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G. F. Barner

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Beschreibung

Freunde, ich möchte Euch ein paar Worte sagen, ehe ich Euch die Geschichte des »Marshal von Dodge« niederschreibe. Vor einigen Monaten nahm ich bereits zu den häufenden Angriffen gegen Wyatt Earp Stellung. Ich erwähnte damals auch, daß Hollywood, welches eine ganze Reihe von Wildwestfilmen mit Wyatt Earp als Helden gedreht hat, sich nun nicht scheute, zur Auffüllung der Kassen den populären Western-Marshal – in einem gewaltigen Staraufgebot – einmal als recht dunkle Figur über die geduldige Leinwand geistern zu lassen. Das mag vom Standpunkt der mageren derzeitigen Filmgeschäfte betrachtet, begreiflich sein – ist aber in Anbetracht der bisher in der Filmindustrie Amerikas vertetenen Richtung wenig gentlemanlike. Der brauchbare Wyatt Earp sollte das Eisen – diesmal die Dollars der Filmbosse – wieder aus dem Feuer reißen, daß er dafür zur Abwechslung einmal als Desperado auftreten muß, kümmerte die Hersteller des Streifens wenig. Und niemand kann etwas dagegen ausrichten. In »God own Country«, wie sich die Staaten ja nennen, ist eben alles möglich, und der tote Marshal Earp, der zahllose Male sein Leben für den Kampf um das Gesetz in der rauhesten und wildesten Zeit der USA eingesetzt hatte, kann sich nicht mehr wehren. Ich wollte dies nur gesagt haben, um Euch zu bitten, Euch wegen dieser Dinge keine grauen Haare wachsen zu lassen. Eine andere Mammut-Filmgesellschaft ebenfalls derer vom »Stechpalmenwäldchen« bereitet zum Ausgleich dafür mit Televisions-Star Hugh O'Brian und Kirk Douglas sowie vielen anderen Stars einen neuen großen Wyatt Earp Film vor, der den Marshal wieder strahlen lassen soll. Ich finde dieses Hin und Her um gefüllter Kassen willen wenig nobel – aber das Big-Business in Amerika fragt wenig danach. So long! Euer William Mark. Über Atlantic City breitete sich ein sternenbesäter Nachthimmel. Die kleine Stadt im Fremont-Country in der Südwestecke Wyomings schlief. Auf der Kuppe eines Hügels hielten drei Reiter und blickten auf die Ansiedlung hinunter. Scharf zeichneten sich ihre Konturen gegen den Nachthimmel ab. Der mittlere der Männer deutete mit der ausgestreckten Linken auf die Häuser, die wie Schemen auf dem Schwarzgrau der Talsohle zu schweben schienen.

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G.F. Barner Bestseller – 2 –

Der neue Marshal

G.F. Barner

Freunde, ich möchte Euch ein paar Worte sagen, ehe ich Euch die Geschichte des »Marshal von Dodge« niederschreibe.

Vor einigen Monaten nahm ich bereits zu den häufenden Angriffen gegen Wyatt Earp Stellung. Ich erwähnte damals auch, daß Hollywood, welches eine ganze Reihe von Wildwestfilmen mit Wyatt Earp als Helden gedreht hat, sich nun nicht scheute, zur Auffüllung der Kassen den populären Western-Marshal – in einem gewaltigen Staraufgebot – einmal als recht dunkle Figur über die geduldige Leinwand geistern zu lassen. Das mag vom Standpunkt der mageren derzeitigen Filmgeschäfte betrachtet, begreiflich sein – ist aber in Anbetracht der bisher in der Filmindustrie Amerikas vertetenen Richtung wenig gentlemanlike. Der brauchbare Wyatt Earp sollte das Eisen – diesmal die Dollars der Filmbosse – wieder aus dem Feuer reißen, daß er dafür zur Abwechslung einmal als Desperado auftreten muß, kümmerte die Hersteller des Streifens wenig. Und niemand kann etwas dagegen ausrichten. In »God own Country«, wie sich die Staaten ja nennen, ist eben alles möglich, und der tote Marshal Earp, der zahllose Male sein Leben für den Kampf um das Gesetz in der rauhesten und wildesten Zeit der USA eingesetzt hatte, kann sich nicht mehr wehren.

