Der Mensch in der Revolte - Albert Camus - E-Book

Der Mensch in der Revolte E-Book

Albert Camus

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Beschreibung

«Unsere Verbrecher sind nicht mehr jene entwaffneten Kinder, die zur Entschuldigung die Liebe anriefen. Sie sind im Gegenteil erwachsen und haben ein unwiderlegbares Alibi, die Philosophie nämlich, die zu allem dienen kann, sogar dazu, die Mörder in Richter zu verwandeln.» Mit der hier vorliegenden Essaysammlung setzt Albert Camus die Tradition der französischen Moralisten fort. Das strenge und anspruchsvolle Werk ist eine Absage an die Auffassung, dass Geschichte ein sinnvoller Ablauf sei. Er versucht nachzuweisen, dass die politischen Ideen von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis heute Konstruktionen und Utopien waren, da sie das Absolute wollen, und deshalb notwendig ins Absurde, in Terror und legitimierten Mord einmünden mussten.

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Albert Camus

Der Mensch in der Revolte

Essays

Aus dem Französischen von Justus Streller, bearbeitet von Georges Schlocker unter Mitarbeit von François Bondy

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Zitat

Einleitung: Das Absurde und der Mord

Der Mensch in der Revolte

Die metaphysische Revolte

Die Söhne Kains

Die absolute Verneinung

Die Verwerfung des Heils

Die absolute Bejahung

Die Dichtung in der Revolte

Nihilismus und Geschichte

Die historische Revolte

Die Königsmörder

Die Gottesmörder

Der individuelle Terror

Der Terrorismus des Staates und der irrationale Terror

Der Terrorismus des Staates und der rationale Terror

Revolte und Revolution

Revolte und Kunst

Das mittelmeerische Denken

Revolte und Mord

Maß und Maßlosigkeit

Jenseits des Nihilismus

Für Jean Grenier

… und offen gab

Mein Herz, wie du, der ernsten Erde sich,

Der leidenden, und oft in heilger Nacht

Gelobt ichs dir, bis in den Tod

Die Schicksalvolle furchtlos treu zu lieben

Und ihrer Rätsel keines zu verschmähn.

So knüpft ich meinen Todesbund mit ihr.

Hölderlin, ‹Der Tod des Empedokles›

EinleitungDas Absurde und der Mord

Es gibt Verbrechen aus Leidenschaft und Verbrechen aus Überlegung. Die Grenze, die sie scheidet, ist unbestimmt. Aber das Strafgesetzbuch unterscheidet sie recht bequem mittels des Vorsatzes. Wir leben im Zeitalter des Vorsatzes und des vollkommenen Verbrechens. Unsere Verbrecher sind nicht mehr jene entwaffneten Kinder, die zur Entschuldigung die Liebe anriefen. Sie sind im Gegenteil erwachsen und haben ein unwiderlegbares Alibi, die Philosophie nämlich, die zu allem dienen kann, sogar dazu, die Mörder in Richter zu verwandeln.

Heathcliff in ‹Sturmhöhe›1 würde die ganze Welt umbringen, um in den Besitz Cathies zu gelangen, aber er würde nicht daran denken zu behaupten, dass dieser Mord vernünftig oder durch ein philosophisches System gerechtfertigt sei. Er würde ihn vollbringen, darüber hinaus geht seine Überzeugung nicht. Das setzt die Kraft der Liebe und Charakter voraus. Da die Kraft der Liebe selten ist, bleibt der Mord aus Liebe eine Ausnahme und bewahrt jedes Mal die Gestalt eines Einbruchs in die Ordnung. Sobald man aber, mangels Charakters, nach einer Doktrin rennt, sobald das Verbrechen anfängt, seine Gründe in der Vernunft zu suchen, wuchert es wie die Vernunft selber und nimmt alle Formen logischer Denkschlüsse an. Es war einsam wie der Schrei, jetzt ist es allgemein wie die Wissenschaft. Gestern gerichtet, erlässt es heute Gesetze.

Man wird sich hier nicht darüber entrüsten. Es ist das Anliegen dieses Essays, einmal mehr die Realität von heute: das Verbrechen aus logischer Überlegung anzuerkennen und seine Rechtfertigungen zu prüfen; dies ist ein Versuch, meine Zeit zu verstehen. Man wird vielleicht der Meinung sein, dass eine Epoche, die in fünfzig Jahren siebzig Millionen Menschen entwurzelt, versklavt oder tötet, zuvörderst abgeurteilt werden muss. Freilich muss ihre Schuld verstanden werden. In jenen naiven Zeiten, da der Tyrann um seines größeren Ruhmes willen Städte dem Erdboden gleichmachte, da der an den Wagen des Siegers gekettete Sklave durch feiernde Städte zur Schmach defilierte, da der Feind vor versammeltem Volk den Raubtieren vorgeworfen wurde – angesichts so harmloser Verbrechen konnte das Gewissen fest und das Urteil klar sein. Aber die Sklavenpferche unter dem Banner der Freiheit, die Massenmorde, gerechtfertigt durch Menschenliebe oder den Hang zum Übermenschen, stürzen in gewissem Sinne das Urteil um.

Am Tage, an dem das Verbrechen sich mit den Hüllen der Unschuld schmückt, wird – durch eine seltsame, unserer Zeit eigentümliche Verdrehung – von der Unschuld verlangt, sich zu rechtfertigen. Es ist der Ehrgeiz dieses Essays, diese befremdliche Herausforderung anzunehmen und zu untersuchen.

Es geht darum zu wissen, ob die Unschuld, sobald sie zu handeln beginnt, sich vom Töten nicht abhalten kann. Wir können nur in dem Augenblick handeln, der uns gehört, unter den Menschen, die uns umgeben. Wir wissen nichts, solange wir nicht wissen, ob wir das Recht haben, den andern vor uns zu töten oder zuzustimmen, dass er getötet werde. Da jede Handlung heute direkt oder indirekt in einen Mord einmündet, können wir nicht handeln, bevor wir nicht wissen, ob und warum wir töten sollen.

Wichtig ist zunächst nicht, zu den Wurzeln der Dinge hinabzusteigen, sondern zu wissen, wie man sich in der Welt, wie sie nun einmal ist, verhalten soll. In der Zeit des Neinsagens konnte es nützlich sein, das Problem des Selbstmordes zu erörtern. In der Zeit der Ideologien muss man sich mit dem Mord auseinandersetzen. Wenn der Mord Vernunftgründe hat, leben unsere Zeit und wir selbst in ihrer Konsequenz. Wenn er keine hat, leben wir im Irrsinn, und es gibt keinen andern Ausweg, als daraus einen neuen Schluss zu ziehen oder sich abzuwenden. In jedem Fall kommt es uns zu, klar die Frage zu beantworten, die uns im Blut und Getöse des Jahrhunderts gestellt wird. Denn das ist jetzt unsere Frage. Vor dreißig Jahren, bevor man sich entschlossen hatte zu töten, hatte man viel verneint, um sich schließlich selbst durch den Selbstmord zu verneinen. Gott betrügt, alle Welt, ich eingeschlossen, betrügt ihn, folglich sterbe ich: Der Selbstmord war die ganze Frage. Die Ideologie verneint nur noch die andern, die einzigen Betrüger. Von dem Moment an tötet man. Jeden Morgen schleichen sich herausgeputzte Mörder in eine Zelle: Der Mord ist das große Problem.

Die beiden Gedanken halten sich gegenseitig. Oder vielmehr, sie halten uns, und so fest umspannt, dass wir unsere Probleme nicht mehr selbst wählen können. Die Probleme wählen uns, eins nach dem andern. Willigen wir ein, gewählt zu werden. Dieser Essay stellt sich die Aufgabe, angesichts des Mordes und des Protestes eine Überlegung, ausgehend vom Selbstmord und dem Begriff des Absurden, weiterzuführen.

Aber diese Überlegung liefert uns im Augenblick nur einen einzigen Begriff, den des Absurden. Und dieser bringt, was das Problem des Mordes betrifft, nur einen Widerspruch mit sich. Wenn man aus dem Gefühl des Absurden zunächst eine Regel für das Handeln abzuleiten beabsichtigt, macht es den Mord zum mindesten indifferent und infolgedessen möglich. Wenn man an nichts glaubt, wenn nichts einen Sinn hat und wenn wir keinen Wert bejahen können, ist alles möglich und nichts von Wichtigkeit. Ohne Für und Wider hat der Mörder weder unrecht noch recht. Man kann die Verbrennungsöfen schüren, so wie man sich der Pflege Leprakranker widmet. Bosheit und Tugend sind Zufall oder Laune.

Man beschließt also, gar nicht zu handeln, was zum mindesten darauf hinausläuft, den Mord des andern hinzunehmen, wenn auch nicht auf die wohllautende Klage über die Unvollkommenheit des Menschen zu verzichten. Oder man denkt sich aus, die Tat durch den tragischen Dilettantismus zu ersetzen, in diesem Fall wird das Leben zum Einsatz eines Spieles. Schließlich kann man sich vornehmen, eine Tat zu tun, die nicht grund- und zwecklos ist. Dabei wird man sich – mangels eines höheren, die Handlung leitenden Wertes – in der Richtung der unmittelbaren Wirksamkeit bewegen. Da nichts wahr oder falsch, gut oder böse ist, bestünde die Regel darin, sich als der Wirksamste, d.h. der Stärkste zu erweisen. Die Welt wäre dann nicht mehr in Gerechte und Ungerechte geteilt, sondern in Herren und Knechte. Wohin man auch blickt, hat der Mord im Herzen der Verneinung und des Nihilismus einen Vorzugsplatz.

