Der Nebel - Stephen King - E-Book
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Der Nebel E-Book

Stephen King

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Beschreibung

Nach einem schweren Sturm machen David Drayton und sein Sohn Billy Besorgungen im nächstgelegenen Supermarkt. Auf einmal zieht ein unheimlicher Nebel auf, und sie sind mit anderen Einheimischen im Laden gefangen. Unheimliche Wesen lauern draußen in den wabernden Schwaden. Die Nerven der Anwesenden liegen zunehmend blank – ist das Gottes Strafe für ihre Sünden, die nur durch Menschenopfer gebüßt werden können? Die Draytons und ein paar andere wagen den Ausbruch ...

Novelle aus Stephen Kings Erzählband »Blut – Skeleton Crew«

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Seitenzahl: 250

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Das Buch

Nach einem schweren Sturm machen David Drayton und sein Sohn Billy Besorgungen im nächstgelegenen Supermarkt. Auf einmal zieht ein unheimlicher Nebel auf, und sie sind mit anderen Einheimischen im Laden gefangen. Unheimliche Wesen lauern draußen in den wabernden Schwaden. Die Nerven der Anwesenden liegen zunehmend blank – ist das Gottes Strafe für ihre Sünden, die nur durch Menschenopfer gebüßt werden können? Die Draytons und ein paar andere wagen den Ausbruch …

Der Autor

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen. Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag, zuletzt die Spiegel-Bestseller Erhebung und Das Institut.

Der Nebel

Aus dem Amerikanischen von Alexandra Reinhardt

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

THE MIST

erstmals 1980 in der Horroranthologie Dark Forces (Hrsg. Kirby McCauley); später in der Erzählsammlung Skeleton Crew.

Die vorliegende Fassung wurde der deutschen Ausgabe Blut – Skeleton Crew entnommen.

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Durchgesehene, erstmalige Einzelausgabe 06/2020

Copyright © 1980, 1985 by Stephen King

Copyright © 1996, 2020 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: bürosüd, München

Design: Akumimpi

Motive: Shutterstock (SARANYA_V, Jenov Jenovallen)

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-26354-6 V003

I. Der Sturm bricht los

Folgendes geschah: An jenem Abend, als die größte Hitzewelle in der Geschichte des nördlichen Neuenglands endlich abflaute – am Abend des 19. Julis –, wurde die gesamte westliche Region von Maine von den heftigsten Gewitterstürmen heimgesucht, die ich je erlebt habe.

Wir wohnten am Long Lake, und wir sahen den ersten Sturm kurz vor Einbruch der Dämmerung über den See direkt auf uns zukommen. Noch eine Stunde zuvor war es völlig windstill gewesen. Die amerikanische Flagge, die mein Vater 1936 auf unser Bootshaus gesetzt hatte, hing schlaff an ihrem Mast. Nicht einmal ihr Saum bewegte sich. Die Hitze war etwas Greifbares und schien so stehend wie trübes Brackwasser zu sein. Am Nachmittag hatten wir drei im See gebadet, aber das Wasser brachte keine Erfrischung, außer man schwamm weit hinaus. Weder Steffy noch ich wollten weit hinausschwimmen, weil Billy es nicht konnte. Billy war fünf.

Um halb sechs nahmen wir auf der Terrasse, die auf den See hinausgeht, ein kaltes Abendessen ein, knabberten lustlos an Schinkensandwiches und stocherten im Kartoffelsalat herum. Niemand schien etwas anderes zu wollen als die Pepsi, die wir in einem Metalleimer voller Eiswürfel kühlten.

Nach dem Abendessen ging Billy wieder nach draußen, um ein Weilchen auf seinem Klettergerüst zu spielen. Steff und ich saßen da, ohne viel zu reden, rauchten und blickten über den glatten Seespiegel hinüber nach Harrison auf der anderen Seeseite. Einige Motorboote fuhren hin und her. Die immergrünen Bäume sahen staubig aus und wirkten erschlafft. Im Westen bauten sich langsam massive, purpurne Gewitterwolken auf und formierten sich wie eine Armee. Blitze zuckten auf. Nebenan war Brent Nortons Radio auf jene Rundfunkstation eingestellt, die vom Gipfel des Mount Washington klassische Musik sendete, und bei jedem Blitz gab es laute Störgeräusche von sich. Norton war ein Rechtsanwalt aus New Jersey, der hier am Long Lake nur ein Sommerhaus ohne Ofen oder Isolierung hatte. Vor zwei Jahren hatten wir einen Grenzstreit gehabt, der schließlich vom Bezirksgericht entschieden wurde. Ich gewann. Norton behauptete, ich hätte nur gewonnen, weil er kein Ortsansässiger sei. Wir hegten keinerlei Sympathie füreinander.

