Der Outsider - Stephen King - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Outsider E-Book

Stephen King

4,6
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Böse hat viele Gesichter ... vielleicht sogar deines.

Im Stadtpark von Flint City wird die geschändete Leiche eines elfjährigen Jungen gefunden. Augenzeugenberichte und Tatortspuren deuten unmissverständlich auf einen unbescholtenen Bürger: Terry Maitland, ein allseits beliebter Englischlehrer, zudem Coach der Jugendbaseballmannschaft, verheiratet, zwei kleine Töchter. Detective Ralph Anderson, dessen Sohn von Maitland trainiert wurde, ordnet eine sofortige Festnahme an, die in aller Öffentlichkeit stattfindet. Der Verdächtige kann zwar ein Alibi vorweisen, aber Anderson und der Staatsanwalt verfügen nach der Obduktion über eindeutige DNA-Beweise für das Verbrechen – ein wasserdichter Fall also?

Bei den andauernden Ermittlungen kommen weitere schreckliche Einzelheiten zutage, aber auch immer mehr Ungereimtheiten. Hat der sympathische Coach wirklich zwei Gesichter und ist zu solch unmenschlichen Schandtaten fähig? Wie erklärt es sich, dass er an zwei Orten zugleich war? Mit der wahren, schrecklichen Antwort rechnet schließlich niemand.

»Im Erschaffen von Monstern unterschiedlichster Art ist Stephen King einfach unerreicht. Das in ›Der Outsider‹ ist wahrlich nicht von schlechten Eltern.«

The New York Times

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 927

Bewertungen
4,6 (93 Bewertungen)
69
10
14
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Im Stadtpark von Flint City wird die geschändete Leiche eines elfjährigen Jungen gefunden. Augenzeugenberichte und Tatortspuren deuten unmissverständlich auf einen unbescholtenen Bürger: Terry Maitland, ein allseits beliebter Englischlehrer, zudem Coach der Jugendbaseballmannschaft, verheiratet, zwei kleine Töchter. Detective Ralph Anderson, dessen Sohn von Maitland trainiert wurde, ordnet eine sofortige Festnahme an, die in aller Öffentlichkeit stattfindet. Der Verdächtige kann zwar ein Alibi vorweisen, aber Anderson und der Staatsanwalt verfügen nach der Obduktion über eindeutige DNA-Beweise für das Verbrechen – ein wasserdichter Fall also?

Bei den andauernden Ermittlungen kommen weitere schreckliche Einzelheiten zutage, aber auch immer mehr Ungereimtheiten. Hat der nette Maitland wirklich zwei Gesichter und ist zu solch unmenschlichen Schandtaten fähig? Wie erklärt es sich, dass er an zwei Orten zugleich war? Mit der wahren, schrecklichen Antwort rechnet schließlich niemand.

»Im Erschaffen von Monstern unterschiedlichster Art ist Stephen King einfach der Beste. Das in Der Outsider ist wahrlich nicht von schlechten Eltern.«  The New York Times

Der Autor

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem »Edgar Allan Poe Award« den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag, zuletzt der Spiegel-Bestseller Blutige Nachrichten.

STEPHEN

KING

DER

OUTSIDER

ROMAN

Aus dem Amerikanischen

von Bernhard Kleinschmidt

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel THE OUTSIDER bei Scribner, New York

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2018 by Stephen King

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Lothar Strüh

Umschlaggestaltung und Motiv: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-22935-1V005

Inhaltsverzeichnis
Die Festnahme
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Entschuldigung
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Vorführung vor dem Haftrichter
1
2
3
4
Schritte und Melone
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Gelb
1
2
3
4
5
6
7
8
Holly
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Besuche
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Die eine Hand und die andere
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Das Universum hat kein Ende
1
2
3
4
5
6
7
Bienvenidos a Tejas
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Die Höhle von Marysville
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
Flint City
1
2
3
4
5
6
7
8
Nachbemerkung des Autors

Für Rand und Judy Holston

Das Denken verleiht der Welt einen dürftigen Anschein von Ordnung, falls man so schwach ist, sich von seinem Schauspiel überzeugen zu lassen.

Colin Wilson, »Das Reich der Blinden«

Die Festnahme

14. JULI

1

Das Zivilfahrzeug war ein unauffälliger, schon etwas älterer Pkw, aber die breiten schwarzen Reifen und die drei Insassen verrieten, worum es sich handelte. Die beiden auf den Vordersitzen waren blau uniformiert. Der Kleiderschrank hinten trug einen Anzug. Die zwei jungen Schwarzen auf dem Bürgersteig – einer mit dem Fuß auf einem ramponierten orangefarbenen Skateboard, der andere mit einem neongrünen Brett unter dem Arm – beobachteten, wie der Wagen auf den Parkplatz der nach Estelle Barga benannten Grünanlage einbog, dann sahen sie sich an.

»Eindeutig Bullen«, sagte der eine.

»Echt jetzt?«, sagte der andere.

Worauf sie sich wortlos auf ihre Bretter schwangen und schleunigst davonrollten. Die Regel war einfach: Wenn Bullen auftauchten, machte man sich vom Acker. Black lives matter, das hatten ihnen ihre Eltern zwar beigebracht, aber für die Bullen galt das nicht immer. Auf dem Baseballplatz brach das Publikum in Jubel und rhythmisches Klatschen aus, weil die Flint City Golden Dragons in der zweiten Hälfte des neunten Innings an den Schlag kamen. Sie lagen nur einen Run zurück.

Den beiden Jungen war das egal.

2

Aussage von Mr. Jonathan Ritz (10. Juli, 21.30 Uhr, aufgenommen von Detective Ralph Anderson)

Detective Anderson  Ich weiß, dass Sie ziemlich durcheinander sind, Mr. Ritz. Das ist verständlich, aber ich muss genau wissen, was Sie heute Abend gesehen haben.

Ritz  Das werde ich nie aus dem Kopf kriegen. Nie im Leben. Ich glaube, ich könnte ’ne Tablette vertragen. Eine Valium vielleicht. So Zeug hab ich bisher nie genommen, aber jetzt könnte ich’s eindeutig brauchen. Hab immer noch das Gefühl, dass mir das Herz bis zum Hals schlägt. Wenn die Spurensicherung am Tatort Kotze finden sollte, was ziemlich sicher der Fall ist, dann stammt die von mir. Dafür schäme ich mich nicht. Wenn man so was sieht, kommt es jedem hoch.

Detective Anderson  Sie können sich etwas zur Beruhigung verschreiben lassen, sobald wir fertig sind. Das kann ich dann gern beim Doktor veranlassen, aber zunächst mal müssen Sie einen klaren Kopf behalten. Das verstehen Sie doch, oder?

Ritz  Ja. Natürlich.

Detective Anderson  Erzählen Sie mir einfach alles, was Sie gesehen haben, dann können wir für heute Abend Schluss machen. Schaffen Sie das, Sir?

Ritz  Also gut. Heute Abend bin ich ziemlich genau um sechs rausgegangen, um mit Dave Gassi zu gehen. Dave ist unser Beagle. Um fünf kriegt der sein Abendessen. Meine Frau und ich essen um halb sechs. Um sechs ist Dave dann bereit, sein Geschäft zu machen – das große und das kleine, meine ich. Also gehe ich mit ihm raus, während Sandy – also meine Frau – das Geschirr einräumt. Das ist eine faire Arbeitsteilung. In der Ehe ist eine faire Arbeitsteilung unheimlich wichtig, vor allem wenn die Kinder schon aus dem Haus sind, so sehen wir das jedenfalls. Ich komme vom Hundertsten ins Tausendste, was?

Detective Anderson  Schon in Ordnung, Mr. Ritz. Erzählen Sie alles so, wie Sie es wollen.

Ritz  Ach, sagen Sie ruhig Jon zu mir. Mr. Ritz kann ich nicht ausstehen. Da komme ich mir wie ein Cracker vor. So haben mich die anderen nämlich in der Schule immer genannt, Ritz Cracker.

Detective Anderson  Mhm. Sie sind also mit Ihrem Hund rausgegangen …

Ritz  Genau. Und als der einen starken Geruch gewittert hat – den Geruch von Tod, nehme ich an –, musste ich ihn mit beiden Händen an der Leine zurückhalten, obwohl Dave bloß ein kleiner Hund ist. Er wollte zu dem hin, was er da gerochen hat. Der …

Detective Anderson  Moment, gehen wir einen Schritt zurück. Sie haben Ihr Haus in der Mulberry Avenue 249 um achtzehn Uhr verlassen …

Ritz  Eventuell war es schon ein bisschen vorher. Dave und ich sind den Hang runter zu Gerald’s gegangen, dem Feinkostladen an der Ecke, wo sie das ganze Gourmetzeug verkaufen, dann die Barnum Street hoch und schließlich in den Figgis-Park. Die Kids nennen ihn Fickdich-Park. Meinen, dass die Erwachsenen das nicht mitkriegen, weil die eh nie zuhören, aber das tun wir durchaus. Zumindest manche von uns.

Detective Anderson  War das Ihr üblicher Abendspaziergang?

