Der Gesellschaftsvertrag - Jean Jacques Rousseau - E-Book
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Jean Jacques Rousseau

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Beschreibung

In Jean Jacques Rousseaus Werk 'Der Gesellschaftsvertrag' wird die Frage nach der Legitimität politischer Autorität und der Organisation der Gesellschaft behandelt. Er präsentiert einen Gedankenexperiment über den Ursprung und die Prinzipien der Gesellschaft und formuliert die Idee eines allgemeinen Willens, der oberste Autorität haben sollte. Rousseau's Schreibstil ist klar und präzise, mit einer starken Betonung auf die Bedeutung von Freiheit und Gleichheit. Das Werk wird oft als eines der grundlegenden Werke der politischen Philosophie angesehen und hat einen nachhaltigen Einfluss auf das politische Denken der Moderne gehabt. Rousseau, ein bedeutender Denker der Aufklärung, war von sozialen und politischen Fragen fasziniert. Seine eigenen Erfahrungen und die turbulenten Zeiten, in denen er lebte, haben ihn dazu inspiriert, 'Der Gesellschaftsvertrag' zu schreiben. Mit seinem tiefen Verständnis für die Struktur der Gesellschaft und den Grundlagen der politischen Macht bietet dieses Buch einen einzigartigen Einblick in die komplexen Beziehungen zwischen Individuum und Staat. 'Der Gesellschaftsvertrag' von Jean Jacques Rousseau ist ein Muss für alle, die ein tieferes Verständnis für politische Philosophie und die Ursprünge der modernen Gesellschaft suchen. Durch seine klare Argumentation und seine visionären Ideen regt das Buch zum Nachdenken an und lädt dazu ein, über die Grundlagen unserer Gesellschaft nachzudenken.

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Jean Jacques Rousseau

Der Gesellschaftsvertrag

Prinzipien des politischen Rechtes

Books

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2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1234-7

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch
Zweites Buch
Drittes Buch
Viertes Buch

Vorrede

Diese kleine Abhandlung ist einem größeren Werke entnommen, welches ich einst ohne Rücksicht darauf, ob meine Kräfte dazu ausreichen würden, begonnen und schon längst hatte liegen lassen. Von verschiedenen Auszügen aus dem vollendeten Teile dieser Arbeit ist vorliegender der wichtigste und scheint mir am wenigsten unwert, dem Lesepublikum vorgelegt zu werden. Der Rest ist bereits vernichtet.

Erstes Buch

Inhaltsverzeichnis
Inhalt
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel

Erstes Buch

Inhaltsverzeichnis

Ich beabsichtige zu untersuchen, ob es in der bürgerlichen Verfassung irgendeinen gerechten und sicheren Grundsatz der Staatsverwaltung geben kann, wenn man die Menschen nimmt, wie sie sind, und die Gesetze, wie sie sein können. Bei dieser Untersuchung werde ich mich bemühen, stets das, was das Recht zuläßt, mit dem zu vereinen, was das allgemeine Beste vorschreibt, damit Gerechtigkeit und Nutzen nicht getrennt werden.

Ich dringe in die Materie ein, ohne erst die Wichtigkeit meines Gegenstandes zu beweisen. Man wird mich fragen, ob ich Fürst oder Gesetzgeber sei, um berechtigt zu sein, über Politik zu schreiben. Ich antworte nein und schreibe gerade deshalb über Politik. Wäre ich Fürst oder Gesetzgeber, so würde ich nicht meine Zeit damit vergeuden, zu sagen, was man tun muß; ich würde es tun oder schweigen.

Einen wie geringen Einfluß auch die Stimme eines einfachen Bürgers, wie ich bin, der in einem freien Staate geboren ist und durch das allgemeine Stimmrecht Anteil an der Staatsgewalt hat, auf die öffentlichen Angelegenheiten haben mag, so genügt doch schon das bloße Recht, darüber abzustimmen, um mir die Pflicht aufzulegen, mich über sie zu unterrichten. So oft ich über die Regierungen nachdenke, fühle ich mich glücklich, daß ich in meinen Forschungen stets neue Gründe finde, diejenige meines Vaterlandes zu lieben.

