Der Rebell kam zurück - G.F. Barner - E-Book

Der Rebell kam zurück E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Chess Carb hört das Knallen, mit dem sich die Kutsche ankündigt. Emmet St. Johns muß sich immer auf diese Art anmelden. »Pünktlich«, sagt Carb dann zwischen den Zähnen. »Ich wußte es doch, er ist auf die Minute pünktlich.« Hinter dem am Boden liegenden Kasten eines räderlosen Wagens duckt sich Carb hinunter und nimmt sein Gewehr herum. Er stellt es neben sich, sieht jetzt auf dem hellen Weg deutlich den schwarzen Fleck der Kutsche und wartet, bis sie nahe genug ist. Seine Befürchtungen, daß der Mann in der Kutsche das Pferd genommen und weggeritten sein könnte, sind umsonst gewesen. Carb hat seine Stellung so gewählt, daß er ohne weiteres den Schlag der Kutsche einsehen kann, die jetzt nach einem letzten Knall von Emmets Peitsche hält. »Eine halbe Stunde«, ruft Emmet heiser vom Bock herunter. »Eine halbe Stunde, dann geht es weiter. Wer Hunger hat und durstig ist – in diesem prächtigen Palast warten Essen und Kaffee. James – James, wo bist du?« Carb blickt auf den anderen Balken vor dem Haus, an dem zwei Pferde stehen. Der Schecke links ist ihm bekannt, das andere Pferd kennt er nicht. Licht fällt im nächsten Augenblick aus der Tür der Station in den Hof, ein Mann erscheint im Lichtrechteck und stemmt die Hände in die Seiten. Dort steht James Martin, der Leiter der Station. Vom Bock klettert der schielende Archer Mintch hinab.

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G.F. Barner Bestseller – 4 –

Der Rebell kam zurück

G.F. Barner

Chess Carb hört das Knallen, mit dem sich die Kutsche ankündigt. Emmet St. Johns muß sich immer auf diese Art anmelden.

»Pünktlich«, sagt Carb dann zwischen den Zähnen. »Ich wußte es doch, er ist auf die Minute pünktlich.«

Hinter dem am Boden liegenden Kasten eines räderlosen Wagens duckt sich Carb hinunter und nimmt sein Gewehr herum. Er stellt es neben sich, sieht jetzt auf dem hellen Weg deutlich den schwarzen Fleck der Kutsche und wartet, bis sie nahe genug ist. Seine Befürchtungen, daß der Mann in der Kutsche das Pferd genommen und weggeritten sein könnte, sind umsonst gewesen. Carb hat seine Stellung so gewählt, daß er ohne weiteres den Schlag der Kutsche einsehen kann, die jetzt nach einem letzten Knall von Emmets Peitsche hält.

»Eine halbe Stunde«, ruft Emmet heiser vom Bock herunter. »Eine halbe Stunde, dann geht es weiter. Wer Hunger hat und durstig ist – in diesem prächtigen Palast warten Essen und Kaffee. James – James, wo bist du?«

Carb blickt auf den anderen Balken vor dem Haus, an dem zwei Pferde stehen.

Der Schecke links ist ihm bekannt, das andere Pferd kennt er nicht. Licht fällt im nächsten Augenblick aus der Tür der Station in den Hof, ein Mann erscheint im Lichtrechteck und stemmt die Hände in die Seiten.

Dort steht James Martin, der Leiter der Station.

Vom Bock klettert der schielende Archer Mintch hinab. Emmet folgt ihm unter Ächzen und Stöhnen, klopft sich den Staub ab und sagt lärmend: »Nur heraus, nur heraus, Leute.«

Das ist der Augenblick, in dem sich Carb noch weiter duckt und sich kurz umsieht. Er kauert genau an der Ecke und wird, muß er flüchten, nicht mehr als ein Schatten sein, der innerhalb von fünf Sekunden auf dem Rücken des Pferdes sitzt und davonjagt, unkenntlich für jeden Mann.

Carbs Hand greift nach rechts, nimmt das Gewehr und drückt einmal mit dem Daumen gegen das Schloß. Er hat die Waffe unterwegs geladen und nimmt sie mit der kühlen Beherrschung eines Mannes, für den ein Schuß aus dem Hinterhalt eine alltägliche Sache ist.

