IHR LIEBSTER FEIND - EIN FALL FÜR ANTONY MAITLAND - Sara Woods - E-Book

IHR LIEBSTER FEIND - EIN FALL FÜR ANTONY MAITLAND E-Book

Sara Woods

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Beschreibung

Das Schauspieler-Ehepaar Alfred und Victoria Buckley gilt als unzertrennlich; böse Stimmen munkeln jedoch, die Frau wolle ihren Mann vergiften. Da wird Victoria auf der verdunkelten Bühne ermordet - und Alfred kommt vor Gericht.

Antony Maitland, der berühmte Londoner Star-Anwalt, der während des Mordes im Zuschauerraum saß, übernimmt die Verteidigung...

 

Der Roman Ihr liebster Feind der britischen Schriftstellerin Sara Woods (eigtl. Lana Hutton Bowen-Judd - * 07. März 1922; † 05. November 1985) erschien erstmals im Jahr 1981; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im Jahr 1984.

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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SARA WOODS

 

 

Ihr liebster Feind

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

IHR LIEBSTER FEIND 

TEIL I 

TEIL II 

EPILOG 

Das Buch

 

 

Das Schauspieler-Ehepaar Alfred und Victoria Buckley gilt als unzertrennlich; böse Stimmen munkeln jedoch, die Frau wolle ihren Mann vergiften. Da wird Victoria auf der verdunkelten Bühne ermordet - und Alfred kommt vor Gericht.

Antony Maitland, der berühmte Londoner Star-Anwalt, der während des Mordes im Zuschauerraum saß, übernimmt die Verteidigung...

 

Der Roman Ihr liebster Feind der britischen Schriftstellerin Sara Woods (eigtl. Lana Hutton Bowen-Judd - * 07. März 1922; † 05. November 1985) erschien erstmals im Jahr 1981; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im Jahr 1984. 

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

  IHR LIEBSTER FEIND

 

 

 

 

 

 

»Doch warum sag’ ich diese Zeitung dir?

Was sag’ ich, Heinrich, dir von unsern Feinden,

Da du mein nächst- und schlimmster Gegner bist?«

 

~ Shakespeare, Heinrich IV. Teil I., 3. Akt, 2. Szene 

 

 

 

 

 

  TEIL I

 

 

Sitzungsperiode Januar 1973 –  

Montag, 15. Januar

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

»Du kannst nicht behaupten, Darling«, sagte Meg Farrell, als sie sich in einem Sessel im Wohnzimmer der Maitlands bequemer zurechtsetzte, »ich hätte jemals um Gefälligkeiten gebeten. Jedenfalls nicht oft«, fügte sie hastig hinzu, als der Blick ihres Gastgebers einen deutlich spöttischen Ausdruck annahm.

Die Antwort allerdings gab ihr Ehemann.

»Ich weiß wirklich nicht, wie du so etwas behaupten kannst, Meg«, erklärte Roger Farrell ohne Umschweife. »Hast du vergessen, wie du mich vor jetzt beinahe zehn Jahren mit Jenny und Antony bekanntgemacht hast? Und nur zwei Jahre danach...«

»Na ja, ich weiß, dass das damals schreckliche Auswirkungen hatte«, sagte Meg, die vielleicht der Meinung anhing, alle Beteiligten sollten möglichst rasch vergessen, was damals geschehen war, »aber ich bin sicher, Antony würde mir recht geben, wenn ich behaupte, dass sich alles gelohnt hat. Jon Kellaway säße immer noch im Gefängnis, wenn Antony seine Verurteilung zugelassen hätte, dabei gehört er heute zu den am meisten geachteten Persönlichkeiten des Theaters in unserem Land.«

»Trotzdem...«, sagte Roger beharrlich, aber diesmal fuhr Antony unerbittlich dazwischen.

»Was gibt es jetzt, Meg?«, fragte er scharf.

Meg, deren Anbeter im Bühnenpublikum sie als Margaret Hamilton kannten, betrachtete ihn sekundenlang stumm, so, als wolle sie abwägen, wie er aufnehmen werde, was sie zu sagen hatte. Sie war klein gewachsen, und Antony hatte manchmal den Eindruck, dass sie sich, zumindest äußerlich, seit dem Tag, als ihre Wege sich mit denen von ihm und Jenny gekreuzt, kaum verändert hatte. Oberflächlich wirkte sie weltgewandter, aber die schwarzen Haare trug sie immer noch als Kranz, und ihre Augen hatten nichts verloren von ihrem Funkeln oder von einer Direktheit, die bei Gelegenheit beunruhigen konnte.

»Eigentlich etwas ganz Einfaches, Darling«, sagte sie.

»Ja, Meg, da weiß ich Bescheid. Die Sache ist nur die: In wessen Glück – oder Unglück – willst du mich diesmal hineinziehen?«

»Zwei Menschen habe ich immer bewundert«, teilte sie mit. »Die Buckleys.«

Jenny Maitland, die im Grunde besser zuhören als reden konnte (manche Leute hätten behauptet, das sei angesichts des von ihr gewählten Ehepartners nur gut), hob daraufhin den Kopf.

»Meinst du die Leute, die von den Zeitungen stets das perfekte Ehepaar genannt werden?«, fragte sie. »Wir haben sie vor ein paar Monaten in einem Theaterstück gesehen, und da schien alles in bester Ordnung zu sein.«

»Schien«, sagte Meg. Sie sprach es mit ganz tiefer Stimme aus, um das Wort zu betonen. »Die Sache ist die, Antony...«

»Fang lieber ganz von vorne an, Meg«, meinte Roger, der offenbar resignierte.

»Das wäre eine gute Idee«, sagte Jenny ernsthaft. Es war Sonntagabend, das Abendessen vorbei, und sie saßen zu viert um das Kaminfeuer, die Vorhänge zugezogen, um die kalte Januarnacht fernzuhalten.

»Seht ihr, meine Lieben, ich möchte da ein Stück machen«, erklärte Meg und sah sich in der Runde mit einem Ausdruck tiefster Unschuld um; Antony, der sie schon lange kannte, wurde auf der Stelle argwöhnisch. Allerdings wunderte er sich nicht, weil ihm seit Ankunft der Farrells aufgefallen war, dass Meg innerlich erregt wirkte. Mit einem Anflug von Trotz in der Stimme fügte sie hinzu: »Roger will natürlich nicht, dass ich die Rolle übernehme.«

»Aber die andere Sache ist doch erst im November zu Ende gegangen, Meg«, wandte Roger ein. »Und die ging so daneben...«

»Das Stück ist ein ganzes Jahr gelaufen«, sagte Meg mit trotzig vorgerecktem Kinn.