1. Kapitel

Inhalt des ersten Buches

Inhaltsverzeichnis

Der Mensch wird frei geboren, und überall ist er in Ketten. Mancher hält sich für den Herrn seiner Mitmenschen und ist trotzdem mehr Sklave als sie. Wie hat sich diese Umwandlung zugetragen? Ich weiß es nicht. Was kann ihr Rechtmäßigkeit verleihen? Diese Frage glaube ich beantworten zu können.

Würde ich nur auf die Gewalt und die Wirkungen, die sie hervorbringt, Rücksicht nehmen, so würde ich sagen: solange ein Volk gezwungen wird zu gehorchen, so tut es wohl, wenn es gehorcht; sobald es sein Joch abzuschütteln imstande ist, so tut es noch besser, wenn es dasselbe von sich wirft, denn sobald es seine Freiheit durch dasselbe Recht wiedererlangt, das sie ihm geraubt hat, so ist es entweder befugt, sie wieder zurückzunehmen, oder man hat sie ihm unbefugterweise entrissen. Allein die gesellschaftliche Ordnung ist ein geheiligtes Recht, das die Grundlage aller übrigen bildet. Dieses Recht entspringt jedoch keineswegs aus der Natur; es beruht folglich auf Verträgen. Deshalb kommt es darauf an, die Beschaffenheit dieser Verträge kennenzulernen. Ehe ich dazu komme, ist es meine Pflicht, die eben aufgestellten Behauptungen zu begründen.

2. Kapitel

Erste gesellschaftliche Vereinigungen

Inhaltsverzeichnis

Die älteste und einzig natürliche Form aller Gesellschaften ist die Familie; obgleich die Kinder nur solange mit dem Vater verbunden bleiben, wie sie seiner zu ihrer Erhaltung bedürfen. Sobald dieses Bedürfnis aufhört, löst sich das natürliche Band. Von dem Gehorsam befreit, den die Kinder dem Vater schuldig sind, und der Sorgfalt überhoben, zu der der Vater den Kindern gegenüber verpflichtet ist, kehren alle in gleicher Weise zur Unabhängigkeit zurück. Bleiben sie weiter in Verbindung, so ist das kein natürlicher Zustand mehr, sondern ein freiwilliges Übereinkommen; die Familie an sich hat nur durch Übereinkunft Bestand.

Diese gemeinsame Freiheit ist eine Folge der Natur des Menschen. Sein erstes Gesetz muß es sein, über seine eigene Erhaltung zu wachen; seine Hauptsorgen sind die, die er sich selbst schuldig ist, und sobald er zu dem Alter der Vernunft gekommen, ist er allein Richter über die zu seiner Erhaltung geeigneten Mittel und wird dadurch sein eigener Herr.

Demnach ist die Familie, wenn man will, das erste Muster der politischen Gesellschaften. Der Herrscher ist das Abbild des Vaters, das Volk ist das Abbild der Kinder, und da alle gleich und frei geboren sind, veräußern sie ihre Freiheit nur um ihres Nutzens willen. Der ganze Unterschied besteht darin, daß in der Familie die Vaterliebe die Sorgenlast vergilt, die ihm die Kinder auferlegen, während im Staate die Lust zu befehlen die Liebe ersetzt, die der Herrscher für sein Volk nicht empfindet.

Grotius leugnet, daß jede menschliche Macht zugunsten der Regierten eingesetzt sei: zum Beweise beruft er sich auf die Sklaverei. In seiner bekannten Schlußweise begründet er das Recht auf das tatsächliche Gelten desselben.1 Man würde wohl eine folgerichtigere Lehre aufstellen können, aber keine, die den Gewaltherrschern günstiger wäre.

