Der ganz normale Wahnsinn - B. Lika - E-Book

Der ganz normale Wahnsinn E-Book

B. Lika

4,9

Beschreibung

Humorvolle Kurzgeschichten über den ganz normalen Wahnsinn, den wir Alltag nennen. Mit viel Witz und Ironie nimmt die Autorin sich und andere aufs Korn und deckt die Merkwürdigkeiten des Lebens gnadenlos auf.

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Inhalt

PMS

Wechseljahre

Altölentsorgung

Tattoomann im Necklischee

Cooler Typ bei Plus

April, April, …

Einmal Petra Gerster und zurück

Und die Frisur sitzt

Hutmut kommt vor dem Fall

Auch kein Kompliment

Haarpracht

BuHa – Arbeit macht …

Noch ein Job?

Probearbeit

I „häve“ a dream

big ticket

Das Mädchen und der Moderator

Unterlassene Hilfeleistung

Männliche Selbstgefälligkeit und weibliche Selbstzweifel

Highway to hell

Kunst oder Gummibärchen

Künstliche Wärme

Leere Drucker sind gemein

Schuhkauf verpatzt

Sommer in der Stadt

SM-Gespräche SupermarktSelbstgespräche

Neues Händy

Deutsche Sauberkeit

Rumpelstilzchen

Keine Ahnung

Keine Sorge

Gute Unterhaltung

Volksfeststimmung im Ein-Euro-Regen

Die Bioware ist schuld

Wochenendeinkauf

Bonuspunkte

Suppennudeln hätt ich gern

Küchenschrank

Verkehrsberuhigt

Früher war schneller

Verrückte Zeit

Beglaubigt oder wahr - Neues vom Amt

Helloween

Weihnachten im Straßenverkehr

Kultur-Banause

Buchtitel gesucht und gefunden

PMS

Kennen Sie die Tage, an denen alle Ampeln auf Rot schalten, ausgerechnet, wenn Sie gerade ankommen und es besonders eilig haben?

Die Tage, an denen Sie morgens um sieben durch die Fußgängerzone laufen, von der grauenvoll lauten Kehrmaschine verfolgt werden und Sie nur mit großem Glück und durch mehr oder weniger (un)geschickte Ausweichmanöver nicht von ihr überrollt werden?

Kennen Sie die Tage, an denen dann auch noch die Spülmaschine nicht spült?

Das sind die Tage, an denen Sie völlig fertig nach einem Bürokindergartentag nach Hause kommen, sich freuen, dass Sie nur noch schnell das Geschirr ausräumen müssen und Sie sich dann vor die Glotze werfen können? Bloß nix mehr denken, nix mehr fühlen und nicht mehr bewegen.

Und dann, dann öffnen Sie die Klappe des geliebten (aber so lange er läuft viel zu wenig beachteten) Geschirrspülers und holen einen Teller, ein Becher, ein Glas nach dem anderen heraus, und alles, jedes einzelne Teil, ist voll mit kleinen, bestimmt hochgradig krebserregenden, fiesen Krümeln. Noch mal in der Maschine spülen hilft nicht, die Brösel gehen nur noch durch festes Schrubben ab. Alles einzeln spülen.

Das macht richtig schlechte Laune.

Am nächsten Tag das gleiche Spiel, meistens hält ES nämlich mehrere Tage an: Die ganze Stadt besteht aus roten Ampeln und Idioten, die Ihnen vor die Füße laufen, fahren, rennen, fallen und Ihnen das letzte Baguette vor der Nase wegkaufen.

Auch an der Fußgängerampel ist es noch immer doof: Sie möchten kein Risiko eingehen in diesen gefährlichen Tagen und bleiben bei Rot stehen; geschlagene dreieinhalb Minuten - gefühlte dreizehn. Ständig rennen andere Leute an Ihnen verbotenerweise vorbei, aber Sie unterdrücken tapfer den Mitlaufreflex und bleiben im wahrsten Sinne des Wortes standhaft - natürlich der Kinder wegen.

Endlich. Endlich Grün. Sie preschen vor und --- werden mitten auf dem Überweg von zwei Drittklässlern auf Rädern umgenietet.