»Schon, aber nur deswegen, weil du mitgewirkt hast. Bei jeder anderen in der Rolle hätte man es nach einer Woche abgesetzt«, behauptete Roger. »Ich habe nur Angst davor, dass du zwei solche – solche Nieten hintereinander erwischst.«

Antony, der sich über den Wunsch seines Freundes, seine Frau gelegentlich auch einmal für sich zu haben, völlig im Klaren war, aber ebenso genau wusste, dass Meg auf keine Rolle verzichten würde, die ihr gefiel, hielt es für angebracht, sich einzumischen.

»Das ist das erste, was wir von einem neuen Stück hören, Meg«, sagte er. »Was ist das Besondere daran?«

»Es ist von Jeremy Skelton.«

»Oh!« Jeremy Skeltons Angelegenheiten gehörten gleichfalls zu den Dingen, an die Maitland nicht erinnert werden wollte.

»Aber er schreibt doch keine Stücke!«, wandte Jenny ein.

»Das ist sein erstes«, erwiderte Meg. »Vielleicht ist das der Grund, warum Roger glaubt, es könne nicht viel taugen. Aber es handelt sich um die Bearbeitung eines seiner Bücher – erinnert ihr euch an Dolche im Dutzend? – und ihr wisst, dass seine Dialoge immer sehr gut waren. Außerdem finde ich, dass ich so etwas inzwischen beurteilen kann. Die Höhepunkte sind geschickt verteilt.«

»Das scheint doch aber gar nicht das zu sein, was dir liegt, Meg.«

»Es ist nicht einfach ein Krimi oder ein Thriller oder wie man das nennen will. Bekanntermaßen kann Jeremy sehr ironisch sein, und das Ganze wirkt sehr lustig. Außerdem habe ich so etwas noch nie gemacht«, fügte Meg ein bisschen wehmütig hinzu. Ihren ersten Erfolg hatte sie als eine sehr junge, sehr böse Lady Macbeth gehabt, und obwohl sie in den folgenden Jahren keineswegs bei Shakespeare geblieben war, traf doch zu, dass sie, wie sogar die launischsten Kritiker vorbehaltlos Zugaben, eine der hervorragendsten dramatischen Schauspielerinnen des Tages war.

»Das ist kein Grund, jetzt damit anzufangen«, sagte Roger rundheraus, bevor er aufrichtiger zum Kern der Sache kam: »Du hast gesagt, diesmal legst du eine Pause ein.«

»Mein Schatz, ich habe fast zwei Monate Pause gemacht. Das Publikum wird mich völlig vergessen.«

»Nein, Meg, das glaube ich nicht«, sagte Jenny. »Und wenn das Stück nichts taugt, wird es vielleicht nicht lange laufen, Roger.«

Seltsamerweise hatte Jennys ruhige Art bei Roger manchmal Erfolg, wo Megs ganze Überredungskunst versagte.

»Ich wollte nicht barsch sein«, sagte er. »Meg muss natürlich tun, was sie für richtig hält.« Er grinste plötzlich. »Das wird sie ohnehin tun«, meinte er vertraulich. »Und ich glaube – obwohl sie mir das noch nicht hat bestätigen wollen –, dass sie Skelton schon ihr Wort gegeben hat.«

»Nicht direkt«, sagte Meg, beließ es aber, vielleicht klugerweise, dabei. »Es macht dir in Wirklichkeit doch nichts aus, oder, mein Schatz? Das ist eine Gelegenheit, einmal etwas völlig anderes zu machen, und du weißt, wie schwer es mir fiele, so etwas abzulehnen.«

»Ich weiß«, sagte Roger, der sich vor der Heirat mit Megs Hingabe an ihren Beruf auseinandergesetzt hatte, sich aber, weil er sie sehr liebte, manchmal doch reumütig fragte, ob er wirklich ganz begriffen hatte, wie schwer das hinzunehmen sein würde. »Wann fangen die Proben an?«

»Am Mittwoch«, sagte Meg mit einem Seitenblick in Antonys Richtung, so, als erwarte sie, er werde sich auf das Eingeständnis stürzen, dass sie sich schon entschlossen hatte und die gezeigte Unschlüssigkeit nur gespielt war. »Wir haben das Alhambra-Theater, und die restliche Besetzung steht schon«, fügte sie hinzu.

»Kollegen, mit denen du schon gespielt hast?«, fragte Antony. Er hatte keineswegs vergessen, dass sie ihn um etwas zu bitten gedachte, war aber gar nicht sicher, dass er das hören wollte. Von seinem Standpunkt aus war jede Minute Aufschub ein Gewinn.

»Ich habe schon mit Andy Murray gespielt, aber das ist länger her. Er wird mein Ehemann sein«, sagte Meg. »Mein ungetreuer Ehemann«, ergänzte sie.

»Ist mein Eindruck richtig, dass er auch das corpus delicti sein wird?«, erkundigte sich Antony.

»Das stimmt allerdings, auch wenn es eigentlich schade ist, jemanden von seinem Kaliber für eine Rolle zu vergeuden, die nur einen Akt dauert. Dann ist da noch Elbe Dorman, die seine Geliebte spielt. Ich glaube, ich habe sie mal irgendwo bei einer Party gesehen, aber bekannt gemacht hat man uns nicht. Ich kenne Gordon Hewitt und Dominic Eldred, bin aber noch nicht mit ihnen zusammen aufgetreten. Außerdem gibt es noch einen jungen Mann namens Claude Aubin, den ich überhaupt nicht kenne. Und die Ersatzleute kenne ich auch nicht.«

»Und das ist die ganze Besetzung?« Antony zögerte; er wusste sehr wohl, dass er, sobald Meg ihr Problem einmal zur Sprache gebracht hatte, sich auf jeden Fall verpflichtet fühlen würde, eine Lösung zu suchen. Sie hatte in seiner und Jennys Zuneigung stets einen besonderen Platz, und in all den Jahren, seit sie sich kannten, hatte er es nicht übers Herz bringen können, ihr etwas abzuschlagen. Aber ob nun auf der Stelle oder später, er würde unweigerlich zu hören bekommen, was sie beschäftigte. »Du hast von den Buckleys gesprochen«, sagte er. »Leonard und Victoria, so heißen sie doch?«