Steff seufzte und fächelte sich die Brüste mit dem Rand ihres Bikinioberteils. Ich bezweifelte, dass es ihr viel Kühlung verschaffte, aber es verbesserte ganz erheblich den Einblick.

»Ich will dich nicht beunruhigen«, sagte ich. »Aber ich glaube, dass ein gewaltiger Sturm im Anzug ist.«

Sie sah mich zweifelnd an. »Gewitterwolken hatten wir auch gestern und vorgestern Abend schon, David. Die haben sich schnell wieder aufgelöst.«

»Heute werden sie sich nicht auflösen.«

»Nein?«

»Wenn es ganz schlimm wird, gehen wir nach unten.«

»Wie schlimm kann es denn werden?«

Mein Vater war der Erste gewesen, der sich auf dieser Seite des Sees ein Haus gebaut hatte, das man das ganze Jahr über bewohnen konnte. Als er noch ein halbes Kind gewesen war, hatten er und seine Brüder an der Stelle, wo das jetzige Haus stand, ein Sommerhäuschen gebaut, und im Jahre 1938 hatte ein Sommersturm es trotz seinen Steinmauern völlig zerstört. Nur das Bootshaus war stehen geblieben. Ein Jahr später hatte er mit dem Bau des großen Hauses begonnen. Es sind besonders die Bäume, die bei heftigem Sturm die großen Schäden anrichten. Sie werden alt, und der Wind knickt sie um. Das ist die Methode von Mutter Natur, von Zeit zu Zeit einen gehörigen Hausputz zu machen.

»Das weiß ich auch nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß. Ich kannte den großen Sturm von 1938 auch nur vom Hören­sagen. »Aber der Wind kann über den See gebraust kommen wie ein Expresszug.«

Kurz danach kam Billy zurück und beklagte sich, dass das Klettern keinen Spaß mache, weil er völlig verschwitzt sei. Ich strich ihm übers Haar und gab ihm noch eine Pepsi. Zusätzliche Arbeit für den Zahnarzt.

Die Gewitterwolken kamen jetzt näher und verdrängten den blauen Himmel. Kein Zweifel, dass sich ein Sturm ankündigte. Norton hatte sein Radio abgestellt. Billy saß zwischen seiner Mutter und mir und beobachtete fasziniert den Himmel. Donner grollte, rollte langsam über den See und hallte wieder zurück. Die Wolken griffen ineinander, verflochten sich, strebten wieder auseinander, schwarz, purpurn, dann geädert, dann wieder schwarz. Allmählich überquerten sie den See, und ich sah, dass sie ein feines Regennetz unter sich ausbreiteten. Es war noch ein ganzes Stück entfernt. Der Regen fiel vermutlich auf Bolster’s Mills oder vielleicht auch erst auf Norway.

Die Luft geriet in Bewegung, zuerst nur stoßweise, sodass die Flagge sich abwechselnd blähte und dann wieder schlaff herabhing. Der Wind frischte auf, trocknete den Schweiß auf unserer Haut und schien ihn anschließend zu gefrieren.

Da sah ich den Silberschleier über den See wirbeln. Er verhüllte Harrison in Sekundenschnelle und kam direkt auf uns zu. Alle Motorboote waren von der Bildfläche verschwunden.

Billy stand von seinem Stuhl auf – eine Miniaturausgabe unserer Regiestühle, mit seinem Namen auf der Lehne. »Daddy! Schau mal!«

»Gehen wir ins Haus«, sagte ich, stand auf und legte ihm den Arm um die Schultern.

»Siehst du das? Dad, was ist das?«

»Eine Wasserhose. Gehen wir rein.«

Steff sah mich kurz bestürzt an und sagte dann: »Komm, Billy. Tu, was dein Vater sagt.«

Wir gingen durch die Glasschiebetür ins Wohnzimmer. Ich schloss die Tür und warf bei der Gelegenheit noch einen Blick nach draußen. Der Silberschleier hatte den See zu drei Vierteln überquert. Er glich jetzt einer riesigen, mit rasender Geschwindigkeit herumwirbelnden Teetasse zwischen dem tief hängenden, schwarzen Himmel und der Wasseroberfläche, die bleifarben war, mit weißen Chromstreifen. Der See sah gespenstisch aus wie ein Ozean, mit seinen hohen Wellen, die bedrohlich heranrollten und Gischt an den Kais und Wellenbrechern aufschäumen ließen. Weit draußen auf dem See warfen riesige Schaumkronen ihre Köpfe hin und her.

Der Anblick der Wasserhose war hypnotisch. Sie hatte uns fast erreicht, als ein Blitz so grell zuckte, dass noch dreißig Sekunden später alles im Negativ vor meinen Augen brannte. Das Telefon gab ein bestürztes Kling von sich; ich drehte mich um und sah meine Frau und meinen Sohn direkt vor dem großen Verandafenster stehen, das uns ein großartiges Panorama des Sees in nordwestlicher Richtung bot.

