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Der kleine Prinz Ein Pilot muss in der Sahara notlanden. In der Einsamkeit der Wüste begegnet ihm auf einmal der kleine Prinz, ein außerirdischer Junge, der auf dem winzigen Asteroiden B 612 lebt. Die beiden führen ein langes Gespräch und freunden sich an. Dabei streifen ihre gemeinsamen Erlebnisse und Erinnerungen nahezu alle Themen des Menschseins: die Einsamkeit und Freundschaft, Dummheit und Toleranz, die Wissenschaft und die Phantasie. Die Erde der Menschen Saint-Exupérys Autobiographie erzählt vor allem von den spannenden Erlebnissen als Postpilot und seiner Journalisten- und Kuriertätigkeit im spanischen Bürgerkrieg. Biographisch besonders interessant sind seine Schilderungen der Notlandung in der Sahara, da diese Erlebnisse die Inspiration für den kleinen Prinzen gaben. Saint-Exupérys Lebensbetrachtungen sind dabei mehr als eine reine Nacherzählung seines erfahrungsreichen Lebens, er unternimmt immer wieder philosophische Betrachtungen über Toleranz und Freundschaft, Integrität und letztlich die ganze conditio humana.
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Seitenzahl: 316
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»Die Erde lehrt uns mehr über uns alsalle Bücher. Denn sie leistet uns Widerstand.Der Mensch findet zu sichselbst, wenn er sich an einem Hindernis misst. Aber um das zuerreichen, braucht er ein Werkzeug. Er brauchtdazu einen Hobel oder einen Pflug. Der Bauerringt der Natur durch seine Arbeit mit der Zeitein paar Geheimnisse ab und fördert eine universelle Wahrheit zutage. So konfrontiert auchdas Werkzeug der Fluglinien, das Flugzeug,den Menschen wieder mit den alten Problemen.«ANTOINE DE SAINT-EXUPÉRY
Dieser Band enthält den Kinder- (und Erwachsenen-) Buchklassiker »Der kleine Prinz« sowie die autobiographische Essaysammlung »Die Erde der Menschen«, in der Saint-Exupéry über sein abenteuerliches Leben als Pilot berichtet.
Antoine de Saint-Exupéry
Der Kleine PrinzDie Erde der Menschen
Antoine de Saint-Exupéry
Aus dem Französischenvon Corinna Popp
Mit Zeichnungen des Verfassers
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Alle Rechte vorbehalten
© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2015 Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2015Covergestaltung: network! Werbeagentur GmbH, MünchenBildnachweis: Boya Sun, LouisvilleeBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0532-2
www.verlagshaus-roemerweg.de
»Wir atmen nur, wenn wir mit unseresgleichen durchein gemeinsames Ziel verbunden sind,das außerhalb von uns liegt.Und die Erfahrung zeigt, dass lieben nicht heißt,einander anzusehen,sondern gemeinsam in die gleiche Richtung zu blicken.«
Antoine de Saint-Exupéry
DER KLEINE PRINZ
DIE ERDE DER MENSCHEN
Antoine de Saint-Exupéry
Aus dem Französischenvon Corinna Popp
Mit Zeichnungen des Verfassers
Für Léon Werth.
Ich bitte die Kinder mir zu verzeihen, dass ich dieses Buch einem von den großen Leuten widme. Ich habe dafür einen ernsthaften Grund: Diese Person ist der beste Freund, den ich auf der Welt habe. Ich habe noch einen Grund: diese Person versteht alles, sogar Bücher für Kinder. Und ich habe einen dritten Grund: diese Person wohnt in Frankreich, wo sie hungert und friert. Sie kann Trost gut gebrauchen. Wenn all diese Gründe nicht ausreichen, würde ich das Buch dem Kind widmen, das diese Person früher gewesen ist. Die großen Leute waren früher alle einmal Kinder. (Aber wenige von ihnen erinnern sich daran.) Ich korrigiere also meine Widmung:
Für Léon Werth,als er ein kleiner Junge war.