»Ja, und Jenny hat den wunden Punkt getroffen, als sie vom perfekten Ehepaar sprach. Ich weiß seit Jahren von ihnen, obwohl ich sie nicht persönlich kenne, und bewunderte sie sowohl als Schauspieler wie als Beispiel für eine ideale Ehe. Sie spielen Onkel und Tante von Andy – na ja, im Stück heißt er Douglas Carteret.«

»Und das wirft ein Problem auf?«

»Lach mich nicht aus, Antony, es ist ernst.« Megs Stimme war wieder tiefer geworden. Um Aufrichtigkeit zu vermitteln, wie Antony ein wenig zynisch dachte. »Sie werden in den Rollen ganz großartig sein, und Jeremy war ganz wild darauf, sie zu bekommen, wie er mir erzählte.«

»Wo ist dann der Haken? Haben sie abgelehnt?«

»Nein. Die Verträge sind unterschrieben, alles ist in Ordnung. Außerdem wäre ich ja nicht so albern, anzunehmen, du könntest in dieser Beziehung irgendetwas tun, mein Schatz.«

»Das hoffe ich auch«, sagte Antony sehr skeptisch. »Woran liegt es denn?«

»Sie sind keineswegs das vollkommene Ehepaar«, sagte Meg. »Ich glaube, sie mögen sich nicht einmal. Und Leonard ist felsenfest davon überzeugt, dass Victoria ihn zu vergiften versucht.«

»Ach du lieber Gott!« Antonys Stimme klang angewidert. Er war ein hochgewachsener Mann, schwarzhaarig, mit schmalem, intelligentem Gesicht; ein Ausdruck der Belustigung hätte besser zu ihm gepasst. »Du hast mein Mitgefühl, Meg. Du legst größten Wert darauf, dass das Stück herausgebracht wird, und Reibungen zwischen den Schauspielern können da nur schädlich sein. Aber selbst wenn zuträfe, was Mr. Buckley glaubt, was um alles in der Welt soll ich tun können?«

»Es war eigentlich Jeremys Idee«, sagte Meg, ohne das gleich zu erläutern.

»Ich nehme an, er ist zu den Proben in London.«

»Ja, natürlich, und er hat Anne dabei. Sie sind wirklich glücklich miteinander, Antony, du solltest dir dazu gratulieren.«

»Lassen wir ihr Glück auf sich beruhen«, sagte Antony entschieden; er gefiel sich nicht in der Rolle des Ehestifters. »Was glaubt Jeremy, dass ich bei eurem Problem tun könnte?«

»Tja, siehst du«, gab Meg zurück, »keiner von uns glaubt so recht, was Leonard behauptet. Aber Jeremy dachte, wenn du mit den beiden redest – getrennt, verstehst du – könntest du das vielleicht eindeutig klären.«

»Mein liebes Kind, ich kann nicht zu Mrs. Buckley gehen und sie fragen, ob sie ihren Mann vergiftet.«

»Nein, natürlich nicht. So freilich nicht«, räumte Meg ein. »Aber wenn du einfach so mit ihr sprichst, kommst du vielleicht dahinter, ob etwas dran ist. Und wenn es so ist – nun, mein Schatz, ich erinnere dich ungern daran, aber glaubst du nicht, dein Ruf könnte sie abschrecken?« Das war ein Hinweis, den Maitland verabscheute, wie Meg sehr wohl wusste. Sie musste in der Tat ziemlich verzweifelt sein, um das Thema überhaupt zur Sprache zu bringen. Jenny warf einen sorgenvollen Blick in die Richtung ihres Mannes, aber sie wusste so gut wie er, dass er schon am Haken hing. Meg war eine sehr alte Freundin, und die Umstände hatten Antony und Roger in eine Verbundenheit geführt, die beider Gefühle entsprach.

Antony hatte die Stirn gerunzelt, zitierte aber ohne lange Umschweife: »Keiner von uns glaubt, was Leonard Buckley sagt. Heißt das, die ganze Besetzung weiß davon?«

»Nein, das natürlich nicht. Ich habe Jeremy und Anne und mich gemeint. Ich war zufällig dabei, als Leonard mit Jeremy darüber sprach.«

»Das brachte Skelton nicht auf den Gedanken, sich die Sache mit ihrem Vertrag noch einmal zu überlegen?«

»Ich glaube nicht, dass er das erwogen hätte, aber wie ich schon sagte, war er schon unterschrieben. Außerdem sind sie für die beiden Rollen die Idealbesetzung.«

»Hätte nicht nur einer von beiden spielen und jemand anderer die zweite Rolle übernehmen können?«

»Oh nein, das ist ausgeschlossen. Sie haben immer zusammen gespielt, ihr ganzer Ruf beruht auf dreiundvierzig Jahren glücklicher Ehe«, erklärte Meg ernsthaft. »Abgesehen von ihrem Können ist dieser Ruf schon für sich von Wert.«

»Wie alt sind denn die beiden Musterexemplare?«

»Leonard ist siebzig, Victoria dreiundsechzig. Im Ernst, Antony, ich weiß, sie wären dir sympathisch. Wenn du also eine Gelegenheit nutzen könntest, mit ihnen zu reden...«

»Und wie soll sich das ergeben?«

»Ich könnte zu einem gemeinsamen Abendessen einladen«, schlug Meg vor. »Vielleicht am nächsten Samstag. Die Proben sind noch nicht so weit fortgeschritten, dass wir am Wochenende durchmachen müssen. Es wäre ganz natürlich, dich und Jenny angesichts eurer früheren Beziehungen zu einem Treffen mit Jeremy und Anne einzuladen.«

»Jenny hat sie nie kennengelernt«, sagte Antony, als sei das eine unüberwindliche Schwierigkeit.

»Das macht doch nichts. Sie wird sie beide mögen. Und du kannst deine Beziehung zu ihnen nicht bestreiten, Antony, egal, was du sagst. Dann kann ich Leonard und Victoria einladen, und wenn ich mich nicht sehr täusche, wird zumindest Leonard dich um ein weiteres Gespräch bitten.«

»Von dir inzwischen präpariert, ohne Zweifel.«

»Ja, versteht sich. Und wenn mir das gelingt, werde ich Victoria denselben Vorschlag machen.«

»Weiß sie, was ihr Mann über sie sagt?«

»Ich fürchte, ja. Sie steht ihrem Mann selbst mit Bitterkeit gegenüber, soviel ich sehen kann, aber bis zu einer Anschuldigung versuchten Mordes ist das noch nicht gediehen.«

»Es könnte klappen«, sagte Roger überraschenderweise.

