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Ein Bann. Zwei Gefährten. Eine Liebe. "Der Richard, der Großmutters Haus vor zwei Tagen verlassen hat, war mehr um dein Leben besorgt als um sein eigenes. Vertrau mir. Ich kenne ihn länger als du. Wir müssen nur herausfinden, wie sie ihn kontrolliert." Um Rauls Zwillingsbruder Richard zu finden, riskiert William alles - und findet mehr, als er je zu träumen gewagt hat.
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Seitenzahl: 446
Deutsche Erstausgabe (ePub) Juni 2013
Für die Originalausgabe:
© 2010 by Rhianne Aile
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Betrayed«
Originalverlag:
Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2012 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Umschlagillustration: Marek Purzycki
Bildrechte Umschlagillustration: Kiselev Andrey Valerevichs;
vermittelt durch Shutterstock LLC
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
ISBN ePub: 978-3-95823-522-9
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Klappentext:
Ein Bann. Zwei Gefährten. Eine Liebe.»Der Richard, der Großmutters Haus vor zwei Tagen verlassen hat, war mehr um dein Leben besorgt, als um sein eigenes. Vertrau mir. Ich kenne ihn länger als du. Wir müssen nur herausfinden, wie sie ihn kontrolliert.«Um Rauls Zwillingsbruder Richard zu finden, riskiert William alles - und findet mehr, als er je zu träumen gewagt hat.Fortsetzung zu »Der Gefährte des Wolfes: Tristan«
Rhianne Aile
Für Cat
Der Werwolf begann, sich auf dem Berg aus Kissen und Fellen zu regen, die weich über seine nackte Haut strichen. Im Zimmer war es warm; am Rande seines Bewusstseins erinnerte er sich an ein Feuer, das zuvor im Kamin gebrannt hatte. Als er jedoch versuchte, sich auf dieses Bild zu konzentrieren, verschwamm alles hinter trüben Schleiern.
Er entspannte sich und allmählich wurde seine Wahrnehmung klarer. Jemand lag neben ihm. Deutlich konnte er den regelmäßigen, langsamen Herzschlag hören und das ruhige Atmen verriet ihm, wie tief er im Schlaf versunken war.
Als er näherrutschte, wurde er augenblicklich von dem verlockenden Duft seines Gefährten erregt. Er konzentrierte sich auf den Mann neben sich. Die Hitze, die sein Körper ausstrahlte, war deutlich zu spüren und der Duft, eine Mischung aus Mann und Sex, stieg ihm in die Nase.
Der Körper neben ihm regte sich, als sich sein Gefährte auf der Suche nach Wärme und Geborgenheit näher an ihn schmiegte. Der Werwolf schlang die Arme um seinen Geliebten, gab ihm damit zu verstehen, dass er nicht allein im Dunkeln war. Bestimmt strich eine Hand durch die Haare auf seiner Brust, verharrte einen Augenblick an den sich verhärtenden Nippeln in dem sicheren Wissen, wo und wie er ihn berühren musste, um sein Verlangen zu wecken. Ein leises Knurren ließ seine Brust vibrieren.
Er schlang ein Bein um die Hüfte seines Gefährten und presste seinen Schwanz gegen die festen Muskeln des Körpers in seinen Armen. Sanft bewegte er sich gegen ihn und markierte seinen Gefährten dadurch mit dem Duft seines Verlangens. Mit der Zunge kostete er den Geschmack der Haut am Hals, ehe er nur die Spitze in unsteten Mustern durch das weiche Haar hinter dem Ohr zog.
Ein flehendes Wimmern ließ seinen Wolf erwachen, begierig da-rauf, seinen Gefährten in Besitz zu nehmen. Seine Hände wanderten unter die Felle, bis er den halbsteifen Penis seines Geliebten fand. Er schluckte ein erfreutes Aufheulen hinunter, als er diesen sanft umfasste und mit wenigen Strichen vollkommen hart werden ließ.
