Der Fotograf - Lothar Baumgarten - E-Book

Der Fotograf E-Book

Lothar Baumgarten

4,9

Beschreibung

Beobachtungen, Begegnungen, Beziehungen, Sehnsucht, Scheitern und Gelingen: Der Fotograf ist unterwegs zwischen Island und Ladakh, zwischen Breslau und München, zwischen Menschen und Landschaften. Als Betroffener erlebt er die wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen der Macht im 20. Jahrhundert. Aus Reisebeschreibungen, Erzählungen und Tagebucheinträgen formt sich das Kaleidoskop eines Lebens. Zu den Ereignissen aus Vergangenheit und Gegenwart entstehen vor dem geistigen Auge Bilder aus Worten – so wie es für das Schaffen eines Fotografen angemessen ist.

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Seitenzahl: 608

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LOTHAR BAUMGARTEN

DER FOTOGRAF

TRÜGERISCHE REFLEXE

ROMAN

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Impressum:

© by Verlag Kern GmbH

© Inhaltliche Rechte beim Autor

1. Auflage 2016

1.  digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

Autor: Lothar Baumgarten

Bildnachweis Cover: Lothar Baumgarten

Layout/​Satz: www.winkler-layout.de

Sprache: deutsch, broschiert

ISBN: 9783957161-802

ISBN E-Book: 9783957162-007

www.verlag-kern.de

BUCH I

Es ist unmöglich, das Leben eines Menschen und dessen Verflechtung in die Geschichte seiner Zeit zu beschreiben, ohne die Wahrheit, seine Wahrheit, schmerzhaft zu verletzen.

Unser Dasein schließt sich rückwärts in die Vergangenheit und vorwärts in die Zukunft zu einem Zirkel, der weder Anfang noch Ende kennt. Die Wegmarken Geburt oder Tod sind willkürlich und geben keine Auskunft, woher wir kommen. Sie rahmen ein Vexierbild, gaukeln vor, eine Biografie bewege sich eindeutig auf ein Ende zu, machen uns blind, hinter tanzenden Schleiern, den vollkommenen Ring des Seins zu erkennen. Die trügerische Hoffnung, der Tod setze dem Leben einen Endpunkt, darf nicht zerstört werden, obwohl doch offensichtlich ist, dass auch nicht der leiseste Hauch eines Menschen im Ganzen der Welt verloren geht.

Gleichgültig, an welcher Trennlinie eine Erzählung beginnt, sie beginnt mit einem Rätsel.

ISLAND

Tagebuchnotizen des Fotografen F.Spätsommer 1980.

„Horn, im äußersten Nordwesten Islands.

Die Fischer haben ihren Hausrat, Körbe mit getrocknetem Dorsch, Kanister mit Dieselöl, und zuletzt die unförmigen Ballen der Fangnetze im Bauch ihrer Kutter verstaut, sind mit ihren Frauen und den Kindern an Bord gegangen, pfiffen nach dem braun-weißen Hund, und fuhren, ohne noch einmal ihren Kopf zu wenden, den Blick fest auf die Klippen vor dem Bug ihrer Kutter gerichtet, einer ungewissen Zukunft in Isaford als Arbeiter in einer Konservenfabrik, als Arbeitslose oder Rentner in Reykjavik entgegen.

Die Schäfer haben ihre Herden nach Süden getrieben, gemächlich, das jüngste der Lämmer auf dem Arm.

Das wuchernde Grün der Polarsommer, die Winterstürme, Frost und Regen tilgten ohne Eile die Spuren, die die Menschen hier hinterlassen hatten. Gras und Blumen; morsches Holz.

Die Zeit hat einen verzeihlichen Umweg genommen; zwei überflüssige Schöpfungstage sind vergessen.

Gleichmütige Stille liegt über der Bucht. Zu unbedeutend der erschöpfte Wanderer, der im Gewirr von Buckelsteinen, Treibholz aus Sibirien und schwärzlich grünem Tang neben der verwaisten Mole rastet. Unbestimmter Glanz erhellt den Horizont… die Gletscher Grönlands. Ich war meinem wachsenden Schatten auf dem schmalen, flachen Ufersaum zum Inneren der Bucht gefolgt, bis eine schroffe Steilklippe mich aufhielt und zwang, umzukehren.

Zungen angeschwemmten Blasentangs loderten im warmen Licht der sinkenden Sonnenscheibe zwischen den rund geschliffenen, dunklen Blöcken; sterbende, rot glühende Flammen.

Ein halb überwucherter Weidepfad führte mich vorbei an dem von Windböen und Nässe zernarbten, alten Farmhaus, in dessen verwildertem Garten noch mannshohe, blühende Angelika an die ehemaligen Bewohner erinnert, in ein Hochtal hinter grünen, sanft geneigten Hügeln, welche, gleichsam der Rand einer weit geöffneten Muschel, das Innere der Landzunge umfassen. Morastige Teiche… schmutzige Firnfelder, die auch jetzt, in den sommerlich warmen Julitagen, nicht tauen wollen… streifig braun von junger Vulkanasche.

