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Die Schule der Frauen – Lustspiel in fünf Akten des französischen Dichters Molière. Der Junggeselle Arnolphe hat beschlossen zu heiraten. Was ihn bisher davon abhielt, war die Angst, das Schicksal der durch die weibliche Untreue gehörnten Männer zu teilen, über deren Einfalt er sich öffentlich lustig macht. Um nicht selbst in diese Ehefalle zu tappen, hat er von langer Hand eine eigene Strategie entwickelt. Er adoptierte ein vierjähriges Bauernkind, ließ es dreizehn Jahre lang in klösterlicher Abgeschiedenheit aufwachsen und hat nun das zur Unschuld, Unwissenheit und Unterwürfigkeit erzogene Mädchen in einem seiner Häuser einquartiert – isoliert von der Außenwelt und bewacht von beschränkten Dienern –, um sie, Agnès, zu seiner Frau zu machen. Die Schule der Frauen gilt als das erste Meisterwerk Molières und der französischen Hohen Komödie überhaupt.
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Seitenzahl: 70
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LUNATA
Die Schule der Frauen
© 1662 Molière
Originaltitel L'école des femmes
Aus dem Französischen von Ludwig Fulda
© Lunata Berlin 2020
Personen
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt
Arnolph, mit dem Beinamen Herr von Lasouche
Agnes, seine Pflegetochter
Seine Freunde:
Chrysald,
Oront
Horace, Sohn Oronts
Enrique, Schwager Chrysalds
In Arnolphs Diensten:
Alain, ein Bauer,
Georgette, seine Frau,
Ein Notar
Schauplatz: Ein freier Platz in Paris
Erster Auftritt
Chrysald. Arnolph
Chrysald. Im Ernst? Sie wollen dieses Mädchen frei'n?
Arnolph. Im Ernst, ich werde keinen Tag mehr zaudern.
Chrysald. Hier ist es menschenleer: wir sind allein
Und können ohne Furcht vor Zeugen plaudern.
Darf ich als Freund aufrichtig sein und offen?
Ihr Vorsatz läßt mich wenig Gutes hoffen,
Und komm' es, wie es mag, ein schönes Kind
Heiraten ist für Sie nicht ungefährlich.
Arnolph. Sehr wohl, mein Freund. Es scheint mir ganz erklärlich,
Daß Sie für mich in Sorge sind.
Nach Ihnen ist's ein Evangelium,
Daß jeden Ehemann die Hörner zieren.
Chrysald. Das hängt vom Schicksal ab: es wäre dumm,
Deshalb vorher den Mut schon zu verlieren.
Doch diesmal seh' ich schwarz, weil grade Sie
Mit hundert armen Gatten Spott getrieben,
Weil der Geringste gleich dem Höchsten nie
Von Ihrem scharfen Witz verschont geblieben,
Weil Sie verkünden wie ein Zeitungsblatt,
Daß der und die geheimer Schwachheit schuldig ...
Arnolph. Jawohl. In welcher zweiten Stadt
Sind auch die Ehemänner so geduldig?
Hat man die Auswahl nicht? Gewahrt
Man nicht fortwährend Gimpel jeder Art?
Der sammelt Schätze, die sein Frauchen täglich
In seiner Nebenbuhler Taschen senkt,
Und der, gleich ehrlos, wenn auch minder kläglich,
Sieht ruhig zu, wie man sein Weib beschenkt,
Und traut ihr arglos, bindet sie ihm auf,
Das alles sei nur ihm zu Ehren.
Der eine schnaubt und kann sich doch nicht wehren,
Der andre läßt den Dingen ihren Lauf,
Und kaum, daß der Galan sich eingestellt,
Greift er nach Hut und Stock und räumt das Feld.
Die eine beichtet mit erprobter List
Dem treuen Mann des Hausfreunds Huldigungen:
Sanft schläft er und beklagt des armen Jungen
Verlorne Müh', die nicht verloren ist.
Die andre flunkert, wenn sie unbesonnen
Das Geld vertut, sie hab's im Spiel gewonnen:
Ihr Pinsel, der nicht ahnt, in welchem Spiele,
Dankt Gott für dieses Glückes Übermaß. –
So hat die Spottlust immer neue Ziele,
Und mir als dem, der zuschaut, macht es Spaß.