Sein Gefährte presste sich enger an ihn, sodass sich ihre Gerüche zu einem berauschenden Aphrodisiakum vermischten. Der Werwolf verhakte ihre Beine miteinander und schob seine Hüften nach vorn, damit ihre Schwänze gegeneinander rieben. Stöhnend schob er sich weiter nach oben, bis er beinahe vollständig auf dem Werwolf lag.
Angestrengt musterte er das Gesicht seines Gefährten, um seine Züge zu erkennen. Er war ihm so lange verwehrt geblieben, dass sich sein Körper nun danach verzehrte, endlich das Gesicht seines Geliebten zu sehen.
Seine Finger strichen durch das seidenweiche Haar und schoben es ihm aus dem Gesicht. Mit den Daumen zog er die definierten Wangenknochen, die fein geschwungenen Lippen und das kleine Grübchen in seinem Kinn nach, doch er bekam einfach kein klares Bild zu fassen.
Er konnte nicht widerstehen, beugte sich vor und glitt mit der Zungenspitze über die leicht stoppelige Haut. Er drehte das Gesicht in seinen Händen ein wenig zur Seite und verschloss ihre Lippen zu einem innigen, langsamen Kuss.
Die vertrauten Hände fuhren in immer größeren Kreisen über die Schultern des Werwolfs, bis sie an seinem Rücken hinabglitten. Fest umfingen die Finger seinen Hintern und zogen ihn von den Fellen näher zu sich heran, um die Reibung zwischen ihren Schwänzen zu verstärken.
Sein Wolf wurde immer ungeduldiger, lief unruhig auf und ab und wartete nur auf eine Chance, sich zu befreien. Die Berührungen seines Gefährten lenkten ihn so sehr ab, dass ihm die Konzentration, mit der er seinen Wolf unter Kontrolle hielt, langsam entglitt. Er musste die Dinge dringend ein wenig beschleunigen, doch dieses gemächliche Vorspiel war einfach zu gut.
Der Mann in seinen Armen vergrub das Gesicht an seinem Hals und knabberte fest daran. Unwillkürlich rann ein Schauer durch den Werwolf. Eine feuchte Zunge ersetzte den warmen Atem und als sein Liebhaber ihm sanft kühle Luft gegen den Hals blies, überlief ihn ein weiterer Schauer.
»Ich will dich in mir spüren«, flüsterte eine heisere Stimme.
Plötzlich schoss sein Wolf nach vorn, rollte sich über seinen Gefährten und drückte ihn zurück auf die Felle. Er kämpfte darum, die Kontrolle nicht an seinen Wolf zu verlieren, und hielt seinen Gefährten unter sich fest. Jede noch so kleine, verführerische Bewegung, wenn dieser sich unter ihm wand, spornte seinen Wolf nur noch weiter an und nahm ihm allmählich die Entschlossenheit, dagegen anzukämpfen.
»Halt still«, wies er seinen Geliebten mit einem tiefen Grollen an, eine Mischung aus menschlicher Stimme und wölfischem Knurren.
Der Geruch nach Erregung wurde stärker und der Körper unter ihm erschauderte heftig, ehe er völlig regungslos dalag. Wie ein kühlender Regen fielen die Worte auf den Werwolf herunter. »Shh… ganz ruhig, Baby. Komm zurück und lass mich dich lieben.«
Wimmernd zog sich sein Wolf zurück, unzufrieden über die Zurückweisung, doch beruhigt durch die sanften Worte. Der Werwolf lockerte seinen Griff und gab seinem Liebhaber damit die Bewegungsfreiheit zurück.
Augenblicklich öffneten sich die schlanken Schenkel und schlangen sich um seine Hüften. Geschickt schlüpften seine Finger zwischen ihre Körper, umfassten seinen Schwanz und führten ihn zur Öffnung seines Gefährten.
