DER MÖRDER TRITT AB - EIN FALL FÜR ANTONY MAITLAND - Sara Woods - E-Book

DER MÖRDER TRITT AB - EIN FALL FÜR ANTONY MAITLAND E-Book

Sara Woods

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Beschreibung

Kriminalinspektor Philip Brady hat zwei Verbrecher wegen Diamantenschmuggels vor Gericht gezerrt, als der Fall eine überraschende Wendung nimmt: Zeugen fallen um, Dokumente sind nicht mehr auffindbar - das Verfahren muss eingestellt werden. Kurz danach wird einer der Verdächtigen erstochen - und Brady wird unter Mordverdacht festgenommen! Sir Nicholas Harding übernimmt den Fall, während der Londoner Staranwalt Antony Maitland, sein Neffe, im Hintergrund ermittelt...

 

Der Roman Der Mörder tritt ab der britischen Schriftstellerin Sara Woods (eigtl. Lana Hutton Bowen-Judd - * 07. März 1922; † 05. November 1985) erschien erstmals im Jahr 1978; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im Jahr 1983.

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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SARA WOODS

 

 

Der Mörder tritt ab

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Signum-Verlag

 

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DER MÖRDER TRITT AB 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Das Buch

 

Kriminalinspektor Philip Brady hat zwei Verbrecher wegen Diamantenschmuggels vor Gericht gezerrt, als der Fall eine überraschende Wendung nimmt: Zeugen fallen um, Dokumente sind nicht mehr auffindbar - das Verfahren muss eingestellt werden. Kurz danach wird einer der Verdächtigen erstochen - und Brady wird unter Mordverdacht festgenommen! Sir Nicholas Harding übernimmt den Fall, während der Londoner Staranwalt Antony Maitland, sein Neffe, im Hintergrund ermittelt... 

 

Der Roman Der Mörder tritt ab der britischen Schriftstellerin Sara Woods (eigtl. Lana Hutton Bowen-Judd - * 07. März 1922; † 05. November 1985) erschien erstmals im Jahr 1978; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im Jahr 1983. 

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

  DER MÖRDER TRITT AB

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Donnerstag, 20. Mai

 

»Verstehst du, ich habe Sykes praktisch mein Wort gegeben, dass ich den Fall übernehme«, sagte Antony Maitland.

Er brachte es fertig, so zu sprechen, dass sein Ton eigensinnig und entschuldigend zugleich klang. Sein Onkel, Nicholas Harding, ignorierte die Entschuldigung und kam direkt auf den Punkt, der ihm der Kern der Sache zu sein schien.

»Du magst doch den Gerichtsbezirk West Midland gar nicht, und in Chedcombe bist du nicht gerade populär...«

»Es handelt sich nicht um Chedcombe, es handelt sich um Northdean.«

»...und du bist im Übrigen nicht verpflichtet, der Polizei gefällig zu sein«, schloss Sir Nicholas, ohne auf die Unterbrechung einzugehen.

»Sykes war immer sehr hilfsbereit«, stellte Maitland fest.

»Und das ist zweifellos der Grund, weshalb man den Chefinspektor erwählte, dir die Sache vorzutragen. Aber der Fall betrifft ihn nicht direkt...«

»Höchstens insoweit, als der gute Name der Polizei auf dem Spiel steht.«

»...und von diesem Inspektor Brady hast du nie gehört, soviel ich weiß.«

»Da hast du natürlich recht. Er ist der zuständige Divisional Detektiv-Inspektor, aber der einzige Angehörige der Polizei von Northdean, mit dem ich je zu tun gehabt hatte, sitzt in einer anderen Abteilung... ein gewisser Mawson, wenn ich mich recht erinnere.«

»Das alles gehört gar nicht zur Sache«, erklärte Sir Nicholas mit einiger Schärfe. »Wenn du mir nur einen guten Grund nennen kannst...«

»Ich kann dir drei nennen.« Hoffnungsvoll legte Antony eine Pause ein, aber sein Onkel begnügte sich damit, schweigend zu warten. So fuhr er denn fort: »Ich habe bereits einmal die Polizei in einem Fall vertreten, bei dem es sich um ungerechtfertigte Inhaftierung handelte; ich kenne den ortsansässigen Anwalt, Peter Gibson, der offenbar ganz versessen darauf ist, mir den Fall zu übertragen, obwohl ich nicht recht weiß, warum; und die Sache, die du vor sechs Jahren in Northdean bearbeitet hast, als ich dir assistierte, betraf den Schmuggel von Diamanten, und genau darum scheint es jetzt wieder zu gehen.«

»Das ist gerade der Grund, weshalb - aber am besten erzählst du mir erst einmal mehr darüber.«

Sir Nicholas gab sich resigniert, aber sein Neffe kannte ihn zu gut, um sich davon täuschen zu lassen.

