Der kleine Schuhladen des Glücks - Heidemarie Brosche - E-Book
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Der kleine Schuhladen des Glücks E-Book

Heidemarie Brosche

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Beschreibung

Zwei Frauen und ein Stück vom Himmel: Der warmherzige Kleinstadtroman »Der kleine Schuhladen des Glücks« von Heidemarie Brosche als eBook bei dotbooks. Im »Schuhhimmel« werden Träume wahr! – Mit ihrem eigenen kleinen Laden hat sich Petra einen langgehegten Wunsch erfüllt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Elke lässt sie Frauenherzen höherschlagen – und dann gibt es noch den Nachbarshund Tilo, der ein besonderes Faible für Pumps und Ballerinas zu haben scheint. Doch insgeheim haben die Freundinnen ihre ganz persönlichen Sorgen: Während Petra die zunehmende Vergesslichkeit ihres Vaters bedrückt, schlittert Elkes Mann plötzlich in eine rätselhafte Midlife-Crisis … Aber können sie vielleicht auch das gemeinsam schaffen? »Es kann nichts Besseres geben, als dass man ein Buch mit einem zufriedenen Seufzen aus der Hand legt und doch wünscht, die Personen würden weiter Teil des eigenen Lebens bleiben.« Online-Magazin Alliteratus Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der zauberhafte Liebesroman »Der kleine Schuhladen des Glücks« von Heidemarie Brosche – perfekte Feelgood-Unterhaltung für die Leserinnen von Jenny Colgan und Barbara Erlenkamp. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 275

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Über dieses Buch:

Im »Schuhhimmel« werden Träume wahr! – Mit ihrem eigenen kleinen Laden hat sich Petra einen langgehegten Wunsch erfüllt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Elke lässt sie Frauenherzen höherschlagen – und dann gibt es noch den Nachbarshund Tilo, der ein besonderes Faible für Pumps und Ballerinas zu haben scheint. Doch insgeheim haben die Freundinnen ihre ganz persönlichen Sorgen: Während Petra die zunehmende Vergesslichkeit ihres Vaters bedrückt, schlittert Elkes Mann plötzlich in eine rätselhafte Midlife-Crisis … Aber können sie vielleicht auch das gemeinsam schaffen?

»Es kann nichts Besseres geben, als dass man ein Buch mit einem zufriedenen Seufzen aus der Hand legt und doch wünscht, die Personen würden weiter Teil des eigenen Lebens bleiben.« Online-Magazin Alliteratus

Über die Autorin:

Heidemarie Brosche (Jahrgang 1955) hat viele Jahre als Lehrerin gearbeitet und sich parallel dazu als erfolgreiche Autorin von Kinder- und Jugendbüchern etabliert. Für ihr Engagement in den Bereichen Leseförderung und Bildungsgerechtigkeit wurde sie mit dem »Volkacher Taler« der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet. »Der kleine Schuhladen des Glücks« ist ihr erster Roman für ein erwachsenes Publikum.

Die Website der Autorin: www.h-brosche.de

Die Autorin bei Facebook: www.facebook.com/heidemarie.brosche

Die Autorin auf Instagram: www.instagram.com/heidemariebrosche/

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eBook-Neuausgabe Januar 2023

Dieses Buch erschien bereits 2020 unter dem Titel »Schuhhimmel mit Turbulenzen« bei 26|books

Copyright © der Originalausgabe 2020 26|books

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-957-4

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Heidemarie Brosche

Der kleine Schuhladen des Glücks

Roman

dotbooks.

Für zwei wichtige Frauen in meinem Leben:

Astrid, die mich auch auf meinem neuen Schreibweg beharrlich, kompetent und gut gelaunt begleitet hat

Gitti, die dem turbulenten Schuhhimmel mit ihrer Power vehement auf die Sprünge half

Dienstag, 18.09.

16:30 Uhr, Elke

Elke lenkte den Polo in die Parklücke hinter dem SUV der Nachbarin und fuhr so nah an den Randstein, dass es knirschte. Wieder eine Schramme mehr, dachte sie ohne große Gemütsbewegung. Längst hatte sie aufgehört, sich über Lappalien wie eine zerkratzte Radkappe aufzuregen. Sie schob es auf die neue Gleitsichtbrille, dass sie den Randstein in letzter Zeit so oft touchierte.

In Gedanken hing sie noch bei der Lehrerkonferenz fest. Ellenlange Diskussionen über die Gestaltung des Herbstfestes! Am Ende war sie so zermürbt gewesen, dass sie ohne Widerrede dem Mitbring-Büfett zugestimmt hatte. Wieder würde sie irgendetwas zusammenpantschen, was kein Mensch essen wollte – angesichts der Pracht an mitgebrachten Salaten und Desserts.

Sie wusste selbst, dass geselliges Beisammensein dem pädagogischen Miteinander dienlich war, aber sie selbst wollte in ihren letzten Dienstjahren die Entwicklung einer besseren Schule vorantreiben, nicht die Entwicklung von Feinkost-Büfetts.