Kaptiel I
Kaptiel II
Kaptiel III
Kaptiel IV
Kaptiel V
Kaptiel VI
Kaptiel VII
Kaptiel VIII
Kaptiel IX
Kaptiel X
Kaptiel XI
Kaptiel XII
Kaptiel XIII
Kaptiel XIV
Kaptiel XV
Kaptiel XVI
Kaptiel XVII
Kaptiel XVIII
Kaptiel XIX
Kaptiel XX
Kaptiel XXI
Kaptiel XXII
Kaptiel XXIII
Kaptiel XXIV
Kaptiel XXV
Kaptiel XXVI
Kaptiel XXVII
Als ich sechs Jahre alt war, sah ich einmal ein großartiges Bild in einem Buch über den Urwald, das »Wirkliche Begebenheiten« hieß. Das Bild zeigte eine Boaschlange, die ein Raubtier verschlingt. Das hier ist eine Kopie der Zeichnung.
Im Buch stand: »Boas schlingen ihre Beute am Stück hinunter, ohne sie zu kauen. Danach können sie sich nicht mehr bewegen und schlafen während der sechs Monate langen Verdauung.«
Ich habe dann viel über die Abenteuer des Dschungels nachgedacht, woraufhin es auch mir gelang, mit einem Buntstift ein erstes Bild zu zeichnen. Mein Bild Numero 1. So sah es aus:
Ich habe mein Meisterwerk den großen Leuten gezeigt und sie gefragt, ob mein Bild ihnen Angst einflöße.
Sie antworteten mir: »Was soll an einem Hut angsteinflößend sein?«
Mein Bild zeigte keinen Hut. Es zeigte eine Boa, die gerade einen Elefanten verdaut. Ich habe daraufhin das Schlangeninnere gezeichnet, damit die großen Leute es verstünden. Sie brauchen für alles eine Erklärung. Mein Bild Numero 2 sah so aus:
Die großen Leute gaben mir den Rat, aufzuhören, Boas von innen oder von außen zu zeichnen und mich dafür mehr für Geographie, Geschichte, Rechnen und Grammatik zu interessieren. So kam es, dass ich im Alter von sechs Jahren eine herausragende Karriere als Maler an den Nagel hängte. Der Misserfolg meines Bildes Numero 1 und meines Bildes Numero 2 hatte mich zutiefst entmutigt. Die großen Leute verstehen nie etwas von sich aus und es ist sehr ermüdend für die Kinder, ihnen wieder und wieder alles zu erklären …
Ich musste mir also einen anderen Beruf aussuchen und habe gelernt, wie man Flugzeuge steuert. Ich bin so ziemlich überall in der Welt herumgeflogen. Und die Geographie, das ist richtig, hat mir sehr viel genützt. Ich konnte auf den ersten Blick China und Arizona voneinander unterscheiden. Das ist hilfreich, wenn man sich nachts verirrt hat.
So hatte ich im Laufe meines Lebens eine Menge Kontakte zu einer Menge ernsthafter Leute. Ich habe sehr lange bei den großen Leuten gelebt. Ich habe sie aus nächster Nähe gesehen. Das hat meine Meinung nicht allzu sehr verbessert.
Wenn ich jemanden traf, der mir ein bisschen hell im Kopf vorkam, führte ich an ihm den Test mit meinem Bild No. 1 durch, das ich immer noch aufbewahrte. Ich wollte wissen, ob er wirklich Einfühlungsvermögen besaß. Aber immer bekam ich zur Antwort: »Das ist ein Hut.« Also redete ich mit meinem Gegenüber weder über Boas, noch über Urwälder, noch über Sterne. Ich begab mich auf seine Augenhöhe. Ich redete mit ihm über Bridge, über Golf, Politik und Krawatten. Und derjenige freute sich, es mit einem so vernünftigen Menschen zu tun zu haben …
So kam es, dass ich allein lebte, ohne jemanden, mit dem ich wirklich reden konnte, bis ich vor sechs Jahren in der Sahara eine Panne hatte. Es war irgendetwas an meinem Motor kaputt gegangen. Und da ich weder einen Mechaniker noch Passagiere dabei hatte, bereitete ich mich darauf vor, zu versuchen, ganz allein eine schwierige Reparatur durchzuführen. Es ging dabei für mich um Leben und Tod. Mein Trinkwasser reichte für knapp acht Tage.