Ich hatte eine jener schrecklichen Visionen, die vermutlich ausschließlich Ehemännern und Vätern vorbehalten waren – das Fenster zerbirst mit einem tiefen, harten Klirren und bohrt seine zackigen Glaspfeile in den nackten Bauch meiner Frau, in Gesicht und Hals meines Jungen. Die Schrecken der Inquisition waren eine Kleinigkeit, verglichen mit den Horrorszenen, die wir im Geiste vor uns sahen, wenn wir geliebte Menschen in Gefahr glaubten.

Ich packte beide ziemlich unsanft und riss sie zurück. »Was zum Teufel macht ihr da? Macht, dass ihr hier wegkommt!«

Steff warf mir wieder einen bestürzten Blick zu. Billy sah mich wie jemand an, der gerade aus tiefem Traum gerissen worden war. Ich führte sie in die Küche und machte Licht. Das Telefon gab wieder ein Klingelingeling von sich.

Dann kam der Wind. Es war, als hätte das Haus wie eine 747 vom Boden abgehoben. Der Wind war ein hohes, atemloses Pfeifen, dann wieder ein dröhnender Bass, der Sekunden später in ein keuchendes Kreischen überging.

»Geht nach unten«, befahl ich Steff, und jetzt musste ich brüllen, um mich verständlich zu machen. Unmittelbar über dem Haus trommelte der Donner mit riesigen Stöcken, und Billy klammerte sich an mein Bein.

»Du auch!«, schrie Steff zurück.

Ich nickte und machte scheuchende Bewegungen. Billy musste ich von meinem Bein regelrecht losreißen. »Geh mit deiner Mutter. Ich will noch ein paar Kerzen holen, falls das Licht ausgeht.«

Er ging mit ihr, und ich riss die Schränke auf. Kerzen waren irgendwie etwas Komisches. Man legte sie jeden Frühling bereit, weil man wusste, dass ein Sommersturm die Stromversorgung lahmlegen konnte. Und wenn es dann so weit war, waren sie unauffindbar.

Ich wühlte nun schon den vierten Schrank durch. Dabei stieß ich auf die paar Gramm Gras, die Steff und ich vier Jahre zuvor gekauft, aber kaum je geraucht hatten; ich stieß auf Billys ausziehbares Gebiss, das aus einem Scherzartikelladen in Auburn stammte; auf Stapel von Fotos, die Steffy immer in unser Album einzukleben vergaß. Ich schaute unter einem Katalog von Sears und hinter einer Kewpie-Puppe aus Taiwan nach, die ich beim Jahrmarkt in Fryeburg gewonnen hatte, wo ich mit Tennisbällen nach Milchflaschen aus Holz geworfen hatte.

Ich fand die Kerzen hinter der Kewpie-Puppe mit den toten Glasaugen. Sie waren noch in Zellophan verpackt. Als ich sie in die Hand nahm, gingen die Lampen aus, und die einzige Elektrizität war die am Himmel. Das Esszimmer wurde von einer Serie weißer und purpurner Blitze in grelles Licht getaucht. Ich hörte, dass Billy unten in Tränen ausbrach und dass Steff leise und beruhigend auf ihn einsprach.

Ich musste noch einen Blick auf den Sturm werfen.

Die Wasserhose war entweder an uns vorbeigezogen oder am Ufer zusammengebrochen, aber ich konnte immer noch keine zwanzig Meter auf den See hinaus sehen. Das Wasser war in wildem Aufruhr. Ein Dock – möglicherweise das von den Jassersens – wurde vorbeigetrieben, wobei seine Hauptträger abwechselnd in den Himmel ragten und im schäumenden Wasser versanken.

Ich ging nach unten. Billy rannte auf mich zu und umklammerte meine Beine. Ich hob ihn hoch und drückte ihn fest an mich. Dann zündete ich die Kerzen an. Wir saßen im Gästezimmer, das durch einen Gang von meinem kleinen Atelier getrennt war, blickten einander beim flackernden gelben Kerzenschein ins Gesicht und lauschten, wie der Sturm brüllte und an unserem Haus zerrte. Etwa zwanzig Minuten später hörten wir ein gewaltiges Krachen, und eine der Fichten stürzte zu Boden. Dann herrschte Stille.

»Ist es vorbei?«, fragte Steff.

»Vielleicht«, sagte ich. »Vielleicht aber auch nur vorüber­gehend.«

Wir gingen nach oben, jeder mit einer Kerze, wie Mönche auf dem Weg zur Vesper. Billy trug seine stolz und behutsam. Eine Kerze zu tragen, das Feuer zu tragen, war etwas Besonderes für ihn. Es half ihm, seine Angst zu vergessen.