Antony sah ihn vorwurfsvoll an und fragte: »Auch du, Brutus?« 

»Na ja, ich gebe Meg recht«, erwiderte Roger. »Es kann nichts schaden und reinigt vielleicht die Luft.«

»Dann überlasse ich es Jenny. Macht es dir etwas aus, einen ganzen Abend auszuhalten, Liebes, wo zwei Gäste einander wie Gift hassen? Buchstäblich wie Gift, wenn man nach einem der beiden geht?«

»Ich wüsste Schlimmeres«, meinte Jenny. »Etwa, zuzulassen, dass Meg sich solche Sorgen macht.«

»Tja, wenn das alles wäre... aber ich sehe beim besten Willen nicht, was ich dagegen tun könnte.«

»Du kannst es versuchen«, sagte Jenny. Sie saß zusammengerollt an ihrem Lieblingsplatz auf dem Sofa, und ihre grauen Augen begegneten den seinen mit der gewohnten inneren Ruhe. »Nicht einmal dein Onkel Nicholas könnte etwas dagegen einwenden, dass du nur mit ihnen redest«, fuhr sie fort. »Das bringt dich nicht in Schwierigkeiten mit der Polizei und führt nicht dazu, dass irgendjemand versucht, dich umzubringen.«

»Es sei denn, Victoria Buckley...«

»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Jenny nachdenklich und behandelte, was als leicht hingesagte Bemerkung gedacht gewesen war, wie eine ernsthafte Meinung. »Ich habe sie oft auf der Bühne gesehen und glaube keinen Augenblick, dass sie fähig ist, einen Menschen umzubringen.«

»Wenn du es sagst, Schatz.« Er lächelte sie an und drehte sich wieder zu Meg herum. »Also abgemacht«, sagte er. »Wann sollen wir am nächsten Samstag erscheinen?«

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

»Also, was hältst du davon?«, sagte Antony, als er später ins Wohnzimmer zurückkam, nachdem er den Besuch hinausbegleitet hatte. Die Maitlands hatten ihre eigene Wohnung im obersten Stockwerk von Sir Nicholas Hardings Haus am Kempenfeldt Square. Sir Nicholas war nicht nur Chef der Anwaltskanzlei im Inner Temple, der Antony angehörte, sondern auch Maitlands Onkel, und Antony gehörte schon seit seinem dreizehnten Lebensjahr zum Haushalt. Die häusliche Aufteilung war als Provisorium gedacht gewesen, wurde aber schon seit langer Zeit nicht mehr in Frage gestellt, ausgenommen für einen kurzen Zeitraum, nachdem Sir Nicholas vor etwa achtzehn Monaten die Strafverteidigerin Miss Vera Langhorne geheiratet hatte. Das war für Antony Anlass gewesen, seine Position zu überdenken, aber zum Glück war er darüber hinweggekommen, bevor es die neue Lage Umstürzen konnte. Sir Nicholas’ Haushalt lief, seitdem die neue Lady Harding das Kommando übernommen hatte, viel glatter, aber abgesehen davon war Vera eine positive Erwerbung an sich.

»Megs Problem? Ich finde, da ist was dran und auch nicht, wie unsere Freunde in Yorkshire sagen würden.«

»Das dachte ich mir«, sagte Antony. Er trat an den Kamin und stieß mit der Schuhspitze ins Feuer, dass es aufloderte. Er kam auf den Gedanken, ihr zu sagen, man könne einen Menschen nicht danach beurteilen, wie er auf der Bühne wirke, entschied sich aber dagegen, das laut auszusprechen. Zum einen wollte er sie nicht erschrecken, und zum anderen war er durchaus auch der Meinung, aus den vorgeschlagenen Gesprächen könnte außer einer gewissen Unbequemlichkeit für ihn kein Schaden entstehen. »Aber dich beschäftigt etwas. Was ist es, Jenny, Liebes?«

»Ich mache mir nur ein bisschen Sorgen um Roger«, sagte Jenny. »Er will wirklich nicht, dass Meg diese Rolle übernimmt.«

»Er war noch mit keiner einzigen Rolle einverstanden, seitdem sie verheiratet sind«, betonte Antony. »Er verbringt die meisten Abende hier, während sie auf der Bühne steht. Keine ideale Lösung.«

»Das Dumme ist«, gestand Jenny, »dass ich beide Standpunkte verstehen kann.«

»Oh, ich auch. Und ich habe Roger gewarnt, bevor sie heirateten. Das Theater steckt Meg im Blut oder wie man das immer nennen will.«

»Ja, das glaube ich auch. Ich habe nur das Gefühl, dass es diesmal ernster ist. So, als sei es eine Art Probe, ob sie die Rolle übernimmt oder nicht.«

»Eine Probe dafür, ob sie ihn wirklich liebt, meinst du? Das ist Unsinn, Jenny. Wenn ich je zwei Menschen gesehen habe, die füreinander geschaffen waren...«

»Das genügt nicht immer«, meinte Jenny traurig. »Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass Roger ein sehr empfindsamer Mensch ist, Antony?«

Das war sehr zutreffend. Roger hätte jederzeit für das Porträt eines Piraten Modell stehen können; ein junger Freund von ihnen hatte sogar einmal ein solches Bild von ihm gemalt, aber sein Eingehen auf anderer Leute Stimmungen hatte nie in Frage gestanden.

»Natürlich ist mir der Gedanke gekommen«, sagte Antony. »Er erträgt ja auch mich, nicht? Das sollte Beweis genug sein.«

Jenny streckte die Hand aus, und nach kurzem Zögern ging er hin und setzte sich zu ihr aufs Sofa.

»Das liegt vielleicht daran, dass du zu ihm aufrichtiger bist als zu den meisten Leuten«, meinte sie. »Sogar mehr als zu dir selbst.«

»Ich habe dir nie etwas vorgelogen, Schatz.«

»Nein, das weiß ich. Du lügst nicht«, sagte sie und wählte ihre Worte offenbar mit Bedacht. »Zu keinem Menschen. Aber du sagst auch nicht immer die ganze Wahrheit.«

Da das im Grunde zutraf, dachte Antony darüber nach und schwieg. Nach einer Weile stand er auf, ging zum Schreibtisch, wo das Tablett mit den Getränken stand, und goss für sie beide einen Gutenachtschluck ein. An diesem Abend wurde nicht mehr diskutiert.