»Du willst mich, nicht wahr? Dann nimm mich, damit ihr beide zufrieden seid.«
Der Werwolf drückte die Spitze seines Schwanzes gegen den kleinen Eingang und schob sich mit einem lauten, tiefen Stöhnen in ihn. Er begann, sich zu bewegen, zog sich zurück, bis nur noch die Spitze den Muskelring durchbrach, und stieß dann schnell wieder in ihn. Jeder Stoß ließ seinen Gefährten wimmern und stöhnen, spornte ihn an, sich schneller, tiefer und härter zu bewegen.
Als sich der Orgasmus in ihm aufbaute, begann die Verbindung zu seinem Gefährten zu verblassen. Verzweifelt kämpfte er darum, sie wieder aufzubauen und das Band zu dem Mann, den er liebte, nicht zu verlieren. Doch er war nicht in der Lage, den Sturm der Lust aufzuhalten, der sich in seinem Körper zusammenbraute.
Er zog den Mann in seinen Armen fest an sich und vergrub das Gesicht an seinem schlanken Hals. Gerade als sein Körper in dem intensivsten Orgasmus, den er je erlebt hatte, schier explodierte, verschwand sein Liebhaber: sein Körper… sein Geruch… seine Wärme. Der Raum verblasste zu einem kühlen, grauen Nebel.
Er warf den Kopf in den Nacken und brüllte seinen Schmerz in die Dunkelheit hinaus, aber der Nebel verschluckte seinen Schrei.
William Northland hatte es sich auf der gepolsterten Fensterbank in der Bibliothek des Sterling-Anwesens gemütlich gemacht. Sein langes, dunkles Haar fiel ihm ins Gesicht, als er nach unten sah, ohne jedoch das Buch auf seinem Schoß zu beachten. Tristan, sein Zwillingsbruder, war der Gefährte von Benjamin Sterling, was Will zu einem Teil der Familie machte, dennoch fühlte es sich an, als würde er Benjamins Gastfreundschaft ausnutzen.
Vor sechs Monaten hatte Tristan ihn gebeten, von ihrer Heimat London aus den Ozean zu überqueren und ihm dabei zu helfen, einen Zauber zu wirken, der Benjamin und seinen Wolf wieder vereinte und ihm damit das Leben rettete. Ihr Zauber war erfolgreich gewesen und Benjamin war als Mitglied im ansässigen Werwolfrudel anerkannt worden – definitiv eine Verbesserung, was seinen sozialen Rang betraf.
Tristan und Benjamin waren heute Abend zum Essen mit dem Rajan, Alex Hanover, und seinem Gefährten Raul eingeladen. Beim Frühstück hatten sie gebettelt, gefleht und ihm geschmeichelt, damit er sie begleitete, doch er war nicht in der Stimmung, das fünfte Rad am Wagen zu sein – in letzter Zeit hatte er sich viel zu oft so fühlen müssen.
Alles deutete darauf hin, dass bald etwas Großes in seinem Leben passieren würde, doch er begegnete diesem Gefühl mit einer gewissen Vorsicht. Alles zu seiner Zeit, hatte Gram immer gesagt. Er musste einfach loslassen und sich nicht den Kopf über Dinge zerbrechen, die man lieber der Göttin überlassen sollte.
In seiner Hosentasche vibrierte sein Handy. Mit einem Blick aufs Display klappte er es auf. »Davie, du Schwachkopf. Sag mir nicht, dass du den Laden abgebrannt hast.« Davie Campbell und Scott Glover waren in dem kleinen, auf alles Okkulte spezialisierten Buchladen, den er und Tristan geerbt hatten, seine helfenden Hände.
»Als ob es dich interessieren würde, Wichser. Bist ja abgehauen, um dich irgendwo rumzutreiben«, erwiderte Davie. Er war noch jung, aber zuverlässig und fleißig. Will war sich bewusst, wie wertvoll Davie war.
Als Tristan ihn gebraucht hatte, hatte er Davie und Scott den Laden mit gutem Gewissen anvertrauen können. Die beiden führten den Laden, als wäre es ihr eigener, und würden sich auf den Kopf stellen, um ihn vor dem Ruin zu bewahren. Will konnte sich Davie gerade bildlich vorstellen, wie er seine Hüfte gegen den riesigen, zerfurchten Tresen lehnte.