Während die Kollegen und die Schulleitung über Getränke und Darbietungen diskutierten, waren ihre Gedanken immer wieder zu Mesut zurückgekehrt. Mehr als ein Jahr hatte sie sich intensiv um ihn gekümmert und jetzt hatte ihr Kollege Beuster zu Beginn der Konferenz brühwarm serviert, dass der Junge sich komplett dem Drogenkonsum und -dealen verschrieben hatte. »Nur noch eine Frage der Zeit, bis der im Knast landet!«, hatte Beuster fast schon genüsslich festgestellt. Wie konnte man nur so sein! Der Mann sollte sich einfach freuen, dass es ihm und seinen Kindern gut ging!

Als sie die Haustür aufschloss, kreisten ihre Gedanken schon wieder um den Jungen. Konnte sie ihn nicht doch noch irgendwie retten?

Während sie sich die Pumps von den Füßen trat, ließ sie das übliche »Hallo!« ertönen. Sie bemühte sich, es fröhlich klingen zu lassen. Dass sie dennoch keine Antwort bekam, erstaunte sie nicht. Georg war oft so in seine diversen Tätigkeiten versunken, dass er ihren Gruß nicht hörte.

Barfuß betrat sie das Gäste-WC und wusch sich die Hände. Im Spiegel blickte ihr ein müdes Gesicht entgegen. Wie so oft fragte sie sich, warum das ausgerechnet ihr passieren musste – dieses frühe Altern. Sie fühlte sich jung und voller Energie. Genau so lange, bis sie in den Spiegel schaute. Wenn sie ihr eigenes Gesicht sah, war sie jedes Mal wieder aufs Neue erstaunt und ratlos. Sie konnte das nicht in Einklang bringen – das innere Power-Feeling und diese Furchen.

Seit ein paar Wochen waren Hautunreinheiten dazu gekommen.

»Altersakne!«, hatte der Hautarzt diagnostiziert und ihr medizinische Kosmetik in Aussicht gestellt, wenn es nicht besser würde. Es wurde nicht besser.

Unwillig schnitt sie sich selbst eine hässliche Grimasse. Wahrscheinlich hatte die Schulsekretärin recht, die ihr neulich auf ihre Klagen hin knallhart empfohlen hatte: »Dann schau halt nicht mehr in den Spiegel!«

Entschlossen wandte sie sich um.

»Hallo!«, rief sie noch mal, säuselte sie fast.

Immer, wenn sie sich ihres Aussehens bewusst wurde, wallte in ihr ein Gefühl von Dankbarkeit gegenüber Georg auf. Er hatte zwar jede Menge Schrullen, aber immerhin hatte er sie noch nicht gegen eine Jüngere ausgetauscht.

Wieder keine Antwort.

Hastig warf sie ihre Jacke über den Kleiderbügel in der Garderobe. Der Bügel knallte gegen die Wand, verursachte ein hässliches Geräusch und landete krachend auf dem Marmorboden. Die Jacke stürzte gemeinsam mit ihm ab. Als Elke sich bückte, stachen ihr zwei Dinge ins Auge. Das erste waren ihre gut gepflegten Zehennägel. Ja, ihre Füße sahen noch immer klasse aus. Fast konnte man sie jugendlich nennen. Das zweite: Georgs Schuhe waren verschwunden. Mindestens vier Paar hatten in letzter Zeit hier herumgestanden. Elke hatte das gestört, aber sie hatte nicht auch darüber noch meckern wollen. Hatte Georg sie aufgeräumt? Sie öffnete den riesigen Schuhschrank, der auf ihren Wunsch in der Diele angeschafft worden war. Die fehlenden Schuhe standen auch hier nicht, das erkannte sie mit einem kurzen Blick. Vielleicht hatte Georg sie zum Schuster gebracht, sie waren alle schon ziemlich abgetreten gewesen.

Elke hängte die Jacke auf und entspannte sich. Bestimmt stand Georg gerade jetzt am Tresen dieses Schnellschusters im Großmarkt. Wie schön, dass er das endlich in Angriff genommen hatte! Eine Glückswoge durchströmte sie.

Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer.

16:30 Uhr, Petra

»Schon wieder! Ich fass es nicht!«

Petra spürte, wie sie innerlich zitterte. Wie konnte man bloß so dreist sein? Sie starrte in die Kassenlade.

»Das ist mein Geld, verstehst du!«, setzte sie nach. »Ich muss davon leben.«

Susanne blickte sie entgeistert an.

»Aber …«, begann sie zu stammeln, »aber das hab’ ich doch immer so gemacht.«

»Das ist es ja!«, schrie Petra nun. »Dass du dir das einfach erlaubst und dann ein Gesetz draus machst.«

»Aber …«, versuchte es Susanne noch mal, »das waren doch alles Freundinnen von mir.«

Petra schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

»Und das soll ein Argument sein?«, zischte sie. »Was weiß denn ich, wie viele Freundinnen du noch aus dem Hut zauberst. Auf jeden Fall ruinierst du mich so. Du kannst nicht jedem netten Menschen Rabatt auf meine Schuhe geben.«

Susanne zog ein Schmollgesicht.

Petra wusste später nicht mehr, ob dies der Anlass gewesen war – sie hasste es, wenn erwachsene Menschen, egal ob männlich oder weiblich, wie ein Kind schmollten – oder ob es einfach die Hormone waren, die ihre Wut explodieren ließen.