 

 

 

Samstag, 20. Januar

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Am folgenden Samstag aßen die Maitlands, wie es Brauch war, mit Sir Nicholas Harding und Lady Harding zu Mittag, eine Mahlzeit, die selbst zu servieren Gibbs, Sir Nicholas’ altehrwürdiger Butler, sich nicht nehmen ließ, wobei es förmlicher zuging, als eigentlich angebracht war. Gibbs war ein sehr launischer alter Mann, und sogar Vera, die mehr Einfluss auf ihn hatte als sonst irgendjemand seit Menschengedenken, war nicht in der Lage gewesen, ihn zum Ruhestand zu überreden; obschon er die Gewohnheit hatte, sich – offenkundig ganz willkürlich – auszusuchen, welche Pflichten er übernehmen wollte, und wehe jedem, der seine Dienste nach zehn Uhr abends benötigte. Er hatte Antony schon zu dessen Schulzeit missbilligt und offenbar nie Anlass gefunden, sein Urteil zu revidieren. Zu seinen Eigenheiten gehörte es, hinten in der Halle herumzustehen, augenscheinlich für den Fall, dass Besuch erschien, aber in Wahrheit – so behauptete jedenfalls Maitland – um seine Missbilligung der Vorgänge auszudrücken, was er vorzüglich verstand. Mit anderen Worten, wenn man spät nach Hause kam, mangelte es einem völlig an Rücksichtnahme und der ganze Haushalt war auf den Kopf gestellt; kam man dagegen früh zurück, bewies man damit eindeutig, dass man seine Pflichten in der Kanzlei vernachlässigte.

So ergab sich erst, nachdem sie mit dem Kaffee im Arbeitszimmer saßen, Gelegenheit, andere als ganz allgemeine Gesprächsthemen anzuschneiden. Das Arbeitszimmer war Sir Nicholas’ Lieblingsaufenthalt, und sogar seit seiner Heirat hielten er und Vera sich vorwiegend in diesem Raum auf. Es wäre sogar kaum anders machbar gewesen, weil Vera mit Antonys Hilfe und aufgemuntert von ihrem Ehemann, den großen Salon in ein Musikzimmer verwandelt hatte, wo ihre teure Stereoanlage stand und ihre große Plattensammlung, vor ihrer Heirat ihr eines großes Steckenpferd, in geeigneter Weise untergebracht werden konnte. Einmal im Jahr wurde der Status quo wiederhergestellt; sie gaben dann – wie es Sir Nicholas’ Gewohnheit in seiner Junggesellenzeit gewesen – ein ziemlich großes formelles Fest; aber in diesem Jahr war das vor Beginn der gerichtlichen Sitzungsperiode im Januar längst überstanden.

Sir Nicholas traf seine gemächlichen Vorbereitungen, eine Zigarre zu genießen. Er war so hochgewachsen wie sein Neffe, aber viel massiger, mit so hellblonden Haaren, dass die weißen Strähnen kaum zu sehen waren. Er hatte eine herrische Art, die zum größten Teil unbewusst war. Man wusste, dass er mindestens dreimal das Angebot eines hohen Richteramtes ausgeschlagen hatte, angeblich, weil ihn die Möglichkeit, sein Neffe könne vor ihm plädieren, nervös machte. Die beiden Maitlands glaubten kein Wort davon, aber Antony für seine Person war stets davon überzeugt gewesen, dass eine solche Ernennung alles verändern würde, und hatte sich deshalb über die Ablehnung gefreut. Sein Onkel, der sich eine Zigarre mit solcher Sorgfalt ausgesucht hatte, als hinge sein Leben davon ab, hob nun den Kopf und sagte beiläufig: »Hat Meg nicht länger Pause gemacht als üblich?«

»Seltsam, dass du das sagst«, meinte Jenny. »Sie hat diese Woche mit den Proben zu einem neuen Stück begonnen.«

»Armer Roger«, sagte Vera, die den Stand der Dinge sehr wohl kannte.

»Nichts armer Roger!«, sagte Sir Nicholas lebhaft. »Meg ist ein charmantes Wesen.« Antony und Jenny wechselten daraufhin einen Blick. Sie wussten sehr genau, dass Sir Nicholas die Farrells als einen Teil der Familie betrachtete und sich deshalb für berechtigt hielt, sie jederzeit und ausführlich zu kritisieren.

»Sie ist bei Gelegenheit auch ein ausgesprochenes Ärgernis, wenn du den Ausdruck verzeihst, Vera«, sagte Antony mit Nachdruck.

»Was stellt sie denn jetzt an?«, fragte Sir Nicholas noch immer voll Nachsicht.

»Sie spielt eine Rolle in einem Stück von Jeremy Skelton«, teilte ihm Antony mit. »Erinnerst du dich an Jeremy, Vera?«

»Zwangsläufig«, sagte Vera. Sie war eine groß gewachsene Frau mit Haaren, die einmal schwarz gewesen waren, aber nun viele graue Strähnen aufwiesen und die Neigung hatten, ihren Haarnadeln zu entrinnen. Sie besaß die Gewohnheit, sackartige Kleider zu tragen, schien aber seit ihrer Hochzeit zumindest einen Geschmack für Farben entwickelt zu haben, und die Sackkleider waren gut geschnitten. Jenny wies dafür jede Verantwortung von sich und stellte zusammen mit ihrem Mann manchmal Überlegungen an, ob Sir Nicholas mit seiner Frau Einkäufe machte. Die Vorstellung war erfreulich, aber im Ganzen eher unwahrscheinlich. »Größtenteils mein Werk, dass du nach Chedcombe gekommen bist, als man ihm vorwarf, seine erste Frau getötet zu haben«, entsann sich Vera.

»Und ich leitete die Verteidigung«, sagte Sir Nicholas versonnen. Auf irgendeine Weise brachte er es fertig, mit diesen wenigen Worten gleichzeitig ein Kompliment für Vera und eine Rüge für seinen Neffen auszudrücken, dessen Methoden, seine Effekte zu erzielen, er oft tief bedauerte. »Aber Skelton ist kein Theaterautor«, wandte er ein.