Wenn wir also danach streben, uns in der absurden Haltung einzurichten, müssen wir uns darauf vorbereiten zu töten, indem wir so der Logik den Vortritt lassen vor Bedenken, die wir für gegenstandslos halten. Sicher bedarf es dazu einiger Anlage. Aber nach der Erfahrung zu urteilen, im Ganzen weniger, als man glaubt. Übrigens ist es, wie man es gewöhnlich sieht, immer möglich, töten zu lassen. Alles wäre also im Sinne der Logik geregelt, wenn die Logik dabei wirklich auf ihre Kosten käme.

Aber die Logik kann nicht auf ihre Kosten kommen bei einer Handlung, die es ihr deutlich macht, dass der Mord abwechselnd möglich und unmöglich ist. Denn nachdem sie den Akt des Tötens zum mindesten als indifferent hingestellt hat, verurteilt die absurde Analyse ihn am Schluss in ihrer wichtigsten Konsequenz. Der letzte Schluss der absurden Argumentation ist in der Tat die Verwerfung des Selbstmordes und die Erhaltung jener hoffnungslosen Kluft zwischen der Frage des Menschen und dem Schweigen der Welt.2 Der Selbstmord käme der Schließung dieser Kluft gleich, und die absurde Überlegung ist der Ansicht, dem nur zustimmen zu können, wenn sie ihre eigenen Prämissen verleugnet. Eine solche Schlussfolgerung wäre, von ihr aus gesehen, Flucht oder Selbstbefreiung. Aber es ist klar, dass im gleichen Zug diese Überlegung das Leben als das einzig notwendige Gut anerkennt, weil gerade es diese Kluft erzeugt, andernfalls der Spieleinsatz des Absurden keine Deckung hätte. Um sagen zu können, dass das Leben absurd ist, muss das Bewusstsein Leben haben. Wie, ohne erhebliche Konzession an den Hang zum Komfort, den Gewinn solcher Überlegung ausschließlich für sich behalten? Vom Augenblick an, da dieses Gut als solches anerkannt ist, gehört es allen. Man kann nicht dem Mord eine Logik zugestehen, wenn man sie dem Selbstmord verweigert. Ein Geist, der von der Idee des Absurden durchdrungen, lässt zweifelsohne den Mord aus Schicksalsbestimmung gelten, doch nicht den überlegten Mord. Angesichts der Kluft sind Mord und Selbstmord ein und dasselbe, beide muss man zusammen bejahen oder verwerfen.

So führt denn der absolute Nihilismus, der den Selbstmord zu legitimieren bereit ist, noch leichter zum Mord aus Überlegung. Wenn unsere Zeit leichtweg die Rechtfertigungen des Mords annimmt, so aus dem Grund jener Indifferenz dem Leben gegenüber, die das Kennzeichen des Nihilismus ist. Es gab zweifellos Epochen, da die Leidenschaft zu leben so stark war, dass auch sie in verbrecherische Exzesse ausartete. Aber diese Exzesse waren wie Brandwunden einer schrecklichen Sinnenlust. Sie waren nicht diese monotone Ordensregel, von einer dürftigen Logik aufgestellt, in deren Augen alles gleichförmig wird. Diese Logik hat die Werte des Selbstmords, mit denen sich unsere Zeit genährt, bis zur letzten Konsequenz getrieben: der Legitimierung des Mordes. Gleichzeitig gipfelt sie im kollektiven Selbstmord. Den schlagendsten Beweis lieferte Hitlers Apokalypse 1945.Sich selbst zu vernichten war nichts für die Verrückten, die in Erdlöchern sich einen Tod wie eine Apotheose zurechtmachten. Die Hauptsache war, sich nicht allein zu vernichten, sondern eine ganze Welt mit sich ins Verderben zu ziehen. In gewisser Weise bewahrt der Mensch, der sich in der Einsamkeit umbringt, noch einen Wert, denn scheinbar maßt er sich kein Recht über das Leben anderer an. Zum Beweis dafür gebraucht er nie, um den andern zu beherrschen, die schreckliche Macht und die Freiheit, welche sein Entschluss zu sterben ihm gibt. Jeder einsame Selbstmord, erfolgt er nicht aus Ressentiment, ist in gewisser Hinsicht hochherzig oder verachtungsvoll. Doch man verachtet im Namen von etwas. Wenn die Welt dem Selbstmord gegenüber gleichgültig ist, so weil sie eine Ahnung davon hat, was ihr nicht gleichgültig ist oder sein könnte. Man glaubt, mit sich alles zu zerstören oder fortzunehmen, aber selbst dieser Tod gebiert einen Wert, der vielleicht zu leben gelohnt hätte. Die absolute Verneinung ist also nicht ausgeschöpft durch den Selbstmord. Sie kann es nur sein durch die absolute Vernichtung unserer selbst und der andern. Man kann sie nicht leben, oder zum mindesten nur dann, wenn man dieser angenehmen Grenze zustrebt. Selbstmord und Mord sind hier zwei Seiten eines gleichen Ordens, desjenigen einer unglücklichen Intelligenz, die dem Leiden an einem beschränkten Lebensstand die schwarze Schwärmerei vorzieht, in der Himmel und Erde zugrunde gehen.

Wenn man dem Selbstmord seine Gründe abspricht, ist es gleicherweise unmöglich, dem Mord solche zuzusprechen. Es gibt keinen halben Nihilisten. Die absurde Überlegung kann nicht das Leben dessen bewahren, der spricht, und zugleich die Opferung der andern dulden. Vom Augenblick an, da man die Unmöglichkeit der absoluten Verneinung anerkennt, und Leben auf irgendeine Weise kommt dieser Anerkennung gleich, ist das Erste, was sich nicht leugnen lässt, das Leben des andern. So raubt der gleiche Begriff, der uns glauben ließ, der Mord sei gleichgültig, ihm seine Rechtfertigungen; wir fallen in die Illegitimität zurück, aus der wir uns zu befreien suchten. Praktisch überzeugt uns dieser Gedanke zu gleicher Zeit, dass man töten kann und dass man es nicht kann. Er lässt uns im Widerspruch zurück, ohne etwas, das den Mord verhindern oder legitimieren könnte, uns, die Bedrohenden und Bedrohten, preisgegeben einer Epoche voll nihilistischen Fiebers und dennoch voller Einsamkeit bewaffnet und dennoch beklommen.

Aber dieser wesentliche Widerspruch kann nicht verfehlen, sich mit einem Haufen anderer einzustellen, sobald man danach trachtet, im Absurden zu verharren, damit dessen wahren Charakter verkennend, der nichts anderes ist als ein gelebter Durchgang, ein Ausgangspunkt, die Entsprechung, auf dem Feld der Existenz, von Descartes’ methodischem Zweifel. Das Absurde in sich selbst ist Widerspruch.

Es ist ein Widerspruch seinem Inhalt nach, denn es schließt die Werturteile aus und will dennoch das Leben aufrechterhalten, wo doch Leben an sich schon ein Werturteil ist. Atmen heißt urteilen. Es ist vielleicht falsch zu sagen, das Leben sei eine unaufhörliche Wahl. Aber es ist richtig, dass man sich kein Leben vorstellen kann, das jeglicher Wahl beraubt ist. Von diesem einfachen Gesichtspunkt aus erscheint der absurde Standpunkt beim Handeln unvorstellbar. Er ist unvorstellbar auch in seinem Ausdruck. Jede Philosophie der Nicht-Bedeutung ruht auf dem Widerspruch gerade der Tatsache, die sie ausspricht. Sie verleiht damit ein Minimum von Zusammenhang dem Unzusammenhängenden, sie bringt Konsequenz in das, was, ihrer Überzeugung gemäß, keine hat. Reden renkt wieder ein. Die einzige widerspruchslose Haltung, gründend auf der Bedeutungsleugnung, wäre das Schweigen, wenn es nicht seinerseits etwas bedeutete. Die vollkommene Absurdheit versucht stumm zu sein. Wenn sie spricht, so deshalb, weil sie sich darin gefällt oder, wie wir sehen werden, weil sie sich für provisorisch hält. Diese Selbstachtung, diese Selbstgefälligkeit erhellt die tiefe Doppeldeutigkeit des absurden Standpunkts. In gewisser Weise lässt das Absurde den Menschen, den es in seiner Einsamkeit auszudrücken strebte, vor einem Spiegel leben. Die ursprüngliche Zerrissenheit läuft dann Gefahr, komfortabel zu werden. Die Wunde, die man so angelegentlich kratzt, wird schließlich lustvoll.

Die großen Abenteurer des Absurden haben uns nicht gefehlt. Doch ermisst sich ihre Größe letztlich daran, dass sie die Selbstgefälligkeiten des Absurden zurückgewiesen haben, um allein dessen Forderungen zurückzubehalten. «Diejenigen sind meine Feinde», sagt Nietzsche, «die umstoßen und sich nicht selbst erschaffen wollen.» Er stürzt um, aber um etwas zu schaffen zu versuchen. Und er preist die Redlichkeit, indem er die ‹schweineschnäuzigen› Genießer geißelt. Um der Selbstgefälligkeit zu entgehen, findet das absurde Denken nun den Verzicht. Es verwirft die Selbstverzettelung und geht in eine willkürliche Selbstentblößung über, ein vorausbeschlossenes Schweigen, die befremdliche Askese der Revolte. Rimbaud, der ‹das hübsche Verbrechen, plärrend im Straßenschmutz› besingt, fährt nach Harrar, um sich bloß darüber zu beklagen, dass er dort ohne Familie lebt. Das Leben war für ihn ‹eine Farce von allen zu spielen›. Aber in seiner Sterbestunde, da schrie er seiner Schwester zu: «Ich werde unter die Erde sinken, und du, du wirst in der Sonne gehen.»