»Schluss«, sagte sie plötzlich ruhig. »Jetzt ist Schluss. Ich komme auch ohne dich zurecht.«

Während Susanne sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, griff Petra in die Kassenlade, drückte Susanne die vereinbarten 60 € in die Hand und sagte: »Tschüss!«

Wie in Trance steckte Susanne das Geld in ihre Hosentasche und trat den Rückzug an.

»Tschüss!«, flüsterte sie und war draußen.

Petra atmete tief durch. Warum hatte sie sich nur so aufgeregt? Es stimmte ja, Susanne hatte von Anfang an ausgewählten Kundinnen kleine Nachlässe gewährt. Petra hatte das hingenommen. Erstens, weil sie so unendlich froh war, dank Susanne ein paar Freiheiten zurückgewonnen zu haben. Und zweitens, weil die Kundinnen das zu schätzen wussten und gerne wiederkamen. Wer genoss nicht das Gefühl, eine bevorzugte Kundin zu sein!

Aber dann hatte Susanne es einfach übertrieben. Gefühlt jedes zweite Paar Schuhe ging reduziert über den Tresen – auch wenn es aus der allerneuesten Kollektion stammte.

Petra spürte, wie sie innerlich zitterte. Die Wut war noch immer groß. Wie konnte dieses dumme Ding sich anmaßen, derart eigenmächtig zu handeln!

Petra ließ sich auf den alten Ohrenbackensessel sinken, den sie kürzlich hatte aufpolstern und neu beziehen lassen. Er war zu einer Augenweide im Schuhhimmel geworden, aber die ganze Aktion hatte sie eine Stange Geld gekostet. Wenn sie sich vorstellte, wie sich hier Susannes diverse »Freundinnen« gefläzt hatten, ehe sie mit ihren Schnäppchen von dannen zogen, wurde ihr übel.

Hoffentlich würde jetzt erst mal keine Kundin kommen! Petra war zwar durch die vielen Jahre im Einzelhandel zu einer Meisterin der Verstellung geworden, aber im Moment verspürte sie weder Lust auf Smalltalk noch auf Beichtstuhlgespräche.

Sie brauchte jetzt Ruhe. Selbst die Musik aus dem Radio, das eine wirklich gute Nachbildung einer alten Wurlitzer-Jukebox war, nervte sie. Sie stand auf und schaltete das Gerät aus.

Bewusst atmete sie ein und aus. Immer wieder. Langsam legte sich die Wut und ein anderes Gefühl kroch in ihr hoch: Angst. Sie hatte sich soeben mit der einzigen Person überworfen, die bereit war, ein paar Stunden wöchentlich in ihrem Laden auszuhelfen. Sie hatte sich um die wunderbare Möglichkeit gebracht, mal ein paar Stunden nicht selbst im Schuhhimmel zu stehen.

»Himmel« und »stehen« – plötzlich fiel ihr auf, wie widersinnig das klang. Wer stand denn schon im Himmel? Da oben wurde geschwebt oder geflogen. Sie aber stand. Auf wunderschönen Schuhen. Umgeben von wunderschönen Schuhen. Und seit heute wieder sechs Tage die Woche. Sie stand sich buchstäblich die Beine in den Leib. Und der Lohn des Stehens war nicht etwa Reichtum, sondern Angst vor dem wirtschaftlichen Ruin.

In einen Schwebezustand kam sie genau genommen nur, wenn sie Papa besuchte. Was sie dank ihrer Wutaktion ab jetzt wieder nur noch abends tun konnte. Abgehetzt nach der Arbeit! Natürlich gab es auch die Sonntage. Aber die waren ihr heilig. Wenigstens an einem von sieben Tagen musste sie auch an sich selbst denken!

Na ja, nicht nur an sich selbst.

16:30 Uhr, Max

»Fuck!«

Max hätte das Wort gerne noch fünf- bis siebenmal wiederholt.

Dieser Tag war einfach wie verhext. Morgens hatte er den gelben Caddy gepackt und alle Pakete in der richtigen Reihenfolge gestapelt, da servierte man ihm ein riesiges Sperrgut-Teil. Das Ding war so unhandlich, dass er alles noch mal von Grund auf umräumen musste, anders hätte das Ungetüm nicht in den Laderaum gepasst. Als er bei dem Adressaten angekommen war, hatte der die Annahme verweigert und dabei auch noch blöde gegrinst. Max musste das schwere Teil zurück zum Caddy schleppen. Er spürte die Blicke des Mannes noch immer in seinem Rücken. So etwas würde ihm nicht noch einmal passieren. In Zukunft würde er erst läuten, dann schleppen – zumindest bei allem über 20 kg!

Dann hatte er ein verschlafenes weibliches Wunderwesen an die Tür geklingelt, das ihn in anderer Aufmachung schwer vom Hocker gerissen hätte. So aber stand das Haar der jungen Frau verstrubbelt um ihren Kopf und um den Körper hatte sie eine Zudecke geschlungen. Zwischen ihrem Hals und ihrer linken Schulter hatte die Decke einen kleinen, herzförmigen Fleck preisgegeben. Max hatte große Mühe gehabt, nicht hinzustarren.

»Oh› tschuldigung, dass ich Sie geweckt habe!«, war es ihm herausgerutscht, obwohl selbst er beim besten Willen nicht verstehen konnte, wie eine junge Frau am Nachmittag noch im Bett liegen konnte. Sie hatte stumm abgewinkt und sich das Päckchen gegriffen. Max fragte sich, ob sie ihn als Mann überhaupt wahrgenommen hatte.