So legte ich mich am ersten Abend zum Schlafen in den Sand, tausend Meilen weit weg von unserer bewohnten Erde. Ich war noch viel isolierter als ein Schiffbrüchiger auf einem Floß in der Mitte des Ozeans. Insofern könnt ihr euch meine Überraschung vorstellen, als ich bei Tagesanbruch von einem seltsamen Stimmchen geweckt wurde. Es sagte:
»Entschuldigen Sie … Zeichne mir ein Schaf!«
»Was?«
»Zeichne mir ein Schaf …«
Wie vom Blitz getroffen sprang ich auf die Füße. Ich rieb mir gründlich die Augen. Ich schaute genau hin. Was ich sah, war ein absolut merkwürdiger kleiner Mann, der mich mit ernstem Blick musterte. Das hier ist das beste Porträt, das mir später von ihm gelang.
Aber natürlich hat mein Bild bei weitem nicht den Charme seines Modells. Das ist nicht meine Schuld. Im Alter von sechs Jahren wurde ich in meiner Karriere als Maler von den großen Leuten derart entmutigt, dass ich nichts anderes zu zeichnen gelernt habe als Boas von innen und außen.
Ich machte beim Anblick dieser Erscheinung vor Verwunderung ganz große Augen. Ihr dürft nicht vergessen, dass ich mich ja tausend Meilen weit weg von jeder bewohnten Region befand. Und mein kleiner Mann schien sich weder verirrt zu haben, noch halbtot vor Müdigkeit, vor Hunger, vor Durst oder vor Angst zu sein. Seine Erscheinung hatte nichts mit der eines Kindes gemeinsam, das sich mitten in der Wüste verlaufen hätte, tausend Meilen weit weg von jeder bewohnten Region. Als ich endlich einen Ton herausbrachte, fragte ich ihn:
»Was machst du hier?«
Und er wiederholte daraufhin ganz langsam, als handelte es sich um eine sehr ernsthafte Sache:
»Entschuldigen Sie … Zeichne mir ein Schaf …«
Wenn etwas Wundersames zu beeindruckend ist, wagt man nicht zu widersprechen. So absurd es mir tausend Meilen weit weg von jeder bewohnten Gegend und in Lebensgefahr schien, holte ich ein Blatt Papier und einen Füllfederhalter aus meiner Tasche. Aber da erinnerte ich mich, dass ich vor allem Geographie, Geschichte, Rechnen und Grammatik gelernt hatte und sagte zu dem kleinen Mann (mit einem Anflug von schlechter Laune), dass ich nicht zeichnen könne. Er antwortete mir:
»Macht nichts. Zeichne mir ein Schaf.«
Da ich noch nie ein Schaf gezeichnet hatte, reproduzierte ich eine der beiden einzigen Zeichnungen, zu denen ich in der Lage war. Und zwar die Boa von außen. Und ich war sehr überrascht über die Antwort, die der kleine Mann mir darauf gab:
»Nein! Nein! Ich will keinen Elefanten in einer Boa. Eine Boa ist sehr gefährlich und ein Elefant nimmt viel Platz weg. Bei mir zu Hause ist es winzig. Ich brauche ein Schaf. Zeichne mir ein Schaf.«
Also zeichnete ich.
Er sah es sich aufmerksam an. Dann:
»Nein! Das hier ist schon ganz krank. Mach noch ein anderes.«
Ich zeichnete:
Mein Freund lächelte liebenswürdig und mit Nachsicht:
»Du siehst doch, dass das kein Schaf ist, sondern ein Widder. Es hat Hörner …«
Ich machte also noch eine weitere Zeichnung:
Aber wie die vorherigen wurde sie abgelehnt:
»Das ist jetzt zu alt. Ich will ein Schaf, das lange lebt.«
Mir riss die Geduld, weil ich es eilig hatte, meinen Motor zu demontieren und ich kritzelte noch diese Zeichnung hier hin:
Und kommentierte:
»Hier, das ist die Kiste. Das Schaf, das du willst, ist da drin.«
Erstaunt sah ich, dass sich das Gesicht meines jungen Richters aufhellte:
»Das ist genau, wie ich es wollte! Denkst du, es braucht viel Gras, dieses Schaf?«
»Warum?