Lautlos auffliegende Schwärme unzähliger, weißer Seeschwalben… Sie suchen, einmal misstrauisch geworden, erst dann wieder ihre Gelege auf, wenn man, weit entfernt, über die Schwindel erregenden, senkrechten Wandabstürze hinunter zum Atlantik starrt.

Nur die härtesten Basaltrücken konnten dem nagenden Fluss der Eiszeitgletscher und der Zerstörungswut der Schmelzwasser widerstehen; kieloben treibende Boote, bedrohen sie die lang gestreckten Fjorde, über deren empfindliche, schimmernde Haut Wellen als ein unruhiger Schauder laufen. Noch hatte die Sonne nicht den zarten Dunst, der mit der Kühle über dem Meer aufstieg, berührt. Aber die glänzenden Wogen, die seidenen Nebelschleier, das ferne Gewölbe des arktischen Himmels, sie bereiteten sich schon auf den theatralischen Aktschluss des täglichen Schauspiels vor: Karminrot, Kupfer, Violett und, nach langer Agonie, ein fahles Grau…

Frostkalte, klare Luft vertrieb die Schleier. Der Mond mit seinem gestohlenen Licht sammelte Kraft, um Hoffnung auf einen neuen Tag zu nähren. Tauperlen zitterten in den Blüten des Scharfen Hahnenfuß‘, der Weidenröschen, glitzerten in den Polstern von würzigem Bergthymian Spannen hohem roten Kriechweiden, tropften von den flockigen Früchten der Silberwurz. Am Strand, wo sie die Gischt nicht mehr schlagen kann, rankten Blauglöckchen im weichen Sand.

Als der Abendwind eingeschlafen war, schwebten von nirgendwo her die klagenden Rufe der Goldregenpfeifer zu mir in das Haus…

Man kann, wie dies Eggert Olafsson und Bjarn Pálsson im Auftrag ihrer Königlichen Dänischen Majestät um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts taten, ein Land mit dem kühl sichtenden Verstand des Wissenschaftlers bereisen, das Gesammelte auswerten und in einem gewichtigen Prachtband zum Nutzen der gebildeten Stände vorlegen – nebeneinander geordnet, die geografische Natur der Insel, die Tierwelt, die Pflanzen, Menschen – kann dabei von dem Pathos der Rationalität getragen sein, am Ende sogar glauben, objektiv zu beschreiben:

Leben, Geschichte, Kultur der Untertanen des Monarchen nehmen, ganz gemäß ihrer Bedeutung in einer unergiebigen Kolonie, weniger Raum ein als Eiderente, Hering und Schaf.

Ich habe in den vergangenen zwei Monaten einen Geländewagen benutzt, um beweglich zu sein und Zeit zu sparen:

Die Hauptstadt Reykjavik, ihre thermischen Kraftwerke, die Probleme der Fischindustrie in EG Europa, das am Widerstand der Isländer gescheiterte Projekt, Wasserkraft, Stromerzeugung und Aluminiumverhüttung zu koppeln; Literatur, Theater, Folklore; die sozialen Probleme der Einödbauern, der Einfluss der amerikanischen Garnison auf die Konsumgewohnheiten; Bilder von den grandiosen Landschaften im Süden, am Gullfoss, dem Geysir, Myvatn, die Vulkane Hekla, Krafla, Katla und Surtsey, die Urwelt der Sander unter dem Vatnajökull…

Eine Überfülle von Eindrücken, die ich beruflich gut verwerten kann, und dennoch blieb das schale Gefühl, den entscheidenden Schritt versäumt, noch nicht getan zu haben…

In Akureyri, einem bunt hingetupften Kleinstädtchen an der Nordküste, stemmt – vor dem Schulhaus! – „Der Geächtete“ seine Last– Frau, Kinder, einen sperrigen Sack – gegen den bleigrauen, schweren Wolkenhimmel, gefolgt von seinem zottigen, treuen Hund: Symbolismus, nordischer Realismus, platter Naturalismus in Bronze gegossen zum Kunstwerk verklärt!? Trotzdem hat mich die Lebensgeschichte Eywindirs, des Verbannten und seiner Frau Halla angerührt, die von ihren unerbittlichen Landsleuten wegen eines unbedeutenden Verstoßes gegen das Gesetz von den Westfjorden über die Wüste des Hochlandes bis in den fernen Osten gejagt wurden, zwanzig Jahre im Elend überlebt haben, dann begnadigt, nahe Grunavik auf ihrem Hof starben.

Ich habe spontan den Entschluss gefasst, Eywindirs Spuren zu folgen, nur ausgerüstet mit dem, was ich tragen konnte.

Ein knappes Dutzend meiner Begegnungen mit diesem ungewöhnlichen Mann habe ich für Dich ausgewählt, Tagebuchnotizen und (im Mittelformat auf Schwarz-Weiß-Material fotografiert, da ich glaube, dass nur so die Bilder von allem überflüssigen Ballast befreit werden können), zu einem Päckchen verschnürt, von dem ich hoffe, dass es Dich einige Wochen vor meiner Rückkehr nach München erreichen wird.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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