Das Absurde, als Lebensregel betrachtet, ist demnach widersprüchlich. Wen verwundert es, dass es uns die Werte nicht beibringt, die für uns über die Legitimität des Mordes entscheiden? Es ist im Übrigen nicht möglich, eine Haltung auf einer privilegierten Gefühlsbewegung zu begründen. Das Gefühl des Absurden ist ein Gefühl unter anderen. Dass es seine Farbe so vielen Gedanken und Handlungen zwischen den beiden Kriegen beigemischt hat, beweist nur seine Stärke und seine Berechtigung. Aber aus der Intensität eines Gefühls geht nicht sein universaler Charakter hervor. Der Irrtum einer ganzen Epoche war es, von einem Gefühl der Verzweiflung ausgehend, allgemeingültige Regeln des Handelns zu verkünden oder für verkündet zu halten, während die eigentümliche Bewegung dieses Gefühls darin besteht, über sich hinauszuführen. Großes Leid wie großes Glück kann am Anfang eines Gedankens stehen. Es sind Fürsprecher. Aber man kann sie nicht finden und behalten während der ganzen Dauer dieser Gedanken. Wenn es also gerechtfertigt war, die absurde Sensibilität zu berücksichtigen, die Diagnose eines Übels aufzustellen, wie man es in sich und bei den andern findet, so ist es unmöglich, in dieser Sensibilität und im Nihilismus, den sie voraussetzt, etwas anderes als einen Ausgangspunkt zu sehen, eine gelebte Kritik, die Entsprechung, auf dem Feld der Existenz, des systematischen Zweifels. Darauf muss man die starren Augen des Spiegels eindrücken und sich der unwiderstehlichen Bewegung überlassen, durch die das Absurde über sich hinauseilt.

Ist der Spiegel eingedrückt, so bleibt nichts, was uns als Antwort dienen könnte auf die Fragen des Jahrhunderts. Das Absurde hat, wie der methodische Zweifel, Tabula rasa gemacht. Es lässt uns in der Sackgasse zurück. Doch wie der Zweifel kann es, indem es zu sich zurückkehrt, einer neuen Forschung die Richtung weisen. Die Überlegung setzt sich dann in der gleichen Weise fort. Ich rufe, dass ich an nichts glaube und dass alles absurd ist, aber ich kann an meinem Ausruf nicht zweifeln, und zum mindesten muss ich an meinen Protest glauben. Die erste und einzige Gewissheit, die mir so im Innern der absurden Erfahrung gegeben ist, ist die Revolte. Bar alles sicheren Wissens, gedrängt, zu töten oder einem Totschlag beizustimmen, besitze ich nur diese Gewissheit, die sich noch verstärkt durch die Zerrissenheit, in der ich lebe. Die Revolte keimt auf beim Anblick der Unvernunft, vor einem ungerechten und unverständlichen Leben. Aber ihre blinde Wucht fordert die Ordnung inmitten des Chaos und die Einheit inmitten dessen, was flieht und verschwindet. Sie schreit, sie fordert, sie verlangt, dass der Skandal aufhöre und dass zu fester Form zusammentrete, was bisher ohne Unterlass ins Wasser geschrieben wurde. Ihr Ziel ist, umzuformen. Doch umformen heißt handeln, und handeln heißt morgen töten, während man doch nicht weiß, ob der Mord gestattet ist. Sie erzeugt gerade die Handlungen, die zu legitimieren man von ihr verlangt. So muss die Revolte ihre Gründe in sich selbst finden, da sie sie nirgendwo anders finden kann. Sie muss einer Selbstuntersuchung zustimmen, um zu lernen, wie ihren Weg zu gehen.

Zwei Jahrhunderte metaphysischer oder historischer Revolte laden gerade zum Nachdenken ein. Nur ein Historiker könnte den Anspruch erheben, in allen Einzelheiten die Doktrinen und Bewegungen darzustellen, die sich in dieser Zeit ablösten. Doch sollte es wenigstens möglich sein, einen durchgehenden Faden darin zu finden. Die folgenden Seiten stellen bloß einige historische Anhaltspunkte auf und eine Deutung der Quellen. Diese Deutung ist nicht die einzig mögliche; sie ist im Übrigen weit davon entfernt, alles zu erhellen. Aber sie erklärt teilweise die Laufrichtung und fast ganz die Maßlosigkeit unserer Zeit. Die außergewöhnliche Geschichte, die hier heraufbeschworen wird, ist die Geschichte von Europas Hochmut.

Die Revolte kann uns auf jeden Fall ihre Gründe erst am Ende einer Untersuchung ihrer Haltungen, Ansprüche und Gewinne aufdecken. In ihren Werken findet sich vielleicht die Regel des Handelns, die das Absurde uns nicht geben konnte, ein Hinweis wenigstens auf das Recht oder die Pflicht des Tötens, schließlich die Hoffnung auf eine Neuschöpfung. Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das sich weigert zu sein, was es ist. Die Frage ist, ob diese Weigerung ihn nur zur Vernichtung der andern und seiner selbst führen kann, ob jede Revolte mit der Rechtfertigung des allgemeinen Totschlags enden muss, oder ob sie im Gegenteil, ohne Anspruch auf eine unmögliche Schuldlosigkeit, das Prinzip einer angemessenen Schuld entdecken kann.

Der Mensch in der Revolte

Was ist ein Mensch in der Revolte? Ein Mensch, der nein sagt. Aber wenn er ablehnt, verzichtet er doch nicht, er ist auch ein Mensch, der ja sagt aus erster Regung heraus. Ein Sklave, der sein Leben lang Befehle erhielt, findet plötzlich einen neuen unerträglich. Was ist der Inhalt dieses ‹Nein›? Es bedeutet zum Beispiel: ‹das dauert schon zu lange›, ‹bis hierher und nicht weiter›, ‹sie gehen zu weit› und auch ‹es gibt eine Grenze, die sie nicht überschreiten werden›. Im Ganzen erhärtet dieses ‹Nein› das Bestehen einer Grenze. Dieselbe Vorstellung einer Grenze findet man in dem Gefühl des Revoltierenden, dass der andere ‹übertreibe›, dass er sein Recht über eine Grenze erstrecke, jenseits welcher ein anderes Recht ihm entgegentritt und es beschränkt. So ruht die Bewegung der Revolte zu gleicher Zeit auf der kategorischen Zurückweisung eines unerträglich empfundenen Eindringens wie auf der dunklen Gewissheit eines guten Rechts, oder genauer auf dem Eindruck des Revoltierenden, ‹ein Recht zu haben auf…› Die Revolte kommt nicht zustande ohne das Gefühl, irgendwo und auf irgendeine Art selbst recht zu haben. Insofern sagt der Sklave im Aufstand zugleich ja und nein. Er bestätigt gleichzeitig mit der Grenze alles, was er jenseits von ihr vermutet und schützen will. Er demonstriert hartnäckig, dass es in ihm etwas gibt, das ‹die Mühe lohnt›, das beachtet zu werden verlangt. In gewisser Weise stellt er der Ordnung, die ihn bedrückt, eine Art Recht entgegen, nicht bedrückt zu werden über das hinaus, was er zulassen kann.

Gleichzeitig mit dem Widerwillen gegen den Eindringling enthält jede Revolte eine völlige und unmittelbare Zustimmung des Menschen zu einem Teil seiner selbst. Er lässt also unausgesprochen ein Werturteil einfließen, und so wenig unverpflichtend, dass er mitten in der Gefahr an ihm festhält. Bisher schwieg er zum mindesten, jener Verzweiflung hingegeben, in welcher eine Lebensbedingung, selbst wenn man sie für ungerecht hält, hingenommen wird. Schweigen heißt glauben machen, dass man über nichts urteilt und nichts begehrt, und in gewissen Fällen heißt es in der Tat nichts wünschen. Die Verzweiflung beurteilt und begehrt wie das Absurde alles im Allgemeinen und nichts im Besonderen. Das Schweigen drückt sie gut aus. Doch vom Augenblick an, wo sie spricht, sei es auch verneinend, begehrt und beurteilt sie. Wer revoltiert, im etymologischen Wortsinn, macht kehrt. Er schritt unter der Peitsche des Herrn. Nun bietet er ihm die Stirn. Er stellt das Vorzuziehende dem Nichtvorzuziehenden gegenüber. Nicht jeder Wert löst die Revolte aus, doch jede revoltierende Bewegung ruft stillschweigend einen Wert an. Handelt es sich zum mindesten um einen Wert?