Nach Grotius ist es demnach zweifelhaft, ob das Menschengeschlecht etwa hundert einzelnen Menschen als Eigentum gehört, oder ob diese hundert dem Menschengeschlechte angehören, und in seinem ganzen Werke scheint er sich zu der ersten Ansicht hinzuneigen. Dies ist auch die Meinung von Hobbes. So ist also das menschliche Geschlecht wie Vieh in Herden abgeteilt, deren jede ihren Herrn hat, der sie beschützt, um sie zu verschlingen.

Wie ein Hirt von einer höheren Natur ist als seine Herde, so sind auch die Hirten der Menschen, ihre Herren, von einer höheren Natur als ihre Völker. So schloß, wie Philo berichtet, der Kaiser Caligula, indem er nach dieser Analogie ziemlich richtig folgerte, daß die Könige Götter oder die Völker Tiere wären.

Diese Schlußfolgerung Caligulas stimmt mit den von Hobbes und Grotius aufgestellten Lehren vollkommen überein. Schon vor ihnen allen hatte Aristoteles ebenfalls behauptet, daß die Menschen von Natur keineswegs gleich wären, sondern die einen zur Sklaverei und die anderen zur Herrschaft geboren würden.

Aristoteles hatte recht, aber er hielt die Wirkung für die Ursache. Jeder in der Sklaverei geborene Mensch wird für die Sklaverei geboren; nichts ist gewisser. Die Sklaven verlieren in ihren Fesseln alles, sogar den Wunsch, sie abzuwerfen, sie lieben ihre Knechtschaft, wie die Gefährten des Odysseus ihren tierischen Zustand nach ihrer Verwandlung liebten. Wenn es also Sklaven von Natur gibt, so liegt der Grund darin, daß es schon vorher Sklaven wider die Natur gegeben hat. Die Gewalt hat die ersten Sklaven gemacht; ihre Feigheit hat sie beständig erhalten.

Ich habe nichts vom Könige Adam noch vom Kaiser Noah, dem Vater der drei großen Monarchen gesagt, die gleich den Kindern des Saturn, die man in ihnen hat wiedererkennen wollen, die Welt unter sich teilten. Ich hoffe, daß man mir für dieses Maßhalten dankbar sein wird; denn da ich von einem dieser Fürsten und vielleicht von dem ältesten Zweige in gerader Linie abstamme, so kann ich ja nicht wissen, ob ich mich nicht durch den Nachweis der Richtigkeit meiner Rechtsansprüche als das rechtmäßige Oberhaupt des menschlichen Geschlechtes enthüllen würde? Wie dem auch sein möge, so kann man doch nicht leugnen, daß Adam Beherrscher der Welt gewesen ist, wie Robinson Beherrscher seiner Insel, solange er ihr einziger Bewohner war, und das Angenehmste bei dieser Herrschaft lag darin, daß der Monarch auf seinem Throne sicher war und weder Aufstand, noch Kriege, noch Empörer zu fürchten hatte.

Fußnote

1»Die gelehrten Untersuchungen über das öffentliche Recht sind oft nichts anderes als die Geschichte alter Mißbräuche, und man füllt sich damit den Kopf ohne Grund an, wenn man sie allzu eifrig studiert.« (Traité des intérets de la France avec ses voisins, par M. le marquis d'Argenson, imprimé chez Rey à Amsterdam.) Gerade das hat Grotius getan.

3. Kapitel

Vom Recht des Stärkeren

Inhaltsverzeichnis

Der Stärkste ist nie stark genug, um immerdar Herr zu bleiben, wenn er seine Stärke nicht in Recht und den Gehorsam nicht in Pflicht verwandelt. Daher entspringt das Recht des Stärksten, ein Recht, das scheinbar ironisch aufgefaßt und in der Tat doch als Prinzip anerkannt wird. Aber wird man uns dieses Wort denn nie erklären? Die Stärke ist ein physisches Vermögen; ich begreife nicht, welche sittliche Verpflichtung aus ihren Wirkungen hervorgehen kann. Der Stärke nachgeben ist eine Handlung der Notwendigkeit, nicht des Willens, höchstens eine Handlung der Klugheit. In welchem Sinne kann es eine Pflicht werden?