Mit Sicherheit trug er Jeans. Will hatte ihn nur ein einziges Mal in etwas anderem als Jeans gesehen und das war zur Beerdigung seiner Großmutter gewesen. Als beide, Scott und Davie, in angemessenen, grauen Anzügen erschienen waren, hatte Will zweimal hinsehen müssen. Sie hatten sich wirklich herausgeputzt. Zwar vermutete er, dass sie die Anzüge allein für diesen Tag gekauft, vielleicht sogar nur geliehen hatten, doch ihre Bemühungen hatten ihn sehr berührt.
»Warum störst du mich dann, wenn der Laden nicht in Flammen steht?«, stichelte Will und zog dabei die Beine an seinen Körper, um die Arme darum zu schlingen. Er klemmte sich das Telefon zwischen Schulter und Ohr und war gespannt auf Neuigkeiten, wie das Leben in seiner alten Heimat so lief.
»Wollte nur hören, wie es dir geht. Du bist der Boss, also dachte ich, du würdest gern hören, wie es hier aussieht. Die Verkäufe sind um fünfzehn Prozent gestiegen.«
»Du hast die verdammten Manga mit reingenommen, oder?«, fragte Will.
»Naja, du hast gesagt, wir sollen den Laden führen, als gehöre er uns«, warf Scott aus dem Hintergrund ein. Das infernale Duo hatte ihn offensichtlich auf Lautsprecher gestellt.
»Und sie reißen sie uns förmlich aus den Händen, genau wie ich es gesagt habe«, fügte Davie hinzu.
»Idioten.« Will schüttelte den Kopf und war froh, dass sie sein Lächeln nicht sehen konnten.
Tristan konnte es aber. Sein Zwilling betrat den Raum, bemerkte das Handy an Wills Ohr und ließ sich auf einem ledernen Ohrensessel nieder. »Davie und Scott?«, fragte er flüsternd mit dem gleichen Lächeln auf den Lippen.
Will nickte und lauschte dem Geschnatter am anderen Ende der Leitung, während ihn Davie und Scott über die Verkäufe, Kunden und natürlich den üppigen Klatsch aus der übersinnlichen Gemeinschaft aufklärten. Er hatte sich schon vor langer Zeit daran gewöhnt, dass Davie einen Satz begann und Scott ihn beendete. Es dauerte nicht lange, bis die beiden mehr miteinander als mit ihm sprachen.
»Jungs, Jungs!«, unterbrach er sie schließlich. »Tristan braucht mich. Ich ruf ich in ein paar Tagen an, in Ordnung?«
Sie verabschiedeten sich voneinander und Tristan setzte sich ihm gegenüber aufs Fensterbrett. Ihre Beine lehnten in der Mitte aneinander. Tristan hatte sein dichtes, fast schwarzes Haar schon immer kürzer getragen als Will, doch das Fenster reflektierte zwei identische Gesichter, eingerahmt von dunklen Wellen, die ihnen über die Schultern fielen.
»Gram würde sagen, dass du mal wieder zum Friseur solltest«, stellte Will trocken fest, als er seinem Bruder die Haare aus dem Gesicht strich.