Ich lache, wenn ...
Chrysald. Wer über andre lacht,
Mit gleicher Münze wird dem oft vergolten.
Viel wird auch mir erzählt: für Mann und Weib
Ist ja der Klatsch ein Lieblingszeitvertreib;
Noch was man immer vorgebracht,
Nie hab' ich mitgehöhnt und mitgescholten.
Ich übe Nachsicht; zwar in manchen Lagen
Verdamm' auch ich zu große Duldsamkeit,
Und was ein andrer Ehemann verzeiht,
Das würd' ich selber nie ertragen.
Doch niemals halt' ich lautes Strafgericht:
Wer spottet, kann denselben Spott erleiden.
Wer ist davor geschützt? Wer kann beeiden,
Was er in solchem Falle tut, was nicht?
Werd' ich dann selber nach des Schicksals Willen
Von etwas Menschlichem betroffen,
So läßt mich mein Verhalten sicher hoffen,
Daß man nur drüber lächelt – ganz im stillen;
Vielleicht sogar wird mir die Gunst verliehn,
Daß wackre Leute sagen: Schad' um ihn!
Doch anders, Freundchen, liegt die Sache hier:
Ich wiederhol's, Ihr Mut ist höchst verwogen;
Wer mit so schonungsloser Spottbegier
Auf die verdächt'gen Männer losgezogen
Und sie gezaust mit solcher Teufelskralle,
Der stehe fest; sonst ist man sehr gelaunt,
Auch ihn zu hecheln. Kämen Sie zu Falle,
Das würd' an allen Ecken ausposaunt.
Arnolph. Gemach, mein Teuerster; nur ruhig Blut;
Früh aufstehn müßte man, um mich zu prellen.
Die schlauen Kniff' und Künste kenn' ich gut,
Mit denen uns die Weiber Fallen stellen
Und feinen Sand uns in die Augen streu'n.
Davor bin ich gewappnet; denn ich wähle
Zum Weib solch eine unschuldvolle Seele,
Daß keinerlei Gefahren mich bedräu'n.
Chrysald. So glauben Sie, daß eine Dumme bloß ...
Arnolph. Die Dumme frei'n heißt nicht der Dumme werden.
Zwar Ihre Ehehälft' ist – zweifellos –
Ehrbar; doch Frau'n mit Geist – das bringt Beschwerden.
Ich weiß, wie schlecht es manchem schon bekam,
Daß er ein zu begabtes Weib sich nahm.
Ich sollte mir wohl einen Blaustrumpf langen,
Der stets zitiert, in Prosa oder Reim
Galante Briefe wechselt und daheim
Marquis und schöne Geister will empfangen,
Indessen ich, ihr sogenannter Mann,
Als Säulenheiliger im Winkel stände?
Nein, nein, mich lockt solch ein Genie nicht an;
Ein Weib, das dichtet, weiß zu viel am Ende.
Ich will nur eine, die kein großes Licht,
Und wenn im Pfänderspiel beim Reimesuchen
Man sie befragt: Was reimt auf »Leibgericht«?
Soll sie zur Antwort geben: »Apfelkuchen.«
Kurzum, sie soll durchaus naiv geblieben,
Soll ungebildet sein und nichts verstehn;
Denn mir genügt sie, kann sie nur gut näh’n,
Gut beten, spinnen und mich lieben.
Chrysald. Bedingung also, daß sie höchst beschränkt.
Arnolph. Ja, selbst die Häßlichste, gegebnen Falles,
Zög' ich der Schönen vor, die zu viel denkt.
Chrysald. Schönheit und Geist ...
Arnolph. Die Ehrbarkeit ist alles.
Chrysald. Dann prägen Sie zunächst der Dummheit ein,
Was ehrbar heißt! Wird Ihnen das gelingen?
Auch muß es grade keine Kurzweil sein,
Mit einer Gans das Leben zu verbringen.
Und wollen Sie zu glauben sich vermessen,
Daß Ihre Ehre dann in sichrer Hut?
Die Frau von Geist kann ihre Pflicht vergessen;
Doch weiß sie wenigstens, warum sie's tut.
