Der Ringeltaubenmantel - Maike Claußnitzer - E-Book

Der Ringeltaubenmantel E-Book

Maike Claußnitzer

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Beschreibung

Ein Kirchendieb wird auf frischer Tat ertappt, schweigt jedoch über seine Motive. Ardeija, der Hauptmann der Hochgerichtswachen, nimmt die Ermittlungen auf. Aber wem kann er dabei trauen, wenn der langjährige Gerichtsschreiber gefährliche Geheimnisse hat, die bescheidene Nachbarin auf einmal einen verdächtig kostbaren Mantel besitzt und selbst auf die ortsansässigen Geister nur bedingt Verlass ist? Ein neues Abenteuer in Aquae Calicis beginnt.

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Inhalt

1. Kapitel: Ein grauer Seidenmantel

2. Kapitel: Kein Unbekannter

3. Kapitel: Elsungs Ende

4. Kapitel: Und Rache für den armen Elsung

5. Kapitel: Fast ein Liebesbrief

6. Kapitel: Kriegsfolgen

7. Kapitel: Ein Helm und ein Karpfenteich

8. Kapitel: Nadelarbeiten

9. Kapitel: Vom Wiedererkennen

10. Kapitel: Ein Schritt zurück

11. Kapitel: Zauberei

12. Kapitel: Fischzüge

13. Kapitel: Neue Verwandte

14. Kapitel: Erzähltes und Verschwiegenes

15. Kapitel: Aus Taubensicht

16. Kapitel: Zwei tote Könige

17. Kapitel: Kein ruhiger Abend

18. Kapitel: Gesucht und gefunden

19. Kapitel: Wer verschont blieb (und warum)

20. Kapitel: Ein gutes und großes Wunder

Lateinische Einsprengsel

1. Kapitel

Ein grauer Seidenmantel

ES LEHNTE SICH gut an Theodulfs Schulter, daran hatte sich nichts geändert. Manchmal wunderte Asri sich darüber, wie schnell sie sich wieder an ihn gewöhnt hatte. Schließlich war sie mehr als ein halbes Leben lang sehr gut ohne ihn ausgekommen und hatte ihn erst seit knapp vier Jahren wieder um sich. Sie hatten einander einiges zu verzeihen gehabt, und auch ganz abgesehen davon stellte sich die Frage, ob es eine weise Entscheidung gewesen war, sich ein zweites Mal auf einen Mann einzulassen, der immer noch nicht gelernt hatte, dass es den Geschmack von Tee verdarb, wenn man ihn zu sehr süßte. Aber in der wohligen Wärme dieses Frühsommernachmittags wollte sie nicht allzu lange darüber nachgrübeln. In der römischen Totenstadt vor dem Südtor von Aquae Calicis war es ruhig und friedlich. Irgendwo sang ein Rotkehlchen, und zwischen den alten Steinen blühten Akeleien.

Zu ihrem Leidwesen verschob sich die bequeme Unterlage unter ihrem Kopf, aber damit war zu rechnen gewesen. Auf langes Stillsitzen verstand Theodulf sich genauso schlecht wie auf Tee, das gehörte ebenfalls zu den Dingen, die seit ihrer Jugend gleich geblieben waren.

»Das war ein Marcus Valerius, nicht wahr?«, fragte er nun und deutete auf den Grabstein gegenüber von dem, an dessen Rückseite sie im Gras saßen.

»Und der Sohn eines anderen Marcus. So weit bin ich auch«, stimmte Asri ihm zu, und sie lächelten einander an, bevor sie sich wieder ihrer schwierigen Lektüre zuwandten.

Sie hatten beide nicht sonderlich früh Lesen gelernt, aber wenn man eine kluge Enkelin hatte, die mittlerweile sogar Latein konnte, wollte man selbstverständlich zumindest ein klein wenig mithalten können, auch wenn es Mühe kostete, die Buchstaben zu Wörtern und die wiederum zu Sätzen und längeren Zusammenhängen aneinanderzureihen. An schlechten Tagen behauptete Theodulf sogar, es sei damit bestimmt wie mit dem Schwertkampf, und wer nicht in seiner Kindheit mit dem Lesen begonnen habe, würde es nie wirklich gut beherrschen.

Doch immerhin gab es einen Ort in Aquae, der einen schier unerschöpflichen Vorrat an Übungsmaterial bot, das allerdings seine Tücken hatte. Die alte Nekropole war voller Inschriften, und an einem Sonntag wie heute hatte man die nötige Muße, ein oder zwei davon zu entziffern und, wenn man Glück hatte, wenigstens die Namen darin zu verstehen. Sie hatten schon im letzten Sommer aus einer Laune heraus damit begonnen und nach einer längeren Pause über das Winterhalbjahr seit dem März damit weitergemacht. Angefangen hatten sie drüben an der Straße, wo die prächtigeren Grabmale standen, und sich später tiefer zwischen die Sarkophage und Gedenksteine vorgearbeitet.

Ihren heutigen Platz im Westteil des Gräberfelds hatten sie vor allem aus dem Grund gewählt, dass er angenehm in der Sonne lag. Marcus Valerius hatte ihre Neugier deshalb geweckt, weil die Nische mit seinem Bild, das über die Inschrift hinwegspähte, noch gut erhalten war. Wenn die gemeißelten Gesichtszüge ihm ähnelten, dann war er ein ernster, aber hübscher Mann gewesen, doch was neben seinem Namen und seiner Abstammung noch über ihn vermerkt war, entzog sich Asris Verständnis. Einige formelhafte Wendungen, die sich wiederholten, hatte sie mittlerweile erkennen gelernt, doch nach allem anderen musste sie Rambert fragen, wenn sich das Mädchen einmal mit hierherschleifen ließ. Aber in ihrem Alter brachte man seine Sonntage lieber mit vergnüglicheren Dingen als Friedhofsbesuchen zu. So blieb es vorerst dabei, dass Marcus Valerius der Sohn des Marcus gewesen war und weiter unten noch irgendetwas von »Secunda« erwähnt wurde, aber ob sich dahinter eine Frau oder etwas anderes verbarg, ließ sich mit Asris bruchstückhaften Kenntnissen nicht einschätzen.

Sie wandte den Kopf wieder zu Theodulf, um festzustellen, ob er besser zurechtkam, und vermutete einen Herzschlag lang tatsächlich, dass er etwas erkannt hatte, das ihr entgangen war. Wenn in seinen klaren blauen Augen dieser Ausdruck stand, hatte er immer etwas entdeckt, ob nun eine Einzelheit in einer Inschrift oder einen Vogel, der gut versteckt irgendwo im Laub sang.

Dass er weder die lateinischen Worte deuten konnte noch das Rotkehlchen aufgespürt hatte, begriff sie erst, als er unverhofft aufstand und in drei Schritten an Marcus Valerius vorbei war, um sich über das hohe Gras zu beugen, das zwischen den Gräbern wucherte.

»Nun sieh dir das an«, sagte er, und als Asri mit Bedauern ihren bequemen Platz aufgegeben hatte und zu ihm hinübergegangen war, musste sie eingestehen, dass das, wovon er eben durch Zufall einen Zipfel erspäht hatte, die Mühe mehr als wert war.

Gleich neben dem Stein lag, eher zusammengeknüllt als ordentlich gefaltet, ein leichter Umhang aus grauer Seide.

Der zugehörige Besitzer war nicht zu sehen, doch wer seinen Mantel nur ablegte, um den schönen Sommertag zu genießen, wäre gewiss nicht derart achtlos mit solch einem teuren Kleidungsstück umgegangen. Asri nahm es sich selbst übel, nicht diejenige gewesen zu sein, die diese Kostbarkeit gefunden hatte. Es war keine Entschuldigung, dass Theodulf rechts von ihr gesessen und damit einen etwas günstigeren Blickwinkel gehabt hatte; sie war schließlich die Seidenstickerin in der Familie und überzeugt, sich mit allem auszukennen, was sich aus Garn herstellen ließ. Ob das allerdings auch auf diesen Umhang zutraf, würde sich noch erweisen müssen, denn bei näherer Betrachtung war einiges daran seltsam.