Fragen wie diese stellte er sich häufiger, seit er den Studentenjob bei der Post angetreten hatte. In einem Film hatte er mal eine Szene gesehen, in der sich die schöne Hausherrin und der gutaussehende Briefträger nahekamen. Er selbst war bisher allenfalls den Kötern der Leute nahegekommen, besser gesagt, sie ihm. Immer dann, wenn sich wieder ein Kläffer zähnefletschend gegen den Zaun warf, dankte er seinem Vater im Stillen. Wie nett, dass du mich dazu verdonnert hast, in meinen kostbaren Semesterferien Geld zu verdienen!

Er schrie ein zweites Mal »Fuck!« Denn das, was ihm soeben passiert war, toppte alles. Er stand vor dem Haus der nettesten Kunden des gesamten Viertels. Und seinen Händen war der Briefe-Stapel entglitten, den er hatte einwerfen wollen. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass die Post im einzigen Hundehaufen weit und breit gelandet war. Mit spitzen Fingern nahm er einen Brief nach dem anderen auf. Auf keinen Fall wollte er nun auch noch Hundekacke an den Händen haben! Beim puren Gedanken daran wurde ihm schlecht.

Max zwang sich dazu, jeden einzelnen Brief zu inspizieren. Den meisten Kuverts sah man ihren Landepunkt nicht an, das unterste aber trug eine so untrügliche braune Schleifspur, dass Max gleichzeitig lachen und fluchen musste. Hastig holte er ein gebrauchtes Papiertaschentuch aus der Hosentasche und wischte, was das Zeug hielt. Die braune Masse verteilte sich über die Hälfte des Briefumschlags. Obendrein stank sie zum Himmel.

Was sollte er tun? Läuten und zugeben, was passiert war: »Zum Dank für die sieben Schokoladentäfelchen, die Sie mir in den letzten Tagen zugesteckt haben, habe ich einen ihrer Briefe in Hundescheiße gewälzt.« Nein, das konnte er nicht!

Weil ihm nichts Besseres einfiel, stopfte er den gesamten Stapel in den Briefkasten und warf das stinkende Papiertaschentuch ins Auto.

Während Max mit dem Caddy zu den nächsten Häusern fuhr, versuchte er die Gedanken an die nette Familie zu verdrängen. Er blickte auf die Uhr. Verdammt noch mal, wie spät er heute dran war!

Er hielt an, fischte zwei Briefe heraus und stieg aus.

16:35 Uhr, Elke

Elke riss die Augen weit auf.

Hatte hier die größte Aufräumaktion seit der Grundsteinlegung ihres Eigenheims stattgefunden? Das hatte sie längst nicht mehr für möglich gehalten. Eine weitere, noch heftigere Glückswoge durchfuhr sie. Es konnte nicht anders sein: Georg hatte endlich eingesehen, dass er ihr Bedürfnis nach Ästhetik respektieren musste. Ihr Herz begann zu hüpfen. Wie wichtig waren schon Falten! Wie wichtig eine Lehrerkonferenz! Und ehrlich gesagt – konnte ihr auch Mesut relativ egal sein: Sie hatte für ihn getan, was sie konnte. Es hatte einfach nicht sollen sein. Was wirklich wichtig war, blieb doch immer die Zweisamkeit! Nichts ging über einen Mann, der im entscheidenden Moment die richtigen Dinge tat.

Lächelnd wandte sie sich der Küche zu. Wenn Georg schon so viel guten Willen gezeigt hatte, wollte sie ihm den ihren auch beweisen und endlich mal wieder ein anständiges Essen kochen. Die dringend anstehende Dokumentation und die Vorbereitungen für den nächsten Tag konnten warten. Jetzt war erst mal Goodwill angesagt.

Eine Riesenzucchini fläzte sich auf der Arbeitsplatte. Die hatte bestimmt die alte Frau Meier vorbeigebracht. Wunderbar! Tomaten waren auch noch da und Zwiebeln ebenfalls. Sie würde eine tolle Gemüsesoße zu den Gardasee-Spaghetti kochen. Entschlossen griff sie sich die Küchenschürze.

Plötzlich zögerte sie. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück. Irgendetwas irritierte sie. Sie sah sich im gesamten Raum um. Die Ordnung war fast unheimlich. Und da ging ihr das Licht auf: Auch der Laptop war nicht an seinem Platz. Äußerst unwahrscheinlich, dass Georg den weggeräumt hatte! Für den Laptop hatten sie sich gemeinsam ein nettes Plätzchen überlegt. Immer dann, wenn er ihn mal nicht in Gebrauch hatte, wollte er ihn dort deponieren. »Dass er nicht so ins Auge sticht!«, hatte Elke gesagt und Georg verschmitzt zugelächelt. Lieber hätte sie gesagt: »Damit das hässliche Teil nicht auch noch den Esstisch dominiert!« Aber das hatte sie sich verkniffen.

Wo also war der Laptop?

Elke kehrte zurück zur Zucchini. Sie wusch sie gründlich und trocknete sie ab. Dann holte sie das Gemüsemesser aus dem Block und teilte den grünen Koloss in zwei Hälften. Das mit dem Laptop ging ihr nicht aus dem Sinn. Sie ließ das Messer sinken und legte es schließlich auf die Arbeitsplatte.