Wenn er zuerst aus dem Wagen kommt, dann stirbt er, ehe er drei Schritte gemacht hat, denkt Carb. Der Mond scheint ihm genau ins Gesicht, und die Beschreibung ist so gut, daß ich ihn unter Tausenden erkennen werde. Komm schon, Bursche!

Der Schlag geht auf, Carb sinkt auf das linke Knie und nimmt das Gewehr hoch. Auf die Entfernung von dreißig Schritt schießt er mit dem Revolver vielleicht vorbei, aber nicht mit dem Gewehr.

Carb starrt auf den Schlag, zuckt dann doch leicht und überrascht zusammen und sagt bestürzt: »Teufel, das Layton-Girl!«

Die Lady steigt heraus und sagt etwas zu Emmet. Gleich darauf spuckt der Schlag den Mann aus, auf den Carb seit drei Tagen wartet.

Es ist eine Sache des Augenblicks, denn der Mann hat seinen Hut nicht auf dem Kopf, dann hat Carb ihn erkannt.

»Er ist es wirklich«, sagt Carb zufrieden und bedauert nur, daß die Lady ungewollt zur Hälfte den Mann verdeckt. »Hat das Layton-Girl denn keine Ahnung, mit wem es da die ganze Zeit in der Kutsche gesessen hat? Das ist doch unmöglich. Sie würde doch mit ihm reden, immerhin muß sie doch etwas von ihm wissen. Sie redet nicht mit ihm… Verstehe ich nicht, verstehe ich nicht. Geh da weg, Girl… Oh, verdammt, der Doc auch noch. Nun, dann kann er gleich…«

Jene zynische und vom alten Carb geerbte Ader bringt Chess Carb zu einem leisen Gekicher.

Dann beendet Carb seinen Satz mit den Worten: »… den Totenschein für den Burschen ausstellen, bequemer geht es nicht. Doc, verschwinde, geh weg, Mensch, du stehst in meiner Richtung!«

Er steht im tiefen Schlagschatten des Daches. Hier blinkt nichts, es ist dunkel genug, um Carb die offene Haltung der Waffe zu ermöglichen. Aber Carbs verteufeltes Pech will es, daß der Doc an die linke Seite jenes Texasmisters tritt und ihn so deckt.

Die ganze Gruppe, die Chess Carb in Gedanken in die Hölle und in den heißesten Kessel wünscht, geht fast geschlossen auf die Tür der Station zu.

Chess sieht mit wildem Grimm und tausend gedachten Verwünschungen zu, wie sie alle in der Tür verschwinden, die hinter ihnen zuklappt.

Nur Archer Mintch kommt noch einmal nach zwei Minuten zurück, schleppt den Bock vor die Pferde und sagt mürrisch: »Ausgerechnet heute muß die Frau vom Stallhelp ihr Kind bekommen. Konnte sie sich keinen anderen Tag aussuchen? Ah, dann bleibt stehen und freßt euch voll, ich kann euch nachher noch umspannen.«

Damit donnert er den Trog auf den Bock, in dem Hafer genug ist, und hastet ins Haus zurück.

»Versorgt der seinen Gaul nicht?« fragt sich Carb leise. »Kein schlechtes Pferd, aber es lahmt. Kommt der Bursche vielleicht heraus?«

Carb wartet drei, vier Minuten, aber es kommt niemand mehr. Aus dem linken, offenen Fenster des Raumes dringt das Stimmengewirr in den Hof. Die meckernde und ansteckende Lache von Old Emmet ertönt, und Carbs Hand stellt das Gewehr mit der Kolbenplatte zu Boden. Einen Moment zaudert Chess noch, dann gleitet er geduckt zurück, rammt das Gewehr wieder in die Halterung am Sattel und dreht sich um.

Nach keinen zwei Minuten taucht Carb an der Stirnwand, die dem Schuppen zugekehrt ist, aus dem Schlagschatten auf und nähert sich dem Seitenfenster. Auf dem Hof ist alles ruhig, nur das Lachen eines Mannes kommt aus dem Vorderhof zu ihm, es schallt aus dem erleuchteten Fenster.