Lassen wir dieses angebliche Recht einen Augenblick gelten. Nach meiner Überzeugung ergibt sich daraus nur ein unlöslicher Wirrwarr von Begriffen, denn sobald die Stärke das Recht verleiht, so wird die Wirkung mit der Ursache verwechselt; jede Stärke, welche die erste übersteigt, ist die Erbin ihres Rechtes. Sobald man ungestraft nicht zu gehorchen braucht, besitzt man das Recht dazu, und da der Stärkste immer recht hat, handelt es sich nur darum, es so einzurichten, daß man der Stärkste ist. Was bedeutet nun aber ein Recht, das mit dem Aufhören der Stärke ungültig wird? Muß man aus Zwang gehorchen, so braucht man nicht aus Pflicht zu gehorchen, und wird man nicht mehr zum Gehorchen gezwungen, so ist man dazu auch nicht mehr verpflichtet. Man sieht also, daß das Wörtlein »Recht« der Stärke nichts verleiht; es ist hier vollkommen bedeutungslos.

Gehorchet den Gewalthabern! Wenn dies bedeuten soll: gebet der Stärke, der Gewalt nach, so ist das Gebot gut, aber überflüssig; ich bürge dafür, daß es nie übertreten werden wird. Ich gebe zu, daß jede Gewalt von Gott kommt; aber auch jede Krankheit kommt von ihm; heißt das etwa, deshalb sei es verboten, den Arzt zu rufen? Wenn mich ein Räuber im Waldesdickicht überfällt, so muß ich mich der Gewalt fügen und ihm meine Börse geben; verpflichtet mich aber wohl mein Gewissen, sie zu geben, wenn ich imstande wäre, sie ihm vorzuenthalten? Die Pistole, die er mir vorhält, ist ja am Ende doch immer eine Gewalt.

Gestehen wir also, daß Stärke kein Recht gewährt, und daß man nur verpflichtet ist, der rechtmäßigen Gewalt Gehorsam zu leisten. So taucht meine erste Frage immer wieder von neuem auf.

4. Kapitel

Sklaverei

Inhaltsverzeichnis

Da kein Mensch eine natürliche Gewalt über seinesgleichen hat, und da die Stärke kein Recht gewährt, so bleiben also die Verträge als die einzige Grundlage jeder rechtmäßigen Gewalt unter den Menschen übrig?

Wenn ein einzelner, sagt Grotius, seine Freiheit veräußert und sich zum Sklaven eines Herrn machen kann, weshalb sollte dann nicht auch ein ganzes Volk die seinige veräußern und sich einem Könige unterwerfen können? In diesem Satze kommen einige zweideutige Worte vor, die erst einer genauen Erklärung bedürfen. Halten wir uns aber zunächst an den Ausdruck »veräußern«. Veräußern heißt verschenken oder verkaufen. Ein Mensch, der sich zum Sklaven eines andern macht, verschenkt sich nun aber nicht, sondern verkauft sich wenigstens für seinen Unterhalt; wofür verkauft sich aber ein Volk? Weit davon entfernt, daß ein König jemals seinen Untertanen ihren Lebensunterhalt gewähren würde, bezieht er den seinigen vielmehr nur von ihnen, und nach Rabelais' Versicherung lebt ein König nicht von wenigem. Verschenken denn die Untertanen ihre Person nur unter der Bedingung, daß man ihnen auch noch ihr Vermögen nimmt? Ich begreife nicht, was ihnen dann noch zu bewahren übrigbleibt.

Man wird sagen, daß der Gewaltherrscher seinen Untertanen die bürgerliche Ruhe sichere; es mag sein, aber was gewinnen sie dabei, wenn die Kriege, in die sein Ehrgeiz sie verwickelt, wenn seine unersättliche Habgier, wenn die Bedrückungen seiner Minister sie mehr belasten, als ihre Zwistigkeiten es vermöchten? Was gewinnen sie dabei, wenn diese Ruhe selbst ein Glied in der langen Kette ihres Elends ist? Im Kerker lebt man auch ruhig; genügt das, um sich darin wohlzufühlen? Die in der Höhle des Zyklopen eingesperrten Griechen lebten, bis die Reihe verschlungen zu werden an sie kam, ebenfalls in tiefster Ruhe.