»Weil bei mir zu Hause ist es winzig …«
– Es wird schon reichen. Das Schaf, das ich dir gegeben habe, ist auch winzig.«
Er beugte den Kopf über die Zeichnung:
»So winzig auch wieder nicht … Ach! Es ist eingeschlafen …«
Und so machte ich die Bekanntschaft des kleinen Prinzen.
Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen woher er kam. Der kleine Prinz stellte mir viele Fragen, aber von meinen Fragen schien er nie eine zu hören. Ich habe erst nach und nach alles erfahren, aus beiläufig Dahingesagtem. Als er mein Flugzeug zum ersten Mal sah (ich werde mein Flugzeug nicht zeichnen, diese Zeichnung wäre viel zu kompliziert für mich), fragte er:
»Was ist das denn für ein Ding?«
»Das ist kein Ding. Es fliegt. Es ist ein Flugzeug. Es ist mein Flugzeug.«
Ich war stolz, ihm sagen zu können, dass ich flog. Da rief er:
»Wie! Du bist vom Himmel gefallen!«
»Ja«, erwiderte ich bescheiden.
»Ach! Das finde ich lustig …«
Und der kleine Prinz brach in ein hübsches Lachen aus, was mich sehr irritierte. Ich wünsche mir, dass meine Probleme ernst genommen werden. Dann sprach er weiter:
»Du kommst also auch vom Himmel! Und von welchem Planeten bist du?«
Das brachte mir ein wenig Licht ins Dunkel seines geheimnisvollen Auftritts und ich fragte unvermittelt:
»Du kommst also von einem anderen Planeten?«
Aber er antwortete nicht. Er sah sich mein Flugzeug an und nickte leicht mit dem Kopf:
»Stimmt, damit kannst du nicht von besonders weit gekommen sein …«
Dann verfiel er in langes Träumen. Schließlich holte er mein Schaf aus seiner Tasche und versenkte sich in der Betrachtung seines Schatzes.
Ihr könnt euch ja vorstellen, dass mich dieses halbe Eingeständnis über »die anderen Planeten« neugierig gemacht hat. Ich versuchte, mehr darüber herauszufinden:
»Wo kommst du kleiner Mann her? Wo ist »bei dir zu Hause«? Wo willst du mein Schaf hinbringen?«
Nach einem andächtigen Schweigen antwortete er:
»Das ist das Gute an der Kiste, die du mir gemalt hast, nachts kann es sie als Haus benutzen.«
»Ja sicher. Wenn du nett bist, gebe ich dir noch ein Seil, um es tagsüber anzubinden. Und einen Pflock.«
Mein Vorschlag schien den kleinen Prinzen zu schockieren:
»Anbinden? Was für eine komische Idee!«
»Aber wenn du es nicht anbindest, läuft es einfach irgendwohin und verläuft sich …«
Mein Freund brach erneut in Gelächter aus:
»Aber wo willst du denn, dass es hinläuft!«
»Ganz egal wohin. Der Nase nach …«
Der kleine Prinz bemerkte feierlich:
»Das macht nichts. Bei mir zu Hause ist es so winzig!«
Und er ergänzte, vielleicht ein wenig melancholisch:
»Der Nase nach kommt man nicht besonders weit …«
So hatte ich eine zweite, sehr wichtige Sache erfahren: Dass der Planet, von dem er kam, kaum größer war als ein Haus!
Das erstaunte mich aber nicht besonders. Ich wusste gut, dass es neben den großen Planeten wie der Erde, dem Jupiter, dem Mars oder der Venus, denen man Namen gegeben hat, Hunderte andere gibt, die manchmal so klein sind, dass man Schwierigkeiten hat, sie mit dem Teleskop zu sehen. Wenn ein Astronom einen entdeckt, gibt er ihm eine Nummer als Namen. Er nennt ihn zum Beispiel den »Asteroiden 325«.
Ich habe ernsthafte Gründe anzunehmen, dass es sich bei dem Planeten des kleinen Prinzen um den Asteroiden B 612 handelte. Dieser Asteroid war nur einmal im Teleskop gesehen worden, im Jahr 1909 von einem türkischen Astronomen.