Ich wollte dies nur gesagt haben, um Euch zu bitten, Euch wegen dieser Dinge keine grauen Haare wachsen zu lassen. Eine andere Mammut-Filmgesellschaft ebenfalls derer vom »Stechpalmenwäldchen« bereitet zum Ausgleich dafür mit Televisions-Star Hugh O’Brian und Kirk Douglas sowie vielen anderen Stars einen neuen großen Wyatt Earp Film vor, der den Marshal wieder strahlen lassen soll. Ich finde dieses Hin und Her um gefüllter Kassen willen wenig nobel – aber das Big-Business in Amerika fragt wenig danach.

Bleibt unbeirrt im Sattel sitzen, Freunde, und folgt der klaren, sauberen Spur des Dodger Marshals weiterhin; sie führt Euch diesmal hinauf ins Fremont Country, oben in Wyoming, wo sich ein Mann namens Rory Josuah Keaton gegen Ende der Siebziger Jahre eine geradezu unwahrscheinlich erscheinende Sache geleistet hatte…

So long!

Euer William Mark.

Über Atlantic City breitete sich ein sternenbesäter Nachthimmel. Die kleine Stadt im Fremont-Country in der Südwestecke Wyomings schlief.

Auf der Kuppe eines Hügels hielten drei Reiter und blickten auf die Ansiedlung hinunter. Scharf zeichneten sich ihre Konturen gegen den Nachthimmel ab. Der mittlere der Männer deutete mit der ausgestreckten Linken auf die Häuser, die wie Schemen auf dem Schwarzgrau der Talsohle zu schweben schienen.

»Wir sind am Ziel, Boys«, sagte er. »Das ist Atlantic-City. Ihr wißt, was ihr zu tun habt.«

Rob Piggers, der Mann an seiner linken Seite, stützte sich schwer auf das Sattelhorn und meinte:

»Vielleicht ist es besser, du sagst es uns noch einmal Boß.«

Rory Keaton nickte. »Well, hört also zu. Ich werde euch die ganze Sache noch einmal eintrichtern. Du, Rob, nimmst die westliche Seite der Main-street, und du, Kid, nimmst die östliche. Ist das klar?«

Die beiden anderen nickten stumm. Keaton nahm eine schwarze Zigarre aus der Tasche, zündete sie an und sagte:

»Ich muß mich langsam an meinen neuen Job gewöhnen.«

»Raucht er denn Zigarren?«

Piggers schob die Unterlippe vor.

»Darauf kannst du dich verlassen. Er raucht Zigarren, schwarze Zigarren; lange Dinger wie sie sie unten in Mexiko rauchen. Nicht sehr viele, aber doch so viele, daß es typisch für ihn ist.«

Piggers rümpfte die Nase. »Well, das kann schon stimmen, nur kann ich mir nicht vorstellen, daß er sie aus der Jackentasche zieht.«

Keaton feixte. »Doch, genau das tut er. Bill Peacemaker hat es mir so berichtet. Er war schließlich nicht umsonst Deputy bei ihm.«

»Und du bist sicher«, fragte Piggers, »daß es ein richtiger Buntline-Revolver ist, den Bill dir gekauft hat?«

»Yeah, ich bin ganz sicher. Lloyd Hellbrook hat den Revolver selbst geprüft und findet ihn großartig.«

Der dritte Reiter, ein schmalschultriger Bursche, der den Namen Kid McNally trug und bis jetzt noch gar nichts gesagt hatte, meinte schnarrend:

»Schwer, sich vorzustellen, daß ein Kerl wie Peacemaker an einen echten Buntline-Revolver kommen sollte.«

Keaton brummte: »Das laßt mal meine Sorge sein, Hauptsache, ihr tut das richtige, was ich euch sage. Ich habe keine Lust, noch einmal eine solche Panne wie in Brighton zu erleben.«

Keaton knurrte: »Mußt du denn immer die alten Geschichten ausgraben?«

»Alte Geschichten? Hör zu, es sind kaum neun Tage her. Und wenn mir nicht der Gedanke gekommen wäre, die brennende Fackel in das Strohlager des Korrals zu werfen, hätten wir jetzt alle längst eine Yards Luft unter den Füßen.«

Die beiden Männer neben Keaton schwiegen.