Die Strumpfhose ist hinüber, sie rennen mit einer riesigen Laufmasche und Schrammen weiter Richtung Büro. Unterwegs schnell in den Supermarkt (der Strumpfladen hat noch nicht geöffnet) und kaufen irgendeine blöde kratzige Nylonstrumpfhose, die sich dann auf dem Büroklo als zu klein entpuppt; die Beine sind zu kurz, sodass sie den ganzen Tag mit dem Schritt zwischen den Oberschenkeln unterwegs sind. Widerlich.

Am dritten, vierten oder fünften Tag ist es immer noch doof (auch wegen der Kratzer, die Ihnen die Fahrräder zugefügt haben und wegen des wachsenden ungespülten Geschirrbergs), aber es stand schon mal die Ampel an der großen Kreuzung auf Grün!

Es geht also endlich wieder aufwärts. Sie schöpfen neuen Mut und wagen sich an die Spülmaschine. Sie recherchieren im Internet und befolgen die gefundenen Tipps; wackeln fachmännisch (oder fachfraulich) an den Körben, drehen die Sprüharme im Kreis und stochern in den Düsen.

Dann schrauben Sie, ohne wirklich zu wissen warum, das Fach für das Maschinensalz auf, das Sie erst vorgestern aufgefüllt haben …

… und finden im Salzbehälter: eine verschrumpelte Pellkartoffel.

Am besten fangen Sie gar nicht erst an zu raten, wie die da hingekommen sein könnte. Ich tu's auch nicht. Aber seitdem nenne ich diese Tage PMS Pellkartoffel im Salzbehälter.

Wechseljahre

Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass Frau (auch Mann) vom sogenannten prämenstruellen Zeitalter nahtlos übergeht und wir die weiterhin vorhandenen Stimmungsschwankungen nun ganz offiziell auf die Wechseljahre schieben können.

Ich bin inzwischen aber sicher: Die Wechseljahre werden nicht so genannt, weil sich etwas an den fraulichen (und männlichen) Launen ändert. Denn die Stimmungen schwanken munter wie eh und je.

Nur die Schuldzuweisungen wechseln. Bei „normalen“ Frauen wird schlechte Laune auf PMS, das prämenstruelle Syndrom, zurückgeführt. Bei ganz jungen Mädels heißt es Pubertät (bei Jungs auch) und bei mittelalten bis alten Frauen sollen die Wechseljahre schuld sein. Männer haben für ihre Launen den Begriff "midlife crisis" aus dem Englischen übernommen. Ich übersetze das in "Mitleidkrise".

Als ob die Bezeichnung nicht völlig egal wäre, das Ergebnis ist das Selbe, da könnte doch der uncharmante Hinweis auf die Altersgruppe unterbleiben, finde ich. Ich bin dafür, der Vereinfachung halber für alle Frauen und Männer eine einheitliche Schuldzuweisung einzuführen: PMS.

Und wenn Sie zum Leergutbehälter in Ihrem örtlichen Supermarkt gehen und erstaunlicherweise ganz ohne Zwischenfälle einen Bon für Ihr Leergut erhalten und die Kasse das dort aufgedruckte Guthaben auch noch lesen kann, der Kassierer sogar über ausreichend Kleingeld verfügt, dann wissen Sie genau, Sie haben gerade keinen PMS-Tag.

Bei mir scheint sich allerdings schon die nächste Krise anzubahnen. Ich nähere mich nur noch sehr vorsichtig diesen Leergutannahmemaschinen, schleiche mich leicht geduckt an und lege mit gaaanz viel Gefühl die erste Flasche in den Schlund, ordnungsgemäß mit dem Flaschenboden zuerst.

Sofort beginnt alles zu blinken und zu hupen: "Alarm, Alarm, Fehlermeldung, Personal rufen, Alarm, Hup, tröt, huuup!"

schlagen diese Dinger fast immer Alarm, wenn ich komme - bin ich vorgewarnt und ziehe schnell die Flasche wieder zurück, springe gelenkig dank Yoga mit zwei großen Seitwärtsschritten zum nächsten Apparat, der - oh Wunder - gerade frei ist, und gebe mich völlig unschuldig.

Als würde ich nichts merken vom Aufruhr nebenan, versuche ich es nun zuerst mit meiner Wasserkiste. Kaum ist sie halb im Maschinenschlund verschwunden, wird sie schwungvoll eingesaugt.