Dieser hatte bei einem großen Vortrag auf einem Internationalen Astronomie-Kongress seine Entdeckung präsentiert. Aber niemand glaubte ihm, wegen seiner Kleider. So sind sie, die großen Leute.
Zum Glück für den Ruf des Asteroiden B 612 zwang ein türkischer Diktator sein Volk unter Androhung der Todesstrafe, sich wie die Europäer zu kleiden. Der Astronom hielt 1920 seinen Vortrag ein zweites Mal und trug dabei einen sehr eleganten Anzug. Und dieses Mal waren alle seiner Ansicht.
Dass ich euch diese ganzen Details über den Asteroiden B 612 erzähle und euch seine Nummer mitteile, ist wegen der großen Leute. Die großen Leute lieben Zahlen. Wenn ihr ihnen von einem neuen Freund erzählt, fragen sie euch nie etwas über das Wesentliche. Sie fragen nie: »Wie klingt seine Stimme? Welche Spiele spielt er am liebsten? Sammelt er Schmetterlinge?« Sie fragen euch: »Wie alt ist er? Wieviele Geschwister hat er? Wieviel wiegt er? Wieviel verdient sein Vater?« Nur dann denken sie, lernen sie ihn kennen. Wenn ihr zu den großen Leuten sagt: »Ich habe ein schönes Haus aus rosa Ziegelstein gesehen, mit Geranien in den Fenstern und Tauben auf dem Dach …« gelingt es ihnen nicht, sich das Haus vorzustellen. Man muss ihnen sagen: »Ich habe ein Haus im Wert von hunderttausend Francs gesehen.« Dann rufen sie: »Das ist ja schön!«
Sagt ihr ihnen also: »Der Beweis, dass der kleine Prinz wirklich existiert hat, ist, dass er Charme besaß, viel lachte und ein Schaf wollte. Und wenn jemand ein Schaf will, beweist das, dass er wirklich existiert«, dann werden sie mit den Schultern zucken und euch Kinder nennen. Sagt ihr ihnen aber: »Der Planet, von dem er kam, ist der Asteroid B 612«, werden sie überzeugt sein und euch mit ihren Fragen in Ruhe lassen. So sind sie eben. Man darf es ihnen nicht übelnehmen. Die Kinder müssen den großen Leuten gegenüber sehr nachsichtig sein.
Aber natürlich brauchen wir, die das Leben verstehen, keine Zahlen! Ich hätte diese Geschichte gerne begonnen wie ein Märchen. Ich hätte gerne gesagt:
»Es war einmal ein kleiner Prinz, der wohnte auf einem Planeten, der kaum größer war als er selbst und er brauchte einen Freund ….« Für diejenigen, die das Leben verstehen, wäre das um einiges glaubwürdiger gewesen.
Ich möchte nämlich nicht, dass man mein Buch leichtherzig liest. Mir bereitet es großen Kummer, diese Erinnerungen zu erzählen. Es ist schon sechs Jahre her, dass mein Freund mit seinem Schaf fortgegangen ist. Ich versuche, ihn hier zu beschreiben, damit ich ihn nicht vergesse. Einen Freund zu vergessen, ist traurig. Nicht alle haben einen Freund gehabt. Und ich werde vielleicht noch wie die großen Leute, die sich nur für Zahlen interessieren! Deshalb habe ich eine Schachtel mit Buntstiften und Bleistiften gekauft. In meinem Alter wieder mit dem Zeichnen anzufangen, ist hart, wenn man abgesehen von einer Boa von innen und von außen im Alter von sechs Jahren nie etwas anderes zu zeichnen versucht hat! Natürlich bemühe ich mich bei den Porträts um größtmögliche Ähnlichkeit. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es mir gelingt. Das eine Bild geht, das andere ähnelt ihm gar nicht. Ich irre mich auch bei seiner Größe. Hier ist der kleine Prinz zu groß. Da zu klein. Außerdem bin ich mir nicht mehr sicher, welche Farbe seine Kleider hatten. Ich taste mich so voran, mehr schlecht als recht. Bestimmt irre ich mich auch noch bei wichtigeren Details. Aber man muss mir das verzeihen. Mein Freund hat nie irgendwelche Erklärungen abgegeben. Vielleicht dachte er, ich würde ihm irgendwie ähneln. Aber ich kann leider keine Schafe durch Kisten hindurch sehen. Vielleicht bin ich schon ein bisschen wie die großen Leute. Ich muss älter geworden sein.