Ritz  Ach, manchmal ändern wir die Route auch ein bisschen ab, damit es nicht langweilig wird, aber am Park landen wir praktisch immer, bevor wir wieder nach Hause gehen. Weil es für Dave da viel zu schnuppern gibt. Der Parkplatz dort ist zu der Zeit fast immer leer, falls nicht gerade ein paar Highschool-Kids auf den Tennisplätzen sind. An dem Abend waren allerdings keine da. Es sind ja Sandplätze, und vorher hatte es geregnet. Der einzige Wagen, der da stand, war so ein weißer Kastenwagen.

Detective Anderson  Also ein Lieferwagen?

Ritz  Genau. Hinten keine Fenster, bloß eine geteilte Hecktür. So ein Ding, mit dem kleine Firmen irgendwelches Zeug durch die Gegend karren. Eventuell war es ein Econoline, aber da bin ich mir nicht völlig sicher.

Detective Anderson  Stand denn ein Firmenname drauf? Sam’s Air Conditioning oder Bob’s Custom Windows vielleicht? Irgendwas in der Richtung?

Ritz  Nein, m-mh. Überhaupt nichts. Der Wagen war allerdings ganz schön schmutzig, kann ich Ihnen sagen. War schon ’ne ganze Weile nicht gewaschen worden. Auch an den Reifen war Dreck, wahrscheinlich vom Spritzwasser. Dave hat an den Reifen geschnüffelt, bevor wir auf einem von den Kieswegen durch die Bäume gegangen sind. Nach einer Weile hat Dave gebellt und ist in die Sträucher rechts gerannt. In dem Moment hat er diesen Geruch gewittert. Er hat mir fast die Leine aus der Hand gerissen. Ich hab versucht, ihn zurückzuziehen, aber er hat sich geweigert, hat sich einfach hingeschmissen, mit den Pfoten am Boden gescharrt und weitergebellt. Deshalb hab ich ihn nah zu mir rangeholt – ich hab so eine einziehbare Leine, die ist für so was gut geeignet – und bin hinter ihm her. Seit er ausgewachsen ist, kümmert er sich nicht mehr besonders um Eichhörnchen und Streifenhörnchen, daher hab ich gedacht, er hat vielleicht ’nen Waschbär gewittert. Ich wollte ihn zu mir her zerren, ob ihm das nun passt oder nicht; einem Hund muss klar sein, wer das Sagen hat, bloß da hab ich schon die ersten Blutstropfen gesehen. Die waren auf einem Birkenblatt, in etwa auf meiner Brusthöhe, das heißt so eineinhalb Meter vom Boden entfernt. Ein kleines Stück weiter war auf einem anderen Blatt wieder ein Tropfen, und noch etwas weiter waren ein paar Sträucher richtig damit bespritzt. Noch rot und feucht. Daran hat Dave geschnuppert, aber er wollte weiter. Ach ja, bevor ich’s vergesse, genau da hab ich hinter mir gehört, wie ein Motor angesprungen ist. Wahrscheinlich wär mir das gar nicht aufgefallen, wenn es nicht so laut gewesen wär, wie bei ’nem kaputten Auspuff. So ein Knattern, wissen Sie, was ich meine?

Detective Anderson  Mhm, weiß ich.

Ritz  Ich kann zwar nicht beschwören, dass es der weiße Lieferwagen war, und ich bin nicht auf demselben Weg zurückgegangen, deshalb weiß ich nicht, ob der Wagen nachher weg war, aber ich würde wetten, dass er’s war. Und wissen Sie, was das bedeutet?

Detective Anderson  Sagen Sie mir, was es Ihrer Meinung nach bedeutet, Jon.

Ritz  Dass er mich eventuell beobachtet hat. Der Mörder. Dass er zwischen den Bäumen gestanden und mich beobachtet hat. Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn ich mir das bloß vorstelle. Jetzt im Nachhinein, meine ich. In dem Moment war ich allerdings auf das Blut fixiert. Und darauf, dass Dave mir nicht den Arm ausreißt. Allmählich hab ich’s mit der Angst bekommen, das gebe ich gerne zu. Schließlich bin ich nicht besonders groß, und ich versuche zwar, einigermaßen in Form zu bleiben, aber ich bin schon über sechzig. Selbst als junger Mann war ich nicht gerade ein Raufbold. Trotzdem musste ich mir die Sache ansehen. Falls da jemand verletzt war.

Detective Anderson  Das ist sehr lobenswert. Wie spät war es wohl, als Sie die Blutspuren zum ersten Mal bemerkt haben?

Ritz  Ich hab zwar nicht auf die Uhr gesehen, aber ich würde sagen, zwanzig nach sechs. Vielleicht auch fünf vor halb sieben. Ich hab Dave vorangehen lassen, ihn aber eng an der Leine gehalten, um mich unter den Zweigen durchzuducken, wo er mit seinen Beinchen einfach drunter durchschlüpfen konnte. Sie wissen ja, was man über den Beagle sagt – er hat hohe Ansprüche, aber kurze Beine. Er hat wie verrückt gebellt. Wir sind dann an eine Lichtung gekommen, so etwa wie … na ja, so wie ein stilles Plätzchen, wo sich Liebespaare gern niederlassen, um ein bisschen zu schmusen. Die steinerne Bank in der Mitte war mit Blut bedeckt. Über und über. Drunter war noch mehr Blut. Daneben auf dem Rasen die Leiche. Der arme Junge. Der Kopf hat in meine Richtung gezeigt, und die Augen standen offen, aber von der Kehle war nichts mehr da. Da war bloß noch ein rotes Loch. Bluejeans und Unterhose waren bis zu den Knöcheln runtergezogen, und ich hab gesehen, dass da etwas … ein dürrer Ast, glaube ich … aus ihm rausgeragt hat. Aus seinem … seinem … Na, Sie wissen schon.

Detective Anderson  Das tue ich, aber Sie müssen es aussprechen, Mr. Ritz. Fürs Protokoll.

Ritz  Er lag auf dem Bauch, und der Ast hat in seinem Hintern gesteckt. Der war auch blutig. Der Ast, meine ich. Die Rinde war teilweise abgeschabt, und es war ein Handabdruck drauf. Den habe ich ganz deutlich gesehen. Inzwischen hat Dave nicht mehr gebellt, sondern gejault, das arme Tier, und ich weiß einfach nicht, wer so etwas tut. Das muss ein Geisteskranker gewesen sein. Werden Sie ihn erwischen, Detective Anderson?

Detective Anderson  O ja. Das werden wir.

3

Der Parkplatz am Estelle-Barga-Freizeitgelände war beinahe so groß wie der vor dem Kroger’s, wo Ralph Anderson und seine Frau am Samstagnachmittag ihre Einkäufe machten, und an diesem Juliabend war er bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf vielen Stoßstangen klebten Sticker mit dem Logo der Golden Dragons, und einige Rückfenster waren mit überschwänglichen Sprüchen bemalt: WIR MACHEN EUCH PLATT; AUF GEHT’S DRAGONS; ENDSPIEL IN SICHT; DIESMAL SIND WIR DRAN. Vom Baseballplatz her, wo man das Flutlicht eingeschaltet hatte (obwohl es noch eine ganze Weile hell sein würde), hörte man Jubel und rhythmisches Klatschen.

Am Lenkrad des Zivilfahrzeugs saß Troy Ramage, der schon seit zwanzig Jahren dabei war. Während er eine vollgeparkte Reihe nach der anderen abfuhr, sagte er: »Immer wenn ich hier bin, frage ich mich, wer zum Teufel eigentlich diese Estelle Barga war.«

Ralph reagierte nicht. Seine Muskeln waren angespannt, seine Haut war heiß, und sein Puls fühlte sich an, als wäre er im roten Bereich. Im Lauf der Jahre hatte er schon viele Straftäter festgenommen, aber das hier war etwas anderes. Es war besonders scheußlich. Und persönlich. Das war das Schlimmste daran – es war persönlich. Im Grunde hatte er bei der Festnahme nichts zu suchen und wusste das auch, doch seit den letzten Sparmaßnahmen verfügte die Polizei von Flint City nur noch über drei hauptberufliche Kriminalbeamte. Jack Hoskins war im Urlaub und ging irgendwo in der Pampa angeln, was kein großer Verlust war. Und Betsy Riggins, die eigentlich im Mutterschaftsurlaub sein sollte, unterstützte die Highway Patrol bei einem anderen Aspekt des aktuellen Einsatzes.

Er hoffte inständig, dass das Ganze nicht übereilt war. Die Befürchtung hatte er noch am Nachmittag gegenüber Bill Samuels, dem Bezirksstaatsanwalt von Flint County, bei der Lagebesprechung geäußert. Samuels war ein bisschen jung für sein Amt, gerade mal fünfunddreißig, gehörte aber der richtigen politischen Partei an und war sehr von sich selbst überzeugt. Nicht anmaßend, das musste man ihm lassen, aber einen gewissen Übereifer legte er zweifellos an den Tag.