Carb gleitet geräuschlos auf die Ecke zu, bleibt kurz stehen und blickt dann auf die Tür. Er zögert und denkt sich, daß ein Mann, der heraus will, erst durch die Tür rennen muß, also einen weiten Weg zurückzulegen hat. Langsam zieht sich Carb wieder zurück, steht gleich darauf hart neben dem Seitenfenster, aus dem nur schwacher Lichtschein fällt. Die Lampe in der Mitte des Schankraumes der Station hängt zu weit vom Fenster entfernt, um es voll anzuleuchten. Es ist, das weiß Carb nun sicher, der beste Platz, um schnell zu schießen und noch schneller zu verschwinden.

Die linke Hand von Chess Carb öffnet sich weit, die Finger nähern sich dem Kolben des Revolvers und ziehen die Waffe langsam aus dem Halfter. Dann macht Chess drei Schritt nach hinten, richtet sich aus seiner geduckten Stellung auf und sieht knapp über das Fensterbrett hinweg in den Raum hinein.

Er kann die Tresenkante erkennen, die linke Hand von Martin, der ein Glas auf das Tablett stellt, und Archer Mintch, der vom Tresen kommt und zwei Zigarren in der Hand hält. Dann wandert Carbs Blick nach links. In dieser Sekunde weiß Carb, daß er genau richtig steht, denn die Lady, der Doc und jener Mister aus Texas haben sich an den Tisch an der Vorderwand gesetzt.

Carb sieht den Mann genau von vorn. Der Doc wendet ihm den Rücken zu, die Lady sitzt linker Hand, mit dem Rücken zur Vorderwand. Carbs Mann hat die Jacke aufgeknöpft, eine hellgraue Weste mit roten Diagonalstreifen ist zu sehen, über die sich die goldene Kette einer Uhr spannt. Das helle Hemd ist ein weißgelber Fleck, auf den man Kimme und Korn wie auf eine Scheibe richten kann.

»Well«, sagt Carb leicht heiser. »Du sitzt genau richtig, Mann, ich werde dir gleich…«

Weiter kommt er nicht, denn Martin trägt ein Tablett heran, auf dem neben Brot und Rührei eine dickbauchige Blechkanne steht.

Teller, Tassen und Bestecke werden von Martin verteilt, der nun Carbs Mann völlig verdeckt.

Jetzt regt Chess nichts mehr auf. Er weiß seinen Mann sicher und braucht nur zu warten, daß Martin sich entfernt.

Gleich darauf geht Martin wirklich zur Seite und macht die Bahn für Carbs Revolver frei, der langsam hochwandert.

Der Fremde dort hebt die Gabel hoch und stopft sich eine Ladung Schinkenspeck mit Rührei in den Mund. Carb hebt entschlossen den Revolver hoch und richtet sich auf. Er muß stehen, wenn er über das Fensterbrett hinwegfeuern will, und kommt langsam hoch.

Dann streckt sich sein Arm, er hat die Scheibe des Fensters zwischen sich und dem Mann am Tisch, aber der Mann ist keine zehn Schritt entfernt. Für Carb keine Entfernung.

Der Lauf des Revolvers zuckt hoch, Carbs Daumen zieht den Hammer nach hinten, und das leise Klicken des eingerasteten Hammers ertönt. Jetzt senkt sich der langläufige Colt wieder und richtet sich genau auf die Brust und den weißen Hemdfleck des Mannes.

Der Revolver liegt im Ziel.

Und der Mann ißt ruhig.

In diesem Augenblick sagt der alte Emmet St. Johns – er hat den Mund voll Brot und Ei: »He, Texasboy, habe ich nicht gesagt, daß es hier das beste Essen gibt?«

Der Mann aus Texas sieht hoch und auf den Alten, der am nächsten Tisch sitzt.

Dies ist der Moment, in dem der Texaner links an Emmet St. Johns vorbei den Schatten wahrnimmt. Es ist nur der Schatten eines Mannes, der den Hut weit in die Stirn gezogen hat.