Der Boß fuhr in seinem befehlshaberischen Ton fort:

»Ihr wißt also, was ihr zu tun habt. Du, Rob, nimmst die Westseite der

Mainstreet. Kid nimmt die Ostseite. Richtet euer Hauptaugenmerk auf das Sägewerk am Ausgang der Stadt. Und paßt mir an den Ecken auf. Es ist möglich, daß der Sheriff seine Hunde auf Streugang geschickt hat. Die Halunken laufen einem meistens bei solchen Gelegenheiten in die Quere. Ihr schlagt mir auf keinen Fall Lärm.«

McNally, blickte gedankenvoll vor sich hin und meinte plötzlich: »Und du glaubst, daß die Idee wirklich so großartig ist, Boß?«

»Yeah, das glaube ich«, gab Keaton schroff zurück.

»Du mußt es wissen. Du bist schließlich der Klügste von uns.«

Keaton sah den schmalen Burschen mit dem immer etwas grämlichen Gesicht mißtrauisch an.

»Wie meinst du das?«

»Ich meine wie ich es sage«, gab McNally scheinheilig zurück. »Vielleicht ist es tatsächlich mal ein prächtiger Gedanke. Nötig genug hätten wir ihn.«

»Und was gefällt dir nicht daran?« wollte Keaton wissen.

»Wenn ich ehrlich sein soll, gar nichts, Keaton.«

Der Boß warf den Kopf zurück. »Ach und das fällt dir jetzt schon ein?«

»Du hast mich ja bisher nicht gefragt.«

»Los, mach dein Maul auf. Was hast du gegen die Idee?«

Der Kentucky-Mann griff mit der Linken in die Jackentasche, nahm eine Prise Tabak heraus, klemmte sie zwischen den letzten Fingern und der Handfläche zusammen, nahm mit Zeige- und Mittelfinger ein Blättchen aus der Reservetasche und rollte sich, ohne die rechte Hand dazu zu benutzen, mit großem Geschick eine Zigarette.

»Yeah«, meinte er, »vor allem gefällt es mir nicht, daß du ausgerechnet den Namen des Dodger Marshals für deine verrückte Idee verwenden willst. Ich kenne Bill Peacemaker kaum und weiß nicht, ob er Wyatt Earp wirklich so gut kennt, wie er dir erzählt hat. Ich weiß auch nicht, ob er tatsächlich unter ihm Hilfsmarshal in Wichita gewesen ist. Ich weiß nur, daß Peacemaker das Maul oft ziemlich voll genommen hat. Vor ein paar Jahren, als die Jungens mit dem Trail aus Santa Fé hochkamen, hatte er einen Gunfight auf der Straße. Es war das einzige Mal, daß ich ihn mit einem Revolver habe herumhantieren sehen und das hat mir derartig genügt, daß ich auf die anderen Male, mit denen er ständig prahlt, gern verzichten kann.«

Keatons Gesicht hatte sich verfinstert.

»Aha«, quetschte er durch den rechten Mundwinkel, »so ist das also!«

»Yeah.« McNally hatte sich ein Zündholz am Sattelhorn angerissen. »Yeah, Boß, genauso ist es. Ich kann nicht behaupten, daß ich Peacemaker besonders gut kenne, aber was ich von ihm weiß ist nicht gerade dazu angetan, einen guten Eindruck von ihm zu gewinnen.«

»So?« schnaufte Keaton. »Nun will ich dir was sagen, Kid. Es interessiert mich nicht im mindesten, ob du von irgend jemandem einen guten Eindruck hast oder nicht, für mich ist der gute Eindruck, den ein Mann möglicherweise macht, völlig unwichtig. Von Bedeutung ist nur, ob der Mann selbst von Nutzen für mich ist oder nicht.«

McNally nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und paffte den Tabaksqualm mit vorgeschobener Unterlippe gegen die Hutkrempe.

»Well, da stimme ich dir völlig zu. Ob aber Peacemaker von Nutzen für dich ist, bezweifle ich eben. Der Bursche hat mir ein zu großes Maul. Wyatt Earp! So ein Wahnsinn! Wieviel Leute gibt es, die den Dodger Marshal kennen! Wer sagt uns, daß er nicht ausgerechnet hier in Atlantic-City schon gewesen ist…«

»Ich sage es dir«, knurrte der Boß dazwischen.

»Peacemaker behauptet es«, verbesserte ihn McNally rauh.

»Richtig. Und er muß es schließlich wissen!«

Piggers war der Auseinandersetzung der beiden mit Mißbehagen gefolgt.