»Es gibt noch ein paar Ungereimtheiten, die ich gerne aufklären würde«, hatte Ralph gesagt. »Wir kennen den Hintergrund nicht vollständig. Außerdem wird er behaupten, dass er ein Alibi hat. Falls er nicht einfach gesteht, müssen wir damit rechnen.«

»Wenn er das tut, dann pflücken wir es auseinander«, hatte Samuels erwidert. »Das wissen Sie so gut wie ich.«

Daran zweifelte Ralph zwar nicht – sie hatten ganz bestimmt den Richtigen –, aber er hätte vor dem Zuschlagen lieber trotzdem noch ein bisschen länger ermittelt. Um die Lücken im Alibi von dem Dreckskerl zu finden und sie so zu verbreitern, dass man mit einem Lastwagen hindurchfahren könnte, und ihn dann einzukassieren. In den meisten Fällen wäre das die korrekte Verfahrensweise gewesen. In diesem jedoch nicht.

»Drei Dinge«, hatte Samuels gesagt. »Sind Sie bereit?«

Ralph hatte genickt. Schließlich musste er mit dem Kerl zusammenarbeiten.

»Erstens: Die Bürger, vor allem Eltern mit kleineren Kindern, sind aufgebracht und verängstigt. Sie wollen, dass schnell jemand festgenommen wird, damit sie sich wieder sicher fühlen können. Zweitens: Die Indizien sind einwandfrei. Ich habe noch nie einen derart wasserdichten Fall erlebt. Sind wir da einer Meinung?«

»Ja.«

»Gut, also zu Nummer drei. Dem Knackpunkt.« Samuels hatte sich vorgebeugt. »Wir wissen nicht, ob er sich schon einmal zu einer solchen Tat hat hinreißen lassen – wenn das so sein sollte, bekommen wir das bestimmt heraus –, aber er hat sie todsicher jetzt begangen. Er hat sich von seinen Fesseln befreit. Hat seine Jungfräulichkeit verloren. Und sobald so etwas geschieht …«

»Könnte er es wieder tun«, hatte Ralph ergänzt.

»Genau. Sehr wahrscheinlich ist das direkt nach der Sache mit Peterson zwar nicht, aber durchaus möglich. Schließlich hat er ständig mit Kindern zu tun. Mit kleinen Jungs. Wenn er einen von denen umbringt, ist es egal, ob wir unseren Job verlieren oder nicht – wir würden es uns nie vergeben.«

Ralph hatte jetzt schon Probleme damit, es sich zu vergeben, weil er es nicht früher bemerkt hatte. Das war zwar irrational, denn wenn man jemand bei einem Grillfest zum Abschluss der Little-League-Saison in die Augen sah, konnte man nicht erkennen, dass er über ein derart entsetzliches Vorhaben nachdachte – dass er es streichelte und fütterte und wachsen sah. Nur änderte das nichts daran, wie Ralph sich fühlte.

Jetzt beugte er sich vor und reckte den Zeigefinger. »Da drüben«, sagte er. »Versuchen Sie’s doch mal bei den Behindertenparkplätzen.«

Officer Tom Yates auf dem Beifahrersitz sagte: »Das gibt ’nen Strafzettel über zweihundert Dollar, Chef.«

»Ich glaube, diesmal lässt man es uns durchgehen«, sagte Ralph.

»War bloß ein Scherz.«

Ralph, der nicht in der Stimmung für ein kollegiales Geplänkel war, erwiderte nichts.

»Krüppelplätze in Sicht!«, sagte Ramage. »Da sind glatt zwei frei.«

Er lenkte den Wagen auf einen der Plätze, und die drei Männer stiegen aus. Als Ralph sah, wie Yates den Riemen über dem Griff seiner Glock löste, schüttelte er den Kopf. »Sind Sie nicht recht bei Trost? Beim Spiel sind bestimmt fünfzehnhundert Zuschauer.«

»Was, wenn er wegrennt?«

»Dann fangt ihr ihn ein.«

Ralph lehnte sich an die Kühlerhaube und sah zu, wie die beiden Beamten auf das Stadion zugingen, zu den Lichtern und den bis zum letzten Platz gefüllten Tribünen, wo das Klatschen und Rufen immer lauter und intensiver wurde. Den Mörder von Peterson unverzüglich dingfest zu machen, hatte er mit Samuels gemeinsam beschlossen (wenn auch ungern). Die Festnahme direkt beim Spiel durchzuführen war einzig und allein seine Entscheidung gewesen.

Ramage drehte sich zu ihm um. »Kommen Sie denn nicht mit?«

»Nein. Ihr greift ihn euch, belehrt ihn ordnungsgemäß und schön laut über seine Rechte und schafft ihn dann hierher. Tom, wenn wir losfahren, setzen Sie sich mit ihm nach hinten. Ich sitze vorne neben Troy. Bill Samuels erwartet meinen Anruf und kommt sofort zur Zentrale. Die ganze Sache ist extrem heikel, aber die Festnahme ist euer Job.«

»Sie haben doch ermittelt«, sagte Yates. »Warum wollen Sie da nicht auch der sein, der das Arschloch einkassiert?«

Ralph verschränkte die Arme. »Weil der Mann, der Frankie Peterson mit einem Ast vergewaltigt und ihm dann die Kehle aufgeschlitzt hat, vier Jahre lang der Trainer von meinem Sohn war, zwei Jahre bei den ganz Kleinen und zwei in der Little League. Dabei hat er ihn nicht selten angefasst, um ihm zu zeigen, wie man den Schläger richtig hält, und deshalb weiß ich nicht, ob ich mich im Zaum halten kann.«

»Schon kapiert«, sagte Troy Ramage und wendete sich mit Yates zum Weitergehen.

»Ach, hört mal, ihr zwei.«

Sie drehten sich noch einmal um.

»Legt ihm gleich an Ort und Stelle Handschellen an. Und zwar vor dem Bauch.«

»Das entspricht nicht den Vorschriften, Chef«, sagte Ramage.

»Ich weiß, und es ist mir schnuppe. Ich will, dass alle sehen, wie er in Handschellen weggeführt wird. Alles klar?«

Als die beiden nun weitergingen, nahm Ralph sein Handy vom Gürtel. Die Nummer von Betsy Riggins hatte er auf Kurzwahl. »Bist du auf dem Posten?«

»Klar doch. Wir parken direkt vor seinem Haus. Ich und vier State Trooper.«

»Durchsuchungsbeschluss?«

»In meiner heißen kleinen Hand.«

»Gut.« Er wollte das Gespräch schon beenden, als ihm noch etwas einfiel. »Für wann wird das Baby denn erwartet?«

»Für gestern«, sagte sie. »Also beeil dich gefälligst.« Womit sie selbst auflegte.

4

Aussage von Mrs. Arlene Stanhope (12. Juli, 13.00 Uhr, aufgenommen von Detective Ralph Anderson)

Stanhope  Wird es lange dauern, Detective?

Detective Anderson  Ganz bestimmt nicht. Erzählen Sie mir einfach nur, was Sie am Dienstag, dem 10. Juli, nachmittags gesehen haben, dann sind wir fertig.

Stanhope  Gut. Also, ich bin da gerade aus dem Feinkostladen Gerald’s gekommen. Da gehe ich am Dienstag immer einkaufen. Der ist zwar teurer, aber seit ich nicht mehr Auto fahre, komme ich nicht mehr zum Kroger’s. Ich habe in dem Jahr, in dem mein Mann gestorben ist, meinen Führerschein abgegeben, weil ich meinen Reflexen nicht mehr getraut habe. Es ist nämlich ein paarmal was passiert. Also bloß Auffahrunfälle, aber das hat mir gereicht. Der Laden ist nur zwei Straßen von der Wohnung entfernt, die ich seit dem Verkauf von unsrem Haus habe, und der Arzt meint sowieso, dass es mir guttut, wenn ich ein bisschen zu Fuß gehe. Gut für mein Herz, Sie wissen schon. Jedenfalls komme ich gerade mit drei Einkaufstüten in meinem Wägelchen heraus – mehr als drei Tüten kann ich mir nicht mehr leisten, alles ist so furchtbar teuer geworden, besonders das Fleisch, ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal Bacon gegessen habe –, und da sehe ich den kleinen Peterson.

Detective Anderson  Sie sind sich ganz sicher, dass das Frank Peterson war?

Stanhope  Aber ja doch, das war Frank. Der arme Junge, es tut mir so leid, was ihm zugestoßen ist, aber jetzt ist er im Himmel, und seine Schmerzen sind vorbei. Was ein Trost. Die Petersons haben zwei Jungs, wissen Sie, beides Rotschöpfe, so dieses furchtbare Karottenrot, aber der andere – Oliver heißt er – ist mindestens fünf Jahre älter. Früher hat er bei uns die Zeitung ausgetragen. Frank hat ein Fahrrad, eins von den Dingern mit diesem hohen Lenker und so einem langen, schmalen Sattel …

Detective  Anderson  Den nennt man Bananensattel.

Stanhope  Von so was habe ich keine Ahnung, aber ich weiß, dass das Rad in knalligem Hellgrün lackiert war, wirklich eine furchtbare Farbe, und auf dem Sitz war ein Aufkleber. Von der Flint City High. Allerdings wird er nun nie auf die Highschool gehen, nicht wahr? Der arme, arme Junge!

Detective Anderson  Brauchen Sie vielleicht eine kurze Pause, Mrs. Stanhope?