Es war zu dunkel, das Ausmaß des Schadens ums Haus herum zu sehen. Billys Schlafenszeit war überschritten, aber keinem kam es in den Sinn, ihn ins Bett zu bringen. Wir saßen im Wohnzimmer, lauschten dem Wind und betrachteten die Blitze.

Etwa eine Stunde später kam wieder Wind auf. Drei Wochen lang hatten wir Temperaturen über dreißig Grad gehabt, und an sechs dieser einundzwanzig Tage hatte der nationale Wetterdienst am Jetport von Portland sogar Temperaturen über vierzig Grad gemeldet. Komisches Wetter! Zusammen mit dem strengen Winter, der hinter uns lag, und mit dem späten Frühling hatte das schon dazu geführt, dass manche Leute wieder diesen alten Blödsinn über die Langzeitwirkung der Atombombentests der Fünfzigerjahre hervorkramten. Und natürlich auch wieder das Ende der Welt prophezeiten. Den ältesten Unsinn überhaupt.

Die zweite Bö war nicht so stark, aber wir hörten das Krachen mehrerer Bäume, die vom ersten Angriff wohl schon geschwächt gewesen waren. Als der Wind gerade wieder schwächer wurde, fiel ein Baum dröhnend auf das Dach – wie eine Faust, die auf einen Sargdeckel schlug. Billy sprang auf und schaute ängstlich nach oben.

»Es hält, Liebling«, beruhigte ich ihn.

Billy lächelte nervös.

Gegen zehn kam die letzte Bö. Sie war schlimm. Der Wind heulte fast so laut wie beim ersten Mal, und die Blitze zuckten auf allen Seiten ums Haus. Noch mehr Bäume wurden geknickt. Am Wasser ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen. Steff stieß einen leisen Schrei aus. Billy war auf ihrem Schoß eingeschlafen.

»David, was war das?«

»Das Bootshaus, nehme ich an.«

»Oh! O Gott!«

»Steffy, wir sollten wieder nach unten gehen.« Ich nahm Billy auf den Arm und stand mit ihm auf. Steff hatte die Augen aufgerissen und guckte verängstigt.

»David, werden wir die Sache heil überstehen?«

»Ja.«

»Wirklich?«

»Ja.«

Wir gingen nach unten. Zehn Minuten später hörten wir von oben lautes Klirren – das Verandafenster. Demnach war meine Vision von zuvor doch nicht so verrückt gewesen. Steff, die gedöst hatte, schreckte mit einem Schrei hoch, und Billy bewegte sich unruhig im Gästebett.

»Es wird hereinregnen«, sagte sie. »Der Regen wird die Möbel ruinieren.«

»Und wenn schon. Sie sind versichert.«

»Das macht es auch nicht besser«, sagte sie mit aufgeregter, zänkischer Stimme. »Die Kommode deiner Mutter … unser neues Sofa … der Farbfernseher …«

»Nur ruhig«, sagte ich. »Geh schlafen.«

»Ich kann nicht«, sagte sie, aber fünf Minuten später schlief sie doch.

Ich blieb noch eine halbe Stunde mit einer brennenden Kerze als Gesellschaft wach und lauschte dem Murmeln und Grollen des Donners draußen. Ich hatte das Gefühl, als würden am nächsten Morgen viele Bewohner der Ortschaften am See ihre Versicherungsvertreter anrufen, viele Motorsägen brummen, wenn Hausbesitzer die Bäume zersägten, die auf ihre Dächer gefallen waren und ihre Fenster zerschmettert hatten, und viele orangefarbene Lastwagen der Elektrizitätswerke auf den Straßen unterwegs sein.

Der Sturm ließ nach, es gab keine Anzeichen für eine neue Bö. Ich ließ Steff und Billy auf dem Bett liegen, ging nach oben und warf einen Blick ins Wohnzimmer. Die Schiebetür aus Glas hatte standgehalten. Nur wo das Verandafenster gewesen war, gähnte jetzt ein ausgezacktes Loch, das teilweise mit Birkenblättern gefüllt war. Es war die Spitze des alten Baums, der, solange ich mich erinnern konnte, neben dem Kellereingang gestanden hatte. Während ich die Spitze betrachtete, die jetzt unserem Wohnzimmer einen Besuch abstattete, verstand ich, was Steff meinte, als sie gesagt hatte, die Versicherung würde auch nichts besser machen. Ich hatte den Baum sehr gemocht. Er war ein stolzer Veteran vieler Winter gewesen, der einzige Baum auf der Seeseite des Hauses, der von meiner Kreissäge verschont geblieben war. Die großen Glasscherben auf dem Teppich reflektierten meine Kerzenflamme hundertfach. Ich durfte nicht vergessen, Steff und Billy zu warnen. Sie mussten hier oben Schuhe anziehen. Beide liefen morgens gern barfuß herum.