Asri scheute sich nicht, sich ins Gras zu kauern und den Mantel nach einer kurzen Frist des stummen Musterns aufzuheben. Theodulf würde sie vor drohenden Gefahren schon warnen, und das Fundstück verdiente einen zweiten Blick.

Trotz der groben Behandlung schien es unversehrt zu sein. Es war kein hiesiger Stoff, so viel stand fest, aber – was erst genaueres Hinsehen ergab und noch sonderbarer war – auch keiner aus Asris Heimat in den östlichen Steppen oder den Ländern jenseits davon, womit man bei Seide doch immer rechnen musste. Das eingewebte Muster, das sie an zarte Vogelfedern erinnerte, war ihr unvertraut und musste entsetzlich aufwendig in der Herstellung sein; sie wusste nicht, ob sie sich zugetraut hätte, es nachzuarbeiten. Zu empfindlich, um von einer gewöhnlichen Fibel oder Nadel gehalten zu werden, hatte der Mantel eine ebenso unauffällige wie zierliche Silberschließe am Kragen, doch dieser selbst war eigenartig gewölbt, als wäre er mit etwas ausgestopft, fast wie ein Daunenkissen.

Dem Mangel an Abnutzungsspuren nach zu urteilen, war der Umhang noch sehr neu, vielleicht gar ungetragen, aber wenn dem so war, musste die Mode, der er entsprach, Aquae Calicis oder vielmehr ganz Austrasien wohl erst noch erreichen.

»Das ist ein wunderliches Ding«, murmelte Asri und fand keine Beachtung, weil Theodulf ihr fast gleichzeitig mitteilte, da sei jemand auf dem Weg zu ihnen.

Gleich darauf hörte auch sie die nicht um große Heimlichkeit bemühten Schritte und kurz danach gedämpfte Stimmen, die einer Frau und die eines Kindes.

Sie richtete sich, den Mantel immer noch in den Händen, gerade zur rechten Zeit auf, um aus Richtung der Straße eine ihrer Nachbarinnen – Faustina, die Kerzenzieherin – und deren kleinen Sohn zwischen den Grabsteinen hervorkommen zu sehen.

Das war noch ein gutes Stück eigenartiger als der Mantelfund, denn in der römischen Totenstadt waren außer Grabräubern und heimlichen Liebenden zumeist nur harmlose Verrückte wie Theodulf und sie zu finden, die es auf die Inschriften abgesehen hatten, aber keine ehrbaren Handwerker auf Sonntagsspaziergang.

Faustina schien zu stutzen, als sie erkannte, wen sie vor sich hatte, und der sechs- oder siebenjährige Junge an ihrer Hand sah misstrauisch drein. Dann aber setzte die Kerzenzieherin ein etwas zu fröhliches Lächeln auf, beschleunigte ihre Schritte und zog ihren widerstrebenden Sohn geradewegs auf Asri und Theodulf zu.

»Wie schön, Ihr habt meinen Mantel gefunden, Frau Asri!«, rief sie anstelle einer Begrüßung. »Ich habe ihn vorhin versehentlich hier liegen lassen.« Damit hatte sie schon die Hand ausgestreckt und nach dem unbezahlbaren Umhang gegriffen.

Asri ließ ihn los, wenn auch nur aus Achtung vor der Kunstfertigkeit, die in die Herstellung des Stoffs geflossen war, den man wahrlich nicht zum Tauziehen missbrauchen durfte. Den so munter vorgetragenen Besitzanspruch hielt sie nicht unbedingt für gerechtfertigt. »Das ist also Eurer?«

Faustina nickte mit Nachdruck. »Danke, dass Ihr ihn aufgehoben habt. Nicht auszudenken, wie leicht er hier hätte verschwinden oder zu Schaden kommen können! Entschuldigt, wenn ich mich nun gleich wieder verabschiede. Ich bin sehr in Eile; wenn der Mantel nicht gewesen wäre, dann wäre ich nicht noch einmal umgekehrt. – Komm, Hildebrand, wir können uns nicht lange aufhalten.«

Sie nickte zum Abschied, wandte sich dann um und machte sich, den Umhang über dem Arm, so schnell davon, wie ihre kurzen, rundlichen Beine sie trugen. Klein-Hildebrand, der die Statur und das unscheinbare Gesicht seiner Mutter geerbt hatte, musste fast laufen, um mit ihr Schritt zu halten.

»Da hat eine aber rasch die günstige Gelegenheit ergriffen«, bemerkte Theodulf missvergnügt, ohne sich darum zu scheren, ob Faustina schon ganz außer Hörweite war. »Warum hast du ihn ihr gegeben?«

»Weil ich auch kein besseres Anrecht als sie auf den Mantel habe und sie zudem nicht nur dreist die Gunst der Stunde genutzt hat«, gab Asri zurück und sah weiter unverwandt dem wippenden mausbraunen Zopf ihrer Nachbarin nach, bis diese auf einen breiteren Weg durch das Gräberfeld abbog und hinter der Ruine eines kleinen Mausoleums verschwand. »Ist dir nicht aufgefallen, wie zielstrebig sie hermarschiert ist? Sie wusste, dass der Mantel oder doch irgendetwas hier zu finden war.«

Theodulf schwieg kurz. »Du meinst also, es ist wirklich ihrer?«, fragte er dann mit dem Argwohn eines alten Kriegers, der in seinem Leben genug Verteilungskämpfe um Beute beobachtet oder auch selbst ausgefochten hatte, um zu wittern, wenn jemand sich etwas aneignete, das ihm nicht zustand.

Asri schüttelte den Kopf. »Das habe ich nicht gesagt. Leisten kann sie sich so einen Mantel ganz gewiss nicht, jedenfalls nicht aus dem, was die kleine Kerzenzieherei ihr einbringt.«

Da von den bescheidenen Erträgen, die sich damit erwirtschaften ließen, neben Faustina auch noch ihr Mann, ihre alten Eltern und drei kleine Kinder satt werden mussten, blieb für solch eine Eitelkeit gewiss nicht genug übrig, ganz zu schweigen davon, wie anmaßend es gewesen wäre, sich in einem Mantel aus derart erlesener Seide zu zeigen. Etwas Vergleichbares trug nicht einmal die Vögtin, die Aquae Calicis in königlichem Auftrag verwaltete, und die sparte an ihren Kleidern ganz sicher nicht.

Stumm ging Asri im Geiste allen Tratsch über reiche Erbschaften, geschäftliches Glück und wohlhabende Verwandte durch, der im Viertel in letzter Zeit die Runde gemacht hatte, doch in dem, was ihr im Gedächtnis geblieben war, fand sich nichts, was hätte erklären können, wie Faustina zu solch einem außergewöhnlichen Umhang gekommen war. Um ein sorgsam in der Familie weitergereichtes Stück konnte es sich ohnehin nicht handeln; dazu wirkte der Stoff zu neu und ungebraucht.