Stanhope  Nein, ich will fertig werden. Ich muss nach Hause und meine Katze füttern. Die füttere ich sonst immer gegen drei, da wird sie hungrig sein. Außerdem wird sie sich fragen, wo ich bleibe. Aber wenn ich ein Papiertaschentuch haben könnte? Bestimmt sehe ich furchtbar aus. Danke.

Detective Anderson  Den Aufkleber auf dem Sitz von Frank Petersons Fahrrad konnten Sie sehen, weil …?

Stanhope  Ach, weil er nicht drauf gesessen hat. Er hat das Rad über den Parkplatz geschoben. Die Kette war kaputt und hat über den Asphalt geschleift.

Detective Anderson  Erinnern Sie sich, was er anhatte?

Stanhope  Ein T-Shirt mit dem Namen von irgendeiner Rock-and-Roll-Band drauf. Mit Bands kenne ich mich nicht aus, daher kann ich nicht sagen, welche es war. Wenn das wichtig ist, tut es mir leid. Außerdem hatte er eine Rangers-Mütze auf. Die war nach hinten geschoben, sodass ich die ganzen roten Haare sehen konnte. Leute mit karottenrotem Haar bekommen übrigens sehr früh eine Glatze. Aber darüber wird er sich nun nie Sorgen machen müssen, nicht wahr? Ach, es ist ja so traurig. Na, jedenfalls hat am anderen Ende vom Parkplatz ein schmutziger weißer Lieferwagen gestanden, aus dem ein Mann gestiegen und auf Frank zugegangen ist. Der Mann …

Detective Anderson  Dazu kommen wir gleich, zuerst möchte ich noch mehr über den Lieferwagen erfahren. War es so einer ohne Fenster an den Seiten?

Stanhope  Ja.

Detective Anderson  Und ohne Aufschrift? Kein Firmenname oder so was in der Art?

Stanhope  Soweit ich gesehen habe, nein.

Detective Anderson  Gut, dann sprechen wir jetzt über den Mann, den Sie gesehen haben. Ist er Ihnen bekannt, Mrs. Stanhope?

Stanhope  Aber natürlich. Das war Terry Maitland. Bei uns im Westen kennt ihn jeder als Coach T. So nennt man ihn sogar auf der Highschool. Da unterrichtet er nämlich Englisch. Bevor mein Mann in Rente gegangen ist, war er ein Kollege von ihm. Coach T nennt man ihn, weil er die Jungs in der Little League trainiert und dann, wenn die Saison zu Ende ist, das Baseballteam in der City League. Im Herbst trainiert er außerdem kleine Jungs, die gern Football spielen wollen. Die Liga hat auch einen Namen, aber der fällt mir gerade nicht ein.

Detective Anderson  Könnten wir bitte darauf zurückkommen, was Sie am Dienstagnachmittag gesehen haben …

Stanhope  Viel mehr gibt es nicht zu erzählen. Frank hat mit Coach T gesprochen und dabei auf seine kaputte Fahrradkette gezeigt. Coach T hat genickt und die Hecktür von dem weißen Lieferwagen geöffnet, der ihm aber offensichtlich nicht gehört …

Detective Anderson  Wie kommen Sie darauf, Mrs. Stanhope?

Stanhope  Weil er ein orangefarbenes Nummernschild hatte. Ich weiß zwar nicht, was für ein Staat so Schilder hat, und wenn etwas weiter weg ist, sehe ich es nicht mehr so gut wie früher, aber ich weiß, dass unsere Schilder hier in Oklahoma blau-weiß sind. Hinten in dem Wagen habe ich jedenfalls nichts außer einem langen, grünen Ding gesehen, so was wie einen Werkzeugkasten. War das wirklich ein Werkzeugkasten, Detective?

Detective Anderson  Was ist dann passiert?

Stanhope  Na ja, Coach T hat das Fahrrad von Frank hinten reingestellt und die Klappen zugemacht. Er hat Frank auf den Rücken geklopft. Dann ist er zur Fahrertür gegangen und Frank zur Beifahrertür. Beide sind sie eingestiegen, und der Lieferwagen ist auf die Mulberry Avenue eingebogen. Ich dachte, Coach T fährt den Jungen nach Hause. Natürlich habe ich das gedacht. Was sollte ich sonst denken? Terry Maitland wohnt schon seit zwanzig Jahren bei uns im Westen, er hat eine sehr nette Familie, eine Frau und zwei Töchter … Kann ich noch ein Taschentuch bekommen, bitte? Vielen Dank. Sind wir jetzt bald durch?

Detective Anderson  Ja, und Sie haben uns sehr geholfen. Bevor ich mit der Aufzeichnung begonnen habe, haben Sie – wenn ich mich recht entsinne – gesagt, das wäre gegen fünfzehn Uhr gewesen?

Stanhope  Um Punkt drei. Als ich mit meinem Wägelchen aus dem Laden gekommen bin, habe ich die Glocke vom Rathaus schlagen hören. Da wollte ich schnell nach Hause, um meine Katze zu füttern.

Detective Anderson  Der Junge, den Sie gesehen haben, der mit den roten Haaren, war Frank Peterson.

Stanhope  Ja. Die Petersons wohnen bei mir gleich um die Ecke. Ollie hat mir wie gesagt früher die Zeitung gebracht. Ich sehe die beiden Jungs ständig.

Detective Anderson  Und der Mann, der das Fahrrad in den Laderaum von dem weißen Lieferwagen gestellt hat und mit Frank Peterson weggefahren ist, das war Terence Maitland, auch als Coach Terry oder Coach T bekannt.

Stanhope  Ja.

Detective Anderson  Da sind Sie sich ganz sicher.

Stanhope  Aber ja.

Detective Anderson  Danke, Mrs. Stanhope.

Stanhope  Wer hätte wohl geglaubt, dass Terry so etwas tut? Meinen Sie, dass es noch andere Opfer gegeben hat?

Detective Anderson  Das werden wir im Verlauf der Ermittlungen bestimmt herausbekommen.

5

Da alle Turnierspiele der City League auf dem Estelle-Barga-Baseballplatz ausgetragen wurden – dem besten in der County und dem einzigen mit Flutlicht für Abendspiele –, wurde ohne Rücksicht auf das Heimrecht per Münzwurf bestimmt, welche Mannschaft zuerst den Ballbesitz bekam. Vor dem Spiel hatte Terry Maitland auf Zahl gesetzt, wie er es immer tat – ein Aberglaube, den er von seinem ehemaligen City-League-Trainer übernommen hatte, damals vor langer Zeit –, und die Münze hatte Zahl gezeigt. »Eigentlich ist es mir egal, wo wir spielen, Hauptsache, wir haben den letzten Schlag«, erklärte er seinen Jungs immer.

Heute ging es tatsächlich um den letzten Schlag. Es war die zweite Hälfte des neunten Innings, und die Bears führten in diesem Halbfinale mit einem einzelnen Run. Die Golden Dragons waren vor ihrem letzten Out, hatten aber immerhin alle Bases besetzt. Bei einem Walk, einem Wild Pitch, einem Error oder einem Infield Single würde es unentschieden stehen, bei einem ins Gap geschlagenen Ball hätten sie praktisch gewonnen. Das Publikum klatschte im Takt und stampfte dazu auf den Metallboden der Tribüne. Als nun der kleine Trevor Michaels seinen Posten als Schlagmann einnahm, erscholl lauter Jubel. Sein Helm war der kleinste, den sie hatten, er rutschte Trevor aber trotzdem über die Augen, weshalb er ihn ständig hochschieben musste. Nervös schwenkte er den Schläger hin und her.

Terry hatte überlegt, jemand anderes rauszuschicken, doch obwohl Trevor nur knapp über eins fünfzig war, erzielte er immer eine Menge Walks. Ein Homerun war von ihm zwar nicht zu erwarten, aber manchmal schaffte er es immerhin, den Ball zu treffen. Nicht oft, aber gelegentlich eben doch. Hätte Terry ihn durch jemand anderes ersetzt, so hätte der arme Junge das ganze nächste Schuljahr über mit dieser Schande leben müssen. Wenn ihm jedoch ein Single gelang, dann würde er sein Leben lang bei jeder Grillparty mit einem Bier in der Hand davon erzählen können. Das war Terry nur zu bewusst. Er hatte sich selbst einmal in dieser Lage befunden, in der guten alten Zeit, als man noch nicht mit Aluminiumschlägern gespielt hatte.

Der Pitcher der Bears – der Kerl, den sie immer zum Abschluss einsetzten, ein echtes Talent – holte aus und warf den Ball direkt durch die Mitte. Mit bestürzter Miene sah Trevor das Geschoss vorbeisausen. Der Schiedsrichter bestätigte den ersten Strike. Das Publikum stöhnte auf.

Gavin Frick, der Kotrainer von Terry, schritt vor den Jungen auf der Bank auf und ab und hielt sein Scoresheet fest zusammengerollt in der Hand (wie oft hatte Terry ihn eigentlich gebeten, das zu unterlassen?). Sein T-Shirt mit dem Logo der Golden Dragons, Größe XXL, spannte sich über einen Bauch, der mindestens Größe XXXL hatte. »Hoffentlich war es kein Fehler, Trevor schlagen zu lassen, Terry«, sagte er. Der Schweiß rann ihm die Wangen herab. »Sieht ganz so aus, als hätte der ’ne Heidenangst, und ich glaube, selbst mit ’nem Tennisschläger würde er ’nen Speedball von dem Kerl da nicht erwischen.«

»Sehen wir mal, wie’s läuft«, sagte Terry. »Ich hab bei der Sache ein ganz gutes Gefühl.« Was eigentlich nicht so ganz stimmte.