Sie blickte noch einmal ins Wohnzimmer. Dann wandte sie sich der Treppe zu und stieg nach oben.

»Georg!«, hauchte sie fast, weil ihr plötzlich die Idee gekommen war, Georg könne sich mit dem Laptop aufs Bett gelegt haben. Immerhin musste er viele Stunden hart gearbeitet haben, um diesen wunderbar aufgeräumten Zustand zu erreichen. Womöglich war er eingeschlafen. Wecken wollte sie ihn auf keinen Fall.

Das Schlafzimmer war leer.

Elke betrat das Bad. Es sah aus wie immer. Bis auf eine winzige Tatsache. Georgs Zahnbürste war weg. Der Becher, einer von den zwei Keramikgefäßen, die sie aus dem missglückten Ibiza-Urlaub mitgebracht hatten, stand einsam und verwaist neben dem ihren, in dem – ebenfalls einsam und verwaist – Elkes Zahnbürste lehnte. Es sah aus, als habe sie sich beleidigt weggedreht. Immerhin hatte die Bürste in den letzten dreieinhalb Wochen keinen Tag ohne ihren Kumpel auskommen müssen. Ja, nach vier Wochen wechselte Elke konsequent die Zahnbürsten aus. Auch wenn andere da viel nachlässiger waren – für sie war das ein Gebot der Hygiene.

Elke schob den Spiegelschrank auf. Das Rasierzeug fehlte.

Panik machte sich in ihr breit. Sie eilte zurück ins Schlafzimmer. Jetzt erst sah sie, dass auch der Schlafanzug nicht an seinem Platz lag.

Mit zitternden Händen öffnete sie den Kleiderschrank. Von den Hemden hingen nur noch die an der Stange, die Georg in der letzten Zeit verschmäht hatte.

Elke sank auf ihrer Hälfte des Ehebettes nieder.

16:45 Uhr, Max

Als Max sich dem nächsten Grundstück näherte, traute er seinen Augen nicht: Der Briefkasten, der am Zaun befestigt war, wurde beregnet. Erst verstand er nicht, was hier ablief, dann suchten seine Augen den Ursprung des in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Schauers. Er konnte es nicht glauben. Im angrenzenden Grundstück, in dem ein Hund träge in der Sonne lag, drehte der Rasensprenger so großzügig seine Runde, dass es für den Briefkasten der Nachbarn auch noch reichte.

Max hatte keine Lust auf eine Ganzkörperdusche und sondierte die Lage. Die Intervalle waren sehr kurz. Nur wenn er im richtigen Moment einen Blitzstart hinlegen würde, hätte er eine Chance, das Feld trocken zu räumen. Mit zusammengekniffenen Augen folgte er den Bewegungen des Rasensprengers und rannte los. Er hatte genau den richtigen Zeitpunkt erwischt, aber die Klappe, die den Briefschlitz abdeckte, klemmte. Mit fahrigen Fingern bemühte Max sich, das blöde Ding aufzukriegen. Schließlich schaffte er es, versenkte die Briefe und knallte die Klappe zu. Im nächsten Moment erwischte ihn das Wasser. Die Aktion mit der Klappe hatte ihn offensichtlich die entscheidenden Sekundenbruchteile gekostet. Obwohl er schleunigst die Flucht antrat, war er von oben bis unten nass. Er zeigte dem Rasensprenger den Stinkefinger, stieß eine laute Verwünschung aus und rannte zum Auto.

Während der wenigen Meter überlegte er, wie er jetzt weitermachen sollte. Pitschnass ins Auto setzen? Den Caddy stehen lassen und abhauen? Sich ausziehen und als Flitzer von der Post in die Geschichte der Nachrichtenzustellung eingehen?

Plötzlich durchfuhr ihn ein Schmerz im rechten Bein. Wie der Hund über den Zaun gekommen war, konnte er nicht sagen. Dass er da war, sehr wohl. Irgendwie musste der Köter das mit dem Stinkefinger falsch verstanden haben. Denn er hatte zugebissen. Nicht heftig, aber schmerzhaft. Und er hing noch immer an seinem nassen Hosenbein fest.

Wieder schickte Max einen stummen Gruß an seinen Vater. Hätte der sein Flehen um einen eigenen Hund irgendwann erhört, müsste er mit einundzwanzig Jahren nicht wie ein Idiot dastehen. Er wusste schlichtweg nicht, wie er die knurrende und schnappende Bestie loswerden konnte.

Zunächst schüttelte er das Bein, so fest er konnte. Dann schrie er: »Hau ab, du Penner!« und warf dem Tier einen drohenden Blick zu. Als auch das nicht half, startete er durch.

16:45 Uhr, Elke

Elke schleppte sich die Treppe hinunter. Ihre Finger suchten unsicher am Handlauf Halt. Als sie unten ankam, trat sie unvermittelt gegen die Pumps, die dahingestreckt auf dem Marmor lagen. Auf einmal kamen sie ihr viel zu extravagant vor. Dabei hatte sie sich erst vor wenigen Tagen im Schuhhimmel in sie verliebt. Hals über Kopf!

