Der Großeltern Haus - Irene Siegwart - E-Book

Der Großeltern Haus E-Book

Irene Siegwart

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Beschreibung

Eine kleine Familiengeschichte, liebevoll erzählt von der Enkelin. Die Geschichte eines Hauses und seiner Bewohner über ein bewegendes Jahrhundert.

Das E-Book Der Großeltern Haus wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Krieg, Familenleben, Haus, Flucht

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Seitenzahl: 63

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Inhaltsverzeichnis

Der Großeltern Haus

Der „Rossler Konsum“

Der Traum vom Automobil

Alberts Hochzeit

Der Krieg

Die Heimkehr

Der Anbau – das zweite Haus

Die Familie

Großvaters Haus

Nachwort

Der Großeltern Haus

Das Jahr 1921 ist das Jahr der Wirtschaftskrise. In diesem schlimmen Jahr, erwarten Magdalena und Michel Oberhauser ihr zweites Kind. Albert, ihr erstes Kind, ist bereits fünf Jahre alt. Seit ihrer Eheschließung wohnen im Haus von Magdalenas Schwester Maria. Es ist beengt mit zwei Familien, obwohl Marias Mann ein großes Haus gebaut hatte. Die beiden Eheleute verstehen sich gut, daher ging das Zusammenleben bisher auch reibungslos. Mit zwei Kindern wollen sie endgültig aus der kleinen Mietwohnung in der oberen Warndtstraße ausziehen.

Dabei ist die Bezeichnung „Mietwohnung“ fast irreführend. Wir, aus unserer heutigen Zeit, bezeichnen damit eine sogenannte „abgeschlossene“ Wohnung. Also eine Wohnung mit eigener Küche, eigenem WC und Bad und einer Korridortür, die man abschließen kann. Die Wohnung im Haus von Marias Familie war anders.

Michel und Magdalena hatten nur ein Schlafzimmer und eine Kammer Wohnbereich. Die Kammer diente als privater Rückzugsraum oder Wohnzimmer. Dort befand sich auch ein Waschbecken. Sie hatten kein eigenes Bad oder WC, auch keine eigene Küche. Sie hatten nicht einmal eine Kochplatte oder etwas ähnliches in ihrer Kammer, worauf sie ein kleines warmes Gericht hätten zubereiten können. Nein. Das Schlafzimmer war in der zweiten Etage des Hauses, die Kammer im Erdgeschoß. Sie war ihr Lebensmittelpunkt, ihr Wohnzimmer sozusagen. Eine eigene Küche hatten sie nicht.

Magdalenas Schwester Maria stellte ihre Wohnküche zur Verfügung. Diese wurde somit zur gemeinsamen Küche, die an Samstagen zum Bad umfunktioniert wurde. Dann stellte man einen großen Zuber in die Mitte der Küche und befüllte diesen mit warmem Wasser, welches man in großen Töpfen auf dem Küchenofen, erwärmte. Im Sommer, wenn die Temperaturen warm waren, badete man im Keller. Auch dort konnte nur im Zuber gebadet werden, allerdings dann mit kaltem Wasser direkt aus der Wasserleitung.

Die Toilette war für damalige Zeit modern. Sie an das Haus angebaut und über den Flur erreichbar. Es war ein Plumpsklo, ohne Spülung. Normalerweise befand sich ein solches Plumpsklo im Garten, einige Meter vom Haus entfernt. Hier war es wesentlich bequemer. Marias Mann hatte die Idee im Flur ein kleiner Durchbruch in die Wand zu brechen so dass man, wie in einer Ritterburg auch, im Erker saß und die Notdurft nach unten in direkt in die Jauchegrube fiel. So musste man nicht in den Garten. Sehr bequem in der Nacht - man ersparte sich den Nachttopf - und im Winter oder bei Regen musste man nicht in der Kälte in den Hof.

So gerne die Großeltern mit der Familie zusammenwohnten, Großvater wollte etwas Eigenes, etwas, dass er seinen Kindern hinterlassen konnte und ihnen Sicherheit für die Zukunft bieten sollte. Er wollte ein eigenes Haus. Er dachte großzügig und weit voraus. Ich frage mich oft, welche Überlegungen sie hatten, sich in ein so großes Projekt zu stürzen. Wirtschaftlich war eine Mietwohnung bei der Familie eine sichere Sache. Sie wohnten zwar räumlich begrenzt, doch andererseits bei geringen Ausgaben ohne finanzielles Risiko. Und sie hatten immer Kontakt zu Schwester und Schwager, konnten sich gegenseitig unterstützen und einander helfen.

