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In "Der Menschenfeind" entblößt Jean Baptiste Molière mit scharfer Satire die Absurditäten menschlichen Verhaltens und die Heuchelei der Gesellschaft des 17. Jahrhunderts. Das Stück folgt dem griesgrämigen und misanthropischen Alceste, der von der Ehrlichkeit besessen ist und die Unzulänglichkeiten seiner Mitmenschen riguros kritisiert. Molière verbindet meisterhaft Dialoge mit einer subtilen Komödie, die durch scharfsinnige Beobachtungen und psychopathologische Einsichten gekennzeichnet ist. Der inklusive zeitgenössische Kontext, geprägt von gesellschaftlichen und moralischen Wandlungen, spiegelt sich in Alcestes innerem Konflikt wider, und die Frage nach dem Wesen der Menschheit wird sowohl ernsthaft als auch humorvoll behandelt. Molière, einer der bedeutendsten Dramatiker des französischen Barock, hat durch persönliche Erfahrungen als künstlerischer Rebell und Beobachter der städtischen Gesellschaft den Grundstein für seine zeitlosen Werke gelegt. Er kämpfte mit dem Spannungsfeld zwischen persönlicher Überzeugung und gesellschaftlicher Konvention, was sich maßgeblich in der Charakterisierung von Alceste niederschlägt. Durch seine scharfen Kritiken an der Bourgeoisie und seinen Umgang mit sozialen Normen schafft er ein Werk, das sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt. "Der Menschenfeind" ist ein zeitloses Meisterwerk, das den Leser herausfordert, über seine eigenen moralischen Standpunkte und gesellschaftliche Rollen nachzudenken. Die brillante Sprache und der gesellschaftskritische Unterton machen es zu einer lohnenswerten Lektüre für alle, die sich für menschliches Verhalten, Ethik und die Komplexität der sozialen Interaktionen interessieren.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Alcest
Philint, sein Freund
Oront
Celimene
Eliante, ihre Cousine
Aisinoë, ihre Freundin
Acast, Marquis
Clitander, Basque, Diener Celimenens
Ein Bote des Marschallamtes
Dubois, Diener Alcests
Schauplatz: Paris, in Celimenens Haus
Philint. Alcest
Philint. Was ist?
Was gibt es?
Alcest. Lassen Sie mir Ruh'!
Philint. Nein wahrlich – welche sonderbare Grille ... ?
Alcest. Sie sollen gehn – sogleich; das ist mein Wille.
Philint. Eh' man sich ärgert, hört man doch erst zu.
Alcest. Ich will mich ärgern, und ich will nichts hören.
Philint. Wo soll nur dieser wilde Zorn hinaus? Die beste Freundschaft muß es stören, Wenn ...
Alcest(steht schnell auf) . Ich Ihr Freund? Nein, streichen Sie mich aus! Das Band, das uns gefesselt, ging in Stücke; Nachdem sich heut verraten hat Ihr Sinn, Erklär' ich, daß ich nicht Ihr Freund mehr bin Und nichts gemein will haben mit der Tücke.
Philint. Was ist's denn, was Sie mir so übel nehmen?
Alcest. Fürwahr, zu Tode sollten Sie sich schämen. Ein solches Tun verdient das schärfste Wort, Muß jeden Ehrlichen in Harnisch bringen! Ich sehe, wie Sie jenen Menschen dort Mit Artigkeit und Süßigkeit umringen; Sie häufen auf dies feurige Betragen Beteuerungen, Anerbieten, Schwüre Und können mir, nachdem er aus der Türe, Nicht einmal seinen Namen sagen. Verschwunden ist das herzliche Gefühl; Sie reden über ihn gleichgültig kühl. Potz Wetter, das ist elend, feig, gemein, Die eigne Seele so mit Schmutz zu mengen, Und sollte mir das widerfahren sein, Ich eilte, mich vor Ekel aufzuhängen,
Philint. Je nun, mir scheint der Fall nicht hängenswert; Ich bitte Sie recht freundlich um die Liebe, Daß mir für diesmal Gnade widerfährt, Und daß ich's mit dem Hängen noch verschiebe.