»Ihr Mann hat nicht immer Kerzen gemacht, sondern irgendwann einmal Waffen geführt«, bemerkte Theodulf, denn auch das gehörte zu den Dingen, die ein ehemaliger Schwertmeister wahrnahm, ohne sich lange über jemanden umhören zu müssen. »Könnte er den Umhang aus dem Krieg angeschleppt haben, als Geschenk für sie vielleicht, und sie spaziert nun heimlich an einsamen Orten damit herum, weil sie ihn sonst ja nicht anziehen kann, ohne schief angesehen zu werden?«

Die Vorstellung war nicht ohne Reiz, aber Asri winkte ab. »Bei dem Wetter?« Sie waren beide mantellos in die Nekropole gekommen, aber die Wärme war nicht einmal der gewichtigste Gegengrund, der Asri einfiel. »Überdies hat ihr Mann zumindest im Bürgerkrieg rein gar nichts erbeutet. Wenn der auf der Gewinnerseite gestanden hat, dann hat er es sehr gut verheimlicht, glaub mir. Ich hatte damals ohnehin den Eindruck, dass sie ihn eher aus Mitleid geheiratet hat, als weil er ihr viel zu bieten gehabt hätte. Irgendwann nach Kriegsende kam sie von einem Verwandtenbesuch zurück und hatte einen halbverhungerten Kerl dabei, den sie beim nächsten Kirchgang stolz als ihren Mann herumgezeigt hat. Seitdem ist er hier, und als die beiden zusammen in Aquae eingetroffen sind, hatte er ein Schwert, das ist wahr, aber das habe ich nie wieder gesehen, und wie einer, der Schätze mitbringt, hat er nicht gewirkt.«

»Und so einen kann man dann wohl nur aus Mitleid nehmen, ich verstehe«, sagte Theodulf, aufs Beste von der Frage nach dem Mantel abgelenkt, und dachte vermutlich an seine eigene weniger als glorreiche Ankunft in Aquae.

Asri bereute im Stillen, so unbedacht dahergeredet zu haben, aber eine Entschuldigung hätte den alten Kummer auch nicht verscheucht, und so sagte sie nur: »Wenn du mich dazu bringen willst, deine Vorzüge aufzuzählen, stell es etwas geschickter an.«

Theodulf verzichtete darauf, sie eine fürchterliche Frau zu nennen, und beschränkte sich auf einen langen Blick.

Asris schlechtes Gewissen wuchs, und sie nahm sich vor, ihm nachher ungefragt einen zweiten Löffel Honig in den Tee zu rühren. Das Getränk selbst dergestalt zu verderben, fiel ihm noch immer schwer, da seine Hände, die sein einstiger Dienstherr ihm im Zorn über einen vermeintlichen Verrat gebrochen hatte, mehr schlecht als recht wieder geheilt waren und sich manchen Bewegungen dauerhaft verweigern würden.

»Nun sieh mich nicht so an«, sagte sie, nachdem sie ausdauernd darauf gewartet hatte, dass es ihm langweilig werden würde, sie strafend zu mustern. »Du weißt ganz genau, dass ich nicht von dir gesprochen habe.«

Das war im Übrigen die reine Wahrheit; Theodulf war nicht einmal in Ansätzen mit Faustinas Alebrand zu vergleichen. Das Einzige, was sie miteinander gemein hatten, war wirklich, dass sie als ehemalige Krieger mehr oder minder mittellos in die Stadt gekommen waren. Aber den trübsinnigen Burschen aus der Kerzenzieherei hätte Asri auch dann kein zweites Mal angesehen, wenn er nicht mindestens zwanzig Jahre zu jung für sie gewesen wäre. Er wirkte nicht wie einer, mit dem man sich gut streiten und ebenso gut wieder versöhnen konnte, ja noch nicht einmal so, als ob er auf sanftmütige Art viel im Kopf hätte. Mit ihm konnte man gewiss nicht in der Nekropole umherstreifen, um sich mit den Wundern und Schrecken alter Inschriften zu befassen.

Damit war es für heute allerdings auch für sie vorbei, denn Theodulf fragte: »Sollen wir nach Hause gehen? Ich fürchte, mir fehlt die Geduld, Marcus Valerius noch weiter anzustarren.«

Asri nickte. »Gehen wir. Er wird ja nicht weglaufen, bis wir wiederkommen.«

Dass Theodulf ihr den Arm bot, als sie sich auf den Rückweg in die Stadt machten, wertete sie als Zeichen, dass der Frieden zwischen ihnen wiederhergestellt war, und so erkundigte sie sich noch zwischen den Gräbern: »Aber dazu, ein wenig die Ohren zu spitzen, ob sie drüben in der Kerzenzieherei etwas Hörenswertes reden, reicht deine Geduld noch aus, nicht wahr? Denn was es mit diesem Mantel auf sich hat, möchte ich früher oder später schon wissen.«

»Da wird es nicht viel zu belauschen geben«, vermutete Theodulf. »Wenn Faustina nicht sehr töricht ist, wird sie vorsichtig sein und das Ding erst einmal nur stillschweigend in einer Truhe verschwinden lassen. Denn wenn man sich Leuten gegenüber seltsam verhält, die gewissermaßen mit dem Hochgericht unter einem Dach wohnen, sollte man mit Nachforschungen rechnen.«

Es belustigte Asri, ihren gemeinsamen Sohn, der nur die Wachen der zuständigen Richterin befehligte, dergestalt zur Verkörperung des ganzen Hochgerichts erklärt zu finden, aber sie schüttelte dennoch den Kopf. »Wie gut wir mit dem Hochgericht auskommen, kann ihr in diesem Fall eigentlich gleich sein. Wir können sie wohl kaum wegen des Mantels verklagen.«

Doch Theodulf blieb bei seiner Ansicht. »Das ändert nichts daran, dass sie im Praetorium allesamt neugierig wie die Ziegen sind, Ardeija nicht ausgenommen. Die könnten ihre Nase auch ohne förmliche Befugnis in solch eine Sache stecken, wenn sie nur verdächtig genug klingt.«

»Das weißt du, aber weiß es auch Faustina?«, gab Asri zurück, und der Austausch über Für und Wider beider Sichtweisen beschäftigte sie sehr gut bis ans Südtor und dann weiter auf ihrem Weg durch die Stadt.

Das Hochgericht war noch nicht zu Hause, als sie dort eintrafen, seine Tochter ebenso wenig; die Tür des Wohngebäudes war verschlossen, und auch die Werkstatt jenseits des kleinen Hofs lag still da. Zur Linken, auf dem Grundstück der Kerzenzieherei, rührte sich auch nichts. Wenn Faustina und ihr Junge schon heimgekehrt waren, hielten sie es für besser, sich nicht einmal im Garten blicken zu lassen und auch kein Fenster zu öffnen.

»Sieh nicht so auffällig hin.« Theodulf war anzuhören, dass er in den Zeiten, als er noch Fürst Asgrims Schwertmeister auf dem Brandhorst gewesen war, weit fähigere Spione zur Verfügung gehabt hatte. »Auf die Art finden wir nicht das Geringste heraus.«

»Was wollen wir denn herausfinden?«, fragte eine vertraute Stimme hinter ihnen.

Ramberts helles Haar war noch nass und ihre Tunika saß schief. So vergnügt, wie sie aussah, hatte sie das Schwimmen im Fluss genossen, zu dem sie vorhin aufgebrochen war, doch rätselhafterweise war sie allein.

»Ist dein Vater abhandengekommen?«, fragte Theodulf, während Asri noch einmal zur Kerzenzieherei hinüberspähte und bis auf ein paar Spatzen in den Büschen neben der Haustür nach wie vor nichts Lebendiges entdeckte.

Rambert seufzte. »Den haben sie in dienstlichen Angelegenheiten weggeholt – irgendein Dieb in der Bischofskirche, und das am Sonntag! Aber wir wollten ohnehin schon zurückgehen, da war es nicht so schlimm, dass er keine Zeit mehr hatte. Was suchen wir denn nun?«

Sie reckte den Hals, was sie gar nicht nötig gehabt hätte, da sie Asri mittlerweile um eine Handbreit überragte.

»Das erklären wir dir gleich«, versprach Asri, schloss die Tür auf und scheuchte alle ins Haus, bevor jemand darauf aufmerksam werden konnte, dass sie der Kerzenzieherei etwas mehr Beachtung schenkten, als sie unter gewöhnlichen Umständen verdient hatte.