Warum in diesem Moment ausgerechnet ihre Schuhe büßen mussten, wusste sie selbst nicht. Irgendwo musste der Frust einfach hin. Vor einer Minute hatte sie festgestellt, dass Georg auch seine Unterwäsche und seine Hosen mitgenommen hatte. Und dass zwei Koffer fehlten. War er ohne sie in Urlaub gefahren? Sie fasste es nicht.

Während sie bewegungslos in der Diele verharrte, überlegte sie fieberhaft. Was konnte dieses völlig untypische Verhalten ausgelöst haben?

Plötzlich schoss ihr ein Gedanke in den Kopf. Ein Brief. Irgendwo musste ein Brief sein, in dem er alles erklärte.

Elke rannte ins Wohnzimmer. Mit voller Wucht schlug sie sich die kleine Zehe am Türstock an. Mist, warum hatte sie ihre Hausschuhe nicht angezogen!

Der Esstisch war leer. Auch auf dem Couchtisch lag nichts. Genau wie auf dem Sideboard und auf der Kommode.

Hatte Georg nur eine Notiz auf einem kleinen Zettel hinterlassen? War der vielleicht zu Boden geweht worden? Elke ging in die Hocke und spähte über Teppiche und Parkett. Am Ende kroch sie auf allen vieren durch das Wohnzimmer.

Erschöpft sank sie auf ihrem Stuhl am Esstisch nieder. Sie verstand das alles nicht!

Da hörte sie ein melodisches Geräusch aus der Diele. Ach ja, ihr Handy! Sie hatte es ja noch gar nicht aus der Handtasche geholt. Meine Güte! Sie verpasste sich selbst einen Klaps gegen die Stirn. Während sie nach altmodischen Briefchen suchte, hatte ihr Mann einfach eine erklärende WhatsApp-Nachricht geschrieben.

Sie rannte in die Diele, fischte das Handy aus den Tiefen ihrer Handtasche und starrte auf den Bildschirm.

Die Nachricht war nicht von Georg. Jessy, eine ihrer Schützlinge, bat um Hilfe bei den Hausaufgaben. Na, die musste heute mal ohne sie auskommen!

Hatte Georg ihr vielleicht geschrieben, während sie in der Schule war? Nein! Sie scrollte durch ihre Kontakte und wunderte sich selbst, wie weit ihr Ehemann nach unten gerutscht war.

Als sie Georg endlich gefunden hatte, las sie sich durch den Verlauf der letzten Tage. Wortreich ging anders. Vor allem das, was er geschrieben hatte, beschränkte sich auf »Ja«, »Ok«, »Auch« und »Schlecht«.

Worauf hatte er denn mit »Schlecht« geantwortet? Sie konnte sich nicht erinnern. Vermutlich hatte sie während des Unterrichts aufs Handy gesehen und seine Ein-Wort-Nachricht vergessen. Sie las nach. Gestern um 07:39 Uhr hatte sie ihn gefragt: »Wie geht es dir heute?« Die Frage hatte einen Grund gehabt. Am Sonntagabend hatte er sich plötzlich unwohl gefühlt und war weit vor Elke ins Bett gegangen. Aus dem Lehrerzimmer hatte sie ihm die Nachricht geschickt. Die Antwort »Schlecht« war um 08:15 Uhr gekommen. Da steckte sie in der schwierigsten Klasse dieses Schuljahres. Wie sie es bei diesen Sargnägeln überhaupt geschafft hatte, aufs Display zu linsen, war ihr selbst ein Rätsel. Was ihr aber ebenfalls ein Rätsel war: Wieso hatte sie auf eine Antwort, die so eindeutig war, den ganzen Tag nicht reagiert? Sie überlegte: Hatte sie gestern Abend, als sie wegen diverser Verpflichtungen erst gegen 18 Uhr nach Hause kam, nach seinem Befinden gefragt? Es wollte ihr nicht einfallen.

Am Abend war dann auch noch der Anruf der Redakteurin gekommen, die Elkes Artikel immer so sehr schätzte. Georg hatte nach dem Telefonat ein feines Wok-Gemüse serviert. Elke erinnerte sich, dass sie seine Kochkünste gelobt hatte. Dass sie auf sein Befinden zu sprechen kam, daran erinnerte sie sich nicht. Sie war dann auch todmüde ins Bett gefallen, nachdem sie ein Exposé zum Artikel geschrieben hatte. Solche Dinge erledigte sie immer sofort. Heute Morgen war Georg noch im Bett gelegen, als sie das Haus verlassen hatte. Hatte sie ihm eigentlich Adieu gesagt? Sie wusste es nicht mehr.

Sie sah noch einmal aufs Handy. Wann war Georg zum letzten Mal online gewesen? Vielleicht konnte sie daraus Schlüsse ziehen. Merkwürdig! »Zuletzt online um …« gab es bei ihm nicht. Hatte er die Funktion ausgeschaltet? Entschlossen tippte sie: »Wo bist du denn?« Dann wartete sie ab. Bestimmt würde bald die ersehnte Erklärung kommen. Doch die Nachricht erreichte ihn noch nicht mal. Außer einem einsamen grauen Haken nichts! Elke starrte auf das Display. Georg war zwar ein wortkarger Antwortgeber, aber ein zuverlässiger. Sein Handy war stets aufgeladen und in Griffweite.

Elkes Herz begann zu klopfen.