Alcest. Wie schlecht doch dies Gewitzel Ihnen steht!
Philint. Im Ernst – ich weiß nicht, was Sie wollen.
Alcest. Die Wahrheit will ich; dem Charaktervollen Entschlüpft kein Wort, das nicht von Herzen geht.
Philint. Wenn jemand uns mit Freundesgruß begegnet, Dann mein' ich, daß man sich erkenntlich zeigt, Zu seiner Liebenswürdigkeit nicht schweigt Und ihn für seinen Segen wieder segnet.
Alcest. Unleidlich ist mir dieser feige Schacher, Den ihr zum guten Ton gehören laßt! Nichts ist mir so im Innersten verhaßt wie diese kunstgerechten Phrasenmacher, Die Schmeichler, stets zum Liebesgruß bereit, Die uns mit leerem Redeschwall bedecken, Die mit derselben süßen Höflichkeit Den ernsten Mann behandeln wie den Gecken. Was frommt es noch, wenn jemand hoch und hehr Uns Treue schwört, Hingebung, Freundesglut, Mit Lob uns überschüttet und nachher Dem ersten besten Tropf ein Gleiches tut? Wer noch gesund empfinden kann, dankt für solche feilgebotnen Ehren, Und wenn sie noch so überschwenglich wären, Der teilt nicht gern mit jedermann. Auf ein Verdienst muß sich Verehrung gründen: er jeden achtet, achtet keinen; Und weil auch Sie der Knecht sind dieser Sünden, Drum sind wir fertig – ein für allemal. Mir widerstrebt's, mich Leuten zu vereinen, Die sich verschenken ohne Wahl. Ich fordere, daß man mich höher stellt; Der Allerweltsfreund kann mir nicht genügen.
Philint. Wir leben doch nun einmal in der Welt, Und ihren Sitten müssen wir uns fügen.
Alcest. Brandmarken, sag' ich, muß man ohn' Erbarmen Dies falsche Händedrücken und Umarmen. Ein Mann sei männlich, und in jedem Fall Soll er in seinem Wort sein Denken spiegeln; Nie soll des Herzens echter Widerhall Mit leeren Floskeln sich verriegeln.
Philint. Doch was die Offenheit zum Lohn erhält, ist meistenteils Verfolgung und Gelächter, Und manches Mal, Herr Weltverächter, Verlangt die Klugheit, daß man sich verstellt. Ist's schicklich, ist es wohlerzogen, Wenn man zu jedermann die Wahrheit spricht? Und wenn ich einem Menschen nicht gewogen, Soll ich es ihm bekennen ins Gesicht?
Alcest. Ja!
Philint. Würden Sie der alten Schönheit sagen, Daß es in ihren Jahren nur empört, Wenn Frau'n sich schminken und kokett betragen?
Alcest. Gewiß!
Philint. Dem Dorilas, wie sehr es jeden stört, Wenn er bei Hof mit prahlender Betonung Von seinen Taten, seinen Ahnen spricht?
Alcest. Jawohl!
Philint. Sie scherzen.
Alcest. Nein, ich scherze nicht Und kenn' in diesem Punkte keine Schonung. Was Hof und Stadt mir vor die Augen brachte, Reizt mir die Galle, raubt mir meinen Schlummer, Und Schwermut überfällt mich, tiefer Kummer, Wenn ich das Treiben dieser Welt betrachte. Ich sehe, wie ich meinen Blick auch schärfe, Nur Unrecht, Selbstsucht, Lüge, falschen Sinn; Mir wird's zu viel; es macht mich toll; ich werfe Dem ganzen Menschenvolk den Handschuh hin.
Philint. Das ist ja lächerlich: Sie nehmen's allzu schwer Mit ihrem philosoph'schen Herzeleide! – Paßt nicht vortrefflich auf uns beide Die »Ehemännerschule« von Molière, Wo auch zwei Brüder...
Alcest. Törichter Vergleich!
Philint. Nein, wirklich, sparen Sie die Zorngebärden. Die Welt wird deshalb doch nicht anders werden, Und weil der Freimut gar so tugendreich, Drum sag' ich Ihnen frei heraus: Dies all ist krankhaft, und man lacht Sie aus.