Der Prophet - Khalil Gibran - E-Book + Hörbuch

Der Prophet E-Book

Khalil Gibran

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Beschreibung

Ein Jahrhundertbestseller Das Kultbuch zum Vorzugspreis  Eine Stadt im Orient: Der Prophet al-Mustafa erwartet das Schiff, das ihn in seine Heimat zurückbringen wird. Bevor er sie verlässt, bitten ihn die Einwohner von Orfalîs, ein letztes Mal zu ihnen zu sprechen: von Liebe, Schmerz, Schönheit, Freude und allem anderen, was die Menschen bewegt. Die Antworten des Propheten sind voller Lebensweisheit und mystischer Tiefe und zählen zum Faszinierendsten, was die spirituelle Literatur hervorgebracht hat. Khalil Gibran gelang mit diesem Werk der Brückenschlag zwischen der Alten und Neuen Welt, zwischen Orient und Okzident, Islam und Christentum. 1923 erschienen, erlebte ›Der Prophet‹ einen beispiellosen Triumphzug im Westen und hat bis heute nichts von seiner Anziehungskraft verloren.

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Seitenzahl: 65

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Khalil Gibran

Der Prophet

Deutscher Taschenbuch Verlag

Neuübersetzung

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

© der vorliegenden Übersetzung ins Deutsche: 2002 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.

eBook ISBN 978-3-423-40143-2 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-36261-0

www.dtv.de

Inhaltsübersicht

Die Ankunft des Schiffes

Von der Liebe

Von der Ehe

Von den Kindern

Vom Geben

Vom Essen und Trinken

Von der Arbeit

Von der Freude und vom Leid

Von den Häusern

Von den Kleidern

Vom Handel

Von Verbrechen und Strafe

Von den Gesetzen

Von der Freiheit

Von der Vernunft und der Leidenschaft

Vom Schmerz

Von der Selbsterkenntnis

Vom Lehren

Von der Freundschaft

Vom Reden

Von der Zeit

Von Gut und Böse

Vom Gebet

Vom Genuss

Von der Schönheit

Von der Religion

Vom Tod

Der Abschied

Die Ankunft des Schiffes

Al-Mustafa, der Auserwählte und der Geliebte, der seiner Zeit ein Morgenrot war, hatte zwölf Jahre lang in der Stadt Orfalîs auf die Rückkehr seines Schiffes gewartet, das ihn wieder zur Insel seiner Geburt bringen sollte.

Und im zwölften Jahr, am siebten Tag des Erntemonats Ailûl erklomm er den Hügel jenseits der Stadtmauer und blickte seewärts; und er sah sein Schiff mit dem Nebel herankommen.

Da flogen die Tore seines Herzens auf, und seine Freude schwang sich weit hinaus übers Meer. Und er schloss die Augen und betete in der Stille seiner Seele.

Doch als er den Hügel wieder hinabstieg, befiel ihn Wehmut, und er dachte in seinem Herzen:

Wie sollte ich in Frieden und ohne Kummer ziehen? Nein, nicht ohne eine Wunde in der Seele werde ich diese Stadt verlassen.

Lang waren die Tage des Leidens, die ich in ihren Mauern verbrachte, und lang waren die Nächte des Alleinseins; und wer kann sein Leiden und sein Alleinsein ohne Bedauern hinter sich lassen?

Zu viele Splitter meines Geistes habe ich in diesen Straßen verstreut, und zu zahlreich sind die Kinder meiner Sehnsucht, die nackt zwischen diesen Hügeln wandeln, und ich kann mich nicht ohne eine Last auf der Seele und Schmerz von ihnen zurückziehen.

Wenn ihr den Gipfel des Berges erreicht habt, dann wird euer Aufstieg beginnen.

Es ist kein Gewand, was ich heute abstreife, sondern eine Haut, die ich mit meinen eigenen Händen von mir reiße.

Ebenso wenig ist es ein Gedanke, was ich hinter mir lasse, sondern ein Herz, gesüßt von Hunger und von Durst.

Doch ich darf nicht länger zaudern.

Die See, die alle Dinge zu sich ruft, ruft mich, und ich muss an Bord gehen.

Denn sind die Stunden der Nacht auch aus Feuer, hieße bleiben gefrieren und Kristall werden und in einer harten Schale erstarren.

Gern nähme ich alles mit, was hier ist. Doch wie könnte ich?

Eine Stimme kann die Zunge und die Lippen, die ihr Flügel verliehen, nicht mit sich tragen. Allein muss sie in den Äther steigen.

Und allein und ohne seinen Horst fliegt der Adler an der Sonne vorüber.

Als er nun den Fuß des Hügels erreicht hatte, wandte er sich wieder zur See, und er sah sein Schiff in den Hafen einlaufen und am Bug die Matrosen stehen, die Männer seines Landes.

Und seine Seele rief ihnen laut entgegen, und er sprach:

Söhne meiner uralten Mutter, ihr Reiter der Gezeiten,

Wie oft schon seid ihr in meine Träume gesegelt! Und nun kommt ihr in mein Erwachen, das mein tieferer Traum ist.