»Da bin ich gespannt«, sagte Rambert lachend, als sie an Asri vorbei den bunten Raum betrat, unter dessen Decke kleine geschnitzte Dämonen hingen, um ihre echten Vorbilder fernzuhalten. »Übrigens kommt nachher noch Emma vorbei und bringt Erdbeeren. Ich habe sie eben auf dem Rückweg vom Fluss getroffen, und sie sagt, in ihrem Garten sind es dieses Jahr so viele, dass wir gut welche abhaben können.«

Das waren erfreuliche Neuigkeiten, denn wenn sich etwas hartnäckig gegen Asris Bemühungen sperrte, die Behauptungen übelwollender Bekannter zu widerlegen, aus einer gebürtigen Nomadin könne nun einmal keine gute Gärtnerin werden, dann die Walderdbeerpflänzchen, die unweit ihrer Obstbäume eher dahinsiechten als gediehen.

»Das ist freundlich von ihr«, sagte Asri und ertappte sich dabei, es seltsam zu finden, das gesondert hervorzuheben. Ganz allgemein gab es an Emma, der ältesten Tochter des Marktaufsehers, kaum etwas, das nicht freundlich war. Allerdings hätte Asri sie vermutlich auch dann gemocht, wenn sie auf dem besten Wege gewesen wäre, zu einer ausgemachten Schurkin heranzuwachsen, denn sie hatte sich mit Rambert angefreundet, die zum selben Lehrer wie sie ging. Irgendwie waren sie in Magister Paulinus’ Haus drüben an der Ostmauer miteinander ins Gespräch gekommen, und es war gut, dass Rambert endlich jemanden in ihrem Alter hatte, mit dem sie sich treffen, über den Markt streifen und Unsinn reden konnte.

Mit den beiden Lehrmädchen, die Asri in der Werkstatt gehabt hatte, als Rambert bei ihr eingezogen war, hatte sich nie eine engere Freundschaft ergeben. Mittlerweile hatte sich die ältere der beiden jungen Frauen ohnehin mit großen Träumen im Kopf nach Padiacum aufgemacht, und die zweite war nicht nur zu Asris Gehilfin aufgestiegen, sondern hatte als neuen Lehrling auch noch ihren kleinen Bruder empfohlen. Die Geschwister hielten nun naturgemäß eng zusammen, und für eine Dritte schien kein Platz zu sein.

Dagegen kam Rambert mit Wulfin, dem Sohn von Ardeijas bestem Freund, blendend aus, doch die beiden waren über vier Jahre auseinander und noch in einem Alter, in dem solch ein Unterschied bedeutend war.

Die jungen Leute in der unmittelbaren Nachbarschaft hatten bislang auch keinen Ausweg aus der Einsamkeit geboten, zum Teil sicher, weil über Asris Familie nicht nur Lobendes geredet wurde, daneben aber auch, weil Rambert sich in ihren Erfahrungen, Kenntnissen und Vorlieben zu sehr von den Kindern der hiesigen biederen Handwerker und kleinen Händler abhob, um leicht Anschluss zu finden. Ein wenig mochte sie auch selbst zu ihrer mangelnden Beliebtheit beigetragen haben, als sie im letzten Winter den Sohn des Leinewebers, der drei Häuser näher zum Markt hin wohnte, mit einem einzigen Schlag von den Füßen geholt hatte. Das Erlebnis hatte der Junge sich allerdings selbst zuzuschreiben. Wenn man einer angehenden Kriegerin und Gelehrten sagte, ihre Großeltern seien unanständige Leute, weil sie unverheiratet unter einem Dach lebten, musste man schließlich damit rechnen, dass sie nicht nur zuhauen, sondern einem hinterher auch in aller Liebenswürdigkeit sagen würde, manche Beleidigungen seien so gut wie eine Kampfforderung und damit Anlass genug für jede Tätlichkeit, das habe sie selbst schon in den Leges et constitutiones gelesen.

An dem Abend hatten Ardeija und Theodulf Rambert stolz auf die Schulter geklopft und sich dann gegenseitig in aller Form dazu beglückwünscht, eine sehr ordentliche Kämpferin aus ihr gemacht zu haben.

Doch auch jemand, der sich gegen solche Anwürfe durchzusetzen wusste, brauchte Menschen, mit denen er einen freundlicheren Umgang pflegen konnte, und so war Emma ein Segen, gerade auch in Asris Augen, da sie sich nur zu gut erinnerte, wie es war, zu jung aus seiner gewohnten Umgebung gerissen und in eine neue verpflanzt zu werden, in der man schlicht zu anders war, um sich mühelos einzufügen.

»Erdbeeren sind gut«, riss Theodulfs an Rambert gerichtete Bemerkung sie aus ihren Gedanken, »aber wir hätten beinahe einen Seidenmantel bekommen, wenn deine Großmutter ihn nicht leichtfertig wieder hergegeben hätte.«

»Was hätte ich denn tun sollen?«, gab Asri gekränkt zurück und öffnete die Tür zum Hof, weil der Tag zu schön war, um ihn im Halbdunkel zwischen engen Wänden zu verbringen. Rambert bestand darauf, sie nicht wieder zu schließen, um auch ja das Klopfen zu hören, wenn die versprochenen Erdbeeren auftauchten, und ließ sich auch nicht von dem Einwand aufhalten, für alle Mücken, die den Weg ins Haus fänden, trage dann aber sie allein die Verantwortung. Während sie das Handtuch, das sie mit hinunter ans Wasser genommen hatte, zum Trocknen am Holzschuppen aufhängte, ließ sie sich von dem Mantelfund in der Römernekropole erzählen und wusste am Ende nach ungläubigem Schweigen auch nicht mehr dazu zu sagen, als dass sie der so friedlich wirkenden Nachbarin weder einen unverfrorenen Diebstahl noch den Besitz eines so teuren Kleidungsstücks zugetraut hätte.

»Aber vielleicht hätte es mich misstrauisch machen sollen, dass Faustina schon einmal einen Taubengeist auf der Schulter hatte«, setzte sie am Ende hinzu und strich eine letzte Falte aus dem Handtuch. »Leuten mit Vogelgeistern ist alles zuzutrauen, sagt mein Vater.«

»Erzählt er nicht auch immer, dass die Richterin einen Rabengeist hat?«, fragte Asri mit leisem Spott.

Rambert schien nichts Erheiterndes daran zu finden. »Deshalb sagt er es ja.«

Darüber musste Asri nachdenken, und so ging sie Tee kochen. Ein wenig später saßen sie dann alle einträchtig schweigend auf der Bank unter dem Werkstattvordach, betrachteten die Kräutertöpfe drüben an der Hauswand und spitzten heimlich die Ohren. Aber von jenseits des Holzschuppens war nichts zu hören, schon gar kein aufschlussreiches Gespräch über einen grauen Seidenmantel.

»Wenn ich mich auf dem Schuppendach auf die Lauer legen würde, könnte ich vielleicht sehen, wer drüben kommt und geht«, schlug Rambert, die es sich in der Mitte bequem gemacht hatte, irgendwann über ihre Teeschale hinweg vor.

»Den Teufel wirst du tun«, sagte Theodulf. »Wir müssen es geschickter anfangen.«

Rambert hätte wohl widersprochen, doch ein Geräusch an der vorderen Haustür ließ sie alle aufschauen. Gleich darauf kam ein kleiner Drache über den Hof gehuscht, sprang auf die Bank und ging mit Feuereifer daran, alle zu begrüßen. Erst als Gjuki schon behaglich zusammengerollt, den grüngeschuppten Schwanz über die Schnauze gelegt, zwischen Asri und Rambert zur Ruhe gekommen war, folgte ihm ein verdrossener Ardeija, der nur verkündete, seinen Sonntag habe er sich anders vorgestellt, und dann erst einmal gar nichts mehr sagte, sondern nur die Teeschale hob, die Rambert ihm eilig gefüllt hatte.

»Aber deinen Kirchendieb hast du einfangen können, ja?«, erkundigte sich Asri, als feststand, dass ihr Sohn finster vor sich hinzubrüten gedachte.

Ardeija sah sie an, und unter all seinem Unmut versteckte sich tiefe Erschöpfung. »Mir wäre es fast lieber, er wäre entkommen. Aber wir hatten ihn schnell, gar nicht weit von der Bischofskirche entfernt. Nicht, dass er sich brav hätte festnehmen lassen … Das hat Arbeit gekostet. Guter Fechter.« Nun lag etwas wie widerwillige Anerkennung in seiner Stimme.

