Der leise Abschied des einsamsten Sommers - Maria Dünser - E-Book

Der leise Abschied des einsamsten Sommers E-Book

Maria Dünser

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Beschreibung

Wie leben und lieben, wenn Angst, Panikattacken, Depressionen das Leben diktieren? Im Laufe eines Sommers durchlebt die Protagonistin extreme Gefühlszustände, ausgelöst durch eine unmöglich erscheinende Liebe. In ihrer Novelle verschränkt Maria Dünser raffiniert Elemente von Briefroman, romantischer Naturbeobachtung und empfindsamer Literatur.

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„Du hast mich angerufen – am Morgen – um mir einen ´guten Morgen´ zu wünschen.

Du hast mich angerufen – am Abend – um mir eine ´gute Nacht´ zu wünschen.

Du hast mich angerufen, wenn ich dich telefonisch begleiten sollte – egal wohin.

Und plötzlich scheint alles anders zu sein, ich spüre es, in all deinen Worten. Und davor hatte ich Angst.

Kann man überhaupt etwas verlieren, was scheinbar noch gar nicht Besitz war?

Wieso dich besitzen wollen, wenn ich dich liebe?

Wir – in unserer Welt – denken an morgen, an übermorgen und an all das, was in einigen Jahren sein wird.

An das Heute zu denken haben wir nicht gelernt. Verzeih mir, wenn ich dir sage, dass dein

Verhalten mir gegenüber auch sehr von Egoismus geprägt scheint.

Du willst mich zwar als Herzensfreundin, aber derlei kannst du genügend und überall finden.

Ich möchte mehr von dir haben, deine Zärtlichkeit, deine Sanftheit spüren, mich mit dir austauschen und mit dir verrückt sein dürfen.

Davor hast du Angst und versuchst, mit Arbeit alles zu verdrängen.

Du schreibst, dass dir noch nie im Leben ein Mensch so nahe stand – und trotzdem?

Wahrscheinlich ist es leichter zu verlassen, als verlassen zu werden, und die Angst treibt uns vor sich her, solange, bis wir uns verloren haben.“

-

Es ist noch schön warm an diesem Abend – dem kalendarisch beinahe letzten Sommertag.

Ein sanfter, lauer Wind streift die Blätter der Birken, Äste biegen sich leicht, scheinen einem Tanz sich hinzugeben.

Ganz in der Ferne, hie und da ein monotones Motorengeräusch und das Lachen und Schreien spielender Kinder.

Graue Wolken ziehen rasch, in eine vom Wind vorgegebene Richtung.

Das Wetter wird morgen sicher nicht mehr sommerlich sein.

Leises Aneinanderschlagen der Birkenblätter, ihr zitterndes Spiel im Wind, die ungebändigten Ranken des wilden Weines, dessen Blätter sich vom sommerlichen Grün langsam ins herbstliche Rot verwandeln, zeugen vom kommenden Jahreszeitenwechsel.

Es scheint, als ob alle Pflanzen von der Sommerhitze ermattet wären.

Die Wolken am Himmel lassen nur noch kleine, helle Flecken in einem herrlichen Licht frei.

Leicht rötlich gefärbt, haben sie ein schweres Spiel, sich gegen die dunklen, blau-schwarzen

Wolken durchzusetzen.

Schwere – wie diese düsteren Wolken - lastet diesen Sommer auf mir. Ein dunkler Schleier, der sich immer wieder von neuem über meinen Körper wirft. Immer und immer wieder.

Dieser Schleier der Schwermut hüllt mich ein, hält mich gefangen zu allen Tageszeiten. Nur in der Nacht, da lässt er mich kurzzeitig zur Ruhe kommen. Weil ich ihn zwinge, mit Medikamenten bezwinge – sich wenigstens in der Nacht von mir fernzuhalten.

Wie beneidenswert sind die Menschen, die nicht fortwährend denken, gedenkt werden.

Gedanken geschehen, sie kommen und gehen, gerade wie es ihnen passt.

Ist es überhaupt möglich, sich diesem Prozess des Denkens zu entziehen, einem Denken, das zum Grübeln ausartet?

Im Tal fangen die Lichter an zu leuchten. Ein Anblick, immer wieder derselbe – vermeintlich – denn der Blick ist allabendlich ein anderer.

Wie würde ich mich über eine Veränderung meiner Gedanken freuen, wie sehne ich mich danach, mich dieser schleichenden Zerstörung zu entziehen.

Meine Gedanken drehen und drehen sich und suchen suchtartig immer neue Nahrung.

Die Endlosigkeit des unkontrollierten Denkens ist grausam.

Gebetsmühlenartig versuche ich mir positive Gedanken einzureden, um meine Melancholie und Sehnsucht zu verdrängen.

Es will mir nicht gelingen. Vielleicht deshalb, weil mir diese Art von Verdrängung oft als abartig und zwanghaft erscheint und nicht meiner inneren Überzeugung entspricht.

Schweißperlen auf Stirn und Wangenknochen, träge Beine, welche zur Entlastung hochgelagert werden wollen.

Die Flucht vor unerträglich, schwül-heißer Luft ins Innere, lässt mich wieder frei durchatmen.

Es ist still draußen, fast schon zu still, um es noch als angenehm zu empfinden. Die späte Sommerhitze lähmt beinahe alles.

Nur ab und zu melden sich die schwarz-blau gefiederten Krähen mit lautem Gekrächze.

Wie sollen sie – trotz ihrer Zutraulichkeit - auch erahnen, dass meine Nachbarin, die sie ständig füttert, auf Urlaub ist.

Dieses Wegsein aller mich umgebenden, vertrauten Menschen macht mir Angst und versetzt mich in Panik.