Eine Bewusstwerdung, sei sie noch so unbestimmt, wächst aus der Bewegung der Revolte: die plötzlich durchbrechende Erkenntnis, dass im Menschen etwas ist, womit der Mensch sich identifizieren kann, sei es nur eine Zeitlang. Diese Identifizierung wurde bis jetzt nicht wirklich gefühlt. Alle Erpressungen vor der Aufstandsbewegung hat der Sklave geduldet. Oft hatte er, ohne zu reagieren, empörendere Befehle erhalten als denjenigen, der seine Weigerung auslöste. Er nahm sie mit Geduld auf, sträubte sich vielleicht im Innern gegen sie, aber, da er schwieg, mehr um sein unmittelbares Interesse bekümmert als seines Rechtes schon bewusst. Mit dem Verlust der Geduld, mit der Ungeduld, beginnt im Gegenteil eine Bewegung, die sich auf alles erstrecken kann, was vorher hingenommen wurde. Dieser Aufschwung ist fast immer rückwirkend. Im Augenblick, da er den demütigenden Befehl seines Oberen zurückweist, weist der Sklave auch sein Sklavendasein zurück. Die Bewegung der Revolte trägt ihn über den Punkt seiner einfachen Weigerung hinaus. Er überschreitet sogar die Grenze, die er seinem Gegner gezogen, indem er jetzt als Ebenbürtiger behandelt zu werden verlangt. Was zuerst ein unbeugsamer Widerstand des Menschen war, wird nun der ganze Mensch, der sich mit ihm identifiziert und sich darin erfüllt. Diesen Teil seiner selbst, dem er Respekt verschaffen wollte, stellt er nun über den Rest und verkündet laut, ihn allem, selbst dem Leben, vorzuziehen. Er wird für ihn das höchste Gut. Verharrte er zuvor in einem Kompromiss, so wirft sich der Sklave mit einem Schlag jetzt (‹da es ja so ist…›) an das Alles oder Nichts. Das Bewusstsein tritt zusammen mit der Revolte an den Tag.

Aber man sieht, es ist das Bewusstsein eines noch ziemlich dunklen ‹Alles› und zu gleicher Zeit eines ‹Nichts›, das die Möglichkeit anzeigt, den Menschen diesem ‹Alles› zu opfern. Der Revoltierende will alles sein, sich völlig mit diesem Gut identifizieren, dessen er plötzlich bewusst wurde und von dem er verlangt, dass es in seiner Person anerkannt und begrüßt werde – oder nichts, das heißt, er will sich endgültig herabgedrückt sehen von der Gewalt, die ihn beherrscht. Äußerstenfalls nimmt er den letzten Verfall hin: den Tod, wenn man ihm jene ausschließliche Anerkennung rauben sollte, die er nun zum Beispiel seine Freiheit nennt. Lieber aufrecht sterben als auf den Knien leben.

Der Wert stellt, laut angesehenen Autoren, ‹meist einen Übergang von der Tatsache zum Recht, vom Begehrten zum Begehrenswerten (im Allgemeinen durch Vermittlung des gemeinhin Begehrten) dar›3. Der Übergang zum Recht, haben wir gesehen, ist offenkundig. Ebenso der Übergang vom ‹so müsste es sein› zum ‹ich will, dass es so sei›. Aber vielleicht noch mehr der Begriff einer Übersteigerung des Einzelnen in einem fortan gemeinsamen Gut. Das Alles oder Nichts zeigt, dass die Revolte, entgegen der landläufigen Meinung und ungeachtet ihres Ursprungs im Allerindividuellsten des Menschen, den Begriff selbst des Individuums in Frage stellt. Wenn das Individuum tatsächlich im Lauf der Revolte den Tod auf sich nimmt (und bei der Gelegenheit stirbt), so zeigt es dadurch, dass es sich opfert zugunsten eines Gutes, von dem es glaubt, dass es über sein eigenes Geschick hinausreicht. Wenn es die Aussicht auf den Tod der Abstreitung dieses Rechtes, das es verteidigt, vorzieht, heißt das, dass es das Letztere über sich selbst stellt. Es handelt also im Namen eines noch ungeklärten Wertes, von dem es jedoch zum mindesten fühlt, dass er ihm und allen anderen Menschen gemeinsam ist. Man sieht, dass die jedem Aufstand innewohnende Bejahung sich auf das erstreckt, was den Einzelnen insofern übersteigt, als es ihn aus seiner angeblichen Einsamkeit zieht und ihm einen Grund zum Handeln gibt. Doch ist es wichtig, jetzt schon zu bemerken, dass dieser Wert, der vor jeder Handlung vorausbesteht, den rein historischen Philosophien widerspricht, nach welchen ein Wert (wenn er sich überhaupt gewinnen lässt) erst am Ende einer Handlung gewonnen wird. Die Analyse der Revolte führt mindestens zum Verdacht, dass es, wie die Griechen dachten, im Gegensatz zu den Postulaten des heutigen Denkens eine menschliche Natur gibt. Weshalb revoltieren, wenn es nicht an sich etwas Dauerndes zu bewahren gibt. Für jegliche Existenz erhebt sich der Sklave, wenn er urteilt, dass durch einen bestimmten Befehl ihm etwas abgesprochen ist, was ihm nicht allein gehört, sondern allen Menschen gemein ist, in dem allen Menschen, auch seinen Unterdrückern und Beleidigern, eine Gemeinschaft bereitet ist4.

Zwei Beobachtungen stützen diesen Gedanken. Zunächst wird man festhalten, dass die Bewegung der Revolte ihrem Wesen nach nicht egoistisch ist. Sie kann ohne Zweifel eine egoistische Voraussetzung haben. Aber man wird sich ebenso gegen die Lüge auflehnen wie gegen die Unterdrückung. Außerdem hält der Revoltierende, ausgehend von dieser Voraussetzung und im Schwung aus aller seiner Tiefe, nichts für sich zurück, da er ja alles aufs Spiel setzt. Er fordert zweifellos für sich den Respekt, aber in dem Maß, in dem er sich mit einer natürlichen Gemeinschaft identifiziert.

Achten wir darauf, dass die Revolte nicht allein und notwendigerweise im Unterdrückten ausbricht, sondern dass sie beim bloßen Anblick der Unterdrückung eines andern ausbrechen kann. In diesem Fall kommt es also zur Identifikation mit dem andern. Und man muss betonen, dass es sich nicht um eine psychologische Identifizierung handelt, diesen Trick, mittels dessen der Einzelne in seiner Einbildung fühlte, dass die Beleidigung auf ihn zielt. Im Gegenteil kann es vorkommen, dass man es nicht erträgt, andern Beleidigungen zugefügt zu sehen, die man selbst ohne jede Empörung erduldet hat. Die Selbstmorde unter den russischen Terroristen in den Strafkolonien zum Protest gegen die Auspeitschung von Kameraden bezeugen diese große Bewegung. Es handelt sich auch nicht um das Gefühl einer Interessengemeinschaft. Denn wir können die Ungerechtigkeit empörend finden, die man Menschen zufügt, welche wir als Gegner betrachten. Es gibt nur Identifikation mit dem Schicksal und Parteiergreifung. Das Individuum stellt demnach nicht an sich den Wert dar, den es verteidigen will. Um ihn zu bilden, bedarf es mindestens aller Menschen. In der Revolte übersteigert sich der Mensch im andern, von diesem Gesichtspunkt aus ist die menschliche Solidarität eine metaphysische. Nur handelt es sich im Augenblick um jene Art von Solidarität, die in Ketten erwacht.

Man kann die positive Seite des jeder Revolte zugeschriebenen Wertes noch schärfer beleuchten, wenn man sie mit einem durchaus negativen Begriff vergleicht wie demjenigen des Ressentiments nach Schelers Definition5. In der Tat ist die Revolte mehr als ein Akt der Forderung im stärksten Sinn des Wortes. Das Ressentiment ist von Scheler sehr gut als eine Selbstvergiftung definiert worden, die unheilvolle, abflusslose Absonderung einer fortgesetzten Ohnmacht. Die Revolte hingegen zerbricht das Sein und hilft ihm überzufließen. Sie setzt aus stehenden Wassern wilde Fluten frei. Scheler betont selbst den passiven Aspekt des Ressentiments, wenn er beobachtet, welch großen Platz es in der Psychologie der Frau einnimmt, die zur Begierde und zum Besitz bestimmt ist. Am Ursprung der Revolte steht hingegen ein Prinzip überschäumender Aktivität und Energie. Mit Recht sagt Scheler auch, dass der Neid das Ressentiment stark färbt. Allein, man beneidet, was man nicht hat, während der Revoltierende verteidigt, was er ist. Er fordert nicht nur ein Gut, das er nicht besitzt und um das man ihn geprellt hätte. Er strebt danach, dass man das anerkenne, was er besitzt, und das er in fast allen Fällen als wichtiger anerkannt hat denn alles, was er neiden könnte. Die Revolte ist nicht realistisch. Immer laut Scheler wächst das Ressentiment, je nachdem, ob es in einer starken oder schwachen Seele groß wird, zu Strebertum oder Verbitterung aus. Aber in beiden Fällen will man anders sein, als man ist. Das Ressentiment ist immer Ressentiment gegen sich selbst. Der Revoltierende verwehrt dagegen in seiner ersten Regung, dass man an das rührt, was er ist. Er kämpft für die Unversehrtheit eines Teils seines Wesens. Er sucht zuvörderst nicht, etwas zu erobern, sondern etwas durchzusetzen.

Es scheint schließlich, dass das Ressentiment sich im Voraus an einem Schmerz weidet, den es empfunden sehen will vom Gegenstand seines Grolls. Nietzsche und Scheler haben recht, ein schönes Beispiel dieser Fühlart in dem Abschnitt Tertullians zu sehen, wo er seinen Lesern mitteilt, dass die größte Quelle der Glückseligkeit für die Seligen im Himmel das Schauspiel der römischen Kaiser, in der Hölle bratend, sein werde. Die gleiche Seligkeit erfüllte die braven Leute, welche einer Hinrichtung beiwohnten. Die Revolte hingegen beschränkt sich in ihrem Prinzip darauf, die Demütigung zurückzuweisen, ohne sie jedoch für den andern zu verlangen. Sie nimmt selbst den Schmerz auf sich, wenn nur ihre Unversehrtheit respektiert bleibt.