»Ich weiß selbst nicht viel darüber«, sagte er, wobei er recht gut seinen Ärger darüber verbarg, dass er in eine Lage gedrängt worden war, in der Erklärungen unvermeidbar waren. »Ich habe den Eindruck, Sykes drückt sich absichtlich vage aus. Ein gewisser Dobell wurde des Diamantenschmuggels angeklagt - das habe ich dir ja bereits erzählt -, und mitangeklagt war ein gewisser John Irving. Der Beamte, der die Ermittlungen leitet, bei der Verhandlung der Hauptzeuge der Anklage, war dieser Inspektor Brady; unglücklicherweise fielen sämtliche anderen Zeugen um, so dass beide Angeklagte freigesprochen wurden. Und ein, zwei Wochen später erstatteten sie Anzeige wegen ungerechtfertigter Inhaftierung.«

»Das scheint mir alles ein wenig merkwürdig... Soweit ich mich erinnere, war Chefinspektor Sykes damals, als wir zusammen in Northdean waren, sehr daran gelegen, dir jede Teilnahme an den Ermittlungen auszureden.«

»Nun...«, sagte Antony und ließ es dabei bewenden.

Sein Onkel lächelte ihn an. Wenn ein Dritter zugegen gewesen wäre, hätte er in diesem Moment vielleicht gesehen, dass die Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern sehr stark war; und wahrscheinlich wäre er verwundert gewesen, da sich diese Ähnlichkeit nur auf die Mimik beschränkte. Sie waren beide groß, aber abgesehen davon bestand zwischen ihnen keine körperliche Ähnlichkeit. Maitland war dunkel, lässig, humorvoll; sein Onkel war stämmiger gebaut; dessen Haar war so hell, dass das Grau, das sich in das Blond mischte, gar nicht zu sehen war. Er besaß außerdem eine Ausstrahlung der Autorität, deren er selbst sich nicht bewusst war.

»Genau«, sagte er jetzt, als hätte sein Neffe den angefangenen Satz beendet. »Er hielt es für zu gefährlich.«

»Diesmal ist er nicht der Meinung. Es kann keine Rede davon sein, dass meine Ermittlungen über die Umstände oder über die Anklage und den Freispruch hinausgehen werden.«

»So, wie ich dich kenne - und wie ich dachte, dass Sykes dich kennt...« Auch Sir Nicholas spann seinen Gedanken nicht weiter. »Er hatte natürlich keine Ahnung von diesem wahnwitzigen Impuls, der dazu führte, dass du mit dem Mann in Kontakt kamst, dessen Namen wir niemals erfuhren, aber der eindeutig der Kopf dieser ganzen Schmuggelorganisation war.«

»Nenne ihn doch einfach Mr. X«, riet Antony. »Selbstverständlich habe ich Sykes davon nichts erzählt. Du wirst dich erinnern, dass ich ein Abkommen mit ihm getroffen habe, das die Polizei gewiss nicht gebilligt hätte.«

»Trotzdem - er war ein gefährlicher Mann, das hast du damals selbst zugegeben. Dass du dich jetzt in seine Geschäfte einmischen willst...«

»Wir haben keinen Anlass zu glauben, dass er in irgendeiner Weise betroffen ist.«

»Sei doch nicht naiv, Antony. Wir haben allen Grund dazu. Eine seiner Filialen in Northdean flog auf, also errichtete er eine andere. So einfach ist das.«

»Kann schon sein, aber es gibt überhaupt keinen Grund, weshalb unsere Wege sich wieder kreuzen sollten.«

»Er kennt dich, vergiss das nicht; du kennst ihn nicht.«

»Nun, wenn du es so sehen willst, dann könnte er mir hier in London eher über den Weg laufen als in Northdean. Das könnte jederzeit passieren und wäre für uns beide peinlich.«

»Ich sehe schon«, meinte Sir Nicholas, nicht geneigt, sich auf dieses Argument einzulassen, »dass du deinen Entschluss bereits gefasst hast.«

»Ich habe dir ja gesagt, ich habe es Sykes versprochen.«

»Dann will ich nichts mehr dazu sagen.« Antony grinste, er glaubte es keinen Moment. »Wer ist der Anwalt am Ort? Du sagtest, du kennst ihn.«

»Peter Gibson. Er hat Camilla Barnard vertreten, du musst dich doch an ihn erinnern. Es war sein Schwager, den du vor Gericht schließlich überführt hast.«

»Natürlich erinnere ich mich.« Die Erinnerung jedoch schien Sir Nicholas nicht zu erfreuen. »Die ganze Vorbereitung des Falles war äußerst unzulänglich, aber das war, wie ich mich ebenfalls erinnere, deine Schuld, nicht die Gibsons.«

»Es gab - Schwierigkeiten«, versetzte Maitland kleinlaut.