Herzklopfen – nein Herzrasen meldet sich nicht an, es ist einfach da. Angst, einen Herz- oder Hirnschlag zu erleiden, Schwindelgefühl, feuchte Hände, von einer Ecke in meiner Wohnung in die andere flüchtend. Versuche, mich mit lauter Musik abzulenken, und die Einnahme einer Beruhigungstablette lassen mich ermüden. Eine Ermüdung, die sich wohl anfühlt.

In diesen Momenten ist die Sehnsucht nach dem geliebten Menschen, der damit verbundenen Zärtlichkeit, dem Verständnis, der Akzeptanz, mich mit all meiner Eigenart anzunehmen, am größten.

Es ist eine schon über einen längeren Zeitraum spürbare, scheinbar nicht zu stillende Sehnsucht, diesem Menschen, vielleicht aber auch nur irgend einer Person, wichtig zu sein.

Wichtigkeit?

Ein banales Wort, und doch von so großer Bedeutung. Ein Gefühl, manchmal nicht beschreibbar, einfach nur fühlbar.

An einen geliebten Menschen denken, mit ihm mitfühlen, dass ich diesem Menschen nicht egal, sondern einzigartig für ihn bin.

Gleichkommend einer Ergänzung der eigenen Persönlichkeit, eben eine Vervollkommnung.

Nicht Äußerlichkeiten sind wichtig – es ist der Mensch mit seinem charaktergeprägten Sein, gepaart mit der Wahrnehmung seines Gewissens.

Manchmal hatte ich in meinem Leben das Gefühl, für einen Menschen wichtig zu sein. Doch Konventionen töteten dieses Gefühl mit der Erkenntnis, dass „Anderes“ für diesen Menschen wichtiger zu sein schien. Ich habe keine Befugnis, in dieses „andere Wichtigsein“ einzubrechen, wenn ich diesen Menschen liebe.

Über Nacht hat es leicht geregnet. Ich hörte es, das leise Tropfen und Plätschern auf meiner Terrasse.

Der Schlaf ließ wieder einmal – wie so oft – zu lange auf sich warten.

Immer von neuem die Hand auf meine Brust legend, Schläge meines Herzens zählend. Je länger ich zählte, umso schneller wurden sie. Angst – immer wieder Angst!

Angst, regelrecht zu krepieren in diesem Alleinsein.

Ich versuche mir selber einzureden: Es passiert dir nichts, bleib ruhig, tief durchatmen.

Ich tappe im Dunkeln durch mein Wohnzimmer, reiße die Terrassentüre auf und ziehe gierig die frische Luft ein.

Die heftigen Pulsschläge drohen meinen Kopf zerspringen zu lassen.

Schweiß an meinen Handflächen und gleichzeitiges Frieren am ganzen Körper lassen mich zittern.

Mein Bemühen, ruhig zu atmen, ohne neuerliche Beruhigungstablette auszukommen, es funktioniert nicht.

Irgendwann muss ich dann wohl – vor lauter Erschöpfung - eingeschlafen sein.

Am Morgen hat es aufgehört zu regnen – die Tannenäste vor meinem Fenster glitzern mit den daran hängenden Regentropfen. Die Tropfen lösen sich – einer nach dem anderen fällt zur Erde. Sind es nun Perlen oder Tränen?

Ein Spinnennetz am äußersten Ende der Zweige. Trotz des filigranen Gewebes ein stabiles Gebilde.

Die Geduld einer kleinen Spinne ist bewundernswert. Sie zieht ihre Fäden in einer unbeschreiblichen Gleichförmigkeit, nach einem in ihr verinnerlichten Muster, für ihre kurze Zeit der Bleibe.

Sonnenstrahlen – zaghaft – lassen die Regentropfen wie Diamanten erscheinen. Was für ein Traum ist doch dieser Anblick, nicht zu vergleichen mit echten Steinen, die von Zauber und Reichtum zeugen sollen.

Es sind diese beglückenden Momente, die mich trotz allem fasziniert weiterleben lassen.

Weiterleben in diesem Dschungel der Gefühle – gefangen in mir.

Immer wieder anfangen zu zweifeln und mich zu ängstigen, aber die Sehnsucht und die Liebe sind beständig und bleiben.

Kann man überhaupt zu sehr lieben? Dieses Ausden-Augen-Verlieren, keine Selbstkontrolle mehr zu erleben, verbunden mit Schuldgefühlen, einem Menschen zu nahe zu kommen.

Ist diese tiefe Liebe dosierbar? Kann Liebe auch durch Sprache entstehen?

An guten Tagen denke ich, die von mir geliebte Person kann sich gegen diese Nähe wehren, kann das Gefühl des „Zunahekommens“ verbalisieren. Und doch schmerzen die tiefen Wunden und Verletzungen.

Dieses Nie-gelernt-Haben, mich zur Wehr zu setzen, konkrete Vorstellungen dem anderen zu vermitteln, mich stetig verunsichern zu lassen, mit den Gefühlen des Enttäuschtseins allein gelassen zu werden, all das ist für mich nicht begreifbar.

Aber sie sind da, diese Gefühle, ständig präsent und mein Dasein beherrschend.

Wie alt muss denn ein Mensch werden, wie viele Erfahrungen gesammelt haben, um dies alles zu begreifen und zu lernen, dementsprechend konsequent zu agieren?

Ein zarter, milder Wind kommt auf und doch ist es zu kühl, sich draußen in den Liegestuhl zu legen, obwohl ich todmüde bin und nur noch schlafen möchte.

Es ist leise draußen – nur meine Gedanken daran, was denn alles kommen soll, sind laut.

Intensiv spüre ich, dass ein Herz „brechen“ kann.