Die Behauptung, ein Mensch verschenke sich unentgeltlich, ist eine unbegreifliche Albernheit; eine solche Handlung ist schon um deswillen ungesetzlich und nichtig, weil derjenige, der sich zu ihr hergibt, nicht bei gesunder Vernunft ist. Wer dies einem ganzen Volke nachsagt, muß es für ein Volk von Verrückten halten: Verrücktheit verleiht kein Recht.

Sogar wenn ein jeder sich selbst veräußern könnte, kann er doch nicht seine Kinder veräußern; sie werden als Menschen und als Freie geboren; ihre Freiheit gehört ihnen, und sie allein besitzen das Recht, über dieselbe zu verfügen. Vor ihrem Eintritt in das Alter der Vernunft kann der Vater in ihrem Namen zum Zwecke ihrer Erhaltung und ihres Wohlbefindens Bestimmungen treffen, sie aber nicht unwiderruflich und bedingungslos verschenken, denn eine solche Verschenkung läuft den Zwecken der Natur zuwider und überschreitet die väterlichen Rechte. Damit eine willkürliche Regierung rechtmäßig wäre, müßte deshalb das Volk nach jedem Menschenalter immer wieder das Recht besitzen, sie anzunehmen oder verwerfen zu können; aber dann würde diese Regierung nicht mehr willkürlich sein.

Auf seine Freiheit verzichten, heißt auf seine Menschheit, die Menschenrechte, ja selbst auf seine Pflichten verzichten. Wer auf alles verzichtet, für den ist keine Entschädigung möglich. Eine solche Entsagung ist mit der Natur des Menschen unvereinbar, und man entzieht, wenn man seinem Willen alle Freiheit nimmt, seinen Handlungen allen sittlichen Wert. Kurz, es ist ein nichtiger und mit sich selbst in Widerspruch stehender Vertrag, auf der einen Seite eine unumschränkte Macht und auf der andern einen schrankenlosen Gehorsam festzusetzen. Ist es nicht klar, daß man gegen den, von welchem man das Recht hat, alles zu verlangen, zu nichts verpflichtet ist? Zieht diese einzige Bedingung ohne Entschädigung, ohne Gegenleistung nicht die Nichtigkeit des Übereinkommens nach sich? Denn welches Recht könnte mein Sklave gegen mich geltend machen, da alles, was er besitzt, mir gehört, und dadurch, daß sein Recht das meinige ist, dieses mein Recht wider mich selbst ein Wort ist, das keinen Sinn hat.

Grotius und andere folgerten aus dem Kriege eine andere Quelle des angeblichen Rechtes der Sklaverei. Da nach ihnen der Sieger das Recht besitze, den Besiegten zu töten, dürfte letzterer sein Leben auf Kosten seiner Freiheit erkaufen, ein Vertrag, der um so rechtmäßiger sei, da er beiden Vorteil bringe.

Aber es liegt auf der Hand, daß dieses vermeintliche Recht, die Besiegten zu töten, in keinerlei Weise aus dem Kriegsstande hervorgeht. Schon aus dem einzigen Grunde, daß die Menschen, solange sie in ihrer ursprünglichen Unabhängigkeit leben, unter sich in keiner Beziehung stehen, die von derartiger Dauer ist, weder den Friedens- noch den Kriegszustand herbeizuführen, sind sie von Natur nicht Feinde. Das Verhältnis der Dinge und nicht das der Menschen zueinander ruft den Krieg hervor; und da der Kriegsstand nicht aus einfachen persönlichen Beziehungen, sondern lediglich aus sachlichen Beziehungen entstehen kann, so ist weder im Naturzustand, in dem es kein beständiges Eigentum gibt, noch im Gesellschaftszustand, in dem alles unter der Gewalt der Gesetze steht, der Privatkrieg oder der Kampf von Mann gegen Mann möglich.