Der gegnerische Pitcher holte aus und ließ eine weitere Rakete los, nur landete sie diesmal im Dreck vor dem Schlagmal. Das Publikum erhob sich, weil Baibir Patel, der an der dritten Base lauerte, sich einige Schritte weit zur Seite wagte. Als der Ball dann in den Handschuh des Catchers sprang, setzte er sich stöhnend wieder auf den Hintern. Der Catcher wandte sich der dritten Base zu, und trotz der Maske konnte Terry seinen Gesichtsausdruck erkennen: Versuch es bloß, Kumpel! Baibir ließ es bleiben.

Der nächste Wurf ging daneben, aber Trevor schlug trotzdem danach.

»Mach ihn fertig, Fritz!«, brüllte jemand mit kräftiger Stimme hoch oben auf der Tribüne – bestimmt der Vater des Pitchers, so wie der jetzt den Kopf ruckhaft in die betreffende Richtung drehte. »Mach ihn richtig fertig!«

Trevor regte sich beim nächsten Wurf nicht, der ziemlich knapp kam – eigentlich zu knapp, ihn zu nehmen, aber der Schiedsrichter entschied dann sowieso auf Ball, weshalb jetzt die Fans der Bears mit Stöhnen an der Reihe waren. Jemand brüllte, dass der Schiedsrichter wohl eine stärkere Brille brauche; ein anderer Fan riet zur Anschaffung eines Blindenhundes.

Nun stand es unentschieden, und jedem war klar, dass die gesamte Saison der Dragons vom nächsten Wurf abhing. Entweder würden sie danach auf die nächsthöhere Ebene vorrücken und gegen die Panthers um die Stadtmeisterschaft spielen – die tatsächlich vom Fernsehen übertragen wurde –, oder sie schieden aus und kamen nur noch ein einziges Mal zusammen, nämlich beim Grillfest im Garten der Familie Maitland, das traditionell am Saisonende stattfand.

Terry drehte sich um und warf einen Blick zu Marcy und den Mädchen hinüber, die hinter dem schützenden Maschendraht am selben Platz wie immer auf ihren Gartenstühlen saßen. Seine Töchter flankierten seine Frau wie hübsche Buchstützen. Alle drei winkten ihm mit gekreuzten Fingern zu. Terry zwinkerte, grinste und hob beide Daumen, obwohl er immer noch kein gutes Gefühl hatte. Was irgendwie nicht nur am Spiel lag. Er hatte schon eine ganze Weile kein gutes Gefühl mehr. Kein richtig gutes jedenfalls.

Nun lächelte Marcy nicht mehr, sondern verzog verwirrt das Gesicht. Sie blickte nach links und deutete mit dem Daumen in die Richtung. Als Terry sich dorthin drehte, sah er zwei Polizeibeamte im Gleichschritt an der dritten Grundlinie entlangmarschieren, an Barry Houlihan vorüber, dem Coach der gegnerischen Mannschaft.

»Time, time!«, brüllte der Schiedsrichter am Schlagmal, um den Pitcher der Bears zu stoppen, der bereits ausholte. Trevor Michaels verließ seinen Posten – mit erleichterter Miene, wie es Terry vorkam. Das Publikum war verstummt und beobachtete die beiden Cops. Einer der beiden fasste sich hinten an den Gürtel. Der andere hatte die Hand am Griff seiner im Holster steckenden Dienstwaffe.

»Runter vom Spielfeld!«, brüllte der Schiedsrichter. »Runter da!«

Troy Ramage und Tom Yates beachteten ihn nicht. Sie marschierten an der Bank der Dragons vorüber – einem Provisorium, bestehend aus einer langen Sitzbank, drei Körben mit Ausrüstung und einem Eimer mit schmutzigen Übungsbällen – direkt auf Terry zu. Ramage löste ein Paar Handschellen von seinem Gürtel. Als das Publikum die sah, erhob sich ein Gemurmel, das zu zwei Dritteln Verwirrung und zu einem Drittel Erregung ausdrückte: Uuuuuh.

»He, ihr beiden!«, rief Gavin, während er herbeieilte (und dabei beinahe über den abgelegten Fanghandschuh von Richie Gallant gestolpert wäre). »Hier läuft gerade ein Spiel!«

Yates schob ihn mit einem Kopfschütteln zurück. Inzwischen war das Publikum totenstill geworden. Die Bears hatten ihre angespannte Körperhaltung aufgegeben und betrachteten mit herabhängenden Handschuhen das Geschehen. Der Catcher trottete zu seinem Pitcher hinüber, bis die zwei gemeinsam auf halbem Wege zwischen dem Mound und der Home Plate standen.

Den Cop mit den Handschellen kannte Terry flüchtig; er kam manchmal im Herbst mit seinem Bruder, um sich die Footballspiele der Jugendliga anzuschauen. »Troy? Was soll das Ganze? Worum geht es hier?«

Im Gesicht seines Gegenübers sah Ramage nichts, was nicht wie aufrichtige Verblüffung wirkte, allerdings war er schon seit den Neunzigerjahren bei der Polizei und wusste, dass die wirklich schlimmen Kandidaten den perfekten Unschuldslämmerblick draufhatten. Und der Kerl hier gehörte zu den allerschlimmsten. Im Einklang mit den Anweisungen, die er von Ralph Anderson erhalten (und gegen die er nicht das Mindeste einzuwenden) hatte, erhob er die Stimme, damit ihn das gesamte Publikum hören konnte, das am nächsten Tag in der Zeitung auf 1588 Personen beziffert werden würde.

»Terence Maitland, ich verhafte Sie wegen Mordes an Frank Peterson.«

Ein weiteres Uuuuuh von den Tribünen, diesmal lauter. Es hörte sich an wie eine anschwellende Windbö.

Terry sah Ramage stirnrunzelnd an. Oberflächlich begriff er das Gesagte; es handelte sich um simple Wörter, die einen simplen Aussagesatz bildeten; er wusste, wer Frankie Peterson war und was man ihm angetan hatte, doch die Bedeutung des Gesagten begriff er nicht. »Was? Soll das ein Witz sein?« Das war alles, was er herausbrachte, und just in dem Augenblick nahm der Sportfotograf von der Lokalzeitung das Bild auf, das am nächsten Tag auf der Titelseite zu sehen sein würde. Der Mund von Terry stand offen, die Augen hatte er weit aufgerissen, unter dem Rand seiner Golden-Dragons-Mütze ragten Haarzotteln hervor. Auf dem Foto sah er gleichermaßen entkräftet und schuldig aus.

»Was haben Sie da gesagt?«

»Halten Sie mir bitte die Handgelenke hin.«

Terry sah zu Marcy und seinen Töchtern hinüber, die immer noch hinter dem Maschendraht auf ihren Stühlen saßen und ihn mit einem identischen Ausdruck stummer Verblüffung anstarrten. Das Entsetzen würde sie erst später überkommen. Baibir Patel verließ seinen Posten und kam auf die Bank zu. Dabei nahm er den Helm ab, sodass sein verschwitzter schwarzer Haarschopf sichtbar wurde, und Terry sah, wie er in Tränen ausbrach.

»Zurück da!«, brüllte Gavin den Jungen an. »Das Spiel ist noch nicht vorüber!«

Baibir blieb nur mitten im Foul Territory stehen, starrte Terry an und plärrte. Terry erwiderte seinen Blick, davon überzeugt (beinahe überzeugt), dass er das alles nur träumte, aber da packte ihn Tom Yates und riss ihm so gewaltsam die Arme hoch, dass er vorwärts taumelte. Ramage ließ die Handschellen zuschnappen. Es waren richtige aus Metall, nicht diese Plastikfesseln; groß und schwer glänzten sie in der tief stehenden Sonne. Mit derselben hallenden Stimme wie zuvor verkündete er: »Sie haben das Recht zu schweigen und sich zu weigern, Fragen zu beantworten, aber wenn Sie sich zu sprechen entscheiden, kann alles, was Sie sagen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, zur Vernehmung jetzt und zukünftig einen Anwalt hinzuzuziehen. Haben Sie das verstanden?«

»Troy?« Terry hörte die eigene Stimme kaum. Er rang nach Luft, als hätte man ihm in den Magen geschlagen. »Was in Gottes Namen soll das?«

Ramage ging nicht darauf ein. »Haben Sie das verstanden?«

Marcy kam an den Maschendraht, hakte die Finger hinein und rüttelte daran. Sarah und Grace hinter ihr flossen die Tränen. Grace lag neben Sarahs Gartenstuhl auf den Knien, ihr eigener war umgestürzt und lag im Dreck. »Was tut ihr denn da?«, rief Marcy. »Was in Gottes Namen tut ihr da bloß? Und weshalb tut ihr es ausgerechnet hier?«

»Haben Sie das verstanden?«

Terry verstand nur, dass man ihm Handschellen angelegt hatte und ihn nun vor beinahe sechzehnhundert gaffenden Leuten, zu denen seine Frau und seine beiden Töchter gehörten, über seine Rechte belehrte. Es war kein Traum, und es war auch keine schlichte Festnahme; aus Gründen, die er nicht begreifen konnte, wurde er vor aller Augen an den Pranger gestellt. Da war es am besten, alles möglichst schnell hinter sich zu bringen und die Sache später zu klären. Allerdings wusste er trotz Schock und Verwirrung, dass sein Leben über lange Zeit hinweg nicht mehr in normalen Bahnen verlaufen würde.