»Nicht gut genug für dich.« Rambert lächelte ihn mit sichtlichem Stolz an.

Endlich leuchteten Ardeijas Augen kurz, und er machte sich nicht erst die Mühe, zu bejahen. »Jedenfalls haben wir den Kerl, aber das nützt uns wenig. Ich verstehe weder sein Verbrechen noch ihn. Wenn einer schon an einem Sonntag in die Bischofskirche geht, um etwas von dort mitzunehmen, sollte es doch mehr sein als ein alter Helm, und wenn er sich danach auch noch fangen lässt, könnte er zumindest so freundlich sein, seinen Namen zu nennen, und sei es einen falschen. Aber der Kerl hat uns nur angelacht und gefragt: ›Warum sollte ich es Euch einfach machen?‹ Und so ging es weiter.« Er schüt telte den Kopf. »Ich hätte mir ja denken können, dass so etwas uns ausgerechnet dann blüht, wenn Herrad auf Reisen ist. Sie hätte ihn vielleicht zum Reden bekommen, aber nun ist sie ja nicht da, und sie wird sich schön bedanken, wenn Oshelm und ich ihr bei ihrer Rückkehr einen Fall vorlegen, der nach einem schlechten Scherz klingt.«

»Bis sie zurückkehrt, ist doch noch Zeit«, sagte Asri begütigend, da er ernsthaft verstimmt zu sein schien. In der Tat hatte er selbst gesagt, dass er die Richterin frühestens nach Ablauf von zwei Wochen zurückerwarte, als sie am Freitag mit ihrer gesamten Familie und einigen ihrer Krieger aufgebrochen war, um in die Seemark zu reiten, weil sie zur Hochzeit eines Verwandten gebeten worden war. Da sie sich mit diesen Leuten über ihre eigene Heirat mit einem ehemaligen Dieb zerstritten hatte, konnte die Einladung wohl als Versöhnungsangebot gelten. Aber bis Balaenae hinauf war man nun einmal ein paar Tage unterwegs, und wenn dann auch noch ausführlich gefeiert und geredet werden sollte, würde sich die Sache entsprechend hinziehen. Bis zum nächsten Gerichtstag würde Herrad zwar wieder in der Stadt sein, aber bis dahin waren Ardeija und ihr erster Schreiber Oshelm auf sich allein gestellt, was Vorfälle wie den heutigen Kirchendiebstahl betraf.

»Und er hat einen Helm gestohlen?«, fragte Rambert. »War das eine Reliquie?«

Ardeija winkte ab. »Nichts so Bedeutendes. Nur ein ganz gewöhnlicher Helm, den irgendjemand nach dem Bürgerkrieg als Votivgabe dagelassen hat, zum Dank für heil überstandene Kämpfe. Wer genau ihn gestiftet hat, ließ sich auf die Schnelle nicht ermitteln, aber ich habe einen freundlichen jungen Diakon zu fassen bekommen, der versprochen hat, es herauszufinden. Denn auch dazu, warum er gerade diesen Helm genommen hat, will der Bursche natürlich nichts sagen. So dreist, wie er dahergeredet hat, war ich fast überzeugt, ich würde es ein erstes Mal zu sehen bekommen, wie Oshelm einen Gefangenen ohrfeigt. Er hat sich aber bezwungen. Ich mich übrigens auch, für den Augenblick zumindest.«

Er sah so düster drein, dass Asri sich fragte, ob der ertappte Kir chendieb nicht nur allgemein frech aufgetreten war, sondern auch zielsicher herausgefunden hatte, mit welcher Art von Bemerkung man Ardeija treffen konnte. Falls es Spott über das leichte Hinken gewesen war, das ihr Sohn einem im Krieg jämmerlich verletzten Knöchel zu verdanken hatte, der nie ganz wieder geheilt war, dann würde sie selbst hingehen und dem Mann die bisher noch aufgeschobene Ohrfeige verabreichen, das nahm sie sich vor.

»Nun verdirb dir nicht damit den Tag«, riet Theodulf über Rambert, Gjuki und sie hinweg, als Ardeija auch weiter übellaunig vor sich hinstarrte. »Ihr habt ihn schließlich, und wenn er es euch schwer machen will, schadet er sich selbst damit am Ende mehr als euch.«

Ardeija zuckte die Schultern, als stünde das noch nicht so ganz fest. »Schwer machen wird er es mir«, bestätigte er. »Als ich eben gegangen bin, haben schon meine eigenen Krieger über mich geredet – oder vielmehr über das, was er über mich gesagt hat.«

»Wenn er schon versucht, deine Leute gegen dich auszuspielen, musst du wirklich vorsichtig sein«, sagte Theodulf, vielleicht aus leidvoller Erfahrung.

»Das hat er noch nicht einmal getan.« Ardeija ging zunächst nicht in die Einzelheiten, sondern führte lieber wieder die Teeschale an die Lippen. Erst nachdem er einen großen Schluck getrunken hatte, setzte er hinzu: »Aber als ich ihm irgendwann sagte, er täte sich selbst keinen Gefallen, wenn er statt vernünftiger Auskünfte nur freche Bemerkungen für uns hätte, erwiderte er mir: ›Seid Ihr nicht dieser Barsakhane, den sie in Sala nach dem Krieg nicht behalten wollten? Dann seid Ihr ja der Rechte, um mir zu sagen, wie man sich Menschen gewogen hält. Passt nur auf, dass es Euch hier nicht irgendwann genauso ergeht wie damals dort.‹ Das war nun noch nicht das Schlimmste, und ich erwiderte ihm nur, um mich gehe es hier nicht.« Er hielt inne, um Atem zu holen, und sein Blick blieb kurz auf Rambert ruhen, als hätte er das, was er noch zu sagen hatte, lieber in ihrer Abwesenheit besprochen. Aber er war immer tapfer gewesen und war es auch jetzt. »Meine Antwort brachte ihn zum Lachen, und er meinte, Gedanken machen solle ich mir darüber aber durchaus. ›Denn es weiß doch jeder, dass Ihr ein mutterloses Kind entführt habt und für Eures ausgebt, darüber hat vor ein paar Jahren die ganze Stadt geredet‹, das hat er mir ins Gesicht gesagt. ›Wartet nur ab, ob nicht irgendwann der wahre Vater auftaucht und es zurückfordert. Wenn das geschieht, könnt Ihr nicht weiter Dienst für das Hochgericht tun.‹ Da wusste ich nicht mehr, was ich sagen sollte, nicht weil ich glaubte, dass Herrad mich dann hinauswerfen würde, aber weil ich nicht weiß, was ich täte, wenn es je so weit käme. Und als ich dann nachher ging, haben die Wachen vorn in der Vorhalle miteinander geflüstert, dass es ja seinerzeit wirklich sehr seltsam mit Rambert gewesen sei und überhaupt …«

Er stützte den Kopf in die Hand und hatte noch nicht einmal Gjuki und seine tröstliche Wärme in Reichweite, weil der kleine Drache inzwischen selig schlief.

Asri kam zu dem Schluss, dass der namenlose Dieb keine Ohrfeige, sondern ein Messer ins Gedärm verdient hatte, und bedauerte sehr, dass er derzeit vermutlich wohlverwahrt unter dem Praetorium saß und daher ihrem Zugriff entzogen war.

Dann brach Rambert das lastende Schweigen und fragte: »Dir ist aber klar, dass das in Wirklichkeit niemals geschehen wird? Es kann gar keiner kommen und sagen, dass ich eher zu ihm als zu dir gehöre. Der Mann ist längst tot.«

Kurz verharrte die Welt in ihrem Lauf, denn dass Ramberts leiblicher Vater ein Unbekannter war, hatte für alle drei Erwachsenen in diesem Haus stets festgestanden. Dass ausgerechnet das Mädchen selbst ihnen schon immer hätte sagen können, dass es sich anders verhielt, kam unerwartet und verschlug ihnen gründlich die Sprache.

