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"Das Geschehen in den letzten Apriltagen in den ausgedehnten Waldgebieten um Halbe gehört zu den furchtbarsten Ereignissen im Gefolge der Kämpfe im Frühjahr 1945 auf brandenburgischem Gebiet. Die verzweifelten Ausbruchskämpfe nach Westen zur 12. Armee des General Wenck waren mit großen deutschen Verlusten verbunden, wobei auch eine unbekannte Zahl von Zivilisten, darunter viele Flüchtlinge, in diese Kämpfe gerieten und ihr Leben verloren. Über 22.000 Kriegstote haben auf dem Waldfriedhof Halbe ihre letzte Ruhestätte gefunden. Halbe ist heute ein Symbol der Mahnung an alle Lebenden und kommenden Generationen, ein derartiges Grauen nie wieder zuzulassen."
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Seitenzahl: 199
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Lakowski • Stich
DER KESSEL VON HALBE 1945
Das letzte Drama
Richard Lakowski • Karl Stich
Das letzte Drama
Bildnachweis:
Bundesarchiv Koblenz (4), Bundesarchiv–Militärarchiv Freiburg (13), Fleischer (3), Jean Molitor (24), Verlagsarchiv (17), Peter Hein (2)
Verantwortlich für den Inhalt: Richard Lakowski
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
eISBN 978-3-8132-1002-6
ISBN 978-3-8132-0910-5
© 2009 by E.S. Mittler & Sohn, Hamburg • Berlin • Bonn
© 2013 Maximilian Verlag, Hamburg
Ein Unternehmen der Tamm Media
Alle Rechte vorbehalten.
Kartenentwürfe: Dr. Karl Stich
Kartenzeichnungen: Manfred Meyer, Berlin
Gedanken der Verfasser
I. Der Südosten Brandenburgs, eine Landschaft am Rande der Geschichte
II. Das Heraufziehen des Unwetters
1. Shukows Operationsplan geht nicht auf
2. Der verspätete Rückzug
III. Die Entstehung des Kessels
1. Shukows und Konews Aufgabe: abspalten und einkreisen
2. Busses unlösbare Aufgabe: Rückzug und Rettung Berlins
IV. Der Kessel
1. Die operativen Absichten der Roten Armee und die Kräfte im Kessel
2. Der Weg zur Elbe
a) Erster Ausbruchsversuch
b) Zweiter Ausbruchsversuch
c) Aus- und Durchbruch zur 12. Armee
V. Bilanz
VI. Epilog
Anhang
1. Truppengliederung und Dokumente
2. Quellenhinweise und ausgewählte Literatur
3. Abkürzungsverzeichnis
Auszug aus:
Rechtsextremisten in Halbe – eine große Herausforderung für alle Demokraten!
Von Erardo und Katrin Rautenberg/Stand: 19.September 2006 (Endfassung)
6. Die Wahrheit über den Kessel von Halbe
Die Kämpfe um den Kessel von Halbe hatten keinerlei Auswirkungen auf den Grenzverlauf zwischen dem sowjetischen und dem westalliierten Einflussbereich in Deutschland, denn dieser war auf der Konferenz von Jalta bereits im Februar 1945 festgelegt worden und endete an der Elbe, wo die amerikanischen Truppen bereits längst angelangt waren als der Ausbruch aus dem Kessel erfolgte. Für die militärische Entscheidung zum Ausbruch war weder der »Führerbefehl« noch das Schicksal der im Kessel befindlichen Zivilisten maßgeblich, sondern die Verhinderung der Gefangennahme der eingeschlossenen deutschen Truppen durch die Rote Armee.
Der Ausbruch aus dem Kessel war zwar bei isolierter Betrachtung ein militärischer Erfolg, angesichts der Gesamtumstände handelte General Busse jedoch unverantwortlich, als er das Kapitulationsangebot der Sowjets nicht annahm. Er tat dies in der Erkenntnis des bereits verlorenen Krieges nämlich nur, um durch einen Ausbruch nicht in sowjetische, sondern in westalliierte Gefangenschaft zu geraten … Bedenkt man, dass der größte Teil der aus dem Kessel entkommenen Zivilisten letztlich doch im sowjetischen Einflussbereich verblieben sein dürfte, ist die Überführung von 25.000 deutschen Soldaten in die westalliierte anstatt in die sowjetische Gefangenschaft mit 60.000 Menschenleben bezahlt worden.