Zugleich erkennt der Mann aus dem Einsternstaat auch schon das matte Blinken auf dem Lauf des Revolvers. Er sieht den Mann nicht einmal deutlich, nur die kalten, leblos erscheinenden Augen über dem Revolver zucken jetzt etwas. Das Loch der Revolvermündung und die harten, eiskalten Augen darüber, das ist alles, was der Fremde sieht.

Was dann geschieht, begreift niemand richtig.

Emmet St. Johns grinst noch, als der Fremde wie vom Blitz getroffen nach hinten stürzt, und sein Teller, den er mit der linken Hand hält, einmal hochwippt. All das sieht der alte Emmet noch ganz genau.

In der darauffolgenden Sekunde zerreißt das berstende Klirren der Scheibe an der Stirnwand das dumpfe Gepolter des Tellers. Zugleich brüllt ein Schuß durch den Raum, der allen in den Ohren gellt. Das tosende Echo knallt durch den Raum, der Teller, der noch nicht zur Erde gekommen ist, erhält einen Hieb, der ihn in Fetzen und das Rührei bis auf die Jacke der Lady und den Rock des Doc fliegen läßt.

Der Mann aus Texas aber ist verschwunden, als wenn der Boden ihn verschlungen hat.

Gleich darauf – und Emmet St. Johns nimmt es mit Entsetzen wahr – taucht eine Hand unter dem Tisch auf, in der ein gedrungener Revolver liegt. Emmet erinnert sich plötzlich, daß der Fremde vorgegeben hat, keinen Revolver zu tragen, aber da ist einer.

Und die Waffe spuckt auch schon Feuer.

Noch sind die Scherben des Fensters nicht zu Boden geregnet, als der gedrungen wirkende Revolver kracht und der stechende Schlag des Mündungslichtes neben dem Tisch aufrast.

Der letzte Rest im linken Winkel der Scheibe fliegt unter grellem Getöse nach draußen, die nächste Kugel schlägt durch das offene Fenster, durch das der Wind jäh hereinstreicht und die Lampe an der Decke zum Flackern bringt.

Vom Boden aber kommt so schnell, daß Emmet es nicht fassen kann, der Texaner hoch, macht einen Riesensatz, nimmt einen Anlauf mit drei, vier trippelnden kurzen Schritten und segelt auch schon über den Tresen hinweg. Dann prallt der Mann aus Texas auch schon gegen die Tür hinter dem Tresen, die in die Küche führt.

In der Küche stößt die Frau des Keepers einen gellenden Schreckensruf aus, der Schatten eines Mannes fliegt an ihr vorbei, wirft sich aus der Tür und rollt sich sofort über den Boden. Nach drei Rollen kommt er auch schon hoch, setzt mit zwei langen Sprüngen auf die Ecke des Hauses zu und taucht tief hinab.

Ein blitzschneller Blick um die Ecke, der Mann federt hoch und läuft, den Revolver in der Hand, auf den Schuppen zu. Er rennt in federnden kurzen Sprüngen, die jedem verraten, daß der Mann Erfahrungen genug besitzen muß. Er macht keine Riesensätze, denn aus einem Riesensatz kann man sich nie wie ein Stein zu Boden fallen lassen.

Der Mann setzt über den freien Raum von fünfzehn Schritten mit der Leichtigkeit eines Pumas hinweg, stürmt dann an die Giebelfront des Schuppens und duckt sich hier jäh.

Wildes Schnauben hinter dem Schuppen, dann das kurze, schmerzhafte Wiehern eines Pferdes und ein heiserer Fluch.

Der Mann aus Texas setzt die Beine ein und bremst seinen Lauf kurz vor der Ecke.

Das Trommeln der Hufe kommt auch schon auf, ein Pferd geht in senkrechter Linie vom Schuppen weg, und der Texaner springt an.

Er macht einen kurzen Satz, steht dann an der Ecke und sieht den Reiter schräg vor sich nach links fegen. Der Reiter versucht, in die Büsche zu kommen, ist gut zwanzig Schritt entfernt und sieht sich um.