Tristan ahmte seine Bewegung nach. »Sie wäre von uns beiden ziemlich enttäuscht.«
»Nein, wäre sie nicht. Sie würde uns nur zusammenstauchen, weil wir verwahrlost aussehen.« Will kicherte. »Sie würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass keiner von uns seit ihrem Tod beim Friseur war.«
Tristan schaute blicklos aus dem Fenster, als er antwortete. »Sie hat mir erzählt, dass sie sich nur ständig über unsere Haare beschwert hat, weil wir sonst perfekt gewesen wären. Es wäre der Job einer Großmutter, sich über irgendetwas zu beschweren.«
»Ha! Also, das ist eine Erwartung, der ich unmöglich gerecht werden kann.«
Tristan wandte den Blick wieder seinem Zwilling zu. »Nicht in ihren Augen. Wir hätten als Axt-Mörder enden können und sie hätte trotzdem noch einen Grund gefunden, auf uns stolz zu sein. Manchmal vermisse ich sie so sehr, dass es wehtut.«
Will rutschte zu Tristan, um einen Arm um seine Schultern zu legen. »Ich glaube, in den letzten Tagen gab es bei dir kaum Platz für etwas anderes außer für Liebe. Seit Benjamin in dein Leben getreten ist, schwebst du praktisch auf Wolken.«
Tristan lehnte seinen Kopf an Wills Schulter und dieser schmiegte seine Wange an die weichen Locken seines Bruders. »Ich war nie glücklicher. Ich kann nicht beschreiben, wie es ist, mit Benjamin zusammen zu sein…«
»Verdammt!« In gespielter Frustration schnipste Will mit den Fingern. »Dabei hatte ich so sehr auf ein paar pikante Details gehofft. Mein Sexleben lässt ein wenig zu wünschen übrig.«
Tristan stieß seinem Zwilling den Ellenbogen in die Seite und grinste, als der sich mit einem jammernden: »Au!«, zusammenkrümmte.
»Wenn du über ein Thema nicht sprechen willst, solltest du es nicht ansprechen«, schimpfte Tristan »Bist du sicher, dass du nicht mit uns zum Essen kommen willst? Du weißt, dass du immer willkommen bist.«
»Ja, aber ihr seid mir einfach zu gefühlsduselig und Alex und Raul sind nicht besser. Ich schwöre dir… eigentlich hatte ich gedacht, Werwölfe wären irgendwie… ich weiß nicht… wilder.«
Tristans Augen begannen zu glänzen. »Oh, sie sind sogar ziemlich wild…« Er ließ das letzte Wort unkommentiert, ließ aber keinen Zweifel daran, worauf es sich bezog.
»Arschloch«, schnaubte Will und schlug Tristan leicht gegen die Schulter. »Es ist nicht fair, schadenfroh zu sein und über dein Sexleben zu reden, wenn ich keins habe und du auch nicht bereit bist, deins mit mir zu teilen.«
***
Der Geruch von gegrilltem Fleisch zog durch das offene Fenster des Farmhauses und vermischte sich mit dem frischen, süßen Duft von Flieder. Tristan konnte das leise Grollen von Benjamins Lachen hören, der mit Alex und Raul auf der Veranda scherzte. Die kleinen Härchen in seinem Nacken stellten sich auf und ein Schauder durchlief seinen Körper.
Er nahm die halbleere Flasche Wein von der Arbeitsplatte, gab ein wenig davon in das Dressing, das er gerade mixte, und den Rest in sein Glas. Irgendetwas stimmte nicht. Tristan hatte sich den ganzen Tag über unwohl gefühlt und seit sie das Land des Rudels betreten hatten, hatte ihn immer wieder ein unerwartetes Frösteln erfasst.
Es gab keinen sichereren Platz als das Zuhause des Rajans – oder Königs – des ansässigen Rudels, doch das bewahrte Tristan nicht vor der Furcht, die ihn immer wieder durchlief wie eine Welle.
Eine neue Stimme mischte sich unter das Gespräch und Tristan ging auf die offene Glastür zu, sicher, dass sich der Grund für sein Unwohlsein bald aufklären würde. Eric, der Anführer der Wächter – die Werwölfe, die an den Grenzen des Gebietes patroullierten und sie beschützten –, stand vor Alex und erklärte ihm etwas. Raul, Alex' Gefährte, stand neben ihm und runzelte die Stirn.
»Willst du, dass ich ihn wegschicke?«, fragte Alex seinen Gefährten und strich mit seinen kräftigen Fingern durch Rauls dichtes, blondes Haar.