»Nein, das ist eine Bearbeitung eines seiner Bücher, Dolche im Dutzend. Erinnerst du dich noch?«

Sir Nicholas beachtete die Frage nicht.

»Und es ist kein Stück von der Art, wie es sonst mit Meg in Verbindung gebracht wird«, fuhr er fort.

»Nein, ihren Worten zufolge hat es einen stark komischen Zug.

Deshalb will sie es machen, einmal etwas ganz anderes. Wir essen übrigens heute Abend bei ihnen, zusammen mit den Skeltons und noch einem Paar«, fügte er hinzu, während seine Stimme recht unsicher verklang.

Das genügte für seinen Onkel vollauf.

»Irgendetwas ist im Gange«, erklärte er und blickte von einem der Maitlands zum anderen. Als Antony nicht sofort darauf einging, wandte er sich direkt an Jenny.

»Wer ist dieses andere Paar?«, fragte er scharf.

»Das Ehepaar Buckley«, sagte Jenny. »Noch ein Schauspielerpaar«, ergänzte sie, als sie Veras fragenden Blick sah.

»Nie gehört«, sagte Vera, knapper noch als sonst.

»Vielleicht doch, meine Liebe«, verbesserte Sir Nicholas. »Ein älteres Paar, seit vielen Jahren verheiratet, immer gemeinsam auf der Bühne.«

»Das perfekte Paar«, sagte Vera, als ob ihr ein Licht aufging.

»So werden sie in der Presse genannt. Nun frage ich mich, warum die Erwähnung ihres Namens bei dir Unbehagen erwecken sollte, Antony?«

Antony hatte keineswegs die Absicht gehabt, das Gespräch bis zu diesem Punkt gelangen zu lassen, aber die Dinge schienen ihren eigenen Gang zu gehen. Er zögerte einen Augenblick, bevor er antwortete.

»Es handelt sich nur um eine kleine Gefälligkeit, die ich Meg erweisen soll«, sagte er ausweichend.

»Ja?«, setzte Sir Nicholas nach.

»Hm, siehst du, Onkel Nick, offenbar sind sie gar kein perfektes Paar.«

»Ich habe keinen Zweifel, dass diese Bemerkung in irgendeiner Weise von Belang ist, aber du musst mir verzeihen, wenn ich den Zusammenhang nicht sofort erkenne.«

»Es ist nur so... Tja, Meg möchte, dass ich mit den beiden rede.«

»Du hast die Absicht, deinen Beruf aufzugeben und Eheberater zu werden?«, erkundigte sich sein Onkel höflich.

»Du weißt sehr genau, Onkel Nick...«, begann Jenny aufgebracht.

»Wenn das nicht der Fall ist, verstehe ich nicht, was Antony mit der Sache überhaupt zu tun hat. Es sei denn, versteht sich«, fügte er hoffnungsvoll hinzu, »dass einer der beiden den anderen verklagen möchte.«

»Keine Rede davon, Onkel Nick«, sagte Antony hastig. Sir Nicholas wartete stumm darauf, dass er weitersprach. »Mr. Buckley gibt an, Mrs. Buckley versuche ihn zu vergiften.«

»Wenn er die Scheidung will, braucht er einen Scheidungsanwalt, nicht einen wie dich, Antony«, sagte Sir Nicholas streng. »Das ist zwar nicht unbedingt Geoffrey Hortons Gebiet, aber um Meg einen Gefallen zu erweisen, übernimmt er die Sache vielleicht.«

»Darum geht es nicht. Soviel ich erkennen kann, hängt ihr ganzes Berufsleben davon ab, dass das Publikum sie als ein ideales Beispiel für eheliche Seligkeit betrachtet.«

»Was glaubt Meg dann, dass du tun kannst?«

»Er hat einen gewissen Ruf«, sagte Vera kurz.

»Das ist mir bedauerlicherweise nur zu klar.« Ausnahmsweise hatte die Intervention seiner Frau einmal keine beschwichtigende Wirkung auf Sir Nicholas. »Wenn dieser Mr. Buckley recht hat und du zu Recht annimmst, dass er keine Scheidung will, scheint mir das ein Fall für die Polizei zu sein.«

»Genau das wollen sie eben nicht«, gab Antony zurück. »Das Aufsehen wäre tödlich für sie.«

»Wenn Mr. Buckley einen konkret tödlichen Ausgang dem bildlichen vorzieht...«, begann Sir Nicholas.

»Es ist ganz einfach, Onkel Nick«, sagte Jenny. »Erstens möchte Meg wissen, ob Leonard Buckley mit dem, was er sagt, recht hat, und, wenn das stimmt, ob Antony Victoria Buckley vielleicht überreden kann, nichts weiter zu unternehmen. Trifft es dagegen nicht zu...«

»Für dich ist das eine außerordentlich sonnenklare Erklärung, Jenny«, beglückwünschte sie Sir Nicholas, als sie verstummte. »Vielleicht kannst du uns auch sagen, was Antony tun soll, wenn Mr. Buckley mit seiner Vermutung nicht recht hat.«

»Tja... ich nehme an... Vera hat seinen Ruf erwähnt. Ich weiß, du tust so, als meine sie, wegen unorthodoxem Vorgehen, Onkel Nick, aber er hat auch den Ruf, sich in andere Menschen hineindenken zu können. Er könnte sehr wohl in der Lage sein, Leonard Buckley klarzumachen, dass er sich irrt.«

»Danke, meine Liebe.« Sir Nicholas lächelte, als einer der plötzlichen Stimmungswechsel bei ihm eintrat, aber seine Stimme klang immer noch ein wenig sarkastisch. »Und das alles soll im Verlauf einer Einladung heute Abend bewirkt werden?«

»Nein, natürlich nicht.« Jenny sah ihren Mann an, der die weitere Erklärung übernahm.

»Meg hat versprochen, mit beiden zu reden und sie dazu zu bewegen, dass sie mich um ein privates Gespräch bitten«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie sie das machen will, aber wir werden eben abwarten müssen.«

»Das ist eine Sache, die völlig außerhalb deines Bereichs liegt«, erklärte Sir Nicholas dozierend. »Wir alle wissen, wozu es führen kann, wenn man sich in Megs Angelegenheiten einmischt, und was Jeremy Skelton angeht...«

»Er hat damit nichts zu tun, außer, dass er das Stück geschrieben hat«, erwiderte Antony ein wenig verzweifelt. »Ich gebe dir recht, Onkel Nick, ich habe mich auf zwei sehr unangenehme Stunden eingelassen. Ich sehe aber nicht ein, warum sich außer mir selbst irgendjemand darüber beklagen sollte.«

Sein Onkel betrachtete ihn kurze Zeit schweigend.