Privatkämpfe, Duelle, zufällig herbeigeführte Zweikämpfe sind Handlungen, die keinen besonderen Zustand begründen, und was die durch die Einrichtungen König Ludwigs IX. von Frankreich gestatteten und durch den Gottesfrieden aufgehobenen Privatfehden anlangt, so sind es Mißbräuche der Feudalregierung, des sinnlosesten Systems, das es je gegeben hat und das den Grundsätzen des Naturrechts und einer jeden gesunden Politik völlig widerspricht.

Der Krieg ist demnach kein Verhältnis eines Menschen zum andern, sondern das Verhältnis eines Staates zum andern, bei dem die einzelnen nur zufällig Feinde sind, und zwar nicht als Menschen, ja nicht einmal als Bürger,2 sondern als Soldaten, nicht als Glieder des Vaterlandes, sondern als seine Verteidiger. Kurz, jeder Staat kann nur andere Staaten zu Feinden haben und nicht Menschen, da man zwischen Dingen von verschiedener Natur kein wirkliches Verhältnis zueinander nachweisen kann.

Dieses Prinzip ist denn auch mit den eingeführten Grundsätzen aller Zeiten und mit der unwandelbaren Handlungsweise aller gesitteten Völker in vollem Einklang. Die Kriegserklärungen sind Kampfansagen, die weniger an die Mächte, als an die Untertanen gerichtet sind. Der Fremde, der, ob er nun König, Privatmann oder ein ganzes Volk sei, ohne vorher ergangene Kriegserklärung an den Fürsten dessen Untertanen beraubt, tötet oder gefangenhält, ist nicht ein Feind, sondern ein Räuber. Sogar mitten im Kriege bemächtigt sich ein gerechter Fürst im Feindeslande wohl alles Staatseigentums, aber er verschont die Person und das Vermögen der einzelnen, er achtet Rechte, auf die die seinigen gegründet sind. Da der Zweck des Krieges die Vernichtung des feindlichen Staates ist, so hat man das Recht, die Verteidiger desselben zu töten, solange sie die Waffen in der Hand haben; sobald sie sie jedoch niederlegen und sich ergeben, so werden sie, weil sie aufhören Feinde oder Werkzeuge des Feindes zu sein, wieder nur Menschen, und man hat kein Recht mehr auf ihr Leben. Mitunter kann man den Staat vernichten, ohne ein einziges seiner Glieder zu töten, denn der Krieg verleiht nur das zur Herbeiführung seines Zweckes notwendige Recht. Diese Grundsätze teilt Grotius nicht; sie sind nicht auf die Überredungskraft der Dichter gegründet, sondern entspringen aus der Natur der Dinge und sind auf die Vernunft gegründet.

Was nun das Eroberungsrecht anlangt, so hat es keine andere Begründung als das Gesetz des Stärkeren. Wenn der Krieg dem Sieger nicht das Recht einräumt, die besiegten Völker niederzumetzeln, so kann ihm dieses Recht, das er nicht besitzt, auch nicht das Recht gewähren, sie zu unterjochen. Nur dann hat man das Recht, den Feind zu töten, wenn man ihn nicht zum Sklaven machen kann; das Recht, ihn zum Sklaven zu machen, geht also nicht aus dem Rechte, ihn zu töten, hervor; das ist doch ein unbilliger Tausch, ihn sein Leben, auf das man kein Recht hat, mit seiner Freiheit erkaufen zu lassen. Verfällt man dadurch, daß man das Recht über Leben und Tod auf das Recht der Sklaverei und das Recht der Sklaverei auf das Recht über Leben und Tod gründet, nicht augenscheinlich in einen Kreisschluß?