Ich ging wieder nach unten. Wir schliefen zu dritt in dem Gästebett, Billy zwischen Steff und mir. Im Traum sah ich Gott durch Harrison auf der anderen Seeseite gehen, einen Gott, der so riesig war, dass er von der Taille aufwärts in einem klaren, blauen Himmel verschwand. Im Traum hörte ich das Splittern und Krachen von Bäumen, die unter seinen Schritten wie Grashalme umknickten. Er umkreiste den See und kam auf die Bridgton-Seite zu, Er kam auf uns zu, und alle Häuser und Sommerhäuschen gingen blitzartig in purpurn-weißen Flammen auf, und bald verhüllte der Rauch alles. Der Rauch verhüllte alles – wie Nebel.

II. Nach dem Sturm. Norton. Fahrt in die Stadt

»Ui!«, rief Billy.

Er stand am Zaun, der unser Anwesen von Nortons trennt, und blickte auf unsere Auffahrt, die eine Viertelmeile lang war und auf einen Feldweg führte, der seinerseits nach einer Dreiviertelmeile in eine zweispurige Asphaltstraße namens Kansas Road einmündete. Auf der Kansas Road konnte man überall hinkommen, jedenfalls solange es Bridgton war.

Ich sah, was Billy betrachtete, und mir blieb fast das Herz stehen.

»Geh nicht näher ran, Freundchen.«

Billy erhob keine Einwände.

Der Morgen war hell und klar wie ein Glockenton. Der Himmel, der während der Hitzewelle dunstig gewesen war, hatte wieder eine frische tiefblaue Farbe angenommen, die fast herbstlich anmutete. Es ging eine leichte Brise, die fröhliche Sonnenflecken über die Auffahrt tanzen ließ. Nicht weit von Billys Standort entfernt, war ein anhaltendes Zischen zu hören, und im Gras lag etwas, was man auf den ersten Blick für ein zuckendes Schlangenbündel halten konnte. Die zu unserem Haus führenden Stromleitungen waren etwa sechs Meter davon entfernt heruntergefallen und lagen in einem unordentlichen Knäuel auf einem verbrannten Grasstreifen. Sie bewegten sich träge und zischten. Wenn die Bäume und das Gras vom wolkenbruchartigen Regen nicht so durchtränkt gewesen wären, hätte das Haus in Flammen aufgehen können. So aber gab es nur diesen schwarzen Streifen, da wo die Leitungen direkten Bodenkontakt gehabt hatten.

»Könnte das wen totmachen, Daddy?«

»Ja, das könnte es.«

»Was machen wir jetzt damit?«

»Erst mal nichts. Wir müssen auf die Männer vom E-Werk warten.«

»Wann kommen die?«

»Das weiß ich nicht.« Fünfjährige konnten einem richtig Löcher in den Bauch fragen. »Ich kann mir vorstellen, dass sie heute Morgen ziemlich beschäftigt sind. Willst du mit mir einen Spaziergang bis zum Ende der Auffahrt machen?«

Er machte einige Schritte auf mich zu, blieb dann stehen und sah ängstlich auf die Leitungen. Eine machte gerade einen kleinen Buckel und drehte sich etwas, so als wollte sie uns zuwinken.

»Daddy, kann Lektrizität durch den Boden schießen?«

Eine gute Frage. »Ja, aber mach dir keine Sorgen. Elek­trizität braucht den Boden, nicht dich, Billy. Dir kann nichts passieren, solange du von den Leitungen wegbleibst.«

»Braucht den Boden«, murmelte er, und dann kam er zu mir, und wir gingen Hand in Hand die Auffahrt entlang.

Es war schlimmer, als ich mir vorgestellt hatte. An vier verschiedenen Stellen versperrten umgestürzte Bäume die Auffahrt – ein kleiner, zwei mittelgroße und ein alter Riese von gut und gern ein Meter fünfzig Durchmesser, der mit Moos bedeckt war, als trüge er ein schimmeliges Korsett.

Äste, manche ihrer Blätter halb beraubt, lagen überall in großer Zahl herum. Während Billy und ich in Richtung Feldweg schlenderten, warfen wir die kleineren Äste rechts und links ins Gehölz. Mich erinnerte das an einen Sommertag vor nunmehr fast fünfundzwanzig Jahren; ich konnte damals nicht viel älter gewesen sein als Billy. Alle meine Onkel waren hergekommen, und sie hatten den ganzen Tag mit Äxten und Beilen und Stangen in den Wäldern verbracht und das Unterholz gelichtet. Am Spätnachmittag hatten sich alle um den riesigen Picknicktisch meiner Eltern versammelt, und es hatte große Mengen Hotdogs, Hamburger und Kartoffelsalat gegeben. Das Gansett-Bier war in Strömen geflossen, und mein Onkel Reuben hatte einen Kopfsprung in den See gemacht, in voller Bekleidung, sogar mit den Sonntagsschuhen. Damals hatte es in den hiesigen Wäldern noch Rotwild gegeben.