»Soll das heißen, du weißt, wer dein Vater ist?«, fragte Ardeija am Ende ungläubig.

»Natürlich; das bist du«, beschied ihn Rambert in schönster Selbstverständlichkeit. »Aber das meinst du nicht. Du willst hören, ob ich weiß, mit wem meine Mutter damals beisammen war – und, ja, das weiß ich auch. Das war einer von Asgrims Kriegern, ein junger Mann, der Elsung hieß. Aber der ist aus dem Bürgerkrieg nicht zu rückgekehrt, und vorher wollte er nie etwas mit mir zu tun haben. Ich habe gar keine Erinnerung an ihn, und meine Mutter hat nur gesagt, dass er hübsch war, aber kein so gutes Herz hatte, wie sie erst dachte. Jedenfalls hat er sich nie um mich gekümmert, also war er kein richtiger Vater, und wie gesagt, tot ist er außerdem.« Ein vernehmliches Klopfen unterbrach ihren Redefluss. »Ah! Das muss Emma sein. Habe ich dir schon gesagt, dass sie uns Erdbeeren bringt?«

Damit war sie auf und davon, gefolgt von Gjuki, den entweder das entscheidende Wort an dem, was sie gesagt hatte, oder ein für Menschennasen aus dieser Entfernung noch zu schwacher Geruch geweckt hatte. Wo es etwas zu essen gab, wollte er jedenfalls nicht fehlen.

Gleich darauf lachte und plauderte Rambert vorn an der Tür so unbeschwert mit Emma, als wäre das, was sie Ardeija eben mitgeteilt hatte, nicht weiter von Bedeutung.

Ardeija sah das erkennbar anders, und die Art, wie er lächelte, rührte Asri. Sie hätte noch eine Weile damit zubringen können, ihn so zu betrachten, aber Theodulf verdarb den Augenblick.

»Ausgerechnet Elsung«, murmelte er an seinem Ende der Bank, und in seiner Stimme schwang neben Verachtung für den leichtfertigen Krieger noch ein Unterton mit, den Asri herauszuhören gelernt hatte; etwas an der Sache traf ihn selbst, und das tief.

»Du hast das auch nicht gewusst, nicht wahr?«, erkundigte sich Ardeija.

»Das war auch das Beste so«, sagte Theodulf und schloss zu lange die Augen, als dass es ein bloßes Blinzeln hätte sein können. Irgendwo hinter dem Flechtzaun flog schimpfend eine Amsel auf.

»Mach ihr ja nicht zum Vorwurf, wer sie gezeugt hat«, riet Asri ihm mit Nachdruck. »Dafür kann sie nichts, auch wenn du den Kerl noch so wenig leiden konntest.«

Theodulf sah sie an, und als er sprach, begriff sie, dass der Kummer in seinem Blick nicht allein der Tatsache geschuldet war, dass sie ihm kurz zugetraut hatte, so ungerecht zu Rambert zu sein. »Vorwürfe mache ich allein mir, und vielleicht wird Rambert sie mir irgendwann ebenfalls machen. Sie mag ja wissen, dass Elsung nicht aus dem Krieg zurückgekehrt ist, aber ich denke, sie weiß nicht, warum. Ich habe ihn getötet.«

Von den beiden Mädchen an der Tür drang neuerliches Gelächter herüber.

Ardeija schnaufte abfällig. »Rede dir jetzt ja nichts ein, nur weil du diesen Elsung damals auf einen gefährlichen Posten gestellt hast oder dergleichen.«

Theodulf lachte ohne jede Freude. »Das war nicht im übertragenen Sinne gemeint, sondern wörtlich.«

»Nun, dann wirst du deine Gründe gehabt haben«, befand Asri, denn dass man sich zu derart endgültigen Schritten gezwungen sah, konnte nun einmal vorkommen, wenn die Zeiten unruhig und die Umstände verzweifelt waren.

Theodulf verriet ihr nicht, wie das alles zugegangen war, denn genau jetzt musste natürlich Rambert zurückkehren, einen Korb voller Erdbeeren in der einen Hand und Gjuki am ausgestreckten Arm in der anderen, damit er sich nicht über die prächtigen Früchte hermachen konnte.

»Sind die nicht schön? Emma war großzügig. Mit hereinkommen wollte sie nicht, weil sie ihren Eltern gesagt hat, dass sie zum Abendessen wieder da ist.« Ihr schien aufzufallen, dass etwas nicht war, wie es sein sollte, denn sie blieb stehen, ließ Gjukis Schnarren und Fauchen unbeachtet und musterte die verstummte Gesellschaft auf der Bank. »Ist etwas?«

Das konnte man getrost bejahen, aber Theodulf hatte vorerst nicht den Mut, es zu tun, und niemand wagte es, ihm die Mühe abzunehmen.

2. Kapitel

Kein Unbekannter

DER MONTAGMORGEN BRACHTE bewölktes Wetter, und Ardeija bedauerte auf dem Weg zum Praetorium, keinen Umhang mitgenommen zu haben, zumal Gjuki ihm nicht den Gefallen tat, ihn zu wärmen, sondern eifrig die Straßenränder erkundete.

Auch Rambert schien zu frieren, während sie zwischen Gartengrün, Fachwerk und Mauern aus dem rötlichen Sandstein von Mons Arbuini dem Sitz des Hochgerichts zustrebten. Aber sie beklagte sich nicht, wie sie heute ohnehin etwas zu still und in sich gekehrt war. Ardeija war dennoch froh, dass sie ihn gefragt hatte, ob sie ihn begleiten könne, bis nachher ihr Unterricht bei Magister Paulinus begann. Sie bei ihren Großeltern zu lassen, hätte doch nur zu Ärger der einen oder anderen Art geführt, denn seit gestern waren sie weder mit dem Rätsel um den Mantel aus der Nekropole noch mit Theodulf auch nur einen Schritt weitergekommen.

Sie waren schon ein gutes Stück von zu Hause entfernt, als Rambert endlich das Schweigen brach. »Ich glaube, Theodulf ist böse auf mich, weil ich ihm das mit Elsung nicht früher gesagt habe.«

Ardeija schüttelte den Kopf und wünschte sich beinahe, aber auch nur beinahe, sie wäre nicht immer so verdammt aufmerksam. »Bestimmt nicht. Wie kommst du darauf?«

»Er hat mich das ganze Frühstück hindurch seltsam angesehen«, erklärte Rambert, »genau wie gestern beim Abendessen, und so ist es erst, seit ich von Elsung erzählt habe.«

»Das nimmt er dir nicht übel«, versicherte Ardeija, und obwohl das der Wahrheit entsprach, wusste er jetzt schon, dass seine Beteuerungen nicht ausreichen würden, um sie davon zu überzeugen. Er hätte lieber über alles andere geredet als ausgerechnet über das, was Rambert am Verhalten seines Vaters aufgefallen war, aber ein Gespräch mit ihr ließ sich niemals mühelos lenken, schon gar nicht, wenn sie sehr zu Recht vermutete, dass man ihr etwas Entscheidendes verschwieg.

»Was dann?«, erkundigte sie sich nun auch und sah ihn halb fragend, halb auffordernd an.