»Zweifellos.« Sir Nicholas’ Ton war trocken, aber in Gedanken

war er bereits woanders. »Ich vermute, er wird sich ebenfalls mit Miss Langhorne in Verbindung setzen, damit sie mit dir Zusammenarbeiten kann.«

»Vera? Äh - nein.«

»Kommt der Gedanke von dir oder von ihm?«

»Ich nehme an - nun, eigentlich dachte ich, Wellesley...«

»Da Miss Langhorne in den letzten Jahren bereits dreimal mit dir zusammengearbeitet hat...«

»Ja, aber diesmal...«

»Ja?« Sir Nicholas wartete und fügte dann, als keine Antwort kam, in katzenfreundlichem Ton hinzu: »Du wolltest sagen, nicht wahr, dass du diesmal angesichts der gefährlichen Situation nicht die Absicht hättest, sie um ihren Beistand zu bitten?«

Antony zögerte. Sein erster Impuls gebot ihm, alles zu bestreiten, aber was hatte das bei Onkel Nick schon für einen Sinn?

»Kann sein«, erwiderte er vorsichtig, »dass etwas dieser Art mir durch den Kopf gegangen war.«

»Ich dachte es mir. Dann stimmst du also mit mir überein, Antony, dass das ganze Gerede, du würdest strikt bei der Sache bleiben und deine Nase nicht weiter in die Angelegenheiten deines Mandanten hineinstecken, nur dazu gedacht war, mich irrezuführen.«

»Nein, es war mir ernst damit. Es ist nur, dass... es besteht immer die Möglichkeit, dass die Dinge außer Kontrolle geraten.«

Sir Nicholas betrachtete ihn einen Moment lang schweigend.

»Ich glaube dir, dass es dir mit dem, was du sagst, ernst ist«, meinte er dann widerwillig. »Aber du musst zugeben, dass es bei den Fällen, die du übernimmst...«

»Das hat doch mit mir nichts zu tun«, warf Antony rasch ein. »Das ist Schicksal«, fügte er hoffnungsvollen Tones hinzu.

Sir Nicholas lachte. »Nun, ich bin froh, dass du mir gegenüber wenigstens teilweise ehrlich bist«, sagte er. »Dennoch bin ich der Meinung, du solltest deine Entscheidung, nicht mit Vera Langhorne zusammenzuarbeiten, rückgängig machen.«

»Aber Onkel Nick...«

»Wenn es dein Gewissen beruhigt, kannst du ihr ja erklären, dass ein gewisses Risiko vorhanden ist. Dann liegt die Entscheidung wenigstens bei ihr. Wenn du die Entscheidung ganz willkürlich und ohne Erklärung für sie triffst, wirst du sie meiner Ansicht nach sehr verletzen. Sie ist eine empfindsame Frau - was du vielleicht noch nicht bemerkt hast.«

»Natürlich weiß ich das.« Maitland fühlte sich auf den Schlips getreten. Er hatte, das stimmte, in den vergangenen Jahren mehrmals mit Vera Langhorne zusammengearbeitet, und sie gehörte zu den Menschen, mit denen er und Jenny den Kontakt aufrechthielten; er war der Ansicht, sie inzwischen sehr gut zu kennen. »Ich werde Mallory bitten, sich morgen Vormittag mit Gibson in Verbindung zu setzen, und werde dann selbst mit Vera sprechen.«

»Das ist gewiss das beste.« Nachdem Sir Nicholas so seinen Kopf durchgesetzt hatte, gab er sich liebenswürdig. »Hast du eine Ahnung, wann die Sache zur Verhandlung kommt?«

»Irgendwann nächste Woche höchstwahrscheinlich. Zumindest glaubte Sykes das.«

»Ist dir klar, dass das wahrscheinlich für den Sommer die letzte Schwurgerichtssitzung ist, die in Northdean stattfindet - oder sonstwo?«

»Daran hatte ich gar nicht gedacht.«

»Ich muss gestehen«, sagte Sir Nicholas vielleicht zum fünfzigsten Mal, seit die Sache zum ersten Mal zur Debatte gestanden hatte, »dass ich hinsichtlich dieser neuen Krongerichte die schwersten Bedenken habe. Du wirst zugeben, Antony, dass ich noch nie dafür war, Veränderungen nur um der Veränderung willen herbeizuführen...«

 

Eine halbe Stunde später - nachdem er edelmütig ein Glas vom ausgezeichneten Cognac seines Onkels abgelehnt hatte, um dafür mit Jenny einen Schlaftrunk wesentlich minderwertigerer Qualität zu teilen - verließ Antony das Arbeitszimmer, durchquerte das Vestibül und ging nach oben in seine eigene Wohnung. Das Haus war unmittelbar nach dem Krieg in separate Wohnungen geteilt worden; es hätte eine Notlösung sein sollen, dazu gedacht, den Maitlands ein eigenes Reich zu erstellen. Inzwischen waren viele Jahre vergangen, seit das letzte Mal von ihrem Umzug gesprochen worden war, und alle die Regeln und Vorschriften, die ursprünglich aufgestellt worden waren, um Zusammenstöße zwischen den beiden Familien zu vermeiden, waren längst vergessen.

