mut.

Heike Egner & Anke Uhlenwinkel

Ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit

Der »Fall Ulrike Guérot« zeigt pointiert, dass derzeit viel auf dem Spiel steht. Das gesamte Wissenschaftsverständnis von Max Weber1 in dem Sinn, könnte man sagen, dass die Rolle von Wissenschaft grundsätzlich angezweifelt wird. Das mag für den einen oder anderen ein wenig pompös klingen. Das ist es aber leider nicht. Denn in unserer Studie über die »Entlassung oder öffentliche Degradierung von Professorinnen und Professoren«2 beobachten wir mittlerweile nahezu 50 verschiedene Fälle. Mit anderen Worten: Ulrike Guérot ist leider kein Einzelfall. Noch nicht einmal die medialen Entgleisungen sind in ihrer Härte und Art der Diffamierung einzigartig. Allerdings treffen sie eher selten Professoren im Amt, sondern oft eher jene Wissenschaftler, denen der Zutritt zur Universität verwehrt wurde (zum Beispiel Daniele Ganser), die nach der Promotion einen anderen Karriereweg einschlugen (zum Beispiel Gabriele Krone-Schmalz) oder die bereits in Rente sind (zum Beispiel Sucharit Bhakdi). Inwiefern also verweist der »Fall Ulrike Guérot« auf die Gefährdung der Wissenschaft im Ganzen?

Wissenschaft und Wissenschaftsfreiheit

Die Aufgabe von Wissenschaft ist es, ansonsten unverfügbares Wissen3 für den Einzelnen und für die Gesellschaft bereitzustellen. Diese Aufgabe steht gegenwärtig ganz offensichtlich zur Diskussion, sowohl in der Lehre als auch in der Forschung. In der Lehre, weil ihre Qualität nicht daran gemessen wird, ob sie einem aufnahmefähigen Kopf zu selbstständigem Denken verhilft, sondern an der schieren Zahl der Studenten und deren subjektiver Evaluation der Lehrveranstaltungen. In der Forschung, weil ihre Qualität nicht an der möglichst umfassenden Analyse tatsächlicher Verhältnisse gemessen wird, die es erlaubt, die Konsequenzen möglicher Handlungen einzuschätzen, sondern daran, ob sie die aus politischen Gründen erwünschten Handlungen legitimiert. Heute wird der »Erfolg« eines Forschers in der Wissenschaft jedenfalls auch über die Höhe seiner Drittmittel gemessen, also jenen Fördermitteln, die er nicht voraussetzungslos von der Universität erhält, sondern die er über Beantragung bei Förderinstitutionen oder Unternehmen einwerben muss. Ebenso wie Unternehmen haben auch öffentliche Geldgeber Ziele, die sie durch entsprechende Forschung gerne bestätigt oder legitimiert sehen möchten. Die Möglichkeit, über Drittmittel auf die Forschung und Hochschulen Einfluss zu nehmen, ist das Ergebnis entsprechender (hochschul-)politischer Entscheidungen vor allem der letzten beiden Jahrzehnte. Damit sind wir – wieder mit Max Weber gedacht – bei einer Wissenschaft angelangt, die dem Einzelnen und der Gesellschaft keinen Rahmen mehr bietet, in dem die – durchaus auch moralisch begründeten – Handlungen reflektiert und gerechtfertigt werden können. Stattdessen sehen wir uns mit einer Wissenschaft konfrontiert, die von der Politik gestaltet wird.4 Nach Max Weber versinkt eine solche Wissenschaft in der Mittelmäßigkeit.

Wissenschaft (im Weberschen Sinn) lebt dagegen von der Kontroverse: Ein Wissenschaftler muss Dinge denken und sagen dürfen, die nicht notwendig mehrheitsfähig sind. Genau deswegen gibt es die in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes garantierte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre: Dem Grundrecht »liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Wissenschaft, die frei von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen ist, dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient«5. Man muss also die inhaltlichen Standpunkte von Professorin Ulrike Guérot nicht notwendigerweise teilen, um über den Umgang mit ihr empört zu sein: Es handelt sich dabei um einen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit. Höchst erstaunlich ist daher das sehr laute Schweigen aus den Reihen der Wissenschaft selbst. Deutet es darauf hin, dass dieser Eingriff etwas ist, das in den letzten Jahren salonfähig geworden ist? Möglicherweise. Vielleicht schweigen die Kollegen jedoch aus der Besorgnis heraus, selbst aus dem wahrgenommenen Mainstream herauszuragen und in den vernichtenden Fokus der Medien zu geraten? Man hat ja einiges zu verlieren. Wir haben den Verdacht, dass beides zutrifft. Und genau das halten wir für äußerst besorgniserregend.

Entlassung von Professoren: Vorfälle und mediale Wahrnehmung

Dass ein Professor aufgrund kleinlicher Vorwürfe entlassen wird, ist eine relativ neue Entwicklung. In unserer Studie konnten wir feststellen, dass zunächst, bis etwa 2010, die Entlassung eines Professors tatsächlich ein seltenes Ereignis war. Meist ging es, jedenfalls implizit, um Ressourcenkonflikte unter Kollegen, also beispielsweise um Stellen oder die Verfügbarkeit von Geldmitteln: Durch die Entfernung eines Professors können die frei gewordenen Mittel dann anderweitig genutzt werden. Benannt wurde dieser Grund allerdings nicht. Soweit eine Entlassung überhaupt medial thematisiert wurde, zeigte sich die Berichterstattung eher wohlwollend den Professoren gegenüber: Sie wurden vor allem als Opfer mehr oder weniger korrupter Universitätsleitungen dargestellt, weswegen wir dieses mediale Narrativ mit der Metapher »Josef K.« beschreiben.

In der Phase von 2011 bis 2019 nahm zunächst die Dichte und dann ab 2018 überraschend schlagartig auch die absolute Zahl der Entlassungen und öffentlichen Degradierungen pro Jahr zu.6 Betroffen waren in diesem Zeitraum vor allem Professorinnen. Mit dieser