»Ja, ich habe verstanden«, sagte er und dann: »Coach Frick, lassen Sie das bleiben.«

Gavin, der mit geballten Fäusten und hektisch geröteten Hängebacken auf die beiden Cops zugegangen war, ließ die Arme sinken und wich einen Schritt zurück. Er blickte durch den Maschendraht hindurch auf Marcy, zuckte die gewaltigen Schultern und hob seine Metzgerhände.

Im gleichen dröhnenden Ton wie zuvor fuhr Troy Ramage fort wie ein Ausrufer, der auf einem neuenglischen Marktplatz die Neuigkeiten der Woche verkündete. Ralph Anderson, der draußen weiterhin an dem Zivilfahrzeug lehnte, konnte ihn hören. Troy machte seine Sache gut. Es war eine hässliche Inszenierung, für die Ralph wahrscheinlich kritisiert werden würde, wenn auch nicht von Frankie Petersons Eltern. Nein, von denen nicht.

»Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen vor der Vernehmung von Amts wegen einer zur Verfügung gestellt, sofern Sie das wünschen. Haben Sie das verstanden?«

»Ja«, sagte Terry. »Und mir dämmert so langsam was.« Er wandte sich ans Publikum. »Ich habe keine Ahnung, weshalb ich festgenommen werde! Gavin Frick wird das Spiel zu Ende coachen!« Und dann, wie etwas, was ihm nachträglich einfiel: »Baibir, zurück auf die dritte Base, und zwar sofort!«

Die Leute klatschten daraufhin, aber nur spärlich. Der Mann mit der kräftigen Stimme brüllte: »Was hat der Mann denn getan?« Worauf das Publikum die Frage beantwortete, indem es zwei Wörter raunte, die sich bald nicht nur in den westlichen Vierteln, sondern in der ganzen Stadt verbreiten würden: den Namen von Frank Peterson.

Yates packte Terry am Arm, um ihn auf die Imbissbude und den dahinter befindlichen Parkplatz zuzuschieben. »Ihre Predigt an die Menge können Sie später halten, Maitland. Jetzt kommen Sie erst mal ins Gefängnis. Und wissen Sie, was? Wir halten es in unserem Staat mit der Todesstrafe, und die vollstrecken wir auch. Aber Sie sind ja Lehrer, oder? Dann haben Sie’s wahrscheinlich schon gewusst.«

Sie hatten sich erst zwanzig Schritte von der Bank entfernt, als Marcy Maitland sie einholte und Tom Yates am Arm fasste. »Was in Gottes Namen tun Sie da eigentlich?«

Yates schüttelte sie ab, und als sie Anstalten machte, sich an ihren Mann zu klammern, schob Troy Ramage sie sanft, aber entschieden weg. Daraufhin blieb sie einen Moment lang benommen an Ort und Stelle stehen, bis sie sah, wie Ralph Anderson seinen Kollegen entgegenkam. Sie kannte ihn von der Little League her, in der Derek Anderson für Terrys Mannschaft gespielt hatte, die Gerald’s Fine Groceries Lions. Natürlich hatte Ralph nicht zu allen Spielen kommen können, aber er war so oft wie möglich dabei gewesen. Damals hatte er noch Uniform getragen; zu seiner Beförderung zum Detective hatte Terry ihm sogar per E-Mail gratuliert. Jetzt rannte Marcy über den Rasen auf ihn zu, in ihren alten Tennisschuhen, die sie immer zu den Spielen von Terry trug, weil sie behauptete, die würden ihm Glück bringen.

»Ralph!«, rief sie. »Was soll das alles? Das muss ein Irrtum sein!«

»Leider ist das nicht so«, sagte Ralph.

Der jetzige Teil der Inszenierung gefiel ihm ganz und gar nicht, weil er Marcy nämlich mochte. Allerdings hatte er auch Terry immer gemocht – schließlich hatte der das Leben von Derek ein klein wenig verändert, indem er dem Jungen ein bisschen mehr Selbstvertrauen vermittelt hatte, und wenn man erst elf Jahre alt war, machte ein bisschen mehr Selbstvertrauen eine Menge aus. Aber das war nicht alles. Womöglich wusste Marcy, was ihr Mann war, selbst wenn sie es sich auf einer bewussten Ebene nicht eingestand. Die Maitlands waren schon lange verheiratet, und so grauenhafte Dinge wie der Mord an dem kleinen Peterson ereigneten sich nicht einfach aus dem Nichts heraus. Eine solche Tat baute sich allmählich auf.

»Sie müssen jetzt nach Hause fahren, Marcy. Sofort. Ihre Töchter sollten Sie vorher vielleicht bei einer Freundin abgeben, weil die Polizei Sie erwarten wird.«

Sie sah ihn nur verständnislos an.

Hinter sich hörten sie das Klirren eines Aluminiumschlägers; jemand musste den Ball gut erwischt haben. Gejubelt wurde jedoch kaum; das Publikum war immer noch geschockt und weniger am Spielgeschehen interessiert als daran, was es gerade mitbekommen hatte. Was irgendwie ausgesprochen schade war. Trevor Michaels hatte den Ball gerade härter getroffen als je zuvor in seinem Leben, noch härter als dann, wenn Coach T ihm beim Training leichte Bälle zuwarf. Leider flog das Geschoss direkt auf den Shortstop der Bears zu, der nicht einmal hochspringen musste, um es zu fangen.

Das Spiel war aus.

6

Aussage von June Morris (12. Juli, 17.45 Uhr, aufgenommen von Detective Ralph Anderson in Anwesenheit von Mrs. Francine Morris)

Detective Anderson  Danke, dass Sie mit Ihrer Tochter zu uns gekommen sind, Mrs. Morris. Und, June? Schmeckt die Limo?

June Morris  Ja klar. Habe ich irgendwas angestellt?

Detective Anderson  Ganz im Gegenteil. Ich will dir bloß ein paar Fragen zu dem stellen, was du vorgestern am Abend mitbekommen hast.

June Morris  Als ich Coach Terry gesehen hab?

Detective Anderson  Genau, als du Coach Terry gesehen hast.

Francine Morris  Seit ihrem neunten Geburtstag haben wir sie alleine die Straße runter zu ihrer Freundin Helen gehen lassen. Solange es hell war. Wir halten nämlich nichts davon, uns wie Helikopter-Eltern zu verhalten. Nach der Sache jetzt ist es damit natürlich vorbei, da können Sie sich drauf verlassen.

Detective Anderson  Du hast ihn gesehen, nachdem du mit dem Abendessen fertig warst, June? Stimmt das?

June Morris  Ja. Es gab Hackbraten. Gestern gab’s übrigens Fisch. Den mag ich überhaupt nicht, aber mach was.

Francine Morris  Sie muss nicht mal die Straße überqueren oder sonst was. Wir dachten, es wäre schon in Ordnung, weil wir ja in so einem guten Viertel wohnen. Wenigstens habe ich das immer gedacht.

Detective Anderson  Es ist immer schwer zu entscheiden, wann man Kindern mehr Verantwortung übertragen sollte. Also, June – du bist die Straße runtergegangen und dann direkt am Parkplatz vom Figgis-Park vorbeigekommen, stimmt das?

June Morris  Ja. Ich und Helen …

Francine Morris  Helen und ich …

June Morris  Helen und ich wollten unsere Karte von Südamerika fertig machen. Die ist für unser Ferienprojekt. Wir nehmen verschiedene Farben für die ganzen Länder, und wir waren fast schon fertig, aber wir hatten Paraguay vergessen, drum mussten wir noch mal ganz von vorne anfangen. Da konnte man auch nichts machen. Danach wollten wir auf dem I-Pad von Helen Angry Birds und Corgi Hop spielen, bis mein Papa kommt und mich nach Hause abholt. Weil es dann vielleicht schon dunkel sein würde.

Detective Anderson  Das wäre dann um wie viel Uhr gewesen, Mrs. Morris?

Francine Morris  Als Junie gegangen ist, liefen gerade die Lokalnachrichten. Norm hat sie angesehen, während ich die Spülmaschine eingeräumt habe. Also zwischen sechs und halb sieben. Wahrscheinlich Viertel nach. Ich glaube, dass gerade der Wetterbericht kam.

Detective Anderson  Erzähl mir jetzt, was du gesehen hast, June. Also als du am Parkplatz vorbeigegangen bist.

June Morris  Coach Terry, das hab ich Ihnen doch schon gesagt. Der wohnt in unserer Straße, und als unser Hund sich mal verlaufen hat, hat Coach T ihn zurückgebracht. Manchmal spiele ich auch mit Gracie Maitland, aber nicht sehr oft. Die ist ein Jahr älter als ich und mag Jungs. Er war ganz blutig. Wegen seiner Nase.