Jenny Maitland wartete im Wohnzimmer. Das war ein großer Raum, die Möbel passten nicht zusammen, das Sofa war kein Prachtstück, aber dafür war es ungeheuer bequem; im offenen Kamin brannte ein Feuer, Jenny hatte vor noch nicht einem Monat neue Vorhänge gekauft, irische Blumen waren da und Bücher, das Zimmer atmete Frieden und Behaglichkeit. Antony kostete diesen Moment des Heimkommens immer aus, selbst wenn er, wie jetzt, nur auf einen Sprung unten bei seinem Onkel gewesen war; doch es war Jennys Temperament, das der Raum widerspiegelte, nicht sein eigenes.

Jenny warf ihm nur einen kurzen Blick zu, als er das Zimmer auf dem Weg zum Kamin durchquerte.

»Onkel Nick war schwierig«, stellte sie fest.

Antony lächelte und stellte sich in seiner Lieblingspose vor dem Kamin auf, etwas links von der Öffnung, mit einer Schulter an den hohen Sims gelehnt.

»Nicht schwieriger als sonst«, antwortete er dann. »Er hat mir befohlen, Vera zuzuziehen.«

»Aber natürlich nimmst du Vera«, sagte Jenny überrascht. »Warum denn nicht?«

Es war nicht das erste Mal, dass die friedliche Atmosphäre des Raumes ihn dazu verlockt hatte, mehr zu sagen, als er eigentlich sollte, wenn er auf Jennys Seelenfrieden Rücksicht nehmen wollte. Jetzt versuchte er, den Rückzug anzutreten.

»Natürlich nehme ich sie«, versicherte er eilig. »Es gibt überhaupt keinen Grund, es nicht zu tun.«

»Hast du schon mit ihr gesprochen?«

»Noch nicht.«

»Ruf sie doch jetzt an.«

»Nein, morgen.«

»Aber...«

»Es ist spät, Jenny.«

»Es ist erst Viertel nach zehn«, wandte Jenny ein. »Und du weißt doch, dass Vera immer lange aufbleibt und Platten hört.«

»Ich möchte sie aber nicht stören.«

Gehorsam ließ Jenny das Thema fallen, aber sie war sichtlich nicht zufriedengestellt.

»Wann musst du nach Northdean?«, fragte sie.

»Nächste Woche. Vielleicht muss ich schon Sonntagabend hinauffahren. Ich möchte die Sache mit Gibson gründlich durchgehen, bevor die Verhandlung anfängt.« Doch es machte ihm keine Freude, über das Thema zu sprechen; er fühlte sich unbehaglich dabei, und Jenny war ihm im Augenblick etwas zu scharfsichtig. »Onkel Nick sieht die neuen Krongerichte äußerst düster«, erzählte er ihr. »Ich hoffe nur, er wird dich mit dem Thema nicht zu Tode langweilen, während ich weg bin.«

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Sonntag, 23. Mai

 

Northdean ist die Hauptstadt der Grafschaft Westhampton, ein Ort mit grauen, massigen Häusern, dessen Herz noch immer der Marktplatz ist, obwohl sich dort jetzt statt der Rinderpferche ein Bushof befindet und der Markt an geeigneterer Stelle am Stadtrand stattfindet. In den Außenbezirken gibt es auch einige Fabriken, die Stadt kann sich einer ganzen Anzahl guter Geschäfte rühmen, und das Red Lion - das Gasthaus, wo während eines Schwurgerichtsprozesses im allgemeinen die Kantine für Anwälte und Richter eingerichtet wird - strahlt Behaglichkeit, ja sogar eine gewisse Kultiviertheit aus, die Maitland sehr willkommen war, als er dort recht spät am Abend ankam und sich sein Zimmer zeigen ließ. Es war ein wenig größer als jenes, das er bei seinem letzten Besuch bewohnt hatte, aber gleichermaßen anheimelnd.

Über die Reise konnte er sich nicht beschweren; die Bahnfahrt war schnell und bequem gewesen, er hatte sogar ein einigermaßen anständiges Essen bekommen. Doch vor seiner Abfahrt hatte noch eine Besprechung stattgefunden, eine, wie sich herausstellte, äußerst ermüdende Besprechung mit einem Mandanten, der viel zu zungenfertig, viel zu geschwätzig gewesen war. Jetzt fühlte sich Maitland abgeschlagen, und der Schmerz in seiner Schulter, ein Vermächtnis aus dem Krieg, war zermürbender als sonst.