Da auch die heutige rechtsextremistische Propaganda den Sowjets das Menschsein abspricht, wird einfach unterstellt, dass es gegen deutsche Soldaten und Zivilisten bei einer geordneten Kapitulation zu denselben Übergriffen durch die Rote Armee gekommen wäre, wie sie sich nach Überwindung eines fanatisch kämpfenden Gegners bis zum Funktionieren einer geordneten Militärverwaltung ereignet haben. Auch wird von den Rechtsextremisten damals wie heute verdrängt, dass die Verbrechen der Roten Armee an deutschen Soldaten und Zivilisten auch nicht annähernd die Anzahl der Verbrechen erreichten, die zu vor von Deutschen an sowjetischen Soldaten und Zivilisten begangen worden waren und darin zwar keine Entschuldigung, aber eine Erklärung für die späteren sowjetischen Gräuel zu sehen ist. Der von Deutschland ausgehende Krieg gegen die Sowjetunion war nämlich kein herkömmlicher Eroberungskrieg, sondern ein Vernichtungskrieg mit dem Ziel »Lebensraum im Osten« für die deutsche »Herrenrasse« zu schaffen. Ein Teil der heimischen Bevölkerung sollte den deutschen »Herrenmenschen« als Sklaven dienen, während der hierfür nicht benötigte Teil der »minderwertigen Rassen« ausgerottet werden sollte. Die nationalsozialistische Vorstellung vom »Herrenmenschen« erforderte als Gegenstück notwendigerweise den »Untermenschen«, der auch in den »Bolschewiken« gesehen wurde. Entsprechend wurden sowjetische Soldaten und Zivilisten behandelt … Von den ab 1941 in deutsche Gefangenschaft geratenen 5,7 Millionen sowjetischen Soldaten kamen 3,3 Millionen zu Tode …
Die Vernichtungsbefehle der Nationalsozialisten bezüglich sowjetischer Kriegsgefangener werden von der rechtsextremistischen Propaganda natürlich ignoriert. Anderseits wird von ihr geleugnet, dass entsprechende Befehle bezüglich deutscher Kriegsgefangener nicht bekannt sind … Viele deutsche Kriegsgefangenen wurden allerdings Opfer des Hungers und unzureichender medizinischer Fürsorge … Dafür war mitursächlich, dass für die deutschen Truppen während ihres langen Rückzugs aus der Sowjetunion der Befehl galt, »verbrannte Erde« zu hinterlassen.
Als die sowjetischen Soldaten dann nach tausenden Kilometern von den Deutschen verwüsteter Heimat die ersten gepflegten ostpreußischen Vorgärten erreichten, setzten die hinreichend bekannten schlimmen Ausschreitungen gegen die deutsche Zivilbevölkerung ein. Diese Gräuelgeschichten stellte die NS-Propaganda als Beweis für das seit Kriegbeginn gepredigte »Untermenschentum« der Sowjets dar und schürte so die Angst so die Angst der Soldaten vor seiner Gefangennahme, um deren Kampfeswillen zu stäken. Bei manchen verband sich die »Russenphobie« mit der – nach Befreiung des ersten deutschen Konzentrationslagers- völlig realitätsfernen Hoffnung die Westalliierten würden sich in letzter Minute entschließen, der Sowjetunion den Krieg zu erklären und diesen Kampf gemeinsam mit den verbliebenen deutschen Truppen zu führen …
An der Ostfront überwanden nur wenige Befehlshaber NS-Ideologie und »Russenangst« und vereinbarten mit der Roten Armee eine geordnete Kapitulation. In diesen seltenen Fällen kam es nun gerade nicht zu den von der rechtsextremistischen Propaganda unterstellten Ausschreitungen. Das spektakuläre Beispiel hierfür ist die kampflose Übergabe von n Greifswald durch Oberst Rudolf Petershagen (1901–1969), den Kampfkommandanten der Stadt am 29. April 1945 …
Bei General Busse reichten die Erkenntnisse hierfür nicht … 40.000 deutsche Soldaten und Zivilisten … bleiben dies Opfer eines verbrecherischen und bereits verlorenen Krieges. Nur ein von der nationalsozialistischen Ideologie verblendeter Rechtsextremist vermag das Sterben der deutschen Soldaten im Kessel von Halbe als »Heldentum« zu glorifizieren. Pfarrer Teichmann fand für sie folgende Worte: »Es sind keine Helden, es sind Männer, die nur nach Hause wollten!«
Zwei Generationen sind nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland – bis 1990 in zwei Staaten – aufgewachsen. Seit wenigen Jahren wieder vereint, stellen sich Fragen zum Zweiten Weltkrieg, diesem unser Jahrhundert bestimmenden Ereignis, den Großvätern, Vätern und Enkeln und nicht zuletzt dem weiblichen Teil der Bevölkerung erneut oder zum ersten Mal. Vor dem Hintergrund der Tagesereignisse waren sie bis vor kurzem weniger beachtet worden.