Merkwürdigerweise spürte sie jetzt auch noch Hunger. Kein Wunder, sie hatte seit heute Morgen nichts gegessen – außer dem Schokoriegel in der Konferenz.

Ihr fiel die Zucchini wieder ein. Kurz entschlossen rauschte sie in die Küche, nahm das Messer und rammte es einer der beiden Zucchinihälften in den krummen Leib.

16:45 Uhr, Petra

Langsam wurde Petra ruhiger. Selbstverständlich würde sie es alleine hinbekommen. Sie hatte in der letzten Zeit enorme Kräfte entwickelt.

Früher hatte es gereicht, zum Hörer zu greifen und Mama um ihren Einsatz zu bitten. Mama war jedes Mal sichtlich aufgelebt, wenn sie im Schuhhimmel aushelfen durfte. Doch dann war der massive Kräfteverfall gekommen und schließlich ein unglaublich schneller, früher Tod.

Seither hatte Petra alle in der Kleinstadt Lügen gestraft, die ihr das Verarbeiten dieses Schocks, die Sorge um den demenzkranken Vater und das Betreiben des Schuhhimmels in Alleinregie nicht zutrauten.

Entschlossen machte Petra sich über die Unordnung im Laden her. Eigentlich hätte es zu Susannes Aufgabe gehört, das Geschäft in aufgeräumtem Zustand zu übergeben. Aber die war ja nun über alle Berge.

Petra stapelte leere Schuhkartons, stellte die Paarbeziehungen der herumliegenden Einzelstücke wieder her, kehrte nach vollendeter Arbeit den Laden durch und wollte sich gerade in den Sessel plumpsen lassen, als die Tür aufgerissen wurde.

Ein junger Mann stürmte in den Laden, dem Tilo an der Hose hing. Petra war so überwältigt von diesem Anblick, dass sie mehrere Anläufe brauchte, ehe sie einen klaren Satz über die Lippen brachte.

»Tilo«, sagte sie schließlich ruhig, »lass das doch bitte!«

Das Ergebnis war in doppelter Hinsicht überwältigend. Tilo ließ auf der Stelle von seinem Opfer ab und lief schwanzwedelnd auf sie zu. Und der junge Mann starrte sie so fassungslos und bewundernd an, dass sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

Erst jetzt erkannte sie den Eindringling. Es war der nette Postbote, der seit kurzem hier die Vertretung hatte. Allerdings sah er reichlich derangiert aus. Die Haare klebten ihm am Kopf, die Postuniform troff vor Nässe und er humpelte.

»Nicht Ihr Tag heute?!«, sagte Petra, während sie Tilo kraulte.

Der junge Mann schüttelte den Kopf.

»Wie haben Sie Tilo denn so gegen sich aufgebracht?«, fragte sie weiter. »Haben Sie ihn beleidigt? Da ist er empfindlich.«

»Er hat da was falsch verstanden«, sagte der Mann schief grinsend. »Ich hab’ den Rasensprenger beschimpft. Der das hier gemacht hat«, fügte er hinzu und zeigte er auf sein nasses Outfit.

»Wow!«, sagte Petra grinsend. Dann fiel ihr etwas ein. »Warten Sie einen Moment!«, sagte sie und verschwand gemeinsam mit Tilo hinten im Lager. Sie kehrte mit dem Blaumann zurück, den einer der Handwerker vergessen hatte. »Falls Sie mögen.« Petra streckte Max den Overall entgegen und wies nach hinten.

16:55 Uhr, Max

Dankbar nahm Max das angeschmutzte Teil. In seine Nase stieg der Duft eines Parfums. Keines, wie er es von seinen Kommilitoninnen gewohnt war. Irgendwie besonders, rätselhaft.

Während er sich im Lager die nassen Klamotten vom Leib fummelte, hörte er den Hund freundlich winseln. Wie diese Frau das hinbekommen hatte! Eine echte Hundeflüsterin. Und eine toll aussehende noch dazu!

Max riss sich aus seinen Gedanken und inspizierte sein rechtes Bein. Er stellte fest, dass der Hund kräftig gezwickt, aber nicht gebissen hatte. Die Haut war unverletzt. Puh! Wie durch ein Wunder waren die Boxer-Shorts trocken geblieben. Noch mal puh! Max stieg in den Blaumann, schnappte sich die nassen Sachen und kehrte zurück in den Verkaufsraum.

»Könnten Sie ganz kurz im Laden bleiben? Ich bring Tilo zurück und sag Bescheid wegen des Rasensprengers.«

Ohne Max’ Antwort abzuwarten, verließ Petra das Geschäft. Max schnupperte. Im Raum hing der verwirrende Duft.

Max sah sich um. Bis jetzt hatte er hier alle paar Tage etwas reingereicht. Meist war die Ladenbesitzerin da gewesen, einmal auch eine andere Frau, die ihm einen Fünf-Euroschein zugesteckt hatte, als er ein kleines Paket anlieferte.

Lauter Damenschuhe!

Erst jetzt wurde Max bewusst, dass dies ein extravagantes Schuhgeschäft ausschließlich für weibliche Kundschaft war. Er ließ seinen Blick über die unterschiedlichen Modelle schweifen. Was Frauen sich so alles über die Füße zogen!