Doch die Nachricht, die auf ihn wartete, konnte er nicht ignorieren: Bitten Sie Mr. Maitland, Mr. Gibson anzurufen, sobald er eintrifft. Die Nummer stand dabei.

Lucy Gibson meldete sich, als er anläutete, und genau davor hatte ihm gegraut, weil er keine Ahnung hatte, was für eine Einstellung er von ihr zu erwarten hatte. Aber es war alles in Ordnung. In ihrem Ton lag Herzlichkeit und noch etwas anderes, das vielleicht Erleichterung war.

»Ich wollte mit Ihnen sprechen, Mr. Maitland«, sagte sie, sobald sie ihn begrüßt hatte. »Peter macht sich Sorgen!«

Es hatte keinen Sinn zu sagen, dass er dafür bezahlt werde. Antony begnügte sich mit einem vorsichtigen »Es tut mir leid, das zu hören, aber ich weiß noch gar nicht viel über den Fall, wissen Sie.«

»Nein, natürlich nicht. Peter wird Ihnen berichten. Aber ich möchte nicht, dass Sie sich von Philip Bradys Art abschrecken lassen; er ist nicht immer sehr klug, aber er ist wirklich nett und ein guter Freund von uns.«

»Ich verstehe.« Er meinte, nur zu gut zu verstehen. Wenn irgendetwas geeignet gewesen wäre, die Situation noch schwieriger zu gestalten... »Sie wissen, dass wir unser Bestes für ihn tun werden, Mrs. Gibson.«

»Selbstverständlich. Sie müssen zum Essen zu uns kommen, Mr. Maitland. Passt es Ihnen morgen Abend?«

Es fiel ihm keine Ausrede ein, er war nicht einmal sicher, dass er eine ins Feld führen wollte. Das Schlimmste, was er über Peter Gibson wusste, war, dass dieser äußerst gewissenhaft war, und über Lucy, dass sie vielleicht überfreundlich war und eine Vorliebe für Sherry hatte. Warum also zaudern, wo er sie doch beide mochte, und sie bereit zu sein schien, Vergangenes zu vergessen?

»Das wäre sehr nett«, antwortete er. »Ich komme gern.«

»Gut dann. Peter wird langsam ungeduldig. Ich gebe ihn Ihnen.«

»Danke.«

Das hörte sie wahrscheinlich gar nicht mehr, denn schon war Gibson am Apparat. Nach nahezu sechs Jahren hätte er Lucys Stimme nicht wiedererkannt, aber das Organ Peters war ihm augenblicklich wieder vertraut.

»Es tut mir leid, dass ich Sie so spät noch belästigen muss«, sagte Peter. »Aber ich hielt es für das beste, gleich für morgen etwas zu vereinbaren.«

»Mir passt es jederzeit.«

»Schön, dann um zehn. Würden Sie zu mir in die Kanzlei kommen? Wir sind in der Westgate Street, Nummer neunundfünfzig. Das ist links, wenn Sie aus dem Hotel herauskommen.«

»Gut.«

»Vera kommt auch. Sie fährt von Chedcombe herüber.«

Maitland wusste nicht recht, ob er das als Drohung oder als Verheißung auffassen sollte. Er wusste, dass Vera ihn mochte und ihm vertraute - bis zu einem gewissen Grad. Aber es konnte Schwierigkeiten geben. Gibson jedoch wusste darüber wahrscheinlich nichts.

»In Ordnung«, erwiderte er. »Ich nehme an, sie tappt ebenso im Dunkeln wie ich.«

»Wenn Sie ihren Bericht gelesen hätten...«, begann Peter.

Antony grinste; es war nicht das erste Mal, dass man ihm das sagte.

»Oh, ich habe ihn gelesen«, versicherte er. »Aber Sie müssen zugeben, dass er Punkte enthält, die sich in einem persönlichen Gespräch besser klären lassen.«

»Ja, wahrscheinlich. Jedenfalls bin ich froh, dass Sie die Sache übernehmen konnten.«

Darauf zu antworten, dass er sie mit Freuden übernommen hätte, wäre eine glatte Lüge gewesen.

»Ich freue mich darauf, Sie und Ihre Frau wiederzusehen«, sagte Antony deshalb und fand, er hätte die Sache recht geschickt umgangen.

»Bis morgen dann.« In Gibsons Stimme lag Erheiterung; vielleicht war das Ausweichmanöver Antonys offenkundiger gewesen, als er beabsichtigt hatte. »Ich möchte Sie jetzt gar nicht länger aufhalten.«

Danach führte er ein kurzes Gespräch mit Jenny und zog sich dann aus, um zu Bett zu gehen. Das Fenster war bereits offen, doch er ging hinüber und schob es noch ein Stück höher. Er legte sein Buch, ein neues von Jeremy Skelton, auf den Nachttisch und wollte gerade die schwere Tagesdecke herunterschlagen, als das Telefon läutete.