Raul schüttelte den Kopf und lehnte sich in der Hoffnung auf Trost und Bestätigung in die Berührung. »Nein, es war unvermeidlich, dass ich meiner Familie irgendwann gegenübertreten muss. Garantier ihm sicheres Geleit und wir werden uns anhören, was er zu sagen hat. Mein Vater würde Nicolai nicht schicken, wenn es nicht um etwas wirklich Wichtiges ginge.«
Alex wandte sich wieder an den großen, dunklen Krieger, der als Zeichen seines Standes einen silbernen Reif auf dem Kopf trug. »Er darf unser Gebiet betreten, aber eskortier ihn direkt hierher. Verdoppelt die Wachen an den Grenzen und am Haus.«
»Sofort«, antwortete der Wächter und verbeugte sich formell vor Alex, ehe er sich zum Gehen wandte.
»Vielleicht sollten wir besser gehen«, schlug Benjamin vor und erhob sich aus dem Liegestuhl.
Raul legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht, als er ihn zurück auf den Stuhl schob. »Nein. Du kennst meine Vergangenheit. Es gibt keinen Grund, weshalb du und Tristan während dieser Diskussion nicht anwesend sein könnt. Um ehrlich zu sein, möchte ich, dass ihr hier bleibt. Ich würde gern Tristans Meinung hören.«
Tristan gesellte sich zu der kleinen Gruppe und ließ sich auf der Armlehne von Benjamins Stuhl nieder. »Meine Meinung wozu?«
»Der Mann, der gleich ankommt, ist einer der vertrauenswürdigsten Berater meines Vaters und ziemlich alt. Reisen ist für ihn nicht einfach. Dass er hierher kommt, heißt nichts Gutes. Ich habe keine Ahnung, was während meiner Abwesenheit passiert ist, aber bedenkt man die Umstände meiner Ankunft hier…«
»Meinst du den Versuch, dich zu töten?«, warf Benjamin im sarkastischen Tonfall ein. »Oder eher Alex auszutricksen und dich damit legitim umzubringen?«
Raul nickte und die Andeutung eines Lächelns hob seine Mundwinkel. »Ja, genau das…«
»Wisst ihr, ich habe noch nie die vollständige Version dieser Geschichte gehört – nur Auszüge aus Gesprächen, so wie gerade«, erinnerte Tristan die Gruppe.
»Später, versprochen.« Raul zog fest an einer von Tristans langen, dunklen Locken.
Tristan wischte Rauls Hand beiseite, als würde er eine lästige Fliege verscheuchen. »Ja ja, schon gut. Wozu willst du meine Meinung hören?«
»Wahrscheinlich um zu beurteilen, wie glaubhaft das ist, was Nicolai zu sagen hat. Ich kann zwar die Worte beurteilen, aber ich will, dass du seine Gefühle beurteilst, die Absicht dahinter… Du musst für mich zwischen den Zeilen lesen«, antwortete Raul.
»Okay, kein Problem.« Tristan stimmte zu und nahm einen Schluck aus seinem Weinglas, ehe er es an Benjamin weiterreichte.
Benjamins Augen leuchteten ein wenig auf, als er über Tristans Nacken strich und ihn zu einem Kuss zu sich herunterzog. Seine tiefe Stimme grollte leise gegen Tristans Lippen. »Von dir schmeckt er viel besser… und ist auch viel berauschender.«
Alex räusperte sich, um Erics Rückkehr anzukündigen. Die vier Männer erhoben sich und beobachteten, wie die kleine Gruppe zwischen den Bäumen hervortrat und auf sie zukam.
Direkt vor Alex und Raul kam der alte Mann in der Mitte der Gruppe zum Stehen und kämpfte damit, auf die Knie zu fallen. Instinktiv streckte Alex die Hand aus und stützte seinen Arm.
»Euer Hals genügt, Adel, Ältester.«
Nicolai sah dankbar zu ihm auf, enblößte seine Kehle und senkte den Blick, als er dem Rajan in der rituellen Geste der Unterwerfung sein Leben anbot. Alex senkte seinen Mund über die verletzliche Stelle und nahm einen tiefen Atemzug, als seine Zähne die Haut berührten. Er konnte Nicolas gleichmäßigen Herzschlag spüren und nahm den Geruch von Sorge war. Sorge. Nicht Angst.