Einiges wird durch die Öffnung eines Teiles der Archive in den beteiligten Staaten klarer, neue Probleme, vorher nicht erahnt, werden aufgeworfen. Die Nachkommen stellen ihre Fragen an die Geschichte und damit an die vorhergehenden Generationen direkter. Bisher nicht gesehene oder wahrgenommene Punkte in unserer Vergangenheit holen uns bei der Neuordnung der Verhältnisse zu unseren Nachbarn im Osten wieder ein.
Menschlich verständlich berühren vor allem jene Begebenheiten, die bekanntes oder familiäres Schicksal betreffen, am stärksten. Insofern ist es nicht zufällig, dass die Ereignisse des Jahres 1945 und damit das Los der deutschen Bevölkerung das Interesse der Öffentlichkeit im besonderen Maße wecken.
Das Verständnis hierfür sollte uns aber nicht vergessen lassen, dass alles, was zu dieser Zeit geschah – und hierzu gehören die Kämpfe und das Sterben bei Halbe –, nur das Ende des schrecklichen Geschehens war, an dessen Beginn Ähnliches und Schlimmeres den rtbelstten Völkern Europas geschehen war.
Hier soll jedoch nicht über Schuld oder Unschuld gerichtet werden. Vielmehr möchten die Autoren die Ereignisse so schildern, wie sie sich anhand der Quellen, aus Berichten von Zeitzeugen und bei Ortsbegehungen ihnen darstellten. Und der Leser möge sich zum Nachdenken angeregt fühlen.
Die Verfasser
Berlin, Dresden 1996
Allgemeiner Überblick zur Lage
Das Gebiet, von dem im Folgenden die Rede sein wird, lag zu einem Teil in der Mittelmark, zum anderen in der Niederlausitz.
Seit dem 13. Jahrhundert gehörte die aus den Ländern Barnim, Teltow und Lebus bestehende Mittelmark zur Kurmark, der späteren Provinz Preußens und dem heutigen Land Brandenburg. Es waren Teile der Mittelmark, die das Bild Brandenburgs als der Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation prägten. Theodor Fontane brachte dies in seinen »Wanderungen« zum Ausdruck, als er über Mittenwalde, ein Städtchen in dieser Region, schrieb: »Im allgemeinen darf man fragen: Wer reist nach Mittenwalde? Niemand.« Über Teupitz, ein weiterer Name aus dem Kessel, berichtete der berühmte Chronist und Romancier: »All diese Schilderungen galten seiner Armut. ›Die Poesie des Verfalls liegt über dieser Stadt‹ so hieß es voll dichterischen Ausdrucks.« Und von König Friedrich Wilhelm IV. überlieferte Fontane weiter, er hätte »halb im Scherz und halb in Teilnahme gesagt: ›Die Teupitzer sind doch meine Treuesten; wären sie’s nicht, so wären sie längst ausgewandert.‹ « Die Landschaft, so der Dichter weiter, »ist ein ausgesprochenes Heideland, … Immer wieder dieselben alten und wohlbekannten Elemente: See und Sand und Kiefer und Kussel.«
Anders die Niederlausitz, die nach wechselnden dynasti schen Verwicklungen erst nach dem Wiener Kongress zu Preußen kam und 1816 der Provinz Brandenburg, Regierungsbezirk Frankfurt an der Oder, zugewiesen wurde. Historisch und geografisch zeigt sie mit dem Spreewald im Süden und der zwischen Barnim und Teltow fließenden Spree mit dem Hügelland bei Bad Saarow im Norden ein anderes Gesicht als die Mittelmark.