Einen Moment lang stand er da und starrte den Apparat an, ohne zum Hörer zu greifen, und hatte das Gefühl, genau diese Szene schon einmal erlebt zu haben. Es konnte Jenny sein, die ihm noch irgendetwas sagen wollte, was sie zu erwähnen vergessen hatte; es konnte Sir Nicholas sein, obwohl das unwahrscheinlich war; es konnte sogar Peter Gibson sein, obwohl auch das angesichts der klaren Vereinbarung, die sie für den nächsten Tag getroffen hatten, unwahrscheinlich war. Und dann kam ihm der Gedanke, dass es Vera Langhorne sein könnte, und er hob den Hörer ab und sagte »Hallo«, ehe ihm einfiel, dass selbst ein Anruf von Chedcombe aus ihr wahrscheinlich zu teuer wäre, wenn sie ihm nichts Nützlicheres sagen konnte, als ihn herzlich willkommen zu heißen.

Und, wie er fast erwartet hatte, nur Schweigen antwortete ihm. Er sagte nochmals »Hallo«, jedoch ohne mit einer Erwiderung zu rechnen. Und nach einem Augenblick des Zögerns fügte er hinzu: »Hier Maitland.« Darauf wurde die Verbindung unterbrochen. Er konnte das Knacken hören, als am anderen Ende der Leitung der Hörer aufgelegt wurde.

Sie wussten also, dass er hier war, und sie wussten zweifellos auch, warum er hier war. Als er in der vergangenen Woche mit seinem Onkel gesprochen hatte, war er durchaus aufrichtig gewesen in seiner Behauptung, dass er auf seine Zuziehung zu dem Fall keine Reaktionen erwartete; doch jetzt wusste er, dass er unbewusst der Fallstricke gewahr gewesen sein musste, die auf ihn vielleicht lauerten. Wenn aber der Mann, den er, halb im Scherz, Mr. X genannt hatte, bereits wusste, dass er in Northdean war, und ihn hatte anrufen lassen, um sich Bestätigung zu holen... Genau das nämlich hatte er auch das letzte Mal getan...

Nun, jetzt weiß er es. Und er könnte wahrscheinlich ebenso gut wie Onkel Nick auf den Gedanken kommen, ich würde mich dazu verlocken lassen, meine Nase in seine Angelegenheiten zu stecken. Denn ich muss gestehen, dass ich, nicht ganz unberechtigterweise, zugunsten meines Mandanten voreingenommen bin. »Ich habe es mir angelegen sein lassen, einiges über Sie in Erfahrung zu bringen, Mr. Maitland.« Das, oder etwas sehr Ähnliches, hatte Mr. X gesagt, als wir schließlich aufeinanderprallten. Und noch immer weiß ich nicht, wer er ist. Ich will es auch gar nicht wissen, es geht mich nichts an. Und was, zum Teufel, kümmert es ihn, dass zwei seiner Handlanger in Northdean in der Tinte sitzen? Die wissen doch auch nicht, wer er ist, darauf kann man sich verlassen.

Maitland merkte plötzlich, dass jetzt ein kalter Luftzug durch das Fenster kam. Hastig legte er die Tagesdecke über einen Sessel und kroch ins Bett. Es hatte keinen Sinn, sich Kopfzerbrechen zu machen; der Bursche würde wahrscheinlich früher oder später dahinterkommen, dass er nicht die Absicht hatte, über sein Mandat hinaus zu handeln.

Aber was, wenn er das nicht merkte?

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Montag, 24. Mai

 

Am folgenden Morgen war es so warm wie im Hochsommer. Maitland frühstückte in aller Ruhe. Die Northdean Daily Record lehnte an der Kaffeekanne, und er las ohne großes Interesse, dass die Wahlen in Trinidad dem Premierminister eine vierte Amtsperiode eingebracht hatten und dass der sowjetische Ministerpräsident zu Gesprächen in Ägypten eingetroffen war. Manchmal hatte er den Eindruck, dass auf der ganzen Welt zu viel geredet wurde, aber wenn man das behaupten wollte, dann musste man auch zugeben, dass dafür zu einem guten Teil Juristen verantwortlich waren. Er trank den letzten Schluck Kaffee, ließ die Zeitung ohne Bedauern zurück und ging hinaus in den Sonnenschein.

Die Westgate Street war ihm vertraut, er kannte sie von früher.