Man versteht deshalb nicht, wieso Scheler den Geist der Revolte mit dem Ressentiment vollständig identifiziert. Seine Kritik des Ressentiments im Humanitarismus (von dem er spricht als der nichtchristlichen Form der Menschenliebe) kann vielleicht auf gewisse verschwommene Formen des humanitären Idealismus oder auf die Technik des Terrors angewandt werden. Aber sie trifft daneben, was die Auflehnung des Menschen gegen seine Lebensbedingungen betrifft, die Bewegung, welche das Individuum zur Verteidigung einer allen Menschen gemeinsamen Würde antreten lässt. Scheler will darlegen, dass der Humanitarismus vom Hass auf die Welt begleitet wird. Man liebt die Menschheit im Allgemeinen, um nicht die Menschen im Einzelnen lieben zu müssen. Das trifft für einige Fälle zu, und man versteht Scheler eher, wenn man sieht, dass der Humanitarismus sich für ihn in Bentham und Rousseau verkörpert. Aber die Leidenschaft des Menschen für den Menschen kann anderswo ihren Ursprung haben als in einer mathematischen Interessenrechnung oder in einem, übrigens theoretischen, Vertrauen in die menschliche Natur. Den Utilitaristen und dem Erzieher Emiles tritt jene Logik entgegen, die Dostojewski in Iwan Karamasow verkörpert hat und die von der Bewegung der Revolte bis zum metaphysischen Aufstand geht. Scheler, der das weiß, fasst diese Auffassung so zusammen: «Es gibt auf der Welt zu wenig Liebe, als dass man sie für etwas anderes als den Menschen verschwendet.» Selbst wenn dieser Satz richtig ist, verdiente die abgründige Verzweiflung, die er voraussetzt, etwas anderes als Verachtung. In Wirklichkeit verkennt er die Zerrissenheit in Karamasows Revolte. Iwans Drama entsteht jedoch aus der Tatsache zu vieler Liebe ohne Gegenstand. Da diese Liebe keine Anwendung findet und Gott geleugnet wird, beschließt man, im Namen einer großherzigen Komplicenschaft sie auf den Menschen zu übertragen.

Im Übrigen erwählt man sich in der Revolte, wie wir sie bis dahin betrachtet haben, kein abstraktes Ideal aus Herzensarmut oder zum Ziele steriler Forderungen. Man fordert, dass allein in Anschlag komme, was im Menschen sich nicht auf Ideen abziehen lasse, jener großherzige Teil von ihm, der zu nichts anderem dienen kann als zum Dasein. Heißt das, dass keine Revolte von Ressentiment geladen sei? Nein, und das wissen wir zur Genüge im Jahrhundert der Rachsucht. Doch müssen wir diesen Begriff in seinem weitesten Verstand nehmen bei der Gefahr, ihn sonst zu verfälschen; so gesehen, flutet die Revolte auf allen Seiten über das Ressentiment. Wenn Heathcliff in ‹Sturmhöhe› seine Liebe Gott vorzieht und die Hölle verlangt, um mit der vereint zu sein, die er liebt, so spricht nicht nur seine gedemütigte Jugend, sondern die brennende Erfahrung eines ganzen Lebens aus seinen Worten. Dieselbe Bewegung lässt Meister Eckart in einem erstaunlichen Anfall von Ketzerei sagen, er ziehe die Hölle mit Jesus dem Himmel ohne ihn vor. Das ist genau die Bewegung der Liebe. Entgegen Scheler kann man nicht genug Gewicht legen auf die leidenschaftliche Bejahung, die in der Bewegung der Revolte mitläuft und sie vom Ressentiment unterscheidet. Scheinbar negativ, da sie nichts erschafft, ist die Revolte dennoch zutiefst positiv, da sie offenbart, was im Menschen allezeit zu verteidigen ist.

Aber ist, in letzter Linie, die Revolte und der Wert, den sie mit sich führt, nicht relativ? Zusammen mit den Epochen und den Kulturen scheinen in der Tat die Gründe, weshalb man revoltiert, zu wechseln. Es ist offensichtlich, dass ein indischer Paria, ein Krieger des Inka-Reichs, ein Primitiver aus Zentralafrika oder ein Mitglied der ersten christlichen Gemeinschaft nicht die gleiche Vorstellung von der Revolte hatten. Man könnte sogar mit größter Wahrscheinlichkeit die Behauptung aufstellen, dass der Begriff Revolte in diesen Fällen keinen Sinn hat. Aber ein griechischer Sklave, ein Leibeigener, ein Condottiere der Renaissance, ein Pariser Bürger zur Zeit der Régence, ein russischer Intellektueller um 1900 und ein Arbeiter unserer Tage würden, selbst wenn sie über die Gründe der Revolte uneins wären, ohne jeden Zweifel über ihre Berechtigung einer Meinung sein. Anders ausgedrückt scheint das Problem der Revolte einen genauen Sinn nur innerhalb des abendländischen Denkens zu haben. Man könnte zur Verdeutlichung noch mit Scheler bemerken, dass der Geist der Revolte sich nur schwer in einer Gesellschaft ausdrückt, deren Ungleichheiten sehr groß sind (Kastenherrschaft bei den Hindus) oder deren Gleichheit im Gegenteil vollkommen ist (gewisse primitive Gesellschaften). In der Gesellschaft ist der Geist der Revolte nur in den Gruppen möglich, wo eine theoretische Gleichheit große faktische Ungleichheiten verdeckt. Das Problem der Revolte hat demnach nur innerhalb unserer westlichen Gesellschaft einen Sinn. Man wäre also versucht zu sagen, es stehe im Zusammenhang mit der Entwicklung des Individualismus, wenn die vorhergehenden Bemerkungen uns vor dieser Schlussfolgerung nicht gewarnt hätten.

Was man auf der Ebene der offenbaren Tatsache Schelers Bemerkung entnehmen kann, ist, dass in unserer Gesellschaft die Theorie der politischen Freiheit im Menschen den Begriff des Menschen erhöht hat und die Anwendung ebendieser Freiheit in gleichem Maße eine Unbefriedigung auslöste. Die Freiheit hat nicht in gleichem Grade zugenommen wie das Bewusstsein, das der Mensch von ihr erlangt hat. Aus dieser Beobachtung kann man nur eines ableiten: Die Revolte ist die Tat des unterrichteten Menschen, der das Bewusstsein seiner Rechte besitzt. Aber nichts erlaubt uns zu sagen, es handle sich nur um die Rechte des Individuums. Im Gegenteil scheint es, als handle es sich aufgrund der obenerwähnten Solidarität um ein mehr und mehr erweitertes Bewusstsein, welches das Menschengeschlecht im Laufe seiner Abenteuer von sich selbst gewinnt. In Wirklichkeit stellt sich der Untertan des Inka oder der Paria das Problem der Revolte nicht, denn es wurde für sie durch eine Tradition gelöst, bevor sie es sich noch stellen konnten. Die Antwort darauf war das Heilige. Wenn man in der Welt des Heiligen das Problem der Revolte nicht antrifft, so deshalb, weil man in Tat und Wahrheit dort gar keine wirkliche Problematik findet, da alle Antworten mit einem einzigen Mal erteilt sind. Die Metaphysik ist durch den Mythos ersetzt. Es gibt keine Fragen mehr, es gibt nur noch Antworten und ewige Kommentare, die dann freilich metaphysisch sein können. Doch bevor der Mensch in das Heilige eintritt, und damit er dort überhaupt eintritt, oder sobald er es verlässt, und damit er es überhaupt verlässt, ist er ganz Frage und Revolte. Der Mensch in der Revolte steht vor oder nach dem Heiligen, hingegeben der Forderung nach einer menschlichen Ordnung, in der alle Antworten menschlich, d.h. vernunftgemäß formuliert sind. Von dem Augenblick an ist jede Frage, jedes Wort Revolte, während in der Welt des Heiligen jedes Wort ein Gnadenakt ist. So wäre es möglich zu zeigen, dass es für den Geist des Menschen nur zwei mögliche Welten geben kann: diejenige des Heiligen (oder um in der Sprache des Christentums zu sprechen: der Gnade)6 oder diejenige der Revolte. Verschwindet die eine, kommt das dem Antritt der andern gleich, obwohl Letztere mit bestürzenden Formen zutage treten kann. Auch hier stehen wir vor dem Alles oder Nichts. Die Aktualität des Problems der Revolte ist dadurch allein begründet, dass ganze Gesellschaften sich heute vom Heiligen distanzieren wollen. Wir leben in einer entheiligten Geschichte. Der Mensch erfüllt sich freilich nicht ganz im Aufstand. Aber durch ihren unausgesetzten Streit zwingt uns heute die Geschichte zu sagen, dass die Revolte eine der wesentlichen Dimensionen des Menschen ist. Sie ist unsere historische Wirklichkeit. Wenn wir vor der Wirklichkeit nicht fliehen wollen, müssen wir in ihr unsere Werte finden. Kann man fern des Heiligen und seiner absoluten Werte eine Verhaltensregel finden, ist die Frage, die die Revolte stellt.