Sofort erklingt Großalarm: "Alarm, Alarm, Hup, hup, huuup, Personal rufen, Fehlermeldung, Alarm, Alarm, bitte das Personal rufen!!!"

Ich bücke mich und schaue in das große schwarze Loch. Ganz hinten steht meine Kiste quer. Ich müsste auf das klebrige Laufband klettern und mich einsaugen lassen, um ranzukommen. Aber am Ende der Leergutabfertigung steht irgendwo der Schredder, wenn ich mich nicht irre.

Hilflos schaue ich mich um. Das einzige Personal weit und breit fertigt an der Kasse Kunden ab, während ich im Alarmraum stehe und bedröhnt werde. Ein höllisches Konzert: "Hup, hup, huuup, Behälter ist voll, Behälter steht quer, Hup, hup, huuup, Verstopfung! Hilfe rufen, Personal rufen!"

Inzwischen sind weitere potentielle Leergutabgeber eingetroffen, der Alarm scheint immer lauter zu werden.

Das einzige Personal aber ist noch immer unabkömmlich an der Kasse beschäftigt und lässt sich vom Gedröhne nicht beeindrucken. Ganz am anderen Ende des Ladens versucht es, den Anschein zu erwecken, vom Alarm nichts zu hören. Und hier blinkt und dröhnt es mächtig, immer dringlicher: "Personal rufen! Verstopfung! Personal rufen! … Huup, huup, huup! Verstopfung, Verstopfung!!!"

Ich muss laut lachen, der Alarm ist ohrenbetäubend. So hört es sich wohl an, wenn im Atomkraftwerk die Notstromaggregate nicht anspringen (was allerdings kein bisschen lustig ist).

Zum Glück handelt es sich ja nur um (m)einen alltäglichen Supermarktalarm. Ich muss einfach lachen hier so eingepfercht im Alarm- und inzwischen von weiteren Kunden verstopften Leergutraum, in dem es extrem bierlastig riecht.

Leider lacht niemand mit von den Anderen, die sich hinter mir angesammelt haben und dicht gedrängt stehen. Sie schauen mich alle genervt und böse an. Dabei kann ich beschwören:

Ich war’s nicht. Ehrlich. Diese Kartoffel ist nicht von mir. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.

Altölentsorgung

Ich bin kurz vor meiner Haustür mit meinem schwerbepackten Drahtesel unterwegs. Komme gerade aus einem schwedischen Möbelhaus, in dem ich nur Servietten kaufen wollte (alles andere, was man da bekommt, habe ich schon).

Ein Sonnenschirm ist seitlich festgebunden und diverse Kleinmöbelteile sowie ein Sonderangebots-Gartenstuhl, der noch zusammengebaut werden möchte, schauen aus den Fahrradtaschen. Ein Mann radelt an mir vorbei und ruft: "Das muss dringend geölt werden."

Ich halte an, nicht wegen seines Zurufs, sondern weil ich dort wohne und die extrahohe Bürgersteigkante nicht hochfahren kann sondern schiebend erklimmen muss.

Dass mein Rad schon seit Jahren geölt werden muss, weiß ich lange. Dafür brauche ich keinen Mann. Aber der Radler versteht mein Anhalten falsch und glaubt, ich wolle ins Gespräch kommen mit ihm.

Erfreut springt er vom Rad und versperrt mir den Weg. Ich komme nicht an ihm vorbei und so beginnt er ein 'Gespräch', oder treffender: einen Dialog.

Ich stehe noch halb auf der Straße, werde fast von drei LKWs gestreift und von einem kurzsichtigen Autofahrer nur um wenige Zentimeter verfehlt.

Aber der Mann ist so in seine Ausführungen vertieft, dass er das entweder nicht mitbekommt oder es ihm egal ist, solange er nur reden kann. Und ich bin da ja leider, leider, immer wieder ein einfaches und leider, leider immer wieder wehrloses Opfer dank meiner übertriebenen Höflichkeit.

Ausschweiffend bekomme ich nun erklärt, wo ich überall Öl hinträufeln soll und wie ich es am besten anstelle. Dann sagt er zu meinen grenzenlosen Erschrecken: "Ich habe noch Altöl Zuhause, das kann ich Ihnen gleich vorbeibringen. Dann müssen Sie keins kaufen."