Diesmal jedoch brauchte er nicht weit zu gehen. Er fand die Kanzlei Noyes und Gibson, Rechtsanwälte und Notare, auf der linken Seite, noch ehe er mehr als zweihundert Meter zurückgelegt hatte. Auf der Straße war viel Verkehr, und er trat nur zu gern in das Gebäude und stieg, der Weisung eines an die Wand gemalten Fingers folgend, in den ersten Stock hinauf. Dort oben fühlte er sich sofort zu Hause, allein schon der Geruch - der staubige Geruch nach unbearbeiteten Akten - war vertraut. Im Vorzimmer saßen eine seelenruhige Frau mittleren Alters, ein gehetzt wirkendes Mädchen und ein junger Mann, der offenbar ohne viel Erfolg versuchte, die Abrechnung der kleinen Kasse so hinzukriegen, dass sie stimmte. Überall lagen Stapel von Urkunden herum, so als reichte im Tresor der Platz nicht mehr aus.

Als er nach Mr. Gibson fragte und darauf hinwies, dass er einen Termin habe, hörten alle drei zu arbeiten auf und sahen ihn an.

»Sie müssen Mr. Maitland sein«, stellte die ältere Frau schließlich fest. Als sie aufstand, fügte sie hinzu: »Ich zeige Ihnen Mr. Gibsons Zimmer.«

»Peter Gibsons Büro war ein freundlicher, wenn auch ziemlich konventionell eingerichteter Raum, relativ ordentlich im Vergleich zu dem Durcheinander, das sonst überall herrschte. Vera Langhorne war schon da, eine Tasse Kaffee vor sich. Wie wenig, dachte Antony, als sie aufstand, um ihn zu begrüßen, sie sich in den vergangenen Jahren verändert hat. Sie musste inzwischen sechzig sein, war eine hochgewachsene, ziemlich wuchtig gebaute Frau mit dickem, unordentlichem Haar, das einmal dunkel gewesen war, jetzt aber schon ziemlich grau schimmerte. Ein schäbiger Regenmantel, der seiner Meinung nach nur der ihre sein konnte, lag achtlos über einem Stuhl, und das sackähnliche Gewand, das sie trug, hätte gut und gern das Kleid sein können, das sie angehabt hatte, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Der Gedanke schoss ihm durch den Kopf und überraschte ihn, dass leuchtende Farben ihr sicher stehen würden; es war schade, dass sie sich auf die sogenannten neutralen Töne beschränkte.

Trotz seiner früheren Bedenken konnte es keinen Zweifel geben, dass sie erfreut war, ihn zu sehen. Peter Gibson, der sie beide wohlwollend beobachtete, zeigte belustigte Miene. Auch er war groß, beinahe so groß wie Maitland, und ungewöhnlich mager. Mitte Vierzig jetzt. Helle, blaue Augen, glattes, blondes Haar.

»Ich habe ihm gerade gesagt«, bemerkte Vera mit einer Geste in seiner Richtung, »dass es ein guter Gedanke war, Sie zuzuziehen.«

»Nun, er hatte sie gewarnt, und wenn sie es für richtig hielt, seine Warnungen in den Wind zu schlagen, dann hatte es keinen Sinn, das Thema nochmals aufs Tapet zu bringen.

Die Höflichkeit erwidernd, sagte er deshalb mit einem Anflug von Förmlichkeit: »Es freut mich, Gelegenheit zu haben, wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten.« Dann wandte er sich an Peter: »Wenigstens haben wir im Diamantenschmuggelgeschäft bereits etwas Erfahrung.«

Das war nicht gerade die taktvollste Art, ihre frühere Zusammenarbeit anzusprechen, doch es war wichtig, offen zu sein, um zu sehen, wie der andere Mann eingestellt war.

»Das ist richtig.« Gibson schien nachdenklich, fuhr jedoch nach einer nur kurzen Pause fort, als hätte er Maitlands Überlegung erraten: »Es kommt einem vor, als wäre das lange, lange her. Alan kommt es wahrscheinlich wie eine Ewigkeit vor.«

Alan Barnard war sein Schwager, und wenn man überhaupt einen anderen als ihn selbst dafür verantwortlich machen konnte, dass er ins Gefängnis gewandert war, dann Antony Maitland.

»Aber jetzt sind es vielleicht nur noch zwei oder drei Jahre, bis er wieder auf freiem Fuß ist«, fügte Gibson hinzu.

»Ja, wahrscheinlich. Wie geht’s Ihrer Frau?«

»Sie macht Ihnen keinen Vorwurf«, sagte Peter, die unausgesprochene Frage beantwortend, die sich hinter der ausgesprochenen verbarg. Er schien in Stimmung, unverblümt zu reden, was Antony in gewisser Weise freute, ihn aber auch beunruhigte. »Wir freuen uns beide auf heute Abend. Könnten Sie nicht bleiben und auch mit uns essen, Miss Langhorne?«

»Ich muss zurück«, erwiderte Vera. Wie gewöhnlich klang ihre Stimme barsch, aber das verdeckte nicht ihre Freude über die Einladung. »Wenn der Prozess anfängt, muss ich natürlich sowieso hier bleiben, aber das reicht mir.«

»Ich verstehe. Setzen Sie sich doch beide.« Gibson kehrte zu dem Sessel hinter seinem Schreibtisch zurück. »Also, was wollen Sie wissen?«

»Alles«, sagte Maitland.