»Ich finde Kid, daß wir uns auf den Boß verlassen sollten. Schließlich sind wir bisher noch immer gut davongekommen.«

»Davongekommen«, fauchte der Kentucky-Mann. »Das ist ja eben, davongekommen sind wir, das ist aber auch alles. Aber es ist zuwenig, Rob. Trotzdem ist mir das Wenige lieber als der Strick. Aber das, was er jetzt ausgebrütet hat, ist irgendwie zu heiß.«

Piggers rieb sich das Kinn. »Zu dieser Überlegung ist es zu spät, Kid. Wir sind seit Brighton über neunzig Meilen geritten. Vom Mohave-County sind es sogar eine hundert Meilen gewesen. Und da unten liegt Atlantic-City. Wir haben keinen lausigen Cent mehr in der Tasche. Unsere Gäule sind auch am Ende.«

»Yeah«, sagte McNally nur und ließ den dünnen Zigarettenrest zwischen seinen Lippen glimmen, »Keaton hätte uns eben früher von seinem glorreichen Plan Mitteilung machen sollen. Ich habe nur gesehen, wie er ständig mit Bill Peacemaker gesprochen hat. Ich habe gesehen, daß er sich einen Kreuzgurt beschafft hat, in dem links eine sechskantige Kanone steckt, von der der Teufel wissen mag, ob sie tatsächlich ein echter Buntline ist. Ich sehe, daß er schwarze Zigarren raucht, und sehe auch den dunklen Fleck, den er sich mit Fett links auf die Lederweste geschmiert hat.«

»Hast du überhaupt begriffen, weshalb ich mir den Fleck auf die Weste gemacht habe?« preßte Keaton durch die Zähne.

Der Kentucky-Mann lachte, und seine großen lückenhaften Zähne schimmerten im bleichen Sternenlicht.

»Yeah, Brother, ich kann es mir denken, es soll so aussehen, als hätte dort lange Zeit der Stern gesessen. Aber vielleicht hast du auch einmal darüber nachgedacht, daß ein Mann wie Wyatt Earp mehrere Jacken besitzen könnte? Ganz sicher wird er auch einen Rock haben, auf dem er noch keinen Stern getragen hat. Und ob das mit dem Kreuzgurt stimmt, bezweifle ich auch.«

»Er trägt zwei Revolver«, unterbrach ihn der Boß.

»Ich weiß, ob er sie aber am Kreuzgurt trägt, weiß ich nicht. Ein wirklich großer Zweihandmann bevorzugt selten den Kreuzgurt.«

»Wenn es Peacemaker nicht weiß, weiß es niemand!«

McNally spie den Glutkörper seiner Zigarette auf die Erde. »All right, du bist der Boß.«

»Yeah«, stieß Keaton rostig hervor, »es ist gut, daß du das nicht vergessen hast. Du bist noch nicht lange im Mohave County und kennst Bill Peacemaker viel zuwenig. Er ist ein Prachtbursche, und wenn du länger im County wärst, wüßtest du das auch. Er hat damals Jake Hillborn aus dem Jail geholt und…«

»Sagt er«, unterbrach McNally.

»Unsinn!« knurrte der Boß, »das weiß jeder im Mohave County. Und nicht nur das. Als der Sheriff von Chloride Irvin Legger in den Hills gegriffen hatte, war es Peacemaker, der Legger rauskeilte. But Killing wäre nicht erst im vergangenen Herbst an der Kugel Luke Chorts eingegangen, sondern ein Jahr vorher, als der lange Deputy Cane Clark ihn in Walapai schon am Galgen hatte – wenn Bill nicht den Strick zerschnitten hätte. So könnte ich euch noch eine Menge Dinge von Bill erzählen.«

»Wenn sie wahr wären, gäbe es in ganz Arizona keinen prächtigeren Burschen als Bill Peacemaker.« Es war wieder der Kentucky-Mann, der das von sich gegeben hatte.

»Halt endlich dein Schandmaul, Kid!« Piggers spie eine Kautabakprise, die er bisher in einer Zahnlücke gepflegt hatte, im hohen Bogen über den Kopf seines Pferdes. »Es geht hier schließlich um gute harte Bucks…«

»Es geht um mehr!« unterbrach ihn der Boß. »Um viel mehr. Wenn es mir gelingt, diesen Coup da unten in dem verschlafenen Nest zu landen, sind wir für eine ganze Zeit aus dem Dreck!«

»Wenn es dir gelingt«, McNally schob sich den Hut aus der Stirn.