Ich bin verdattert, denn ich wüsste überhaupt nicht, wo es Altöl zu kaufen gibt.

In welchem Haus ich denn wohne und wie ich heiße, will er noch wissen, er würde dann klingeln. Und ich leider, leider, weiß nicht, wie ich mich höflich aus der Affäre ziehen soll und gebe wahrheitsgemäß Antwort: "Da hinten, der letzte Eingang, erster Stock rechts."

Wie tief sitzt bei mir der Wahn, immer höflich und freundlich sein zu müssen? Offensichtlich tiefer, als mein Selbstschutz.

Der Altölige erklärt mir stolz und ungefragt, wo er zuhause ist: "Da hinten fünf Straßen weiter, links rein bei der Feuerwehr, im Haus vom Schwager, bei den vielen Meerschweinchen, die der Schwager züchtet."

Endlich zieht der verschwägerte Meerschweinchenmann ab und ich kann mich vor dem Straßenverkehr in Sicherheit bringen, und natürlich vor fremden (vor allem befremdlichen) Männern. Erleichtert lande ich Zuhause.

Mit einem doch irgendwie unguten Gefühl, dass diese Geschichte noch nicht beendet ist, beginne ich, die von meinem Sohn gewünschten Kartoffelpfannkuchen zuzubereiten. Ich reibe einen Berg Kartoffeln und bin gerade mit der vorletzten Knolle fertig, als es an der Tür klingelt.

Da ich meinen Sohn erwarte und den Altöl-Vorfall schon wieder vergessen habe, drücke ich blindlings mit Kartoffelfingern auf den Türöffner. Und - Sie ahnen es bereits: der Altölmann steht vor meiner Wohnungstür, verschwitzt im angegrauten Feinrippunterhemd, nach Puste ringend, mit stattlichem wogenden Bauch.

Er raste, während ich Kartoffeln schälte, extra schnell nach Hause, füllte sein Altöl in eine gebrauchte Plastikflasche von Polycolor-Haarfärbemittel und schnappte sich ein paar alte Läppchen, um mir ohne Zeitverzögerung zeigen zu können, wie MANN das mit dem Rad am besten macht.

Glücklicherweise kommt in diesem Moment mein Sohn die Treppe hoch. Ich bin so froh und sehr erleichtert. Besser konnte mein lieber Junge das gar nicht timen, wenigstens auf ihn ist Verlass, wenn schon nicht auf meinen Selbstschutz. Nun weiß der Altölentsorger zumindest, dass ich kein alleiniges, wehrloses, auf fremde bzw. männliche Hilfe angewiesenes Frauchen bin.

Ich hoffe sehr, dass er mich zukünftig in Ruhe lässt und bedanke mich bei dem polycolorierten Altölradler noch mindestens dreimal für seine Mühen. Ich bitte ihn, das Haarfärbefläschen neben mein Fahrrad zu stellen, auch die alten Lappen darf er dazulegen.

Natürlich(?) fühle ich mich verpflichtet und erkläre dem Mann, dass ich gerade nicht vom Herd wegkomme und entschuldige mich mehrfach dafür, dass ich ihn nicht noch gebührend bewundern kann. Ich bedanke mich erneut, mindestens dreimal - und bin von mir selbst genervt, wegen meiner übertriebenen Höflichkeit und meiner Unfähigkeit, mich auf normale natürliche Weise abzugrenzen.

Mein Sohn schüttelt nur den Kopf über meine bescheuerte Hilflosigkeit bzw. hilflose Höflichkeit, und verzieht sich in sein Zimmer. Er kommt - ganz männlich - gar nicht auf die Idee, dass die Angelegenheit auch irgendwie ein wenig seine sein könnte und er zum Beispiel die Fahrradölung übernehmen könne bis die Pfannkuchen fertig sind.

Ich traue mich natürlich nicht, ihm das vorzuschlagen. Der Junge kommt müde aus der Schule und ich will ihn nicht nerven. Aber ich finde, er hätte das durchaus tun können – ich meine: darüber nachdenken können. Und zwar nicht (nur), weil er ein Mann ist, sondern weil ich Tag für Tag morgens um sechs bergeweise Brote für ihn schmiere, mit Salat und Gürkchen und viel Liebe, und weil ich täglich für ihn am Herd stehe und frische Bioware zubereite, seine Wäsche wasche, mit dem Rad die gesamten Einkäufe heimbringe, unsere Miete verdiene und, und ... und auch deswegen keine Zeit habe, mein Rad zu pflegen.