Detective Anderson  Mhm. Was hat er denn getan, als du ihn gesehen hast?

June Morris  Er ist zwischen den Bäumen durchgekommen. Als er gesehen hat, dass ich ihn angucke, hat er gewinkt. Da hab ich auch gewinkt und gesagt: »Ui, Coach Terry, was ist denn Ihnen passiert?« Er hat gesagt, dass ihn ein Zweig erwischt hat. Im Gesicht. »Hab keine Angst«, hat er gesagt. »Ich hab bloß Nasenbluten, das kommt bei mir ständig vor.« Da hab ich gesagt: »Ich hab ja gar keine Angst, aber das Hemd da können Sie bestimmt nicht mehr anziehen. Meine Mama sagt immer, dass man Blut nicht rauswaschen kann.« Er hat gegrinst und gesagt: »Gut, dass ich so viele Hemden habe.« Aber es war auch auf seiner Hose. Und auf seinen Händen.

Francine Morris  Sie war so nah an ihm dran. Das geht mir ständig im Kopf herum.

June Morris  Wieso? Wegen dem Nasenbluten? Das hat Rolf Jacobs letztes Jahr auch mal gekriegt, wo er auf dem Schulhof hingefallen ist, und mir hat das keine Angst gemacht. Ich wollte ihm mein Taschentuch geben, aber Mrs. Grisha hat ihn vorher zur Schulschwester gebracht.

Detective Anderson  Wie nah ist er dir gekommen?

June Morris  Puh, keine Ahnung. Coach Terry war auf dem Parkplatz, und ich war auf dem Gehweg. Wie viele Meter sind das?

Detective Anderson  Das weiß ich auch nicht, aber ich bekomme das bestimmt heraus. Schmeckt dir die Limo?

June Morris  Das haben Sie mich vorhin schon gefragt.

Detective Anderson  Ach ja, stimmt.

June Morris  Alte Leute werden vergesslich, sagt jedenfalls mein Opa.

Francine Morris  Junie, das ist unhöflich.

Detective Anderson  Ist schon okay. Dein Opa ist offenbar ein kluger Mann, June. Was ist dann passiert?

June Morris  Nichts. Coach Terry ist in seinen Lieferwagen gestiegen und weggefahren.

Detective Anderson  Was für eine Farbe hatte der Lieferwagen?

June Morris  Also, wenn er sauber gewesen wäre, dann wahrscheinlich Weiß, aber der war ziemlich dreckig. Außerdem war er total laut und hat lauter blauen Rauch rausgeblasen. Puh.

Detective Anderson  Stand irgendwas auf der Seite? Der Name von einer Firma zum Beispiel?

June Morris  Nee. Es war bloß ein weißer Lieferwagen.

Detective Anderson  Hast du das Nummernschild gesehen?

June Morris  Nee.

Detective Anderson  In welche Richtung ist der Wagen denn losgefahren?

June Morris  Die Barnum Street runter.

Detective Anderson  Und du bist dir sicher, dass der Mann mit dem Nasenbluten Terry Maitland war?

June Morris  Ja klar, Coach Terry, Coach T. Den sehe ich ja ständig. Ist was mit ihm? Hat er was falsch gemacht? Meine Mama sagt, ich darf nicht in die Zeitung schauen, und die Nachrichten im Fernsehen darf ich auch nicht sehen, dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass im Park was Schlimmes passiert ist. Wenn jetzt keine Ferien wären, tät ich Bescheid wissen, weil in der Schule alle über solche Sachen reden. Hat Coach Terry vielleicht mit einem bösen Mann gekämpft? Hat der ihm etwa auf die Nase gehauen und …

Francine Morris  Sind wir jetzt bald durch, Detective? Natürlich brauchen Sie alle Einzelheiten, aber bedenken Sie bitte, dass ich diejenige bin, die June heute Abend zu Bett bringen muss.

June Morris  Ich kann allein ins Bett!

Detective Anderson  Ja, wir sind wirklich gleich fertig. Pass auf, June, bevor du gehst, möchte ich noch ein kleines Spiel mit dir spielen. Du magst doch Spiele?

June Morris  Normal schon. Wenn sie halt nicht langweilig sind.

Detective Anderson  Ich lege jetzt sechs Fotos von sechs verschiedenen Leuten auf den Tisch … so … und die sehen alle ein bisschen wie Coach Terry aus. Ich will, dass du mir sagst …

June Morris  Der da. Nummer vier. Das ist Coach Terry.

7

Troy Ramage öffnete die linke Hintertür des Zivilfahrzeugs. Als Terry über die Schulter blickte, sah er Marcy mit einem Ausdruck qualvoller Verwirrung auf dem Gesicht am Rand des Parkplatzes stehen. Hinter ihr kam der Fotograf der Lokalzeitung über den Rasen gelaufen, wobei er ständig auf den Auslöser drückte. Die Bilder taugen bestimmt nichts, dachte Terry mit einer gewissen Genugtuung. »Ruf Howie Gold an!«, rief er Marcy zu. »Sag ihm, dass man mich verhaftet hat! Sag ihm …«

Dann hatte Yates ihm die Hand auf den Kopf gelegt, um ihn nach unten in den Wagen zu drücken. »Los, rutschen Sie rüber! Und lassen Sie die Hände im Schoß, während ich Sie anschnalle.«

Terry rutschte auf die andere Seite. Er legte die Hände in den Schoß. Durch die Windschutzscheibe sah er die große elektronische Anzeigetafel auf dem Baseballplatz. Vor zwei Jahren hatte seine Frau die Spendensammlung dafür organisiert. Den Ausdruck auf ihrem Gesicht, während sie so dagestanden hatte, würde er nie vergessen. Es war die Miene einer Frau in einem Entwicklungsland gewesen, die ihr Dorf brennen sah.

Dann saß Ramage am Steuer, Ralph Anderson auf dem Beifahrersitz, und noch bevor der seine Tür zugeschlagen hatte, fuhr der Wagen mit quietschenden Reifen rückwärts aus dem Behindertenparkplatz. Ramage drehte das Lenkrad mit dem Handballen, um einen engen Bogen zu fahren, und steuerte dann die Tinsley Avenue an. Sie fuhren ohne Sirene, aber das auf dem Armaturenbrett befestigte Blaulicht blitzte auf. Im Wagen roch es nach mexikanischem Essen. Merkwürdig, fand Terry, was einem so auffiel, wenn dein Tag – ja dein Leben – urplötzlich über eine Klippe stürzte, von der man nicht einmal geahnt hatte, dass sie da war. Er beugte sich vor.

»Ralph, hören Sie mich an.«

Ralph Anderson blickte ungerührt geradeaus. Er hatte die Hände geballt. »In der Zentrale können Sie so viel erzählen, wie Sie wollen.«

»Ach, lassen Sie ihn doch reden«, sagte Ramage. »Erspart uns allen ’ne Menge Zeit.«

»Klappe, Troy«, sagte Anderson, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. An seinem Nacken sah Terry zwei Sehnen so hervorstehen, dass sie die Zahl II bildeten.

»Ralph, ich weiß nicht, was Sie auf mich gebracht hat und wieso Sie mich vor der halben Stadt festnehmen wollten, aber Sie irren sich gewaltig.«

»Das behaupten sie alle«, bemerkte Tom Yates neben ihm wie beiläufig. »Lassen Sie die Hände im Schoß, Maitland. Wehe, Sie kratzen sich auch nur an der Nase.«

Terry bekam nun allmählich einen klareren Kopf – ein bisschen wenigstens – und achtete sorgfältig darauf, sich so zu verhalten, wie Officer Yates (dessen Namensschild am Uniformhemd steckte) ihn angewiesen hatte. Yates machte den Eindruck, als würde er nach einem Vorwand gieren, seinem Gefangenen eine zu verpassen, Handschellen hin oder her.

In dem Wagen hatte jemand Enchiladas gegessen, da war sich Terry sicher. Wahrscheinlich welche von Señor Joe’s. Da gingen seine Töchter auch liebend gern hin. Beim Essen lachten die beiden immer viel – Mensch, das tat die ganze Familie –, um sich dann bei der Heimfahrt gegenseitig des Furzens zu beschuldigen. »Hören Sie mich an, Ralph. Bitte.«

Anderson seufzte. »Okay, ich höre.«

»Das tun wir alle«, sagte Ramage. »Mit offenen Ohren, Kumpel, mit offenen Ohren.«

»Frank Peterson wurde am Dienstag umgebracht. Am Dienstagnachmittag. Das stand in der Zeitung und kam auch in den Nachrichten. Am Dienstag war ich in Cap City, über Nacht und großteils auch am Mittwoch. Bin erst am Mittwochabend um neun oder halb zehn zurückgekommen. An beiden Tagen haben Gavin Frick, Barry Houlihan und Lukesh Patel, der Vater von Baibir, das Training mit den Jungs übernommen.«

Eine kleine Weile herrschte im Wagen eine Stille, die nicht einmal vom Funkgerät unterbrochen wurde, da man es zuvor ausgeschaltet hatte. Terry erlebte einen wunderbaren Moment, in dem er glaubte – und zwar ganz und gar –, dass Ralph Anderson den massigen Cop am Lenkrad nun anweisen würde, an den Straßenrand zu fahren. Dann würde er Terry peinlich berührt anblicken und sagen: Ach du lieber Himmel, das haben wir wirklich vermasselt, was?