»Sei willkommen, Nicolai Thunderstruck, Berater von Randolf Carlisle, dem König des Cayuga-Rudels. Nimm an unserem Essen teil und befreie dich von der Last deiner Nachricht.« Alex begrüßte den Ältesten und richtete sich dabei zu seiner stolzen Größe von fast zwei Metern auf.
»Mögen Segen und Friede in deinem Rudel herrschen«, antwortete Nicolai und verbeugte sich dabei vor dem Rajan. Als er sich an Raul wandte, bot er erneut seine Kehle dar.
Raul umfasste die Schultern des Mannes, den er seit seiner Geburt kannte, brachte sein Gesicht an die dargebotene Kehle und zog ihn gleichzeitig in eine stürmische Umarmung. »Nicolai.«
Nicolai legte seine Hände auf Rauls Rücken. »Es sind furchterregende Zeiten, Lowell. Ich bin froh, dass du gesund und sicher bist, Junge.«
»Was führt dich her?« Raul löste die Umarmung und führte den Berater zu einem Stuhl.
Die Männer nahmen im Halbkreis um Nicolai Platz, nachdem sich dieser in einen Korbstuhl hatte sinken lassen. Die Wächter zogen sich an den Rand der Veranda zurück, blieben aber äußerst wachsam.
»Deinem Vater geht es nicht gut. Er hat sein Bett seit einem Monat nicht mehr verlassen.« Raul runzelte die Stirn. Sein Herz zog sich bei dem Gedanken, seinen Vater zu verlieren, schmerzhaft zusammen. »Ich danke dir, dass du gekommen bist, um mir das zu sagen, aber…«
»Das ist nicht der Grund, weshalb ich hier bin«, fuhr Nicolai fort. »Dein Bruder, Richard, ist verschwunden. In seiner Abwesenheit hat die Hexe Sienna den Thron und die Kontrolle über das Rudel übernommen.«
»Was?« Raul sprang auf die Füße. »Wie… mit welchem Recht? Ist sie Richards Gefährtin? Wurde sie verwandelt?«
Alex erhob sich, trat hinter seinen Gefährten und schmiegte sich an seinen Rücken. Raul nahm diese Stützte dankbar an und lehnte sich an Alex' starken Körper, um sich wieder zu beruhigen.
Nicolai schüttelte den Kopf. »Sie sind verheiratet, aber keine Gefährten. Der Rat hat ihre Verwandlung nicht zugelassen. Weder wir noch dein Vater vertrauen ihr, doch ohne Richard hat er keine Chance, sie zu kontrollieren. Sie ist die Frau deines Bruders und hat nun die Rolle übernommen, die ihr zustünde, wenn sie verwandelt worden und Richards anerkannte Gefährtin wäre.«
»Wie lange ist er schon verschwunden?«, fragte Alex und sein ruhiger, sachlicher Tonfall sorgte dafür, dass sich die Aufregung etwas legte. Raul, Benjamin, Nicolai und selbst Tristan reagierten auf die Schwingungen in der Stimme des Alphas.
»Seit vier Tagen. Die Wächter haben das Revier bis in den letzten Winkel abgesucht, aber sie haben ihn nicht gefunden. Wir befürchten, dass sie ihm etwas angetan haben könnte«, erklärte Nicolai.
»Wenn man ihre Taten in der Vergangenheit bedenkt, wäre das gar nicht so abwegig«, schnaubte Raul. »Du bist also gekommen, um mich zu bitten, nach Hause zu kommen.«
Nicolai begegnete Rauls Blick. »Nicht um zu herrschen. Wir wissen, dass du ein König dieses Rudels bist, und wir werden diese Verbindung nicht antasten. Ich bin im Namen des Rates hier, um dich zu bitten, uns bei der Suche nach deinem Bruder zu helfen. Ihr seid seit eurer Geburt miteinander verbunden. Wenn ihn jemand finden kann, dann du.«
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