»Daddy, kann ich zum See runter?«

Er hatte keine Lust mehr, Äste beiseitezuräumen, und wenn ein kleiner Junge etwas satt hatte, war es das Beste, ihn etwas anderes tun zu lassen. »Na klar.«

Wir kehrten zusammen zum Haus zurück, und dann bog Billy nach rechts ab, wobei er die Stromleitungen weit umkreiste. Ich ging nach links in die Garage, um meine McCulloch zu holen. Ich hatte richtig vermutet – seeauf- und seeabwärts hörte ich schon das unangenehme Kreischen der Sägen.

Ich füllte den Tank, zog mein Hemd aus und wollte mich gerade wieder zur Auffahrt begeben, als Steff aus dem Haus trat. Sie betrachtete nervös die umgestürzten Bäume, die unsere Auffahrt blockierten.

»Wie schlimm ist es?«

»Ich kann sie zersägen. Wie schlimm ist es im Haus?«

»Na ja, ich hab die Scherben weggeräumt, aber du wirst irgendwas mit dem Baum machen müssen, David. Wir können keinen Baum im Wohnzimmer gebrauchen.«

»Stimmt«, sagte ich. »Wohl nicht.«

Wir betrachteten einander in der Morgensonne und mussten lachen. Ich legte die McCulloch beiseite, küsste sie und drückte ihre Pobacken.

»Nicht«, murmelte sie. »Billy ist …«

Da kam er schon um die Ecke gesaust. »Dad! Daddy! Du musst kommen und …«

Steffy sah die Stromleitungen und schrie, er solle aufpassen. Billy, der ein gutes Stück davon entfernt gewesen war, blieb stehen und starrte seine Mutter an, als wäre sie verrückt geworden.

»Mir passiert doch nichts, Mama«, sagte er in dem milden Ton, den man gegenüber sehr alten und senilen Personen anzuwenden pflegte. Er kam auf uns zu und demonstrierte uns, dass er überhaupt keine Angst hatte. Steff zitterte in meinen Armen.

»Schon gut«, flüsterte ich ihr ins Ohr. »Er weiß Bescheid.«

»Ja, aber Leute sterben«, sagte sie. »Im Fernsehen wird die ganze Zeit vor Leitungen gewarnt, die unter Strom stehen. Billy, ich möchte, dass du sofort ins Haus gehst!«

»Ach, Mama, bitte nicht! Ich muss Dad das Bootshaus zeigen!« Er war fast glupschäugig vor Aufregung und Enttäuschung. Die apokalyptischen Sturmfolgen waren ganz nach seinem Geschmack, und er wollte sie mit anderen teilen.

»Du gehst sofort ins Haus! Die Stromleitungen sind gefährlich und …«

»Daddy sagt, dass sie den Boden wollen, nicht mich …«

»Billy, widersprich mir nicht!«

»Ich komm es mir ansehen, Meister. Geh schon vor.« Ich spürte, wie Steff erstarrte. »Aber geh ums Haus rum.«

»Klar! Okay!«

Er stürzte an uns vorbei und rannte zwei Stufen auf einmal die Steintreppe hoch, die zur Westseite des Hauses führte. Er verschwand mit flatterndem Hemd und rief kurz darauf laut: »O Mann!« Offenbar hatte er irgendwo weitere Verwüstungen entdeckt.

»Er weiß über die Leitungen Bescheid, Steffy.« Ich umfasste zärtlich ihre Schultern. »Er hat Angst davor, und das ist gut so. Dadurch hält er Sicherheitsabstand.«

Eine Träne lief ihr über die Wange. »David, ich habe Angst!«

»Na komm schon. Das Ganze ist vorbei.«

»Wirklich? Der letzte Winter … und der späte Frühling … In der Stadt haben sie von einem schwarzen Frühling gesprochen … es hätte seit 1888 hier in der Gegend keinen solchen mehr gegeben …«

Mit der Mehrzahl sie war zweifellos ganz allein Mrs. Carmody gemeint, die in Bridgton ein Antiquitätengeschäft betrieb, einen Trödelladen, in dem Steffy von Zeit zu Zeit gern herumstöberte. Billy war verrückt danach, sie dorthin zu begleiten. In einem der düsteren, verstaubten Hinterzimmer spreizten ausgestopfte Eulen mit goldumringten Augen für immer ihre Flügel, während ihre Klauen ewig lackierte Holzstücke umklammerten; ein Trio ausgestopfter Waschbären stand um einen Bach herum, der aus einem langen Stück eines verstaubten Spiegels bestand; und ein mottenzerfressener Wolf, aus dessen Maul statt Speichel Sägemehl rann, stieß ein ewiges grausiges Knurren aus. Mrs. Carmody behauptete, ihr Vater habe den Wolf eines Septembernachmittags im Jahr 1901 geschossen, als der zum Trinken an den Stevens-Bach gekommen sei.