Diese spröde, dennoch reizvolle und vielgesichtige Landschaft war nicht allein die Kulisse für das dramatische Geschehen im Jahre 1945, sondern ihre Gegebenheiten bildeten im hohen Maße die Voraussetzung für das letzte Drama und bestimmten dessen Verlauf entscheidend mit. Insofern gehört zu seinem näheren Verständnis eine ausführlichere Betrachtung der physischgeografischen Bedingungen der Landschaft im Süden und Südosten Berlins.
Die natürlichen Grenzen des Kampfgebietes waren im Norden das Berliner Urstromtal, im Süden das Baruther Urstromtal mit dem Spreewald, im Westen die Niederungen der Nuthe und Nieplitz, im Osten die Spree mit den Seen um Lieberose.
Der Raum des späteren Kessels von Halbe hat eine Tiefe von rund 80 und eine durchschnittliche Breite von etwa 25 Kilometern, insgesamt also eine Fläche von 2 000 Quadratkilometern. Den größten Teil nimmt die zwischen den beiden Urstromtälern gelegene Lieberoser Hochfläche ein, die von Brandenburg über Beelitz und Lieberose bis nach Guben reicht.
Kennzeichnend für das gesamte Gebiet ist der Wald- und Seenreichtum. Der ostwärtige Raum des späteren Kessels wird von nahezu allen Seiten von natürlichen Hindernissen begrenzt. Im Norden das erwähnte Bad Saarower Hügelland, von den Rauenschen Bergen bis zum Scharmützel- und Storkower See reichend. Es hat eine durch Grund- und Endmoränen der Eiszeit gebildete Oberflächengestalt: Hochflächen, Hügelgruppen sowie Niederungen wechseln sich ab. Der von Wäldern umgebene 13 Quadratkilometer große Scharmützelsee ist der größte See in der Mark Brandenburg.
Wälder und Seen bestimmen die Landschaft der Mark Brandenburg im Südosten von Berlin
Während sich nach Osten die Beeskower Hochfläche mit einer Reihe von Erhebungen über 100 Metern anschließt, erstreckt sich im Westen bis Königs Wusterhausen das Seengebiet der Dahme oder der Wendischen Spree, wie sie Fontane noch nannte. Es besteht aus den so häufig in der Mark anzutreffenden Talsandflächen, Rinntälern und Talniederungen. Die Höhen betragen zwischen 30 und 50 Meter.
Im Westen liegt eine nahezu geschlossene Seenkette von Königs Wusterhausen bis Teupitz. Von hier aus dehnen sich einzelne Seen bis nach Zossen aus. Die natürliche Barriere nach Süden bildet ein Waldgebiet, das nach der Spree, die hier mit zahlreichen Armen durchfließt, benannt ist. Nach Verlassen des Spreewaldes fließt der Fluss nordwestlich in den Schwielochsee und nimmt seinen Lauf an dessen Nordzipfel in Richtung Beeskow. Der hier gelegene Glower- und Leißnitzsee sind Spree-Erweiterungen mit ausgedehnten Schilfgürteln. Neben den genannten größeren Seen befindet sich vor allem in dem Gebiet südostwärts Königs Wusterhausen – Teupitz eine größere Anzahl wenig bekannter Seen, Teiche, Bäche und Fließe.
Der größte Teil des interessierenden Raumes wird von ausgedehnten Waldmassiven bedeckt, Ackerflächen bilden die Ausnahme. Auf den vorherrschenden Sandböden überwiegen Kiefernwälder. An einigen Stellen haben sich die ursprünglichen Eichen und Buchen in vereinzelten Waldstücken erhalten. In den Niederungen gibt es auf moorigen Standorten – besonders im Spreewald – auch Erlenbruchwald und Erlen-Eschen-Wald.