Selbst wenn man dieses schreckliche Recht, alles zu töten, als richtig gelten ließe, behaupte ich trotzdem, daß ein im Kriege zum Sklaven gemachter Mensch oder ein unterjochtes Volk gegen seinen Herrn keine andere Verpflichtung hat, als ihm so lange zu gehorchen, wie er dazu gezwungen ist. Da der Sieger für sein Leben einen entsprechenden Ersatz annahm, hat er es ihm nicht geschenkt; anstatt ihn ohne einen Gewinn für sich zu töten, hat er ihn in einer Weise unschädlich gemacht, die ihm Nutzen brachte. Also weit davon entfernt, über ihn ein mit der Gewalt verbundenes Recht gewonnen zu haben, besteht der Kriegszustand zwischen ihnen nach wie vor fort, selbst ihr Verhältnis ist eine Wirkung desselben, und die Ausübung des Kriegsrechts setzt keinen Friedensvertrag voraus. Sie haben ein Übereinkommen getroffen, das mag sein; aber statt dem Kriegsstande ein Ende zu machen, setzt dieses Übereinkommen gerade die Fortdauer desselben voraus.

Von welchem Gesichtspunkte man deshalb auch die Dinge betrachten möge, so ist das Recht der Sklaverei immer nichtig, nicht allein weil es ungesetzmäßig, sondern auch weil es sinnlos und bedeutungslos ist. Die Worte »Sklave« und »Recht« stehen im Widerspruche; sie heben sich gegenseitig auf. Ob sich dieser Redensweise ein Mensch zu einem anderen oder zu einem ganzen Volke bedient, so wird es stets gleich unsinnig sein zu sagen: »Ich schließe mit dir eine Übereinkunft, die dir allen Nachteil und mir allen Vorteil bringt, eine Übereinkunft, die ich halten werde, solange es mir gefällt, und die du halten mußt, solange es mir gefällt.«

Fußnote

2 Die Römer, die das Kriegsrecht verstanden und mehr als irgendein Volk auf Erden geachtet haben, trieben in dieser Beziehung die Gewissenhaftigkeit so weit, daß es einem Bürger nicht gestattet war, als Freiwilliger zu dienen, wenn er sich nicht ausdrücklich verpflichtet hatte, gegen den Feind und namentlich einen bestimmt angegebenen Feind zu streiten. Als eine Legion, in der Cato, der Sohn, unter Popilius seinen ersten Waffendienst getan, entlassen worden war, schrieb Cato, der Vater, dem Popilius, wenn er wünschte, daß sein Sohn unter ihm weiter diente, so müßte er ihn von neuem vereidigen, da der erste Eid ungültig geworden und sein Sohn aus diesem Grunde nicht mehr die Waffen gegen den Feind führen dürfte. Und seinen Sohn forderte Cato auf, sich ernstlich zu hüten und sich vor Ablegung des neuen Eides nicht an dem Kampfe zu beteiligen. Ich kann mir denken, daß man mir die Belagerung von Clusium und andere besondere Fälle entgegenhalten wird; aber ich berufe mich nur auf Gesetz und Brauch. Unter allen Völkern haben die Römer ihre Gesetze am seltensten übertreten, und sie sind das einzige Volk, das so schöne Gesetze hatte.

5. Kapitel

Die Abstammung aller Verträge aus einem Urvertrage

Inhaltsverzeichnis

Wenn ich auch alles, was ich bisher widerlegt, zugestände, so würden doch die Verteidiger des Despotismus dadurch noch nicht weitergelangt sein. Es wird stets ein großer Unterschied zwischen der Unterjochung einer Menge und der Regierung einer Gesellschaft stattfinden. In wie großer Anzahl auch zerstreute Menschen nach und nach von einem einzelnen unterjocht werden, so sehe ich dabei doch nur einen Herrn und Sklaven; ich erblicke darin kein Volk und sein Oberhaupt; es ist, wenn man will, eine Zusammenhäufung, aber keine Gesellschaft; es gibt da weder ein Gemeinwohl noch einen Staatskörper. Dieser Mensch ist, wenn er auch die halbe Welt unterjocht hätte, immer nur ein Privatmann, und sein Interesse, sobald es von dem der übrigen losgelöst ist, immer nur ein Privatinteresse. Nach seinem Tode bleibt sein Reich zerstückt und ohne Verbindung zurück, wie eine Eiche, wenn sie vom Feuer verzehrt ist, sich auflöst und in einen Aschenhaufen zerfällt.