Die Ausflüge in Mrs. Carmodys Trödelladen lohnten sich für meine Frau und meinen Sohn. Sie interessierte sich für farbiges Glas, er interessierte sich für den Tod in Form ausgestopfter Tiere. Ich war jedoch der Meinung, dass die alte Frau einen negativen Einfluss auf Steffs Verstand ausübte, der in jeder anderen Hinsicht ausgesprochen praktisch und nüchtern war. Sie hatte Steffs wunden Punkt entdeckt, eine Art geistiger Achillesferse. Steffy war allerdings nicht die Einzige in der Stadt, die von Mrs. Carmodys mittelalterlichen Warnungen und Volksheilmitteln (die immer im Namen Gottes verschrieben wurden) fasziniert war.

Abgestandenes Wasser konnte Quetschungen heilen, wenn ein Ehemann zu der Sorte gehörte, die nach drei Drinks allzu leicht handgreiflich wurde. Man konnte vorhersagen, wie der nächste Winter sein würde, indem man im Juni die Ringe an den Raupen zählte und im August den Umfang der Honigwaben maß. Und nun also, Gott beschütze und bewahre uns, DER SCHWARZE FRÜHLING VON 1888 (man füge so viel Ausrufungszeichen ein, wie man wolle). Ich hatte die Geschichte auch gehört. Sie erfreute sich in der Gegend großer Beliebtheit – wenn der Frühling sehr kalt war, wurde das Eis auf den Seen schließlich so schwarz wie ein verfaulter Zahn. Das kam selten vor, war aber kaum ein Jahrhundertereignis. Wie gesagt, die Geschichte wurde hier gern verbreitet, aber kaum jemand konnte sie mit so viel Überzeugungskraft vortragen wie Mrs. Carmody.

»Wir hatten einen strengen Winter und einen späten Frühling«, sagte ich. »Und jetzt haben wir einen heißen Sommer. Und es hat einen Sturm gegeben, aber der ist vorbei. Du bist nicht du selbst, Stephanie.«

»Das war kein gewöhnlicher Sturm«, sagte sie mit heiserer Stimme.

»Das nicht«, sagte ich. »Darin stimme ich mit dir überein.«

Ich hatte die Geschichte vom schwarzen Frühling von Bill Giosti gehört, dem Giosti’s Mobil in Casco Village gehörte. Bill führte – mehr oder weniger – die Tankstelle zusammen mit seinen drei Säufer-Söhnen (gelegentlich halfen auch seine vier Säufer-Enkel – wenn sie zufällig einmal nicht damit beschäftigt waren, an ihren Schneemobilen und Dreckschleudern herumzubasteln). Bill war siebzig, sah aus wie achtzig und konnte, wenn er in Stimmung war, immer noch trinken wie ein Dreiundzwanzigjähriger. Billy und ich hatten unseren Scout Mitte Mai zum Volltanken hingebracht, einen Tag nachdem ein überraschender Sturm der ganzen Gegend dreißig Zentimeter nassen, schweren Schnee beschert hatte, der das junge Gras und die Blumen unter sich begrub. Giosti hatte schon ziemlich tief ins Glas geschaut und uns begeistert die Geschichte vom schwarzen Frühling erzählt, die er noch dazu mit eigenem Garn ausschmückte. Aber hier schneite es manchmal noch im Mai; zwei Tage später war es dann wieder vorbei. Das war nichts Besonderes.

Steff betrachtete zweifelnd die heruntergefallenen Stromleitungen. »Wann wollen die Leute vom E-Werk kommen?«

»Sobald sie können. Das wird nicht lange dauern. Mach dir wegen Billy keine Sorgen. Er ist ein aufgeweckter Junge. Er vergisst zwar immer, seine Klamotten aufzuräumen, aber er wird bestimmt nicht auf Stromkabel treten. Er besitzt einen gesunden Selbsterhaltungstrieb.« Ich berührte ihren Mundwinkel, der sofort gehorchte und sich zum Ansatz eines Lächelns krümmte. »Besser?«

»Bei dir sieht immer alles gleich besser aus«, sagte sie, was wiederum mir ein gutes Gefühl gab.

Von der Seeseite rief Billy, wir sollten zu ihm kommen und schauen.