Nachmittags dann suche ich die Altölflasche neben dem Rad – und finde sie in meiner Satteltasche. Der Altölige hatte mir die haarfärbemittel- und altölverfärbte Flasche in meine saubere (ausgebeulte) Radtasche gesteckt, damit sie bloß niemand klaut.

Jetzt kann ich in der Tasche meine Einkäufe nicht mehr verstauen, nachdem dort dieses unappetitliche Zeug drin war. Entnervt mache ich mich daran, mein Fahrrad mit Altöl zu besprenkeln und habe starke Zweifel, ob ich meinem treuen/teuren Drahtdiener damit wirklich etwas Gutes tue oder ob ich doch besser auf mein Gefühl höre und das Altöl zur Schadstoffsammlung bringe - samt den Altlappen, bei denen es sich um zerschnittene geblümte Bettbezüge handelt. Aber ich bin einfach zu hörig. Wenn mir jemand etwas in überzeugtem Ton rüberbringt, dann denke ich automatisch, lsch. Also mache ich mich trotz meiner Zweifel unwillig ans Werk.

Mein Fahrrad allerdings hat im Gegensatz zu mir offensichtlich einen gesunden und gut ausgeprägten Selbstschutz. Mein Rad nämlich nimmt mir das alte Öl sehr übel, denn schon nach dem zweiten Spritzer wehrt es sich massiv.

Wütend und mit Nachdruck springt die Kette ab. Und mein Drahtesel wehrt sich vehement weiter, ist beleidigt und lässt mich die Kette nicht wieder fachfraulich befestigen.

Bei meinem Kampf mit Ritzel und Kette, fällt das ganze Rad um und macht einen riesigen Radau. Es begräbt mich unter sich und verabreicht mir Schrammen und Kratzer – und hässliche Altölverschmierungen. Das ist das klägliche Ende meiner Radpflege.

Ich werde mich hüten, irgendjeMANNden um Rat zu fragen oder um Hilfe zu bitten. Lieber laufe ich ans andere Ende der Stadt zur Altöl-Altlappen-und-Satteltaschen-Schadstoffsammelstelle.

Ganz offensichtlich aber habe ich doch nicht alles falsch gemacht in meinem Leben. Mein Sohn sieht abends im Vorbeigehen, dass meine Kette noch immer schmerzlich verzerrt seitlich aus dem Fahrrad hängt und justiert sie mit einem klitzekleinen Handgriff an die richtige Stelle. Das Geheimnis dabei ist, dass MANN sich lediglich die Finger so richtig männlich schmutzig macht und die Kette richtig anpackt.

Danke mein lieber, großer, prima Sohn! Gerne wasche ich das ölverschmierte Handtuch, das nun neben unserem Waschbecken hängt. Auch das Waschbecken reinige ich mit großer Freude, ebenso entferne ich die anderen Ölspuren, die ziemlich weit verteilt sind. Und zum Seifekaufen kann ich ja nun wieder mit dem Rad fahren.

Tattoomann im Necklischee

Mein Nachbar, ungefähr in meinem Alter, ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse, er geht täglich mehrmals mit seinem wirklich coolen Hund spazieren und redet nicht viel. Die beiden bringt nichts aus der Ruhe. Immer wieder müssen sie stehen bleiben, weil ein Fenster aufgeht und ein Würstchen oder ein Stück Käse aus dem ersten, zweiten oder dritten Stock "fällt".

Wenn die beiden vom Bäcker kommen, trägt der Hund stolz die Brötchentüte im Maul während sein Herrchen Glatze trägt und von Kopf bis Fuß tätowiert ist (natürlich nicht nur, wenn sie vom Bäcker kommen).

Ich mag die beiden, aber ich will ganz sicher nichts vom Tattoomann. Ab und zu mal ein Schwätzchen halten, ist nett und das war's.

Ich hatte in meiner Küche einen neuen Boden verlegt und den Tattoomann vorher gefragt, ob er im Notfall mal helfen kann, mit meinem Sohn einen Schrank raus und nach dem Bodenverlegen wieder rein zu tragen.