Von den Flüssen ist neben der Spree die erwähnte Dahme von Bedeutung. Sie durchquert den Raum des Geschehens über Märkisch Buchholz von Süd nach Nord und ist mit ihren teilweise versumpften Niederungen sowie auf Grund ihrer Breite, der stellenweise nicht geringen Tiefe und der wenigen Brücken ein ebenso ernstes Hindernis wie die Spree.
Naturgemäß steht das Klima unter mitteleuropäischem Einfluss. Aus der Zeit der Kampfhandlungen im Jahre 1945 sind die Angaben der Wetterstation Lindenberg im Kreis Beeskow überliefert. Danach betrug die Temperatur vom 26. April bis zum 1. Mai 1945 im Tagesmittel 8,2 Grad Celsius. Die höchste Temperatur wurde am 27. April mit 19,5 Grad, die tiefste am 1. Mai mit 0,2 Grad gemessen. Der Bewölkungsgrad lag bei 70 Prozent. Niederschlag gab es am 28. und 29. April sowie am 1. Mai; die Tagessumme der Niederschlagshöhe betrug am 28. April 13,4 Millimeter. Vorherrschende Windrichtung war West-Südwest; die Windstärke betrug im Tagesmittel 3,3 Meter/Sekunde. Mithin ein schönes Frühjahr, das die Kämpfe nicht negativ beeinflusste.
In dem Gebiet gibt es keine Großstädte, dafür zahlreiche mittlere und kleinere Ortschaften, von denen Namen wie Märkisch Buchholz, Teupitz und Halbe in die Geschichte des schrecklichen Geschehens im Jahre 1945 eingegangen sind. Die besonders umkämpfte Ortschaft Halbe liegt in der Dubrow, einst ein großes kaiserliches Jagdgebiet. Halbe zählte Ende des Krieges 1 200 Einwohner und war seinerzeit durch seine Ziegeleien und als eines der nördlichsten Weinanbaugebiete bekannt.
Der Lauf der Dahme unweit von Märkisch Buchholz
Das Straßennetz prägten die Zu- und Abfahrten zu der nahegelegenen Hauptstadt Berlin. Für die kämpfenden Seiten waren insbesondere von Bedeutung die von Ost nach West verlaufenden Fernverkehrsstraßen von Beeskow über Mittenwalde nach Beelitz (B 246) sowie von Lieberose über Lübben und Jüterbog nach Treuenbrietzen (B 115). Von Nord nach Süd waren die Autobahn und die westlich davon verlaufenden Fernverkehrsverbindungen, die heutige B 96, B 101 und B 2, bedeutsam. Hinzu kam eine große Zahl von Fahr-, Feld- und besonders Waldwegen, die Bewegungen in nahezu alle Richtungen und zu jeder Tageszeit ermöglichten.
Die Eisenbahn spielte in diesen Tagen des Krieges keine Rolle mehr. Von den Flugplätzen ist nur der Landeplatz bei Münchehofe bekannt, dessen Nutzung mit beladenen Transportmaschinen fast ausgeschlossen war. Ein behelfsmäßiger Lande- und Abwurfplatz war bei Kehrigk eingerichtet worden.
Trotz des guten Wegenetzes war das Gebiet im Süden und Südosten von Berlin für den Einsatz größerer Truppenmassen ungeeignet. Die Gewässer, versumpften Gebiete und Engen behinderten den Einsatz schwerer Technik, moderner motorisierter und gepanzerter Verbände. Dem Verteidiger boten die ausgedehnten Waldungen und verstreuten kleinen Orte gute Deckung und kanalisierten seine Bewegungen, auch die für einen Ausbruch über bestimmte Linien und Richtungen. Für den Rückzug in westliche Richtung blieben der 9. Armee als einzige Alternative der Raum um Halbe und danach der Waldgürtel bei Kummersdorf nördlich Luckenwalde.