Der Kauf eines Hauses war ein großes Wagnis, zumal gerade mal zwei Jahre nach dem Krieg kein Finanzpolster auf dem Sparbuch vorhanden war. Aber Michel und Magdalena wollten anderen nicht zur Last fallen. Sie wollten ihren Kindern ein eigenes Zuhause sichern. Die Menschen hatten noch die Hungerzeit nach dem 1. Weltkrieg in schrecklicher Erinnerung. Großmutter hat später immer von der „Ersten schlimmen Zeit“ gesprochen. Diese sei noch schlimmer gewesen als die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, der „Zweiten schlimmen Zeit“. Die Möglichkeit selbst Obst und Gemüse anzubauen, eine kleine Tierhaltung dazu, war ihnen wichtig. So war man mit den Lebensmitteln nicht andere angewiesen.

Magdalena Oberhauser geb. Schuler und Michel Oberhauser um 1950

Großrosseln gehörte zum – wie man es damals nannte – Saargebiet. Es stand unter dem Mandat des Völkerbundes und war von diesem in französische Verwaltung gegeben worden. Durch die Weltwirtschaftskrise, die sich auch auf das Saargebiet auswirkte, gab es auch hier wirtschaftliche Probleme. Die Banken waren mit Versteigerungen der Häuser schnell bei der Hand. Man musste sehen, wie man seine Ratenzahlungen pünktlich beglich. Das war nicht allen möglich. Auch Geschäftsleuten konnte eine Insolvenz blühen, sie verloren dann auch oft ihr Wohnhaus, welches sie noch im Glauben an den Erfolg ihres Unternehmens der Bank als Sicherheit verpfändet hatten.

So hörte Michel eines Tages von der Versteigerung dreier Häuser aus Großrosseln. Nach Erinnerung meiner Mutter handelte es sich dabei um Häuser eines Geschäftsmannes aus dem Ort, der durch die Wirtschaftskrise in die Insolvenz geraten sei.

Michel erfuhr davon und ging am Versteigerungstermin zum Amtsgericht nach Völklingen. Viele Menschen sollen anwesend gewesen sein, denn das Drama um die Insolvenz des bekannten Unternehmers war lange Gesprächsstoff. Neben den Neugierigen befanden sich auch ernsthaft interessierte Menschen im Publikum. Beim ersten Haus, welches in der Versteigerung aufgerufen wurde, ging der Preis sehr hoch. Dieses Haus befand sich in der Nähe von Michels Elternhauses in der Karlsbrunnerstraße. Es war ein kleines Haus, die Größe hätte Michel zugesagt. Doch als die Gebote immer höher stiegen, bot Michel nicht mehr mit. Beim zweiten Haus gefiel ihm dessen Lagen in der Hauptstraße nicht und so gab Michel hier keine Gebote ab. Sein Ziel war das dritte Haus in der Versteigerung und das Beste: es befand sich in der Warndtstraße. Dieses versuchte er zu erwerben.

Bei dessen Aufruf soll er fleißig mitgeboten haben. Auch hier gingen die Gebote hoch, aber Michel vertraute auf sein Glück. Schließlich gelang es ihm und er erhielt den Zuschlag. Sein Gebot war das höchste, die anderen stiegen aus der Versteigerung aus. Michel atmete auf. Er hatte es erreicht. Es war sein Ziel, seine Heimstatt, die er seiner Familie schenken wollte. Das Haus war teuer, aber er würde die Finanzierung stemmen. Da war er sich sicher. Und sein Lenchen, wie er seine Frau nannte, würde stolz auf ihn sein.

Es war der Beginn der Verwirklichung seines großen Traumes.

Das Haus war ein 1½ stöckiges geräumiges Wohnaus mit der Hausnummer 38, also etwas unterhalb des Hauses von Schwägerin Maria. Es war das in der Versteigerung teuerste und größte Haus. Für damalige Zeit war es sehr modern und fast neu.

War Michel hier über seine Verhältnisse gegangen? Nein, er kannte das Haus. Es war solide und erst vor drei Jahren gebaut worden, also praktisch ein Neubau. Es stand in der Nähe zur Familie, sowohl zur Schwägerin als auch zur Familie in der Karlsbrunnerstraße, dort wo seine Eltern und seine Geschwister wohnten. Auch zu den Eltern Lenas war es nicht weit. Hinter dem Garten befand sich ein Feldweg, ein Verbindungsweg durch die Wiesen zwischen der Warndt- und der Karlsbrunnerstraße. Auf kurzem Weg durch die Felder konnte man zur Familie gehen. Und, was wichtig für ihn war, er wusste die kleine Wohnung in der Dachschräge ist vermietet. Michel konnte die Mieteinnahmen in seine Finanzplanung einkalkulieren.

Zum Haus gehörte unterhalb des Berghanges ein kleiner Gemüsegarten, dieser würde zusätzlich zum Lebensunterhalt beitragen. Das Haus hatte Hochkeller, in dem befand sich eine Sommerküche sowie die für damalige Verhältnisse seltene Toilette mit Wasserspülung und einen Raum mit Badewanne und mit Holz beheizbaren Badeofen. Also ein beheizbares Bad. In einem weiteren Kellerraum waren Platz für eine Ziege und ein Schwein.