»Komm mit«, sagte ich. »Sehen wir uns den Schaden an.«

Sie schnaubte verächtlich. »Wenn ich Schäden betrachten will, kann ich mich ins Wohnzimmer setzen.«

»Dann mach einen kleinen Jungen glücklich.«

Wir gingen Hand in Hand die Steintreppe hinab. Wir waren gerade auf dem ersten Absatz angelangt, als Billy aus der anderen Richtung angesaust kam und uns fast über den Haufen rannte.

»Sachte!«, sagte Steff und runzelte leicht die Stirn. Vielleicht sah sie im Geist, wie er in das tödliche Leitungsnetz hineinraste anstatt in uns beide.

»Das müsst ihr sehen«, keuchte Billy. »Das Bootshaus ist total kaputt! Ein Dock liegt auf den Felsen … und die Bäume in der Bootsbucht … Verdammt, verdammt!«

»Billy Drayton!«, donnerte Steff.

»’tschuldige, Mama … aber du müsstest … O Mann!« Und schon war er wieder weg.

»Der Unheilsbote hat gesprochen und zieht von dannen«, sagte ich, und Steff musste wieder kichern. »Pass auf, wenn ich die Bäume über der Auffahrt durchgesägt habe, fahre ich in der Portland Road beim E-Werk vorbei und sage Bescheid, was bei uns los ist. Okay?«

»Okay«, sagte sie erleichtert. »Was glaubst du, wann du fahren kannst?«

Ohne den großen Baum – den mit dem schimmeligen Mooskorsett – hätte ich die Arbeit in einer Stunde geschafft. Aber mit diesem Schwergewicht würde ich kaum vor elf fertig sein.

»Dann mache ich hier für dich Mittagessen. Aber du musst nachher im Supermarkt einiges für mich einkaufen … Wir haben fast keine Milch und Butter mehr. Außerdem … Na ja, ich werde dir eine Liste machen.«

Kaum passierte eine Katastrophe, wurden Frauen zu Hamstern. Ich umarmte sie und nickte. Wir setzten unseren Weg ums Haus fort. Auf den ersten Blick verstanden wir, warum Billy ein bisschen außer sich gewesen war.

»Ach Gott«, murmelte Steff mit schwacher Stimme.

Unser Standort war hoch genug, dass wir das Ufer fast eine Viertelmeile weit überblicken konnten – das Anwesen der Bibbers links von uns, unser eigenes und Brent Nortons rechts.

Die riesige alte Tanne, die unsere Bootsbucht bewacht hatte, war auf halber Höhe abgeknickt. Was von ihr übrig war, sah aus wie ein roh zugespitzter Bleistift, und das Bauminnere wirkte glänzend weiß und wehrlos gegen die vom Alter und Wetter dunkel gewordene Rinde. Die obere Hälfte der Tanne – etwa dreißig Meter – lag, teilweise unter Wasser, in unserer schmalen Bootsbucht. Ich dachte, dass wir großes Glück gehabt hatten, dass unser kleiner Star-Cruiser nicht darunter begraben war. Er hatte eine Woche zuvor einen Motorschaden gehabt und wartete in der Naples-Werft geduldig darauf, repariert zu werden.

Auf der anderen Seite unseres kleinen Küstenstreifens lag ein großer Baum auf dem Bootshaus, das mein Vater gebaut hatte – dem Bootshaus, das einst eine 18-Meter-Jacht beherbergt hatte, als das Vermögen der Familie Drayton noch größer gewesen war als jetzt. Ich sah, dass es derjenige war, der auf Nortons Seite der Grundstücksgrenze gestanden hatte. Das trieb mir die Zornesröte ins Gesicht. Der Baum war seit fünf Jahren abgestorben gewesen, und Norton hätte ihn schon längst fällen lassen sollen. Nun hatte unser Bootshaus seinen Fall nach drei Vierteln des Wegs aufgehalten. Das Dach sah trunken und windschief aus. Die Schindeln aus dem Loch, das der Baum geschlagen hatte, waren vom Wind in der ganzen Umgebung des Bootshauses verstreut worden. Billys Beschreibung »total kaputt« konnte nicht treffender sein.

»Das ist Nortons Baum!«, sagte Steff. Und sie sagte es mit so gekränkter Eitelkeit, dass ich meinem eigenen Kummer zum Trotz lächeln musste. Die Fahnenstange lag im Wasser, und die Old-Glory-Flagge trieb als durchgeweichtes Bündel daneben. Und ich konnte mir Nortons Antwort vorstellen: Verklagen Sie mich doch!

Billy stand auf dem Felsen, der uns als Wellenbrecher diente, und betrachtete das Dock, das angespült worden war. Es hatte fröhliche blaue und gelbe Farbstreifen. Er warf uns über die Schulter hinweg einen Blick zu und rief vergnügt: »Es gehört den Martinsens, richtig?«

»Richtig«, sagte ich. »Gehst du rein und fischst die Flagge raus, Big Bill?«

»Klar!«