Keaton stemmte seine kantigen Fäuste in die Hüften.

»Wenn du einen Job weißt, bei dem wir kein Risiko eingehen, Boy – ich bin gleich dabei.«

Piggers glaubte, dieser Bemerkung Keatons mit einem beifälligen Lächeln Gewicht verleihen zu müssen.

Der Boß schob die Zigarre von einem Mundwinkel in den anderen.

»Und wenn dir die Sache zu heiß ist, McNally, kannst du ja aussteigen.«

Piggers zischte: »Yeah, das kann er versuchen.«

Sie sahen beide nicht die Augen des Kentucky-Manns, in denen es wie fernes Wetterleuchten blitzte.

Keaton richtete sich auf, blickte auf die dunkle Stadt hinunter und erklärte:

»Ich habe sechzehn Jahre die Weststaaten durchstreift und einen guten Job gesucht. Einen Job, wie ihm Männer wie wir brauchen. Ich habe ihn nicht gefunden. Immer waren es einzelne Reiter, die nicht viel bei sich hatten, leere Postkutschen, Pferdwechselstationen, auf denen nichts zu holen war, oder winzige Stores in kleinen Städten, deren Kassen magerer waren als ein hundertjähriger Indianer. Ich bin dieses Leben leid. In Brighton haben wir versucht, die kleine Station der Wells-Fargo zu nehmen. Wir sind aufgefallen…«

»Wir?« unterbrach ihn McNally kalt. »Piggers ist in dem dunklen Post-raum gestolpert und hat gleich geschossen.«

Es klang höhnisch und kalt, und die beiden anderen hätten den schmalschultrigen Außenseiter ihrer Zunft liebend gern mit glühendheißen Bleibohnen bedacht. Aber sie brauchten ihn. Der gerissene McNally hatte sie schon mehrmals aus heiklen Situationen herausgebracht. Zudem war er ein gefürchteter Revolverschütze. Er hatte zwar keine brillianten Einfälle, wo und wie man einen Coup landen konnte, aber er war da, wo er eingesetzt wurde, so zuverlässig und sicher, daß die beiden anderen auf ihn nicht verzichten konnten. Vor allem schätzte Keaton insgeheim die nüchterne Art und das scharfe Beurteilungsvermögen des Kentucky-Mannes hoch ein. Bisher allerdings war es ihm gelungen, diese Wertschätzung geflissentlich vor dem Gefährten zu verbergen.

Man durfte seine Leute nicht zu groß werden lassen. Das war immer schlecht. Und die Art, in der der schmalschultrige Bursche jetzt redete, mißfiel seinem Boß entschieden.

Vor allem hätte es jetzt nichts auf der Welt gegeben, daß Keaton von seinem Vorhaben, von seinem »einzigartigen Plan«, wie er es nannte, hätte abbringen können. Er hatte schon mancherlei in seinem Banditenleben versucht. Das meiste war fehlgeschlagen, und die »Erfolge« waren so winzig gewesen, daß man sie eigentlich nicht zählen konnte.

Die Idee aber, die ihm der geschäftstüchtige Fellhändler Bill Anthony Peacemaker unten in Gold-Basin eingeimpft hatte, schien ihm unübertrefflich zu sein. Er, der kleine Verbrecher Rory Josuah Keaton, wähnte sich endlich auf dem richtigen Trail. Er hatte drei Monate für die Vorbereitungen gebraucht. Allein sieben Wochen hatte es gedauert, bis Peacemaker den Buntline-Revolver für ihn beschafft hatte; die Waffe, von der McNally nun behauptete, sie wäre vielleicht gar kein echter Buntline-Colt. Trotzdem, Keaton würde den einmal beschrittenen Weg seines »einzigartigen« Planes weitergehen. Er hatte bereits zuviel darin investiert; um es genauer auszudrücken, der geschäftstüchtige Vater der Idee, Bill Peacemaker, hatte sich bereits zuviel Geld dafür geben lassen. Keaton hatte zunächst den Tip überhaupt bezahlen müssen, dann den großen Revolver, dann das Falbpferd, das dem Tier des Missouriers »aufs Haar«, gleichen sollte – alles hatte sich Peacemaker in blanker Münze honorieren lassen. Er hatte den Kreuzgurt geliefert, die mexikanischen Sternsporen, den Panhandle-Sattel und sogar die mit seltsamen Steppereien besetzten hochhackigen Stiefel. Alles hatte sich der Fellhändler bezahlen lassen. Und da es im Mohave-County offensichtlich keinen Menschen gab, der die Angaben und Behauptungen des Fellhändlers hatte widerlegen können, war Keaton auf alles eingegangen. Er hatte so lange gezahlt, bis er nichts mehr bezahlen konnte. Als Peacemaker in den letzten Tagen noch mit den Gedanken kam, daß er einen echten Dodger Marshalstern besorgen könne – allerdings gegen eine ziemlich hohe Bezahlung – da hatte Keaton abgewinkt. Er hatte abwinken müssen. Sein Kapital war erschöpft. Er war so blank, daß er sich mit seinen beiden Spießgesellen sofort auf den Trail machen mußte, um neue Bucks anzuschaffen.