»Was das angeht, werden wir ja sehen«, sagte er und wandte sich an seine Frau. »Mir scheint das aber alle Zutaten für eine äußerst unliebsame Situation zu enthalten«, stellte er fest.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Meg und Roger Farrell wohnten im Stadtteil Chelsea, und Antony und Jenny fuhren an diesem Abend mit einem Taxi zurück, um nicht nach einem Parkplatz suchen zu müssen. Meg, die ihre ungewohnte Rolle als Gastgeberin genoss – das Leben, das sie führte, ließ wenig Zeit für Einladungen, die sie, wenn überhaupt, meist in ein Restaurant verlegte – empfing sie an der Tür, begrüßte jeden und zog sie in die kleine Diele. »Ihr wisst ja gar nicht, wie froh ich bin, euch zu sehen, meine Lieben«, sagte sie. »Ich dachte, du überlegst es dir vielleicht anders, Antony, und kommst überhaupt nicht.«

»Du kennst mich dazu zu gut, Meg«, sagte Antony heiter. »Auf mich kannst du bauen, und so weiter. Sind deine anderen Freunde schon hier?«, erkundigte er sich vorsichtig.

»Nur die Skeltons. Kommt mit rein. Ah, da bist du ja, Roger, mein Schatz, bring Antony und Jenny etwas zu trinken.«

Roger, der in der Wohnzimmertür erschienen war, gab einige Begrüßungsworte von sich und verschwand, um das Verlangte zu tun. Antony und Jenny folgten Meg, die pausenlos weiterredete. Antony war ziemlich sicher, dass das diesmal nicht an ihrer gewohnten Lebhaftigkeit lag, sondern an den Nerven.

Jeremy und Anne Skelton waren nun schon lange miteinander verheiratet. Als Jeremy aufstand, um sie zu begrüßen, kam Antony zum ersten Mal der Gedanke, dass für den anderen das Zusammentreffen vielleicht ebenso problematisch war wie für ihn selbst wegen der Erinnerungen an Vergangenes. Wenn dem so war, merkte man es ihm nicht an. Jeremy war ein großer, schwerer Mann, der jetzt Anfang Vierzig sein musste; Antony kam er jedoch genauso vor wie bei ihrer letzten Begegnung. Er hatte für seine Größe sogar sehr breite Schultern, eine Mähne dunkler Haare, und vermittelte einen Eindruck rastloser Energie, vielleicht das Auffälligste an ihm. Er begrüßte Antony wie einen alten Freund, was den Umständen nach seine Berechtigung hatte, und betrachtete Jenny mit unverhohlener Bewunderung.

»Kommen Sie und setzen Sie sich zu Anne«, forderte er sie auf. »Sie wollte Sie schon lange einmal treffen.«

Anne Skelton, die damals noch Anne Fabian hieß, als Antony sie kennengelernt hatte, war ruhig sitzengeblieben, bis die Überschwänglichkeit ihres Mannes ihr Gelegenheit gab, die Maitlands selbst zu begrüßen. Antony fühlte sich, als er sie sah, sofort an ihre erste Begegnung erinnert; damals hatte ihr braungoldenes Haar ihn auf der Stelle an Jenny denken lassen, obwohl es glatt und gerade herabfiel, während Jenny Locken hatte. Auch sie schien sich kaum verändert zu haben, sie war schlank geblieben, und ihre Augen, eher veilchen- als himmelblau, blickten mit herzlicher Freundlichkeit zu ihnen auf.

»Ja, Jenny, setzen Sie sich zu mir, damit wir uns unterhalten können«, sagte sie. »Ist das nicht ein schönes Haus? Aber Sie kennen es ja sicher sehr gut.«

»Meg und Roger sind ganz alte Freunde von uns«, erwiderte Jenny, als sie sich setzte. »Wo wohnen Sie während Ihrer Zeit in London?«

»Jeremy hat eine Mietwohnung gefunden. Sie ist gar nicht weit von Ihnen entfernt, wie mir Meg sagte, in der Avery Street, gleich am anderen Ende vom Kempenfeldt Square.«

»Das ist ja sehr praktisch.«

»Ja, natürlich.« Anne wirkte ein wenig zweifelnd. »Um ehrlich zu sein«, sagte sie in einem Ausbruch von Vertraulichkeit, »ich bin gar nicht so gerne in London. Wir haben jetzt ein Haus auf dem Land«, sie blickte kurz zu Antony hinauf und sah wieder Jenny an, »weit weg von Chedcombe. Ich hänge sehr daran, aber dann kam Jeremy auf die Idee, ein Stück zu schreiben, und nun sind wir hier.«

»Meg ist ganz begeistert davon.«

»Ja, das glaube ich auch. Ich frage mich nur, ob ihr Mann... ob Roger auch so begeistert ist.«

»Das hat mit dem Stück nichts zu tun«, versicherte ihr Jenny. »Er hofft eben immer, dass Meg eine Weile freinimmt, nur tut sie das nie, jedenfalls nicht sehr lange.«

»Ich kann das verstehen, bei beiden, meine ich.«

Roger erschien mit Jennys Sherry und zog einen Sessel heran, um sich zu ihnen zu setzen. Meg war verschwunden, um sich hausfraulichen Pflichten zu widmen.

Antony und Jeremy waren zum Fenster geschlendert, aber die Vorhänge waren zugezogen, und man konnte nichts sehen. Wenn Antony unruhig war, neigte er dazu, in Bewegung zu bleiben, und soweit er Jeremy Skelton in Erinnerung hatte, fühlte er sich auch wohler, wenn er auf den Beinen war, statt brav in einem Sessel zu sitzen. Zum ersten Mal überlegte er für sich, dass er noch gar nicht wusste, ob Jeremy darüber informiert war, dass er Megs Bitte zugestimmt hatte. Das hätte zu einer gewissen Verlegenheit führen können, wenn Jeremy nicht den Ball dadurch ins Rollen gebracht hätte, dass er mit Nachdruck sagte: »Es ist sehr freundlich von Ihnen, sich mit unserem Problem zu befassen.«

Antony, dem bis zu diesem Augenblick nur die Schwierigkeiten der Situation klar vor Augen gewesen waren, sah plötzlich auch das Komische daran.