Er seufzte. Musste er jetzt wirklich im Blaumann den Rest der Post ausliefern? Die dummen Sprüche der Leute konnte er sich lebhaft vorstellen. Oder sollte er nach Hause fahren und sich umziehen?

Während er noch überlegte, hörte er, wie sich die Tür öffnete. Er drehte sich um und sah, wie eine fremde Frau in den Laden stolperte.

»Verdammt, schon wieder!«, stieß sie hervor und rieb sich ihren Fuß. »Diese blöde Brille!« Erst jetzt erblickte sie ihn und fragte überrascht: »Ist Frau Neuer nicht da?«

»Kommt gleich wieder«, sagte Max, ohne zu wissen, ob Frau Neuer die war, die ihm den Blaumann gegeben hatte.

Die Frau wandte sich ab und fixierte ein Paar grellpinkfarbener Sandalen. Max hatte das Gefühl, dass sie die Schuhe nicht wirklich wahrnahm. Sie trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und schaute immer wieder zur Tür.

17:00 Uhr, Petra

Lächelnd betrat Petra den Schuhhimmel.

»Hallo Elke! Bist du gut betreut worden?«, fragte sie, zwinkerte dem Postboten zu und umarmte ihre Freundin.

Elke erwiderte die Umarmung und nickte kurz.

»Ich geh dann mal!«, sagte der Postbote. »Danke für alles. Den Blaumann bringe ich zurück.«

Elke sah verwirrt zu Petra.

»Der Postbote«, sagte Petra erklärend, als sich die Ladentür geschlossen hatte. »Auch wenn er blauer aussieht.«

»Ach so!«, sagte Elke, ohne weiter nachzufragen. Sie starrte ins Leere. »Georg ist weg!«, stieß sie dann unvermittelt aus.

 »Wie weg?«, fragte Petra.

»Weiß ich nicht«, erwiderte Elke gereizt. »Ist halt einfach ohne mich in Urlaub oder so gefahren.« Sie ließ sich in den Sessel sinken und seufzte tief.

Welche Sorgen altgediente Ehepaare hatten! Petra schüttelte innerlich den Kopf. »Ohne mich in Urlaub gefahren ...« Was war daran so schlimm? Die persönliche Freiheit zählte bei Petra viel. Aber damit brauchte sie Elke jetzt nicht zu kommen.

»Wohin ist er denn?«, fragte sie, weil sie irgendetwas sagen wollte.

»Weiß ich nicht!« Elkes Gereiztheit steigerte sich. »Er ist weg und seine Sachen sind weg und sein Auto auch!« Elke schnaubte.

Das war ja mal ein Ding: der ruhige, gutmütige Georg einfach abgehauen! Petra fasste es nicht. »Der kommt schon wieder!«, sagte sie halbherzig und wusste selbst, wie wenig dieser Satz ihrer Freundin helfen würde.

Seit sie sich vor knapp zwanzig Jahren im Fitness-Studio kennengelernt hatten, hatten sie viel miteinander erlebt und viele tiefgründige Gespräche geführt. Mit halbherzigen Trostversuchen hatte man Elke nie zu kommen brauchen. Und umgekehrt galt das gleiche.

»Hast du eine Ahnung, warum?«, versuchte es Petra noch einmal.

Während Elke um eine Antwort rang, machte Petra sich selbst Gedanken. War Georg der Typ für derartige Alleingänge? Bevor dieser Mann alleine in Urlaub fuhr, blieb er doch lieber jahrelang zu Hause.

»Nein!«, quetschte Elke hervor. »Wir hatten keinen Streit. Alles war wie immer.«

»Langweilig wie immer?«, hätte Petra beinahe gesagt. Über zu viel Schwung in der Beziehung hatte sich Elke noch nie beschwert. Doch Petra verschluckte die Bemerkung.

»Schau mal!« Petra wies mit dem Finger auf ein Paar Lacklederschuhe in Schwarzweiß. »Heute Morgen reingekommen.«

Sie wusste, wie sehr Elkes Herz für Schuhe schlug.

Elke wandte nur müde den Kopf.

18:10 Uhr, Elke

Petra und Elke saßen in der kleinen Pizzeria gleich um die Ecke. Elke hatte Petra nun doch alles erzählt, auch das mit dem WhatsApp-Verlauf. Nun hatte sie das Smartphone neben den Teller gelegt und gab sich Mühe, nicht ununterbrochen aufs Display zu äugen.

Während sie an der Quattro Stagioni herumsäbelte, fiel ihr plötzlich etwas ein. »Wenn Georg zu Hause auf dem Festnetz anruft …«

»… kannst du nicht abnehmen«, ergänzte Petra, ohne den Rest des Satzes abzuwarten. »Aber du wirst es sehen – der Technik sei Dank.«

Elke kaute nervös. Ausgerechnet heute hatte die beste Pizza der Stadt an Charme verloren. Am Ende bat sie um ein Doggy Bag.

»Danke fürs Zuhören!«, sagte sie, umarmte Petra und ließ sie alleine in Micheles Pizzeria sitzen. Sie wusste ja, dass Petra sich hier niemals einsam fühlte.

Während sie den Wagen nach Hause lenkte, fiel ihr plötzlich die Schule wieder ein. Meine Güte, sie musste ja noch den Stapel Arbeiten korrigieren. Wie sollte sie das in dieser Verfassung schaffen?