Vera sagte nichts, lächelte nur ihr recht grimmiges Lächeln und nickte.

Die Forderung schien Gibson nicht übermäßig zu stören. Er sagte völlig ernsthaft: »Zumindest wissen Sie den Namen unseres Mandanten.«

»Philip Brady«, versetzte Maitland prompt. »Er ist Detektiv-Inspektor bei der hiesigen Kriminalpolizei und trat als Hauptzeuge gegen die Kläger auf, als sie wegen Diamantenschmuggels vor Gericht standen. Sie sehen«, fügte er hinzu, »ich habe den Bericht doch gelesen.«

»Er enthielt aber auch noch einige andere Fakten.«

»Die würde ich viel lieber von Ihnen hören. Wenn es da noch etwas zu besprechen gibt, können Miss Langhorne und ich unseren Teil beisteuern.«

»Also gut. Der Prozess fand Anfang Februar statt, wenn ich mich richtig erinnere. Wellesley vertrat die Anklage...«

»Warum, zum Teufel, haben Sie dann nicht ihm diesen Fall aufgeladen?«

»Ich dachte, ein anderer Blickwinkel...« Peter Gibson zuckte die Achseln. »Im Übrigen hatte er ja schon in der ersten Runde nicht gerade mit auffälligem Erfolg gekämpft.«

»Man kann doch wohl kaum behaupten, dass das seine Schuld war. Soweit ich verstanden habe, sind sämtliche Zeugen umgefallen.«

»Das stimmt.«

»Sie sprechen von einem anderen Blickwinkel...«

»Ich war immer der Meinung, dass Sie durch eine Steinmauer weiter sehen können als die meisten.«

Maitland lachte. »Mein Onkel drückt das weniger höflich aus«, versetzte er. Noch ehe er aber der Bemerkung eine Erläuterung folgen lassen konnte, wurde er von Vera unterbrochen.

»Ich möchte nur darauf hinweisen«, sagte sie, »dass uns das in der Lagebesprechung nicht weiterbringt.«

Antony war augenblicklich zerknirscht.

»Meine Schuld«, bekannte er. »Es hat mich nur interessiert...« Er brach ab und warf einen Verzeihung heischenden Blick in Miss Langhornes Richtung. »Kommen wir also wieder zu Inspektor Philip Brady.«

Diesmal wich Peter Gibson vom Thema ab.

»Er hat für Rechtsanwälte nicht viel übrig«, bemerkte er. »Der Verteidiger hat ihn vor Gericht ganz schön hergenommen.«

Deshalb also hatte Lucy ihn, Maitland, gewarnt. Nun, da konnte man nichts tun, als sich dem Problem stellen, wenn es soweit war.

»Wir müssen versuchen, ihn umzustimmen«, sagte Maitland. »Inzwischen...«

»Er sagte mir, er hätte den Fall damals für völlig klar gehalten«, unterbrach Gibson ihn. »Angefangen hat alles mit einem Mann in

New York, der in einem Topf Westhampton-Käse einen Diamanten entdeckte, was ihn ziemlich überraschte...«

»Das kann ich mir denken.«

»...und ihn nach einigem Überlegen zur Polizei gehen ließ. Die stellten natürlich Ermittlungen an. Der Käse war in einem Delikatessengeschäft gekauft worden, das auf importierte Lebensmittel spezialisiert ist. Es hatte die Sendung von einer Firma in Northdean erhalten: Hargreaves & Company.«

»Den habe ich mal gegessen, als ich hier war, glaube ich. So ähnlich wie Stilton, aber in der Farbe etwas heller.«

»Richtig. Er wird in kleinen Steinguttöpfen exportiert. Die Leute vom Zoll warteten, bis die nächste Sendung ankam, und starteten dann eine gründliche Suchaktion. Soviel ich weiß, haben sie ganz schöne Beute gemacht. Die Töpfe, die Diamanten enthielten, waren gekennzeichnet, und zwar durch einen Druckfehler auf dem Etikett. Durch ein Versehen war der ehrliche New Yorker an einen Topf gelangt, der das falsche Etikett hatte.«

»Raffiniert«, warf Vera ein.

»Und ich vermute, als die amerikanische Polizei oder der Zoll sich mit der Polizei von Northdean in Verbindung setzte, nahm diese die Firma Hargreaves unter die Lupe«, bemerkte Maitland.

»Genau. Aber zunächst unauffällig.«