»Mein Onkel hat mich gefragt, ob ich den Anwaltsberuf aufgebe und künftig als Eheberater tätig sein will«, sagte er lächelnd.

»Das klingt ganz nach Sir Nicholas«, meinte Jeremy. »Aber wissen Sie«, fügte er vertraulich hinzu, »die Eigenschaften, die von beiden verlangt werden, sind gar nicht so verschieden.«

Antony, ein wenig verblüfft über diese Meinung über seine berufliche Tätigkeit, dachte kurz darüber nach.

»Der Haken bei der Sache ist der, dass es schrecklich schwierig ist, zu Meg Nein zu sagen«, vertraute er ihm an. »Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es irgendeinen Nutzen haben soll, wenn ich mich mit den Buckleys treffe oder sogar mit ihnen rede.«

»Schaden kann es auf keinen Fall«, gab Jeremy zurück und drehte sich ein bisschen zur Seite, damit er die Gruppe am Kamin besser sehen konnte. »Ihre Jenny ist eigentlich eine Schönheit, nicht?« Antony drehte ebenfalls den Kopf und versuchte seine Frau mit den Augen des anderen Mannes zu sehen.

»Für mich ist sie die Vollkommenheit«, sagte er mit einer ungewohnten Offenheit. »Aber schön? Ich glaube, das ist eine Übertreibung.«

»Jedenfalls ein Schatz«, sagte Jeremy offen und grinste. »Aber ich nehme an, dieses Wort hören Sie schon zu oft von Meg.«

»Ja, das ist wahr. Was Sie und Anne betrifft... die Ehe tut ihr offenkundig gut. Ich habe das Gefühl, dass Sie sich beide nicht verändert haben.«

»Sie jedenfalls gewiss nicht.« Er zögerte, aber es war nicht seine Art, vor unangenehmen Fragen zurückzuschrecken. »Megs Mann«, sagte er. »Ist da irgendetwas?«

»Nicht mehr als sonst, wenn sie eine neue Rolle übernimmt«, sagte Antony. »Roger möchte sie eine Weile für sich haben und könnte sich das im Übrigen sehr gut leisten«, fügte er mit vielleicht einer Spur von Neid hinzu. »Aber ich habe ihn vor ihrer Heirat schon warnend darauf hingewiesen, dass er ihr den Willen wird lassen müssen.«

»Tja, ich bin sehr froh, dass sie die Rolle übernommen hat. Das Stück bedeutet mir sehr viel, Antony, deshalb hoffe ich so stark, dass Sie bei den Buckleys etwas erreichen. Sie sind der... man könnte wohl sagen, der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Handlung, ganz abgesehen davon, dass sie einen Namen haben, der fast genauso zieht wie der von Margaret Hamilton, auch wenn sie wohl alleine volle Häuser bringen würde. Aber wenn Sie die beiden zur Vernunft bringen können...«

»Ich habe schon gesagt, dass ich da keine Möglichkeit sehe, Jeremy. Aber ich werde natürlich tun, was ich kann.« Und während er dieses übereilte Versprechen gab, läutete es an der Haustür.

Diesmal war es Roger, der hinausging, um zu öffnen. Kurze Zeit später kam er zurück und brachte Leonard und Victoria Buckley mit. Antony hatte erwartet, dass die Begegnung mit ihnen persönlich ganz anders sein würde, als sie auf der Bühne zu sehen, aber sie erschienen ihm behaglich vertraut, zwei kleine, rundliche Menschen mit der ein wenig sonderbaren Ähnlichkeit, die manchmal durch viele Ehejahre entsteht, sodass man sie ohne Schwierigkeit für Geschwister hätte halten können. Und Leonard hatte genau die richtige besitzergreifende Art an sich, als sei er in der Tat stolz auf einen solchen Schatz; im weiteren Verlauf des Abends ließ Victoria auch auf nette Weise erkennen, dass sie seinen Ansichten den Vorzug gab, und zeigte eine Zuneigung, die offenkundig, wenn auch nicht übertrieben war. Antony, der sie beobachtete, hätte schwören mögen, dass Meg sich täuschte, dass die Geschichte, die sie ihnen erzählt hatte, reine Erfindung war. Jenny dagegen, die diesmal klarer sah als er, sagte später zu ihm: »Es ist zur Gewohnheit geworden, vor Zuschauern zu spielen. Nach all den Jahren können sie wohl gar nicht mehr anders.«

Man rückte Stühle, servierte Getränke, setzte sich um das Kaminfeuer zusammen. Das Gespräch nahm eine allgemeine Wendung, wenn auch Meg und Jeremy den Großteil bestritten und verständlicherweise hauptsächlich von dem neuen Stück sprachen. Auch Roger, von dem man hätte annehmen können, er befinde sich nicht in seinem Element, spielte, wie Antony belustigt feststellte, seine Rolle perfekt. Ab und zu bemerkte er jedoch, dass einer der Buckleys ihn prüfend ansah, sodass er sich keineswegs wunderte, als Leonard ihn nach dem Essen beiseitezog und mit knurriger Stimme sagte: »Wollte etwas mit Ihnen bereden, Mr. Maitland.«

Und das war auch so eine Sache – durfte er eigentlich wissen, dass Meg hinter dem Vorschlag stand? Er schien sehr schlecht vorbereitet zu dieser Begegnung gekommen zu sein.

»Beruflich?«, fragte Antony vorsichtig.

»Ganz offen gesagt, ich weiß nicht, ob Sie das so sehen werden oder nicht. Meg meint aber, Sie würden mich gerne anhören und vielleicht helfen können.«

Damit war immerhin ein Rätsel aufgeklärt.

»Wenn ich kann«, sagte Antony, nach wie vor behutsam.

»Es hat sich eine Situation ergeben«, sagte Leonard, aber Maitland ließ ihn nicht weitersprechen.

»Ja, aber ich glaube, das hat Zeit, nicht? Bis wir für uns sind.«

»Ganz recht, ganz recht. Für mich ist es ein bisschen schwierig, seit wir proben. Besteht die Möglichkeit, dass Sie mich morgen besuchen?«

»Wollen Sie, dass ich zu Ihnen komme?«

»Nein, auf keinen Fall. Das ginge wirklich nicht. Vielleicht neutraler Boden«, schlug Leonard vor.