»Gar nichts«, entgegnete Ardeija und staunte heimlich darüber, dass eine ehrliche Aussage so sehr nach einer Lüge klingen konnte. »Manchmal ist es einfach so, dass die Erwähnung eines Namens böse Erinnerungen an den Krieg hochkommen lässt … Da kann man nicht viel tun, als abzuwarten, bis es vorübergeht oder derjenige, der sich damit herumplagt, von sich aus darüber redet.«

Wieder war Rambert eine Weile still und beachtete kaum, dass Gjuki, von einem seiner Ausflüge zurückgekehrt, an ihrem Bein hinaufhuschte, um von ihrer Schulter auf die Ardeijas zu wechseln. »Dir und Asri hat er schon gesagt, was ihn umtreibt, nicht wahr?«

Ardeija hätte es sehr bevorzugt, nicht in die Lage gebracht zu werden, entweder seinem Vater in den Rücken zu fallen oder seine Tochter anzulügen. Aber sie war nun einmal eine zu gute Beobachterin, um ihm die Entscheidung zu ersparen, und am Ende fiel es ihm unerwartet leicht, seine Wahl zu treffen. Mit Theodulfs Missbilligung hatte er schließlich schon in der Vergangenheit dann und wann leben müssen, während er eine, die ihm gestern so voller Vertrauen gesagt hatte, dass er natürlich ihr Vater sei, nicht enttäuschen wollte.

»Hat er«, gestand er also, »und es ist eine sehr ernste Sache. Ich würde dir ja raten, mit ihm selbst darüber zu sprechen, wenn ich davon ausgehen würde, dass er je den Mund aufbekommt, aber … Ach, zum Teufel!« Er blieb stehen, wandte sich Rambert zu und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Hör her, Rambert. Theodulf sagt, dass er Elsung getötet hat, aber ich glaube, er hat nicht die leiseste Ahnung, wie er dir das beibringen soll.«

Kurz wurde Rambert unter seinen Handflächen starr, doch in ihren Augen las er eher Verblüffung als echtes Erschrecken. »Wie ist das zugegangen?«, fragte sie und bekam erst einmal keine Antwort, weil der Kutscher eines mit Bauholz beladenen Wagens, der Richtung Markt rollte, ihnen rüde zurief, sie sollten gefälligst aus dem Weg gehen, statt hier die ganze Straße zu versperren.

»Das weiß ich nicht«, sagte Ardeija verspätet, sobald sie ausgewichen waren und mit dem Rücken an einem schadhaften Gartenzaun standen, um das Fuhrwerk passieren zu lassen. »Bevor er es gestern erzählen konnte – vorausgesetzt, er hatte das überhaupt vor –, bist du mit deinen Erdbeeren hinzugekommen, und wie es dann weitergegangen ist, hast du ja selbst erlebt. Aber ich wette, ich weiß jemanden, der jetzt, da wir beide nicht mehr stören können, alles unternehmen wird, um die Geschichte aus ihm herauszuholen.«

Rambert lächelte flüchtig, und selbst Gjukis plötzliches Zwitschern klang belustigt, als wüsste er genau, dass Asri sich für Elsungs Tod noch weit mehr interessierte als für den in der römischen Totenstadt gefundenen Seidenumhang, den sie Ardeija und Rambert gestern Abend in allen Einzelheiten beschrieben hatte. Das hatte für eine Weile recht gut über Theodulfs Schweigen hinwegtäuschen können, aber irgendwann war eben selbst über solch ein Wunderding alles Wichtige gesagt.

»Meinst du, sie verrät uns, was er ihr berichtet hat?« Rambert schien nicht im Mindesten daran zu zweifeln, dass Asri schon alles Wissenswerte in Erfahrung bringen würde.

»Wenn sie sich genug über ihn geärgert hat, dann ja«, beschied sie Ardeija, der es auch längst aufgegeben hatte, sich schönen Trugvorstellungen über seine Mutter hinzugeben. »Anderenfalls …«

»Sonst frage ich ihn eben«, sagte Rambert schulterzuckend, stieß sich vom Zaun ab und ging so ruhig weiter, als wäre das alles keine sehr heikle Angelegenheit.

Ardeija beschloss, froh zu sein, dass sie es so gelassen nahm, statt sich Gedanken darüber zu machen, was Theodulf sagen würde.

An den Stufen zum Praetorium angekommen, vergaß er das, was zu Hause noch zu klären sein würde, ohnehin für eine Weile, denn der an der Tür aufgestellte, noch sehr müde Krieger ließ ihn wissen, Oshelm bitte den Hauptmann darum, ihn gleich bei seiner Ankunft oben in der Kanzlei aufzusuchen, und das am besten allein, da es um Vertrauliches gehe.

Ein geruhsamer Dienstbeginn mit dem Bericht der Nachtwache und einer ausführlichen Vergewisserung, ob Ardeijas Strickzeug auch noch brav unter der Bank in der Vorhalle in seinem Korb wartete, musste also ausfallen, doch der erste Schreiber hätte ihn nicht um diese kleinen Alltagsfreuden gebracht, wenn es nicht wichtig gewesen wäre.

Ardeija reichte Gjuki an Rambert weiter und bedeutete ihr, in der Vorhalle auf ihn zu warten. Dann ging er in den Gerichtssaal hinüber, erwiderte mit einem Nicken den Gruß der drei dort versammelten Krieger und stieg die Treppe in die Kanzlei hinauf.

Ohne Herrad und Wulfila, ihren Mann und zweiten Schreiber, war es in den beiden Räumen viel zu leer. Nicht einmal die ansässigen Geister ließen sich blicken, aber das schien Oshelm nicht zu stören. Er hatte sich wie ein kleiner König auf dem Faltstuhl eingerichtet, der sonst der Richterin vorbehalten war, und schien, nach dem Gewirr von Schriftstücken auf dem Schreibtisch vor ihm zu urteilen, schon einige Zeit hier zugange zu sein.

»Da seid Ihr ja«, sagte er, als er Ardeija bemerkte, und wünschte ihm erst verspätet einen guten Morgen, ohne die Feder aus der Hand zu legen.

»Maurus sagt, Ihr wolltet mich dringend sprechen?« Ardeija vermerkte mit Bedauern, dass Oshelm in all seinem Arbeitseifer sogar vergessen hatte, Tee zu kochen.

Der Schreiber nickte entschieden. »Wir müssen über unseren Kirchendieb reden, denn was den betrifft, sind wir einen Schritt weiter – oder auch nicht. Er ist jedenfalls doch kein völlig Unbekannter, aber um herauszufinden, wer genau er ist, brauchen wir Euren Vater.«

»Das will ich nicht hoffen«, gab Ardeija zurück. »Hat es denn wenigstens Zeit?«

»Schlagt Ihr Euch zu Hause wieder einmal die Köpfe ein?«, fragte Oshelm, als sei das etwas zum Lachen. »Und wenn schon … Nein, es hat keine Zeit. Lasst ihm ausrichten, dass er herkommen soll, um uns zu sagen, wer der Gefangene ist.«

»Und woher sollte er das wissen?« Ardeija ahnte Böses.

»Aus seinen Jahren auf dem Brandhorst«, erwiderte der erste Schreiber, als sei es selbstverständlich, den Helmdieb aus der Bischofskirche mit Fürst Asgrims Gefolgschaft in Verbindung zu bringen. »Berta meint jedenfalls, dort könnte der Mann hingehören. Sie hat ihn erst heute Morgen gesehen, als sie ihm den Wasserkrug aufgefüllt hat, und er kam ihr bekannt vor, auch wenn sie sich nicht sicher war, wo sie ihn einordnen sollte. Als es ihr dann eingefallen ist, hatte sie zum Glück den Verstand, es nur mir anzuvertrauen, statt gleich das ganze Hochgericht daran teilhaben zu lassen.«

Was das betraf, musste Ardeija ihm zustimmen. Wenn sich unter den Kriegern und damit unweigerlich auch in der Stadt herumgesprochen hätte, jemand vom Brandhorst habe den Kirchendiebstahl begangen, hätte das übelste Scherereien nach sich gezogen. Fürst Asgrim hatte schließlich vor Jahren schon einmal eine Gerichtsverhandlung stürmen lassen, um einen angeklagten Gefolgsmann zu befreien, und war damit durchgekommen.