Stattdessen sagte Anderson, ohne sich umzudrehen: »Aha. Jetzt kommt das berühmte Alibi.«

»Wie bitte? Was soll das heißen?«

»Sie sind ein cleverer Kerl, Terry. Das habe ich schon gemerkt, als ich Sie kennengelernt habe, damals, wo Sie Derek in der Little League trainiert haben. Deshalb war ich mir auch ziemlich sicher, dass Sie mit irgendeinem Alibi ankommen werden, wenn Sie nicht gleich gestehen – was ich zwar gehofft, aber eigentlich nicht erwartet habe.« Anderson drehte sich endlich um, aber das Gesicht, in das Terry blickte, war das eines völlig Fremden. »Und ich bin mir ebenso sicher, dass wir das Alibi platzen lassen werden. Wir haben Sie am Wickel. Fester geht’s nicht.«

»Was haben Sie eigentlich in Cap City gemacht, Coach?«, fragte Yates, und urplötzlich klang der Mann, der Terry gerade verboten hatte, sich auch nur an der Nase zu kratzen, äußerst interessiert. Beinahe hätte Terry ihm tatsächlich gesagt, wozu er dort gewesen war, aber dann entschied er sich dagegen. Das Denken ersetzte allmählich das bloße Reagieren im Schockzustand, und ihm wurde klar, dass es sich bei diesem Wagen mit seinem abflauenden Geruch nach Enchiladas um feindliches Territorium handelte. Es war jetzt angebracht, den Mund zu halten, bis Howie Gold in der Polizeistation eintraf. Gemeinsam mit ihm konnte er den ganzen Schlamassel dann aus der Welt schaffen. Lange würde das bestimmt nicht dauern.

Und ihm wurde noch etwas anderes klar. Er war wütend, wahrscheinlich wütender als je zuvor im Leben, und während sie in die Main Street einbogen und auf die Polizeistation von Flint City zufuhren, schwor er sich etwas: Spätestens im Herbst, vielleicht auch früher, würde der Mann auf dem Beifahrersitz, den er einmal für einen Freund gehalten hatte, sich nach einem neuen Job umsehen. Zum Beispiel als Wachmann einer Bankfiliale in Tulsa oder Amarillo.

8

Aussage von Mr. Carlton Scowcroft (12. Juli, 21.30 Uhr, aufgenommen von Detective Ralph Anderson)

Scowcroft  Dauert es lange, Detective? Normalerweise gehe ich nämlich früh ins Bett. Ich arbeite im Betriebswerk von der Bahn, und wenn ich da nicht um sieben aufkreuze, staucht man mich zusammen.

Detective Anderson  Ich mach so schnell, wie’s nur geht, Mr. Scowcroft. Wir haben es hier halt mit einer ernsten Angelegenheit zu tun.

Scowcroft  Weiß schon. Ich helfe Ihnen auch gern, so gut ich kann. Es ist bloß so, dass ich nicht viel zu erzählen habe, und außerdem will ich nach Hause. Wie gut ich heute schlafen kann, weiß ich allerdings nicht. Seit ich mich mal mit siebzehn auf ein Besäufnis eingelassen habe, war ich nicht mehr hier auf dem Revier. Damals war Charlie Borton Polizeichef. Unsere Väter haben uns losgeeist, aber ich durfte den ganzen Sommer lang abends nicht mehr raus.

Detective Anderson  Tja, wir sind sehr dankbar, dass Sie hergekommen sind. Erzählen Sie mir bitte, wo Sie am 10. Juli um 19 Uhr waren.

Scowcroft  Wie ich vorhin schon dem Mädel am Empfang gesagt habe, ich war im Shorty’s. Und da hab ich den weißen Lieferwagen gesehen und auch den Typen, der drüben im Westen die Jungs im Baseball und Football trainiert. Seinen Namen weiß ich nicht mehr, aber in der Zeitung bringen sie ständig ein Foto von ihm, weil sein Team dieses Jahr in der City League ordentlich was auf die Beine stellt. In der Zeitung stand, dass die vielleicht sogar das Endspiel gewinnen. Heißt er nicht Moreland oder so? Jedenfalls war er überall voller Blut.

Detective Anderson  Wie kam es dazu, dass Sie ihn zu Gesicht bekommen haben?

Scowcroft  Na ja, nach der Arbeit hab ich so meine Gewohnheiten, weil zu Hause keine Frau auf mich wartet und ich kein großer Koch bin, wenn Sie wissen, was ich meine. Montags und mittwochs gehe ich in den Flint City Diner. Am Freitag esse ich im Bonanza Steakhouse, und am Dienstag und Donnerstag gehe ich normalerweise zum Shorty’s, um mir in dem Pub einen Teller Spareribs und ein Bier zu gönnen. Vorgestern bin ich also, na, ich würde sagen, um Viertel nach sechs im Shorty’s eingetrudelt. Der Junge war da schon lange tot, oder?

Detective Anderson  Aber gegen sieben Uhr standen Sie draußen, richtig? Hinter dem Pub, meine ich.

Scowcroft  Ja, zusammen mit Riley Franklin. Den habe ich da zufällig getroffen, und wir haben uns zum Essen zusammengesetzt. Zum Rauchen gehen die Leute hinter den Pub. Durch den Flur zwischen den Klos und zur Hintertür raus. Da steht ein Aschenbecher und so weiter. Nach dem Futtern – ich die Spareribs, er den Nudelauflauf – haben wir Nachtisch bestellt und sind rausgegangen, um eine zu rauchen, bevor der kommt. Wir haben dagestanden und über irgendwas gequatscht, und da ist so ein verdreckter weißer Lieferwagen auf den Parkplatz gerollt. Das Nummernschild war aus New York, das weiß ich noch. Er hat sich neben einen kleinen Subaru-Kombi gestellt – ich glaube jedenfalls, dass es einer war –, und der Typ ist ausgestiegen. Moreland oder wie er heißt.

Detective Anderson  Wie war er gekleidet?

Scowcroft  Also, was die Hosen angeht, da bin ich mir nicht sicher – vielleicht weiß Riley noch Bescheid, eventuell waren es Chinos –, aber das Hemd war weiß. Daran erinnere ich mich, weil vorne Blut drauf war, und zwar eine ganze Menge. Auf den Hosen war nicht so viel, bloß ein paar Spritzer. Und auf dem Gesicht war auch Blut. Unter der Nase, rund um den Mund, am Kinn. Mann, das war echt scheußlich. Da sagt Riley – ich glaube, der hatte schon ein paar Bier intus, bevor ich aufgekreuzt bin – also, Riley sagt: »Und wie schaut Ihr Sparringspartner jetzt aus, Coach T?«

Detective Anderson  Er hat ihn mit Coach T angesprochen.

Scowcroft  Klar. Und der Coach lacht und sagt: »Ich habe mich nicht geprügelt. In meiner Nase ist bloß irgendwas geplatzt, und da ist es rausgesprudelt wie eine Fontäne.« Und ob es hier in der Gegend einen Arzt gibt, der um die Zeit verfügbar ist.

Detective Anderson  Was Sie so verstanden haben, dass er eine Notfallpraxis aufsuchen wollte?

Scowcroft  Genau, das hat er gemeint, weil er nachschauen lassen wollte, ob was in der Nase verödet werden muss. Autsch, was? Er hat gesagt, so was Ähnliches wäre ihm schon mal passiert. Worauf ich gemeint habe, er soll ungefähr eine Meile weit die Burrfield runterfahren und an der zweiten Ampel links abbiegen, dann würde er ein Schild sehen. Sie kennen doch die Anzeigetafel in der Nähe vom Ford-Händler, oder? Da steht drauf, wie lange man in etwa warten muss und so. Daraufhin hat er gefragt, ob er seinen Wagen auf dem kleinen Parkplatz hinter dem Pub stehen lassen kann, weil der eigentlich nicht für Gäste ist – das steht auf einem Schild an der Rückwand –, sondern für das Personal. Da habe ich gesagt: »Mir gehört der Laden hier zwar nicht, aber wenn Sie nicht dauerparken, wird das schon in Ordnung gehen.« Und da hat er was gesagt, was uns beiden komisch vorgekommen ist, so wie die Dinge heutzutage laufen – nämlich dass er den Autoschlüssel in der Ablage lässt, falls jemand den Wagen umparken will. Riley hat gemeint: »Das lädt doch bloß zum Klauen ein, Coach T.« Aber der Coach hat gesagt, er wäre ja nicht lange weg, und vielleicht würde wirklich jemand das Ding umparken wollen. Wissen Sie, was ich denke? Ich denke, vielleicht hatte er es darauf abgesehen, dass jemand den Wagen klaut, zum Beispiel ich oder Riley. Was halten Sie davon, Detective?

Detective Anderson  Was ist dann passiert?

Scowcroft  Er ist in den kleinen grünen Subaru gestiegen und losgebraust. Was mir ebenfalls komisch vorkam.

Detective Anderson  Was daran?

Scowcroft