Der Generalstab in Moskau sowie die Stäbe der Fronten hatten in der seit Ende Januar 1945 verflossenen Zeit nicht nur die Kämpfe in Schlesien, Pommern, in Ost- und Westpreußen geführt, sondern intensiv die abschließende Operation des Krieges vorbereitet. Der nach Schtemenko »erzwungene Aufschub der Berliner Operation« Ende Januar garantierte den »unbedingten Sieg, … gut vorbereitet«, so Schtemenko weiter, »und in jeder Beziehung gesichert, nahm diese Operation einen vernichtenden Charakter an«.1
Shukow war seinen eigenen Erinnerungen nach bereits am 7. oder B. März in Moskau gewesen und hatte dort mit General Antonow »noch einmal die Hauptpunkte des Plans und die Berechnungen für die Berliner strategische Operation« durchgesehen. Da diese wiederholt »im Hauptquartier und Generalstab« durchgesprochen worden waren, ging es diesmal nur um die aus den Operationen in Pommern, Ostpreußen und dem Baltikum sich ergebenden Korrekturen. Doch da die Operationen im Februar und März nicht ganz programmgemäß verliefen, d.h. sie dauerten länger, als es die Zeitplanung vorgegeben hatte, gleichzeitig die Westalliierten am Rhein überraschend schnell vorankamen, schrillten in Moskau die Alarmglocken.
Der märkische Wald bot den Flüchtigen Deckung und wurde für viele zur letzten Ruhestätte. Aufn. 1996
Stalin gab Befehl, die Direktive für die Operation herauszugeben. Ende März wurden Konew und Shukow nach Moskau befohlen. Stalin bestätigte die im Generalstab in Moskau vorbereiteten Dokumente, nachdem die Operationspläne der Fronten gemeinsam abgestimmt und in seinem Beisein vorgetragen worden waren. Die Notwendigkeit des baldigen Beginns der Offensive deutlich machend, verlangte Stalin, nicht später als am 16. April anzutreten und die Operation in 12 bis 15 Tagen einschließlich der Einnahme Berlins abzuschließen.
Ein im Generalstab noch nicht entschiedenes Problem blieb auch auf dieser Besprechung offen. Stalin legte die Trennungs linie zwischen den Fronten Shukows und Konews in der Tiefe des Raumes nicht fest. Schtemenkos Ausführungen machen deutlich, worum es in dieser Frage in erster Linie ging. »Bei dieser Gelegenheit hielt es der Chef des Generalstabes für notwendig, den Obersten Befehlshaber noch einmal auf die Trennungslinie zwischen den Fronten aufmerksam zu machen. Er hob hervor, daß diese praktisch den Truppen der 1. Ukrainischen Front die unmittelbare Teilnahme an den Kämpfen um Berlin unmöglich mache, was sich nachteilig auf die Einhaltung der Termine auswirken könne. (Kursiv d. Vf.). Im gleichen Sinne äußerte sich auch Marschall Konew.« (Schtemenko, Bd. 1, S. 339). Für den Generalstab war die offene Trennungslinie ab Lübben die Chance, bei Notwendigkeit Konews Front in den Schwerpunkt der Operation werfen zu können. Schtemenkos zweideutiger Kommentar hierzu nach dem Kriege macht dies deutlich: »Der Generalstab begrüßte diese Entscheidung, über acht Wochen lang hatte uns die verflixte Trennungslinie Kopfzerbrechen bereitet. Endlich herrschte Klarheit.« (Schtemenko, S. 339).
Welche Motive Stalin hierbei beherrschten, ist schwerlich nachzuvollziehen. Im Vordergrund stand auf jeden Fall die Sicherstellung des »unbedingten Sieges«. Dem Erreichen dieses Zieles kamen die Rivalitäten zwischen den beiden Marschällen freilich zugute.
Die Erfolge der Westalliierten bewogen Stalin zum raschen Beginn der Berliner Operation
Der Grundgedanke der Operation bestand darin, die Kapitulation der Wehrmacht zu erzwingen. Zu diesem Zweck »sahen Idee und Plan der Berliner Operation in der endgültigen Fassung vor, den Gegner ostwärts Berlins aufzuspalten, einzuschließen und zu vernichten. Das zügige Vordringen der Sowjetarmee nach Westen sollte es dem Gegner unmöglich machen, eine neue Front aufzubauen.« Hierzu sollten drei Fronten die deutsche Verteidigung an der Oder und Neiße an sechs Abschnitten durchbrechen, durch die Entwicklung des Angriffs in die Tiefe die deutsche Gruppierung in der Berliner Richtung einkreisen, aufspalten, in Teilen vernichten und zur Elbe vorstoßen. Die vorgesehene Tiefe der Frontoperation betrug 130 bis 165 Kilometer, das Angriffstempo 8 bis 14 Kilometer am Tage.