Bereit bin ich zur Abreise, und meine Ungeduld wartet unter allen Segeln auf den Wind.

Nur einen Atemzug noch will ich atmen in dieser reglosen Luft, nur einen liebevollen Blick noch zurückwerfen,

Und dann werde ich mitten unter euch stehen, ein Seefahrer unter Seefahrern.

Und du, gewaltige See, schlaflose Mutter,

Die du allein bist Frieden und Freiheit für den Fluss und den Bach,

Nur eine Windung wird dieser Bach noch beschreiben, nur einmal noch murmeln in dieser Lichtung,

Und dann kehre ich zu dir zurück, ein grenzenloser Tropfen zum grenzenlosen Ozean.

Und während er ging, sah er in der Ferne Männer und Frauen ihre Äcker und ihre Weinberge verlassen und hin zu den Stadttoren eilen.

Und er hörte ihre Stimmen seinen Namen rufen und hörte sie von Feld zu Feld einander zuschreien und die Ankunft seines Schiffes melden.

Und er sagte zu sich selbst:

Soll denn der Tag der Trennung der Tag der Vereinigung werden?

Und soll es einst heißen, dass mein Abend in Wahrheit mein Morgenrot war?

Und was soll ich dem geben, der seinen Pflug auf halber Furche verließ, oder dem, der das Rad seiner Kelter anhielt?

Soll mein Herz zu einem Baum werden, beladen mit Früchten, die ich pflücken könnte und an sie verteilen?

Und werden meine Wünsche wie eine Quelle sprudeln, dass ich ihre Becher füllen mag?

Bin ich denn eine Harfe, dass die Hand des Mächtigen mich streichen, oder eine Flöte, dass sein Atem durch mich strömen könnte?

Ein Sucher der Stille bin ich, und welche Schätze habe ich in ihr gefunden, die ich mit Zuversicht verschenken könnte?

Wenn dies mein Tag der Ernte ist, auf welchem Feld habe ich die Saat gesät und in welchen vergessenen Jahreszeiten?

Wenn dies wirklich die Stunde ist, da ich meine Lampe erhebe, dann ist es nicht meine Flamme, die in ihr brennen wird.

Leer und dunkel werde ich meine Lampe heben,

Und der Hüter der Nacht mag sie mit Öl voll gießen, und auch entzünden mag er sie.

Dies sagte er mit Worten. Vieles aber blieb in seinem Herzen ungesagt. Denn sein tieferes Geheimnis war ihm unaussprechlich.

Und als er in die Stadt kam, strömte ihm alles Volk entgegen, und wie mit einer einzigen Stimme riefen sie ihn an.

Und die Stadtältesten traten vor und sagten:

Geh noch nicht von uns.

Ein Mittag bist du in unserer Dämmerung gewesen, und deine Jugend hat uns Träume zum Träumen gegeben.

Kein Fremder bist du unter uns und auch kein Gast, sondern unser Sohn und unser herzlich Geliebter.

Dulde es noch nicht, dass unsere Augen nach deinem Antlitz hungern müssen.

Die Segel

Und die Priester und die Priesterinnen sprachen zu ihm:

Lasse es nicht zu, dass die Wellen der See uns jetzt trennen und dass die Jahre, die du in unserer Mitte verbracht hast, zur bloßen Erinnerung werden.

Du bist als ein Geist unter uns gewandelt, und dein Schatten ist ein Licht für unsere Augen gewesen.

Innig haben wir dich geliebt. Doch sprachlos ist unsere Liebe gewesen und in Schleier gehüllt.

Jetzt aber schreit sie laut auf zu dir und möchte unverschleiert vor dir stehen.

Denn stets ist es so, dass die Liebe ihre eigene Tiefe nicht kennt – bis zur Stunde der Trennung.

Und es traten auch andere vor und flehten ihn an. Doch er gab keine Antwort. Er neigte nur den Kopf; und wer nah bei ihm stand, sah, dass ihm Tränen auf die Brust tropften.

Und er und die Menschen begaben sich zum großen Platz vor dem Tempel.

Und da trat aus dem Heiligtum eine Frau, deren Name al-Mitra war. Und sie war eine Seherin.

Und er blickte sie mit innigster Zärtlichkeit an, denn sie war die Erste, die ihn aufgesucht und an ihn geglaubt hatte, als er gerade einen Tag in ihrer Stadt gewesen war.

Und sie grüßte ihn und sagte:

Prophet Gottes, auf der Suche nach dem Allerhöchsten, lang hast du nach deinem Schiff Ausschau gehalten.

Und jetzt ist dein Schiff angekommen, und du musst uns verlassen.

Tief ist deine Sehnsucht nach dem Land deiner Erinnerungen und dem Wohnort deiner größeren Wünsche; und unsere Liebe vermag dich nicht zu binden noch unsere Not dich zu halten.