Wir haben schon den unbestimmten Wert verzeichnen können, der an jener Grenze entsteht, wo die Revolte beheimatet ist. Wir müssen uns nun fragen, ob dieser Wert sich in den zeitgenössischen Formen des Denkens und Handelns der Revolte findet, und wenn dies der Fall ist, müssen wir seinen Inhalt präzisieren. Doch halten wir das eine fest vor allem: Die Grundlage dieses Wertes ist die Revolte selbst. Die Solidarität der Menschen gründet in der Bewegung der Revolte, und sie findet ihrerseits die Rechtfertigung nur in dieser Komplicenschaft. Wir sind also zu sagen berechtigt, dass jede Revolte, die diese Solidarität leugnet oder zerstört, sofort den Namen Revolte verliert und in Wirklichkeit zusammenfällt mit einer Zustimmung zum Mord. Gleichermaßen gewinnt diese Solidarität außerhalb des Heiligen nur auf der Ebene der Revolte Leben. Das wirkliche Drama des revoltierenden Denkens ist damit angedeutet. Um zu sein, muss der Mensch revoltieren, doch muss seine Revolte die Grenze wahren, die sie in sich selbst findet und wo die Menschen, wenn sie sich zusammenschließen, zu sein beginnen. Das Denken der Revolte kann also nicht auf das Gedächtnis verzichten, sie ist eine unaufhörliche Spannung. Wenn wir sie in ihren Werken und ihren Taten verfolgen, haben wir jedes Mal festzustellen, ob sie ihrem ursprünglichen Adel treu bleibt oder ob sie ihn im Gegenteil, aus Ermattung und Geistesverwirrung, vergisst in einem Rausch von Tyrannei oder Knechtschaft.

Zunächst jedoch sehen wir hier den ersten Fortschritt, den der Geist der Revolte auf ein Denken ausübt, das anfänglich von der Absurdheit und der scheinbaren Sterilität der Welt durchdrungen war. In der Erfahrung des Absurden ist das Leid individuell. Von der Bewegung der Revolte ausgehend, wird ihm bewusst, kollektiver Natur zu sein; es ist das Abenteuer aller. Der erste Fortschritt eines von der Befremdung befallenen Geistes ist demnach, zu erkennen, dass er diese Befremdung mit allen Menschen teilt und dass die menschliche Realität in ihrer Ganzheit an dieser Distanz zu sich selbst und zur Welt leidet. Das Übel, welches ein Einzelner erlitt, wird zur kollektiven Pest. In unserer täglichen Erfahrung spielt die Revolte die gleiche Rolle wie das ‹Cogito› auf dem Gebiet des Denkens: Sie ist die erste Selbstverständlichkeit. Aber diese Selbstverständlichkeit entreißt den Einzelnen seiner Einsamkeit. Sie ist ein Gemeinplatz, die den ersten Wert auf allen Menschen gründet. Ich empöre mich, also sind wir.

Die metaphysische Revolte

Die metaphysische Revolte ist die Bewegung, mit der ein Mensch sich gegen seine Lebensbedingung und die ganze Schöpfung auflehnt. Sie ist metaphysisch, weil sie die Ziele des Menschen und der Schöpfung bestreitet. Der Sklave protestiert gegen das Leben, das ihm innerhalb seines Standes bereitet ist, der metaphysisch Revoltierende gegen das Leben, das ihm als Mensch bereitet ist. Der aufständische Sklave behauptet, dass es in ihm etwas gäbe, welches mitnichten die Behandlung seines Herrn erdulde; der metaphysisch Revoltierende erklärt sich von der Schöpfung betrogen. Für den einen wie für den andern handelt es sich nicht nur um eine Verneinung schlechthin. In beiden Fällen wird in der Tat ein Werturteil abgegeben, in dessen Namen der Revoltierende die Billigung seiner Lebensbedingung verweigert.

Der Sklave, der sich gegen seinen Herrn erhebt, denkt nicht daran, diesen Herrn als Menschen zu leugnen. Er leugnet ihn als Herrn. Er bestreitet sein Recht, ihn, den Sklaven, als Forderung zu leugnen. Der Herr fällt gerade in dem Maß, wie er diese eine Forderung nicht beantwortet. Wenn die Menschen sich nicht auf einen gemeinsamen Wert beziehen können, der von allen in jedem anerkannt wird, ist der Mensch dem Menschen unverständlich. Der Rebell fordert, dass dieser Wert klar und deutlich in ihm anerkannt werde, da er vermutet oder weiß, dass ohne dieses Prinzip Unordnung und Verbrechen auf der Welt herrschen würden. Die Bewegung der Revolte erscheint bei ihm als eine Forderung nach Klarheit und Einheit. Selbst der primitivste Aufstand drückt paradoxerweise das Streben nach einer Ordnung aus.

Zeile für Zeile passt diese Beschreibung auf den metaphysisch Revoltierenden. Er erhebt sich in einer zertrümmerten Welt, um ihre Einheit zu fordern. Er stellt das Prinzip der Gerechtigkeit, die in ihm ist, dem Prinzip der Ungerechtigkeit gegenüber, das er in der Welt wirken sieht. Am Anfang will er also nichts anderes als diesen Gegensatz lösen: das einheitliche Reich der Gerechtigkeit errichten, wenn er es kann, oder dasjenige der Ungerechtigkeit, wenn man ihn zum Äußersten treibt. Vorläufig deckt er den Widerspruch auf. Indem sie protestiert gegen das, was der Tod an Unvollendetem und das Böse an Zerrissenem ins Dasein bringen, ist die Revolte die begründete Forderung einer glücklichen Einheit gegen das Leid des Lebens und Sterbens. Wenn die allgemein gewordene Todesstrafe die Lebenslage der Menschen bestimmt, so ist die Revolte in einem Sinn ihre Zeitgenossin. Zu gleicher Zeit, da der Revoltierende sich gegen seine Sterblichkeit verwahrt, weigert er sich, die Macht anzuerkennen, die ihn darin leben lässt. Wer metaphysisch revoltiert, ist also nicht unweigerlich ein Gottesleugner, wie man glauben könnte, aber er ist notwendigerweise ein Gotteslästerer. Nur lästert er zuerst im Namen der Ordnung, indem er in Gott den Vater des Todes und den größten Skandal aufdeckt.

Kehren wir zum Sklaven im Aufstand zurück, um diesen Punkt zu beleuchten. Mit seinem Protest bestätigte er die Existenz des Herrn, gegen den er sich auflehnte. Und gleichzeitig bewies er, dass er dessen Macht an seine eigene Abhängigkeit gebunden hielt, und er bekräftigte seine eigene Macht: unaufhörlich die Überlegenheit dessen in Frage zu stellen, der ihn bis dahin beherrschte. In dieser Hinsicht sind Herr und Knecht in der gleichen Zwangslage: die zeitweilige Herrschaft des einen ist ebenso relativ wie die Unterwerfung des andern. Die beiden Kräfte erhärten sich abwechslungsweise im Augenblick der Rebellion, bis sie aufeinanderstoßen, um einander zu vernichten, wobei die eine der beiden vorläufig verschwindet.

Gleicherweise, wenn ein metaphysisch Revoltierender sich erhebt gegen eine Gewalt, deren Existenz er damit bejaht, setzt er diese Existenz erst im Augenblick, da er sie bestreitet. Er zieht dann dieses höhere Wesen in dasselbe demütigende Abenteuer, seine nichtige Macht entspricht somit unserem nichtigen Stand. Er unterwirft es unserer Kraft der Abweisung, beugt es seinerseits vor dem unbeugsamen Teil des Menschen, fügt es mit Gewalt in eine in unserem Betracht absurde Existenz, zieht es schließlich aus seinem zeitlosen Refugium und kettet es an die Geschichte, fern von einer ewigen Dauerhaftigkeit, die es nur in der einhelligen Zustimmung des Menschen finden könnte. Die Revolte bestätigt also, dass auf ihrer Stufe jede höhere Existenz zum mindesten widerspruchsvoll ist.

Die Geschichte der metaphysischen Revolte kann somit nicht mit derjenigen des Atheismus verwechselt werden. Unter einem bestimmten Gesichtspunkt fällt sie sogar zusammen mit der heutigen Geschichte des religiösen Gefühls. Der Revoltierende fordert eher heraus, als dass er leugnet. Am Anfang wenigstens beseitigt er Gott nicht, er spricht einzig als Ebenbürtiger mit ihm. Doch handelt es sich nicht um ein höfliches Zwiegespräch. Es handelt sich um eine Polemik mit dem Wunsch zu siegen. Der Sklave fordert zu Beginn Gerechtigkeit und am Ende die Herrschaft. Es drängt ihn, nun seinerseits zu herrschen. Der Aufstand gegen sein Leben wächst zu einem maßlosen Feldzug gegen den Himmel aus mit dem Ziel, von dort einen König als Gefangenen einzubringen, dessen Thronverlust und Todesurteil man nacheinander aussprechen wird. Die Rebellion des Menschen endet als metaphysische Revolution. Ihr Weg führt vom Scheinen zum Handeln, vom Dandy zum Revolutionär. Ist der Thron Gottes einmal umgestürzt, erkennt der Aufrührer, dass es nun an ihm ist, jene Gerechtigkeit, jene Ordnung und Einheit, die er vergeblich auf seiner Lebensstufe gesucht hat, mit eigenen Händen zu erschaffen und damit die Absetzung Gottes zu rechtfertigen. Dann wird eine verzweifelte Anstrengung beginnen, falls nötig um den Preis des Verbrechens, das Reich des Menschen zu gründen. Das wird nicht ohne schreckliche Folgen geschehen, deren wir erst einige kennen. Aber diese Folgen sind keineswegs der Revolte selbst zuzuschreiben, oder sie treten wenigstens nur in dem Maße an den Tag, wie der Revoltierende seine Ursprünge vergisst, der harten Spannung zwischen Ja und Nein müde wird und sich schließlich der Verneinung von allem oder der völligen Unterwerfung überlässt. Der metaphysische Aufstand zeigt uns in seiner ersten Bewegung den gleichen positiven Inhalt wie die Rebellion des Sklaven. Unsere Aufgabe wird es sein, zu untersuchen, was aus diesem Inhalt der Revolte in ihren Werken wird, und anzugeben, wohin die Untreue und die Treue des Revoltierenden seinen Ursprüngen gegenüber führen.