Chess Carb blickt nach rechts, denn er ist der Meinung, daß ein Verfolger nur aus der Tür kommen kann. Den Bruchteil einer Sekunde vor dem Schuß ist Chess noch sicher gewesen, den Texaner zu treffen, aber dann tauchte der Bursche weg, und Carb hat den Revolver heruntergenommen. Carb ist nicht sicher, ob er getroffen hat, aber er nimmt es an, denn so schnell kann kein Mann wegtauchen.

Carb hat die rechte Ecke vor sich, als er links eine schwache Bewegung erkennt und sofort die linke Hand mit dem Revolver herumreißt.

Da aber weiß Carb auch schon, daß er nicht mehr treffen wird.

Der Mann an der Ecke streckt den Arm lang, er muß das tun, wenn Carb es auch nicht versteht, denn er weiß nicht, daß der Texaner nur einen kurzläufigen Revolver unter dem Rock gehabt hat.

Vor den Augen des Texaners ist das Pferd, der Reiter dreht sich im Sattel herum.

Und da fällt der blaffende, kurz tönende Schuß des gedrungenen Colts.

Die Kugel ist heraus, Carb bekommt einen wilden, rammenden Schlag in die linke Schulter und drückt im ersten, stechenden Schmerz ab.

Es ist für Chess Carb die schlimmste Überraschung seit vielen Jahren. Er sieht deutlich, wenn auch nur im winzigen Augenblick des Schusses, den Mann mit dem Bocksattel unverletzt stehen und feuern.

Dann dröhnt sein eigener Revolver auf, aber die Kugel klatscht keine zwei Schritt an der linken Seite des Pferdes vorbei in den Boden.

Der Schmerz packt Carb und drückt ihn unaufhaltsam nach vorn gegen den Hals seines Pferdes. Er weiß, daß er getroffen worden ist, und die ständige Furcht vor seinem eigenen Blut und dem Schmerz ist da.

Schrill jappend sinkt Chess Carb nach vorn, hält mit dem Rest von Verstand, den seine Furcht schon durcheinanderbringt, den Revolver fest und jagt zwischen die Büsche.

In seine furchtsamen, panischen Gedanken hinein kommt hinter ihm der nächste Krach auf. Die Kugel heult um Handbreite über Carbs Rücken hinweg und streicht jaulend an einem Buschast vorbei. Carb schlagen die Zweige des Busches an den Körper, er sinkt flach auf den Pferdehals und sagt mit nacktem Entsetzen und panischer Furcht in der Stimme: »Er lebt. Ich bin getroffen, ich sterbe, ich sterbe. Wie ist der Kerl nach draußen gekommen, wie? Oh, meine Schulter, das Feuer, das Feuer. Und… Blut!«

Das ist es, was ihn fast in Ohnmacht fallen läßt. Unterhalb des Schmerzherdes wird die Haut seltsam warm. Es rinnt seinen Rücken hinab. Er bekommt die Hand hoch und den Revolver ins Halfter, dann sieht er Funken und Kreise, bringt aber die Kraft auf, nicht ohnmächtig zu werden, und jagt, als wenn ihm tausend Teufel im Nacken säßen, auf den Steilhang zu.

Sein Pferd entwickelt seine volle Schnelligkeit, stürmt den Hang hoch und rast mit ihm nach Süden davon.

Hinter ihm steht der Mann aus Texas immer noch an der Ecke des Stalles, hält den Revolver in der Hand und greift in die Tasche.

Er ersetzt die vier Patronen, klappt den Lauf wieder zu und steckt den Colt mit einem Ruck unter die linke Achsel zurück.

Dann dreht er sich um und sieht den alten Emmet St. Johns aus der Hintertür stürzen, die Waffe in der Hand.

»Ist was passiert?« fragt der Alte keuchend. »He, he, Mister, ist etwas passiert?«

Er kommt näher und starrt dem Mann aus Texas ins Gesicht. Und er weiß, als er dessen gleichmütiges und freundliches Lächeln sieht, daß er immer noch wach ist und keinen Traum gehabt hat.

Der Mann lächelt jetzt, aber sein Gesicht ist stahlhart und fast wild gewesen, als er vom Boden aufsprang und durch den Raum gefegt ist. Emmet St. Johns läßt sich durch dieses Lächeln nicht mehr bluffen.