Die Dummheit überliefert sich der Sünde,
Nicht, ahnend, was sie will und was sie wagt.
Arnolph. Gut paßt auf diese wunderschönen Gründe,
Was dem Panurg Pantagruel gesagt:
»Dräng mich ein Weib zu nehmen, das nicht dumm;
Argumentier und predige bis Pfingsten,
Du wirst dich wundern, wenn du endlich stumm;
Denn mich bekehrtest du nicht im geringsten.«
Chrysald. Ich sag' kein Wort mehr.
Arnolph. Jeder wie er muß.
Ob's Frau'n betrifft, ob anderes – ich lebe
Auf meine Art. Mich läßt mein Überfluss
Ein Mädchen wählen, der ich alles gebe,
Die demutsvoll und im Gehorsam blind
Mir weder Stand noch Geld hat vorzurücken.
Sie war bereits als ein vierjährig Kind
Durch ihre Sanftmut mein Entzücken.
Die Mutter lebte karg; dies gab mir ein,
Der guten Bäurin vorzuschlagen,
Des Kindes Pflege mir zu übertragen,
Und sie war froh, die Bürde los zu sein.
In einem Kloster, fern dem Weltgetriebe,
Ließ ich sie dann erziehn nach meinem Plan:
Das heißt, was irgend anging, ward getan,
Damit sie so beschränkt wie möglich bliebe.
Gottlob, gelungen ist, was ich begehrt:
Erwachsen jetzt ist sie in solchem Grade
Einfältig noch, daß mir des Himmels Gnade
In ihr mein weiblich Ideal beschert.
So kam sie heim; jedoch in meinem Haus
Gehn täglich hundert Menschen ein und aus;
Drum hab' ich sie mit klugem Vorbedacht
In jenes Nachbarhaus, wo niemand sie erreichen,
Nichts ihre Unschuld trüben kann, gebracht,
Zu Leuten, die an Schlichtheit ganz ihr gleichen.
Warum ich Ihnen alles das erzählte?
Um Ihnen meine Vorsicht zu beweisen.
In alter Freundschaft bitt' ich obendrein,
Daß Sie mit mir heut Abend bei ihr speisen;
Ob ich die Rechte mir erwählte,
Soll Ihrer Prüfung unterworfen sein.
Chrysald. Ich komme gern.
Arnolph. Und geben Sie nur acht,
Wie ahnungslos sie ist, wie untertänig!
Chrysald. Was Sie mir sagten, läßt in Anbetracht
Grad dieses Punkts ...
Arnolph. Ich sagte viel zu wenig.
Sie spricht in ihrer Einfalt manchmal Sachen,
Daß ich imstande wär' mich totzulachen.
Erst kürzlich – kommt es einem glaublich vor? –
Find' ich sie grübelnd, und warum? Sie stellt
Mir ganz naiv die Frage, ob zur Welt
Die Kinder kommen durch das Ohr!
Chrysald. Herr Arnolph, meinen Glückwunsch!
Arnolph. So nicht mehr
Mich anzureden bat ich Sie schon häufig.
Chrysald. Verzeihung! Das behält sich schwer;
Herr von Lasouche ist mir noch nicht geläufig.
Zum Teufel auch, nur wenige begreifen's,
Daß zweiundvierzigjährig Sie den alten,
Verdorrten Stammbaum Ihres Ackerstreifens
Für sich zum Adelstitel umgestalten!
Arnolph. Das ist mein Recht, und »von Lasouche« erklingt
Weit freundlicher als Arnolph meinen Ohren.
Chrysald. Man nenne sich, wie sich der Vater nannte!
Ein selbstgebackner Name ziemt nur Toren.
Das ist die Sucht, die stetig weiter dringt!
Ich will nicht grade sticheln: doch ich kannte
Ein Bäuerlein, das hieß der dicke Peter weiland;
Der Kerl, aus Stolz, ein Eckchen Land zu haben,
Umgab es rings mit einem schlamm'gen Graben
Und nennt sich heute Herr von Eiland.
Arnolph. Die weiteren Exempel schenk' ich Ihnen.
Ich heiße von Lasouche, trotz alledem.
Der Name kommt mir zu, ist mir genehm,
Und wer mich anders nennt, wird keinen Dank verdienen.
Chrysald.