Auf den alten Trail, wohlverstanden. Denn die Sache mit Wyatt Earp durfte nach Peacemakers Anweisungen nur an ganz bestimmten Orten vor sich gehen. Atlantic-City sollte die erste Stadt sein. Peacemaker wußte mit Sicherheit, daß der Dodger Marshal niemals auf seinen weiten Ritten auch nur die Gegend des Fremont-Countys gestreift hatte.

Fünf Städte hatte der Fellhändler dem Banditen bezeichnet. Und auch diese »unbezahlbaren Tips« hatte sich der raffinierte Mister Peacemaker entlohnen lassen.

Reichlich abgebrannt hatten sich die drei Tramps vom Mohave-County unten in Arizona auf den Weg nach Norden gemacht.

Die beiden anderen wußten noch nicht, worum es Keaton wirklich ging. Daß er eine neue Sache geplant war, hatte der Boß ihnen angedeutet, mehr aber auch nicht. Sie hatten in Lincolntown, einer kleinen Ansiedlung im mittleren Colorado, einen Store überfallen und ganze siebzehn Dollar erbeutet. In Freshman waren es elf und in Baltimore-West einunddreißig. Und dabei wären sie in Freshman fast noch von einem Hilfsheriff niedergeschossen worden. In Brighton, neunzig Meilen südlich von Atlantic-City, hatten sie das Pech, daß Piggers während des Überfalls stolpterte. Es war weniger die brennende Fackel im Korralstroh gewesen, die sie aus der Patsche gerissen hatte, als die Kaltblütigkeit des dürren Kentucky-Manns, der die Männer, die sich ihnen entgegenwarfen, geistesgegenwärtig in die andere Richtung lenkte. Nur das hatte ihnen in Brighton noch einmal Luft gemacht.

Keaton wußte es genau, aber er schwieg es wohlweislich tot.

Tatsache war, daß sie ohne den Kentucky-Mann längst geliefert gewesen wären. Gerade McNally war es, auf den Keaton seinen Plan aufgebaut hatte. Er war der Mann, der alles konnte und der mit seiner Kaltblütigkeit und Überlegung jedes Eisen aus dem Feuer reißen mußte. Niemals hatte Keaton sonst einen so bissigen Burschen neben sich geduldet…

Nach Peacemakers Idee war eine Sprengung immer gut.

McNally hatte jetzt also in die Stadt zu reiten und die Gebäude in der

Mainstreet zu besichtigen. Das große Sägewerk mußte in der Nacht in die Luft fliegen. Das würde den Menschen in der City die nötige Schock-Vorbereitung geben. Am darauffolgenden Tag sollte Piggers dann den Hold up in der kleinen Wyoming-Bank unternehmen. Am hellichten Tag, mittags um 12 Uhr.

Keaton hatte nach den Plänen Peacemakers alles genau auskalkuliert. Und nur weil er McNallys scharfe Zunge fürchtete, hatte er den beiden erst kurz vor Erreichen der Stadt von dem neuen Plan berichtet. Schon an der Stille, die der dürre McNally verbreitete, spürte Keaton sofort den Widerstand des anderen. Piggers war verhältnismäßig dumm und gehörte zur Sorte jener kleinen Tramps, die immer mitliefen, wohin der Boß sie dirigierte.

So stand die Sache zu dieser mitternächtlichen Stunde, als die drei Männer auf dem Hügel vor der Stadt hielten.