»Nichts«, erwidert der Texaner schleppend und so ruhig, als wenn er niemals gleich einem Wirbelwind durch das Haus raste. »Ich habe den Mann in die linke Schulter geschossen. Er kommt keine dreißig Meilen weit, denke ich. Und bis Moab sind es doch noch dreiundvierzig, wie? Wenn du eine Laterne holen kannst, Großvater?«

Emmet hört die anderen kommen und wundert sich über sich selbst. Er ist beinahe stolz darauf, schneller als jeder andere Mann gewesen zu sein. Dann aber denkt er über die Worte dieses Texaners nach, der sich angeblich hier nicht auskennt.

Bis Moab sind es dreiundvierzig Meilen, wie?

»Ja«, sagte der alte Emmet, und sein wirrer Bart sträubt sich. »Dreiundvierzig, Mann, das ist richtig. Wa – warum hat er auf dich geschossen? Hast du ihn erkannt?«

Die anderen stürzen heran, die Lady kommt schreckensbleich heraus, und Martin bringt gleich die Laterne mit. Das Windlicht verbreitet einen zuckenden, schwankenden Schein auf dem Boden.

»Ich sah nur seine Augen, eiskalte, vielleicht graue Augen, die nicht zu leben schienen«, erwidert der Texaner sanft. »Das ist alles, was ich von ihm sah. Er ritt ein braunes, großes Pferd.«

»Wer soll dich denn erschießen wollen, wenn du hier niemanden kennst?« fragt der Alte bestürzt und sieht, wie der Texasboy die Laterne nimmt und losgeht. »Mann, niemand schießt ohne Grund auf einen Menschen!«

Sie sehen jetzt, neugierig und gespannt der Laterne und ihrem Träger folgend, daß der Texaner die Zweige des Busches beleuchtet und dann einen Ast abbricht.

»Blut«, sagt er kurz. »Ich bin sicher, er wird seine Not haben, in sein Loch zu kommen. Meinst du wirklich, Emmet, daß er keinen Grund hatte? Nun, er hatte einen sehr guten, glaube ich. Vielleicht ist es besser so, auf die Dauer kann ich es doch nicht verheimlichen. Nun, mein Freund, dieser Schuß hier ändert einige Dinge.«

Er reicht Martin die Laterne zurück und sieht die Lady plötzlich nicht mehr lächelnd, sondern düster an.

»Mein Name ist Ben Gowland, Miß Layton. Der Mann, der gerade versuchte, mich zu erschießen, muß gewußt haben, daß ich komme. Er hat mir dasselbe geben wollen, was mein Bruder Peter bekam. Ich hoffe, er fällt nach zwanzig Meilen aus dem Sattel und stirbt neben seinem Pferd.«

Er lächelt nicht mehr und wirkt auf Lana Layton hart, wie Peter Gowland es niemals gewesen ist. Dieser Mann gleicht seinem Bruder kaum noch.

Und sie erinnert sich, daß Peter einmal sagte, die Gowlands wären immer und zu jeder Zeit eine besondere Sorte Kämpfer gewesen. Damals hat sie es für die Übertreibung eines Mannes gehalten, der selber ein Kämpfer geworden ist und seine Sippe auch als Kämpfer sehen wollte. Irgendwann einmal hat er auch etwas davon gesagt, daß sie zu Hause mit zwei Brüdern wären. Wenn ihm jemals etwas zustieß, dann sollten sie seine persönlichen Dinge an die Southern Texas Catle-Company in Laredo schicken. Das haben sie auch getan. Und jetzt steht der Mann hier, von dem Peter Gowland niemals etwas gesagt, von dem er nie Post bekommen hat in den zweieinhalb Jahren seiner Arbeit mit John Layton.

Peter Gowlands Bruder Ben.

Sie sieht die blaugrauen Augen, die bei dem Laternenlicht dunkel wirken. Diese Augen gleichen denen, mit denen Peter sie oft angesehen hat, aber sie sind härter in dieser Minute.

Das ist ein Gowland. Und sicher wird er irgendeine Erklärung dafür haben, daß er mit seinem Bruder keine Verbindung mehr gehabt hat.