Mit der Einkreisung und Zerschlagung der deutschen Truppen und der Einnahme Berlins waren die 1. Belorussische und 1. Ukrainische Front sowie im Norden die 2. Belorussische Front beauftragt worden.
Die 1. Belorussische Front hatte die entscheidende Aufgabe: Mit drei gleichzeitig geführten Schlägen sollte sie die deutsche Verteidigung an der Oder auf einem 90 Kilometer breiten Abschnitt zwischen dem Oder-Havel-Kanal (ehemals Hohenzollernkanal) und dem Oder-Spree-Kanal durchbrechen, die Hauptkräfte der 9. Armee im Vorfeld Berlins zerschlagen, Berlin aus der Bewegung heraus einnehmen und bei der Entwicklung des Angriffs nach Westen die Elbe spätestens am 12. bis 15. Operationstag erreichen.
Der Hauptschlag war mit fünf allgemeinen und zwei Panzerarmeen aus dem Küstriner Brückenkopf heraus auf Berlin zu führen. Aufgabe der beiden Panzerarmeen war die Entwicklung des Angriffs und die Umgehung Berlins von Nordost und Nord. Zur Sicherung des Hauptschlages nach Norden und Süden sollten zwei Nebenschläge von je zwei allgemeinen Armeen geführt werden. Der eine von den Brückenköpfen nördlich und südlich Frankfurt in die allgemeine Richtung Fürstenwalde—Potsdam—Brandenburg zur Umgehung Berlins von Süden. Zugleich hatten diese Kräfte die Aufgabe, Teilkräfte der 9. Armee von der Gruppierung in Berlin zu isolieren. Der zweite Nebenschlag ging nördlich von Küstrin aus und führte entlang des Hohenzollernkanals.
Die 1. Ukrainische Front bekam die Aufgabe, mit dem rechten Flügel der Front über die Neiße zu gehen, die deutsche Verteidigung auf einem 70 Kilometer breiten Abschnitt von Forst bis Penzig zu durchbrechen, die deutschen Truppen im Raum Cottbus und südlich von Berlin zu zerschlagen und spätestens am 10. bis 12. Operationstag den Abschnitt Beelitz—Wittenberg, dann weiter elbaufwärts Dresden zu erreichen. Ein zunächst zweitrangig erscheinender Auftrag.
Die 1. Ukrainische Front hatte zwei Schläge zu führen: Einen Hauptschlag mit fünf allgemeinen und zwei Panzerarmeen aus dem Raum Triebel zur Umgehung Berlins von Süden und Südosten in der allgemeinen Richtung Spremberg—Belzig mit dem Ziel, im Zusammenwirken mit der 1. Belorussischen Front die Hauptkräfte der 9. Armee und Teile des linken Flügels der deutschen 4. Panzerarmee einzukreisen und zu vernichten. Den Nebenschlag sollten zwei allgemeine Armeen aus dem Raum Penzig in die allgemeine Richtung Bautzen—Dresden führen.
Stalins verhaltene Ansicht betreffs der Trennungslinie zwischen den beiden Fronten nutzte Konew aus und plante von vornherein, nach dem Durchbruch durch die deutsche Verteidigung an der Neiße mit den beiden Panzerarmeen der Front nach Norden auf Berlin einzudrehen. Teile der Panzerarmeen sollten in diesem Falle in Richtung Potsdam angreifen und gemeinsam mit der 1. Belorussischen Front die Hauptkräfte der deutschen 9. Armee und den linken Flügel der 4. Panzerarmee einkreisen und vernichten.
Zusammengefaßt lag dem Operationsplan die Idee zu Grunde, durch zügigen Übergang vom taktischen zum operativen Durchbruch der deutschen Seite die Möglichkeit zu nehmen, die Kräfte umzugruppieren, sie zu zwingen, die wenigen operativen Reserven zersplittert in das Gefecht einzuführen. Durch den schnellen Vorstoß in die operative Tiefe wollte die sowjetische Führung verhindern, dass die Wehrmacht an anderen Abschnitten eine neue Front errichten konnte.