Die Söhne Kains

Die metaphysische Revolte im eigentlichen Sinn erscheint in der Geschichte der Ideen erst am Ende des 18.Jahrhunderts in zusammenhängender Form. Die Neuzeit öffnet sich da mit dem großen Lärm einstürzender Mauern. Aber von da an rollen ihre Folgen ununterbrochen ab, und es ist nicht übertrieben anzunehmen, dass sie die Geschichte unserer Zeit geformt haben. Heißt das, dass die metaphysische Revolte vor dieser Zeit keinen Sinn gehabt habe? Ihre Vorbilder liegen indes sehr fern, da unsere Zeit sich ja gern prometheisch nennt. Aber ist sie es wirklich?

Die ersten Theogonien zeigen uns Prometheus an eine Säule gekettet, ein ewiger Märtyrer am Ende der Welt, für immer ausgeschlossen von jeder Vergebung, die zu erbitten er sich weigert. Aeschylus erhöht noch die Gestalt des Helden, begabt ihn mit hellsichtiger Vernunft («kein Unglück wird über mich kommen, das ich nicht vorausgesehen), lässt ihn seinen Götterhass laut hinausschreien, taucht ihn in ‹ein stürmisches Meer unseliger Verzweiflung› und setzt ihn am Schluss allen Blitzen und Wettern aus: «O seht die Ungerechtigkeit, die ich erdulde.»

Man kann also nicht behaupten, dass die Alten die metaphysische Revolte nicht gekannt hätten. Sie haben, lange vor Satan, ein schmerzenreiches und edles Bild des Rebellen aufgestellt und uns den größten Mythos des Geistes im Aufstand gegeben. Das unerschöpfliche Genie der Griechen, das den Mythen der Zustimmung und Bescheidenheit vor Götterwillen so viel zugestand, gab dennoch dem Aufstand sein Vorbild. Unstreitig leben heute noch einige prometheische Züge in der Geschichte der Revolte, in der wir leben: der Kampf gegen den Tod («ich habe die Menschen von der Besessenheit des Tods befreit»), der Messianismus («ich habe ihnen die blinde Hoffnung eingepflanzt»), die Menschenliebe («Feind des Zeus… weil er die Menschen zu sehr geliebt hat»).

Aber man kann nicht vergessen, dass der letzte Teil von Aeschylus’ Trilogie ‹Prometheus der Feuerbringer› die Herrschaft des begnadigten Rebellen ankündigt. Die Griechen treiben nichts auf die Spitze, auch in der äußersten Kühnheit bleiben sie jenem Maß treu, das sie vergöttlicht hatten. Ihr Empörer steht nicht gegen die ganze Schöpfung auf, sondern gegen Zeus, der nur einer ist unter den Göttern und dessen Tage gezählt sind. Prometheus selbst ist ein Halbgott. Es handelt sich um eine private Abrechnung, um einen Besitzstreit, und nicht um einen allumfassenden Kampf des Guten mit dem Bösen.

Das deshalb, weil die Alten, wenn sie auch ans Schicksal glaubten, zuvorderst an die Natur glaubten, an der sie teilhatten. Sich gegen die Natur auflehnen heißt sich gegen sich selbst auflehnen, mit dem Kopf gegen die Wand. Die einzige folgerichtige Auflehnung ist dann der Selbstmord. Das griechische Schicksal ist eine blinde Macht, die man erleidet wie eine Naturgewalt. Der Gipfel der Maßlosigkeit für einen Griechen ist, das Meer mit Ruten zu peitschen; Wahnsinn der Barbaren. Der Grieche stellt zweifelsohne die Maßlosigkeit dar, da sie eine Tatsache ist, aber er weist ihr einen Platz zu und damit eine Grenze. Achilles’ Herausforderung nach dem Tod des Patroklus, die Verfluchungen der tragischen Helden, die sie gegen ihr Schicksal ausstoßen, ziehen nicht die völlige Verdammung nach sich. Oedipus weiß, dass er nicht unschuldig ist. Er ist schuldig wider Willen, auch er hat teil am Schicksal. Er beklagt sich, spricht jedoch nie die nicht gutzumachenden Worte aus. Selbst Antigone revoltiert nur im Namen der Tradition, damit ihre Brüder im Grab die Ruhe finden und die Riten befolgt werden. In gewisser Hinsicht handelt es sich bei ihr um eine reaktionäre Revolte. Das griechische Denken mit seinem doppelten Gesicht lässt fast immer im Gegengesang, nach den verzweifeltsten Melodien, Oedipus’ ewiges Wort folgen, der blind und elend erkennt, dass alles gut ist. Das Ja findet das Gleichgewicht zum Nein. Selbst wenn Platon in Kallikles den vulgären Typus des Nietzschedenkers vorwegnimmt, selbst wenn dieser ausruft: «Wenn aber, mein’ ich, ein Mann ersteht, der die genügende natürliche Kraft dazu hat… dann entflieht er, tritt unser Buchstabenwerk, unsere Hypnose, Suggestion und die sämtlichen naturwidrigen Gesetze und Bräuche mit Füßen, unser bisheriger Sklave tritt auf einmal vor uns hin und erweist sich als unser Herr7 – auch wenn er das Gesetz verwirft, spricht er von der Natur.

Denn die metaphysische Revolte setzt ein vereinfachtes Bild der Schöpfung voraus, das die Griechen nicht haben konnten. Für sie gab es nicht auf der einen Seite die Götter und auf der andern die Menschen, sondern Übergänge von den einen zu den andern. Die Vorstellung der Unschuld im Gegensatz zur Schuld, einer Geschichte, die sich ganz im Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen erfüllt, war ihnen fremd. In ihrer Welt gibt es mehr Verfehlungen als Verbrechen, das einzige entscheidende Verbrechen war die Maßlosigkeit. In der völlig geschichtlichen Welt, die die unsere zu sein droht, gibt es keine Verfehlung mehr, gibt es im Gegenteil nur Verbrechen, deren Erstes das Maß ist. So erklärt sich die sonderbare Mischung von Wildheit und Nachsicht, die man im griechischen Mythos findet. Nie haben die Griechen, und das setzt uns im Hinblick auf sie herab, aus dem Denken ein abgegrenztes Feld gemacht. Die Revolte lässt sich letzten Endes nur gegen jemanden gerichtet denken. Der Begriff des persönlichen Gottes, Schöpfers aller Dinge und damit für sie verantwortlich, gibt allein dem Protest des Menschen seinen Sinn. Man kann daher ohne Paradox sagen, dass, in der westlichen Welt, die Geschichte der Revolte untrennbar ist von derjenigen des Christentums. Man muss in der Tat die letzten Augenblicke antiken Denkens abwarten, um zu sehen, wie die Revolte ihre Sprache zu finden beginnt, bei den Denkern des Übergangs und bei niemandem tiefer als bei Epikur und Lukrez.

Die erschütternde Trauer Epikurs lässt schon einen neuen Ton erklingen. Sie ist zweifellos von einer Angst vor dem Tod eingegeben, welche dem griechischen Geist nicht fremd ist. Aber der pathetische Akzent dieser Angst ist aufschlussreich. «Man kann sich gegen alles sichern, doch was den Tod betrifft, bleiben wir wie die Bewohner einer geschleiften Festung.» Lukrez präzisiert: «Die Substanz dieser weiten Welt ist dem Tod und dem Untergang vorbehalten.» Weshalb also den Genuss auf später verschieben? «Mit Warten», sagt Epikur, «zehren wir unser Leben auf, und wir arbeiten uns alle zu Tode.» Also muss man sich dem Genuss ergeben. Doch welch befremdlicher Genuss! Er besteht darin, die Fenster der Festung zuzumauern, sich des Brotes und des Wassers im stillen Schatten zu versichern. Da der Tod uns bedroht, muss man beweisen, dass der Tod nichts ist. Wie Epiktet und Marc Aurel vertreibt auch Epikur den Tod aus dem Sein. «Der Tod ist nichts in Bezug auf uns, denn was aufgelöst ist, ist unfähig zu empfinden, und was nicht empfindet, ist nichts für uns.» Ist es das Nichts? Nein, denn alles ist Materie in dieser Welt, und Sterben heißt nur, zum Urstoff zurückkehren. Das Sein ist der Stein. Die einzigartige Wollust, von der Epikur spricht, besteht vor allem in der Abwesenheit von Schmerz; das ist das Glück der Steine. Um dem Schicksal zu entgehen, tötet Epikur, mit einer herrlichen Bewegung, die wir bei unseren Klassikern wiederfinden, die Sensibilität und zuvörderst den ersten Schrei der Sensibilität: die Hoffnung. Was der griechische Philosoph von den Göttern sagt, heißt nichts anderes. Alles Unglück der Menschen stammt von der Hoffnung, die sie dem Schweigen der Festung entreißt und sie auf die Wälle treibt in Erwartung des Heils. Diese unvernünftige Bewegung hat keine andere Wirkung, als sorgfältig verbundene Wunden neu zu öffnen. Deshalb leugnet Epikur die Götter nicht, er entfernt sie so schwindelnd weit, dass die Seele keinen anderen Ausweg hat, als sich aufs Neue einzumauern. «Das glückselige und unsterbliche Wesen hat nichts zu tun und gibt niemandem etwas zu tun.» Und Lukrez, noch verstärkend: «Unbestreitbar genießen die Götter, ihrer Natur zufolge, Unsterblichkeit inmitten tiefsten Friedens, fremd unseren Geschäften, an denen sie ohne Teilnahme sind.» Vergessen wir also die Götter, denken wir nie an sie, und «weder eure Gedanken bei Tag noch eure Träume bei Nacht werden euch Unruhe verursachen».