Jeden Tag fand ich etwas heraus über den Planeten, weswegen er fortging und über seine Reise. Dazu kam es sehr langsam, durch zufällige Bemerkungen. Und so erfuhr ich am dritten Tag vom Drama der Baobabs.
Auch diesmal war es dem Schaf zu verdanken, denn der kleine Prinz fragte mich plötzlich, als wäre er von schweren Zweifeln befallen:
»Es stimmt doch, oder, die Schafe fressen Sträucher?«
»Ja, das stimmt.«
»Ach, da bin ich froh!«
Ich verstand nicht, was so wichtig daran war, dass Schafe Sträucher fraßen. Aber der kleine Prinz ergänzte:
»Logischerweise fressen sie dann ja auch Baobabs?«
Ich wies den kleinen Prinzen darauf hin, dass Baobabs keine Sträucher, sondern Bäume, so groß wie Kirchen, waren, und dass nicht einmal eine ganze Herde Elefanten, wenn er eine mitnehmen würde, mit einem einzigen Baobab fertig werden könnte.
Die Vorstellung von der Elefantenherde brachte den kleinen Prinzen zum Lachen:
»Die müsste ich ja aufeinander stapeln …«
Aber er merkte weise an:
»Baobabs sind ja erstmal klein, bevor sie wachsen.«
»Das ist richtig! Aber wieso willst du denn, dass deine Schafe kleine Baobabs fressen?«
Er antwortete: »Naja! Also bitte!« als handelte es sich um eine völlig offensichtliche Sache. Und es kostete mich einige intellektuelle Anstrengung, um von selbst auf das Problem zu kommen.
Auf dem Planeten des kleinen Prinzen gab es nämlich, wie auf allen Planeten, nützliche und schädliche Pflanzen. Infolgedessen gab es von den nützlichen Pflanzen nützliche Samen und von den schädlichen Pflanzen schädliche Samen. Aber die Pflanzensamen sind unsichtbar. Sie schlafen im Geheimnis der Erde, bis einer von ihnen auf die Idee kommt, aufzuwachen. Dann streckt er sich und wächst der Sonne zunächst schüchtern in einem bezaubernden kleinen unschädlichen Spross entgegen. Ist der Spross von einem Radischen oder von einem Rosenstock, kann man ihn wachsen lassen, wie er will. Handelt es sich aber um eine schädliche Pflanze, muss man sie ausreißen, sobald man sie erkennt. Nun gab es aber auf dem Planeten des kleinen Prinzen furchterregende Samen, die Baobabsamen. Der Boden des Planeten war übersät davon. Einen Baobab wird man nämlich nie mehr los, wenn man ihn zu spät entdeckt. Er überwuchert den ganzen Planeten. Er durchbohrt ihn mit seinen Wurzeln. Und wenn es ein kleiner Planet ist und es zu viele Baobabs gibt, können sie ihn sprengen.
»Es ist eine Frage der Disziplin«, sagte mir der kleine Prinz eine Weile später. »Wenn man mit seiner Morgentoilette fertig ist, muss man sich um die Morgentoilette des Planeten kümmern. Man muss sich zwingen, die Baobabs regelmäßig auszureißen, wenn man sie zwischen den Rosenstöcken entdeckt, denen sie ganz jung sehr ähnlich sind. Diese Arbeit ist sehr langweilig, aber sehr leicht.«
Und einmal riet er mir, mich an einer schönen Zeichnung zu versuchen, damit das in die Köpfe der Kinder bei mir zu Hause hineinginge. »Das kann ihnen sehr nützlich sein, falls sie eines Tages reisen, sagte er zu mir. Manchmal ist es unbedenklich, eine Arbeit auf später zu verschieben. Aber wenn es um Baobabs geht, ist es immer eine Katastrophe. Ich kannte mal einen Planeten, auf dem jemand Faules wohnte. Er hatte drei Sträucher stehen lassen …«
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