Die zwischen der Oder und Berlin verteidigenden deutschen Verbände sollten durch starke bewegliche Kräfte der 1. Belorussischen und der 1. Ukrainischen Front durch beiderseitige Umfassung eingekreist werden. Mit der Aufspaltung und Isolierung der deutschen Verbände sollte zugleich die Einnahme Berlins erleichtert werden.
Die nördlich Berlin und in Richtung Dresden angreifenden Armeen sicherten mit ihren Handlungen zugleich die Flanken der in der Hauptrichtung vorgehenden Verbände.
Für die Berliner Operation, die auf einem Abschnitt von 300 Kilometern Breite von drei Fronten durchgeführt werden sollte, wurden 2 500 000 Mann, 6 250 Panzer und Selbstfahrlafetten, 41 600 Geschütze sowie 7 500 Kampfflugzeuge bereitgestellt.
»Wir durften in dieser Lage kein Risiko eingehen, denn sowohl die politischen als auch die militärischen Folgen eines Mißerfolges in der Schlußetappe des Krieges konnten für uns nicht wiedergutzumachende Auswirkungen haben«, schrieb Schtemenko nach dem Krieg. (Schtemenko, Bd. 1, S. 333). Damit begründete er die außerordentliche Massierung an Kräften und Mitteln für die Berliner Operation, daneben erklären diese Worte so manchen Entschluss im Verlaufe der Offensive.
Um das Risiko weiter zu minimieren, bildete die sowjetische Führung im Schwerpunkt des Angriffs bei der 1. Belorussischen Front eine Konzentration an Truppen und Material, wie sie in der Militärgeschichte wohl einmalig sein dürfte. Neun allgemeine, zwei Panzer- und zwei Luftarmeen sowie vier selbständige Korps – das waren rund 50 Prozent der für die Operation bereitgestellten Kräfte – hatte Shukow zur Verfügung. Der Angriffsstreifen seiner Front reichte von ausschließlich Schwedt bis Groß Gastrose, das war eine Breite von 175 Kilometern.
In Erfüllung des von der STAVKA an seine Front erteilten Auftrages hatte der Entschluss Shukows folgenden Inhalt:
Fünf allgemeine Armeen und die zwei Panzerarmeen führten den Hauptschlag aus dem Küstriner Brückenkopf heraus. Bereits am ersten Operationstag war beabsichtigt, die Hauptkräfte der 9. Armee aufzusplittern, zu zerschlagen und die ersten beiden Verteidigungsstreifen zu durchbrechen. Im weiteren sollte die Operation in die Tiefe getragen und am sechsten Operationstag Berlin genommen werden.
Nach Zerschlagung der Verteidigung im Bereich der Seelower Höhen sollte die aus den beiden Panzerarmeen bestehende bewegliche Gruppe bereits am ersten Operationstag in der Hauptrichtung in die Schlacht eingeführt werden. Die Panzer armeen hatten den Angriff zügig auf Berlin zu entwickeln und den Nordwest- und Südrand der Stadt einzunehmen.
Die 61. Armee und die 1. Polnische Armee hatten den Auftrag, nach Umgehung Berlins von Norden gemeinsam mit der 47. Armee am 11. Operationstag die Elbe zu erreichen.
Im Süden zielte der Angriff der 69. und 33. Armee in Richtung Potsdam, Brandenburg. Mit Erreichen des südlichen und südwestlichen Stadtrandes war die deutsche 9. Armee von Berlin fernzuhalten.
Die 3. Armee allein bildete die zweite Staffel der Front und war ebenfalls in Richtung des Schwerpunkts der Offensive konzentriert. Als Frontreserve verblieb das 7. Gardekavalleriekorps.
Um die Überraschung zu sichern, plante Shukow, zwei Stunden vor Sonnenaufgang anzugreifen. Zur Gefechtsfeldbeleuchtung und Blendung des Gegners standen bei Beginn des Sturmangriffs 143 Scheinwerfer bereit.