Man wird später, aber mit wichtigen Nuancen, dieses ewige Thema der Revolte wiederfinden. Ein Gott ohne Belohnung noch Züchtigung, ein tauber Gott ist die einzige religiöse Vorstellung der Revoltierenden. Während Vigny jedoch das Schweigen der Gottheit verflucht, urteilt Epikur, dass, da man sterben muss, das Schweigen des Menschen dieses Geschick besser vorbereitet als die Worte der Götter. Die lange Bemühung dieses seltsamen Geistes erschöpft sich darin, um den Menschen eine Mauer zu errichten, die Festung neu zu panzern und ohne Gnade den ununterdrückbaren Schrei der menschlichen Hoffnung zu ersticken. Ist dieser strategische Rückzug einmal abgeschlossen, dann erst wird Epikur, gleich einem Gott inmitten der Menschen, das Siegeslied anstimmen, das den defensiven Charakter seiner Revolte gut ausdrückt. «Ich habe deine Schliche durchkreuzt, o Schicksal, ich habe alle Wege verrammelt, auf denen du mich erreichen konntest. Wir lassen uns weder von dir noch einer andern bösen Macht besiegen. Und wenn die Stunde des unvermeidlichen Aufbruchs geschlagen hat, wird unsere Verachtung für die, welche sich vergeblich ans Dasein klammern, in die schönen Worte ausbrechen: Ah, wie würdig haben wir gelebt!»

Lukrez, als Einziger in seiner Zeit, wird diesen Gedanken weiterführen und ihn in die moderne Forderung einmünden lassen. Inhaltlich fügt er Epikur nichts hinzu. Auch er weist jedes Erklärungsprinzip zurück, das nicht den Sinnen zufällt. Das Atom ist nur der letzte Zufluchtsort, wo das an seine Urstoffe zurückgegebene Lebewesen eine Art tauber und blinder Unsterblichkeit fristen wird, ein unsterblicher Tod, der für Lukrez wie Epikur das einzige mögliche Glück darstellt. Er muss jedoch zugeben, dass die Atome sich nicht von selbst zusammenballen, und eher als ein höheres Gesetz oder am Ende das Schicksal, das er leugnen will, anzuerkennen, gibt er eine zufällige Bewegung zu, das Clinamen, demzufolge die Atome sich begegnen und sich aneinanderhängen. Schon da, schauen wir richtig hin, stellt sich das große Problem der Neuzeit, wo die Vernunft entdeckt, dass den Menschen dem Schicksal zu entziehen darauf hinausläuft, ihn dem Zufall zu überantworten. Deshalb bemüht sie sich, ihm ein Schicksal aufs Neue zu geben, ein historisches diesmal. Das gilt für Lukrez noch nicht. Sein Hass auf das Schicksal und den Tod begnügt sich mit dieser trunkenen Erde, wo die Atome das Leben aus Zufall erzeugen und wo das Leben aus Zufall in Atome auseinanderfällt. Die zugemauerte Festung wird zum verschanzten Lager. Moenia mundi, die Schutzwehr der Welt, ist eines der Schlüsselworte der Rhetorik des Lukrez. Freilich ist das Hauptanliegen in diesem Lager, die Hoffnung zum Schweigen zu bringen. Aber Epikurs methodischer Verzicht wandelt sich hier in eine bebende Askese, die sich manchmal mit Verwünschungen krönt. Die Frömmigkeit ist für Lukrez zweifellos «die Kraft, alles zu betrachten mit einem Geist, den nichts verwirrt». Aber dieser Geist zittert vor der Ungerechtigkeit, die dem Menschen angetan wird. Unter dem Druck der Entrüstung ziehen neue Begriffe von Verbrechen, Schuld und Unschuld sowie Strafe durch das große Gedicht über Die Natur der Dinge›. Dort ist die Rede von dem «ersten Verbrechen der Religion»: Iphigenie und ihre abgewürgte Unschuld, von jenem göttlichen Pfeil, der «oft den Schuldigen verfehlt und durch unverdiente Strafe den Unschuldigen des Lebens beraubt». Wenn Lukrez die Furcht vor der Strafe in einer andern Welt verspottet, so nicht, wie Epikur, aus einer defensiven Revolte, sondern aus einem aggressiven Gedanken heraus: Weshalb sollte das Böse bestraft werden, sehen wir doch jetzt schon zur Genüge, dass das Gute nicht belohnt wird.

Epikur selbst wird in Lukrezens Gedicht der große Rebell, der er nicht war. «Während vor aller Augen die Menschheit ein verachtenswürdiges Leben fristete, erdrückt vom Gewicht einer Religion, deren Gesicht sich von der Höhe himmlischer Regionen herab zeigte, mit seinem grässlichen Anblick die Sterblichen bedrohend, wagte als Erster ein Grieche, ein Mann, seine sterblichen Augen gegen sie zu erheben und sich gegen sie aufzubäumen… Und dadurch ist die Religion nun umgestürzt und mit Füßen getreten, und uns erhebt der Sieg bis in den Himmel.» Man spürt hier den Unterschied zwischen dieser neuen Lästerung und der antiken Verfluchung. Die griechischen Helden konnten wünschen, Götter zu werden, doch zur gleichen Zeit wie die herrschenden Götter. Es handelte sich also um eine Rangerhöhung. Bei Lukrez hingegen schreitet der Mensch zur Revolution. Indem er die unwürdigen und verbrecherischen Götter leugnet, nimmt er selbst ihren Platz ein. Er verlässt das befestigte Lager und unternimmt die ersten Angriffe gegen die Gottheit im Namen des menschlichen Schmerzes. In der antiken Welt ist der Mord das Unerklärliche und Unsühnbare. Bei Lukrez wird der Mord des Menschen bereits zur Antwort auf den Mord der Götter. Nicht zufällig schließt das Gedicht des Lukrez mit dem gewaltigen Bild göttlicher Heiligtümer, die mit anklagenden Pestleichen vollgestopft sind.

Diese neue Sprache kann man nicht verstehen ohne den Begriff eines persönlichen Gottes, der sich allmählich im Bewusstsein von Epikurs und Lukrezens Zeitgenossen bildet. Vom persönlichen Gott kann die Revolte persönlich Rechenschaft verlangen. Vom Augenblick seiner Herrschaft an erhebt sie sich mit wildester Bestimmtheit und spricht das unverrückbare Nein aus. Mit Kain fällt die erste Revolte mit dem ersten Verbrechen zusammen. Die Geschichte der Revolte, wie wir sie heute leben, ist weit mehr diejenige der Abkömmlinge Kains als diejenige der Schüler des Prometheus. In diesem Sinn setzt vor allen andern der Gott des Alten Testaments die Energie der Revolte in Bewegung. Umgekehrt muss man sich dem Gott Abrahams, Isaaks und Jacobs unterwerfen, wenn man wie Pascal die Laufbahn des revoltierenden Geistes durchlaufen hat. Die Seele, die am ärgsten zweifelt, strebt nach dem radikalsten Jansenismus.

Von diesem Gesichtspunkt aus kann das Neue Testament als ein Versuch betrachtet werden, im Voraus allen Kains der Welt zu begegnen, indem die Gestalt Gottes abgeschwächt und zwischen ihn und den Menschen ein Mittler gestellt wird. Christus kam, zwei Hauptprobleme zu lösen: das Böse und den Tod, die beide gerade die Probleme der Revolte sind. Seine Lösung bestand zuerst darin, sie auf sich zu nehmen. Der Gottmensch leidet auch, und mit Geduld. Das Böse wie der Tod können ihm nicht völlig zugeschrieben werden, da auch er zerrissen ist und stirbt. Die Nacht von Golgatha hat nur darum für die Geschichte der Menschen so viel Bedeutung, weil in ihrem Dunkel die Gottheit, sichtbar auf alle hergebrachten Privilegien verzichtend, bis zu ihrem Ende, alle Verzweiflung eingeschlossen, die Todesangst durchlebt. So erklärt sich das Lama asabthani und Christi grauenhafter Zweifel in der Agonie. Die Agonie wäre leicht, wenn sie getragen würde von der ewigen Hoffnung. Damit der Gott ein Mensch sei, muss er verzweifeln.

Die Gnostik, Frucht einer griechisch-christlichen Zusammenarbeit, versuchte während zweier Jahrhunderte, gegen