Etwas anderes dagegen überzeugte Ardeija noch nicht ganz. »Und ausgerechnet Berta soll ihn erkannt haben, während er für uns ein Fremder ist? Bei der Verhaftung gestern waren genug Leute dabei, die Asgrim und seinen Anhang schon länger kennen als sie, und niemandem ist etwas aufgefallen, noch nicht einmal mir, obwohl ich schon einmal tagelang unfreiwillig auf dem Brandhorst festgesessen habe. Aber der Kerl, den wir jetzt hinter Schloss und Riegel haben, ist mir weder damals noch später je begegnet.«

»Nach ihren Worten war es auch nicht vor kurzem, sondern im Bürgerkrieg.« Oshelm legte endlich doch noch die Schreibfeder beiseite und zog ein Wachstäfelchen zu sich heran, auf dem er sich Notizen über Bertas Angaben gemacht haben musste.

Ardeija schüttelte den Kopf. »Berta ist gar nicht alt genug, um im Bürgerkrieg gekämpft zu haben.«

»Das hat sie auch nicht behauptet.« Oshelm überflog seine Auf zeichnungen. »Vielmehr war sie ein neugieriges Mädchen von elf Jahren und hat sich mit ihrem besten Freund aus ihrem Dorf irgendwo oben am Nordwald weggeschlichen, als sie gehört hat, Fürst Asgrim würde mit seinen Kriegern in der Nähe lagern. Das wollten die beiden sich ansehen, und sie sind tatsächlich heil hin- und zurückgekommen. Ihre Mutter hat verständlicherweise fürchterlich mit ihr geschimpft, als sie wieder da war, und ihr deutlich gemacht, was alles hätte geschehen können. Aber für Berta war es seinerzeit nur ein aufregender Ausflug, und sie war stolz, einen Mann, den sie für den Fürsten hielt, im Gespräch mit ein paar anderen erspäht zu haben. Unter denen soll unser Kirchendieb gewesen sein.« Er zog ein zweites Wachstäfelchen zu sich heran. »Sie meint, alles habe sich ihr so gut eingeprägt, weil es eben einerseits ein solches Abenteuer und zweitens für ein Kind ohnehin beeindruckend und abseits des Gewohnten war – die prächtigen Mäntel, die Waffen und Zelte, der Lärm … Und Asgrims einer Begleiter sei ihr eben besonders aufgefallen, weil er seinen Speer gehoben und damit auf irgendetwas gedeutet habe, auf sie, wie sie erst befürchtete, aber eigentlich wohl doch nur auf etwas in derselben Richtung. Denn sie und ihr Freund sind in ihrem Versteck im Gebüsch unbehelligt geblieben.«

»Wo steckt Berta überhaupt?« Ardeija konnte sich nicht erinnern, sie eben im Gerichtssaal gesehen zu haben.

»Ich habe Euch das, was sie gesagt hat, schon zutreffend wiedergegeben.« Oshelm klang gekränkt genug, es dabei zu belassen, schien aber dann doch noch zu begreifen, dass die Versicherung keine Antwort auf Ardeijas Frage war, und ließ sich zu einer Ergänzung herab. »Aber fragt sie meinethalben nachher selbst, sie müsste bald zurück sein. Ich habe sie mit einem nebensächlichen Anliegen zur Zolleinnehmerin in die Hafenvorstadt geschickt, damit sie sich hier nicht doch noch verplappert, weil jemand wissen will, was sie so lange mit mir zu bereden hatte. Denn ihre Schilderung war sehr ausführlich und genau. Ob der Mann, den sie vor Jahren gesehen hat, nun tatsächlich der Kirchendieb war, kann ich nicht beurteilen, aber einen Versuch ist es wert, und wenn jemand uns sagen kann, ob unser schwieriger neuer Bekannter einmal zu Asgrim gehört hat, dann Euer Vater.«

»Wenn es im Krieg war, müsstet Ihr ihm dann nicht auch begegnet sein?«, fragte Ardeija in dem von vornherein fruchtlosen Bemühen, das Verhängnis noch abzuwenden. Oshelm war damals Schreiber bei Otachar gewesen, dem Markgrafen von Tricontium, der sich wie Asgrim dem Aufstand des glücklosen Königssohns Faroald gegen dessen Vater Gundoald angeschlossen hatte. »So unter Verbündeten, meine ich …«

Oshelm ließ die Wachstafel los und hob die leeren Hände. »Derart genau, dass mir jeder hergelaufene Söldner im Gedächtnis geblieben wäre, habe ich mir Asgrims Kämpfer nun auch nicht angesehen. Aber wir haben ja, wie gesagt, Euren Vater, also bittet ihn schon, kurz hier vorbeizuschauen, auch wenn Ihr gerade zornig auf ihn seid.«

Ardeija hätte ihm erwidern können, dass Zorn und Besorgnis zweierlei waren, aber das hätte nur zu Nachfragen geführt, die er nicht beantworten wollte, und so zuckte er die Schultern und ging wieder in die Vorhalle hinunter, wo Rambert auf der Bank unter der Treppe saß und Gjuki den Bauch kraulte, um den kleinen Drachen davon abzuhalten, sich einen Weg in den Strickkorb zu suchen.

Ardeija hätte sie gern noch eine Weile länger dieser Tätigkeit überlassen, die einen, wie er aus Erfahrung wusste, stundenlang ausfüllen konnte, aber Schwieriges wurde nicht besser davon, dass man es vor sich herschob.

»Jemand muss Theodulf holen, weil er uns vielleicht sagen kann, wer der Kirchendieb ist«, erklärte er leise und fasste kurz das Nötigste für sie zusammen. »Willst du dich darum kümmern, oder soll ich lieber einen anderen Boten finden?«

»Ich gehe schon«, versprach Rambert ohne merkliches Zögern, und vielleicht war es auch gar nicht das Schlechteste, dass sie so den ganzen Weg von zu Hause bis zum Praetorium Gelegenheit haben würde, allein mit Theodulf zu reden.

Solange sie fort war, kam Ardeija dennoch keine drei Runden mit dem rotgestreiften Strumpf, den er gerade strickte, voran, und das nicht nur, weil Gjuki wie immer Gefallen an den Wollknäueln fand und zwischenzeitlich Berta zurückkehrte, die aber in der Tat nicht viel mehr zu berichten hatte als das, was sie Oshelm schon erzählt hatte.

Denn kaum dass er die junge Kriegerin mit der strikten Anweisung, vorerst noch Stillschweigen über ihre Vermutung zu bewahren, in die Kanzlei weitergeschickt hatte, stahl sich der Tigerkhan durch die Wand neben der Tür herein und streckte sich zu Ardeijas Füßen aus, als spürte er, dass seine Gesellschaft und Unterstützung hochwillkommen waren.

Ardeija lächelte leicht. Um die Gegenwart des gewaltigen weißen Tigergeists als tröstlich zu empfinden, musste man so an ihn gewöhnt sein, wie er es mittlerweile war. Anderenfalls konnte der Tigerkhan einem durchaus Angst machen, sogar, wenn er nur wie jetzt träge gähnte und seine beeindruckenden Zähne sehen ließ. Wenn er gewollt hätte, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, einen Großteil von Ardeijas Gerichtswachen in die Flucht zu schlagen, doch solange er sich ihnen nicht gezielt zeigte, blieb seine Anwesenheit ihnen verborgen. Ihn immer wahrnehmen zu können, war ein Geheimnis, das Ardeija mit Rambert und, nun gut, auch mit anderen Geistersehern teilte, aber sie war diejenige, auf die es ihm ankam. Gemeinsam darüber lächeln zu können, wie der Tiger mit der Schwanzspitze zuckte, wie ein Fischgespenst an einem kühlen Herbstmorgen aus dem Flussnebel auftauchte oder wie ein Römer noch immer in den Straßen herumspukte, über die er vor Jahrhunderten gewandelt sein musste, schuf ein besonderes Band.

Ardeija hatte sich nicht immer auf diese Kunst verstanden, und dass vor anderthalb Jahren ein sehr weinseliger Abend ausgereicht hatte, die Fähigkeit in ihm zu wecken, war noch immer ein Quell der Freude und des Staunens für ihn. Gjuki dagegen hatte wohl schon immer darüber verfügt, weil Drachen für manches feinere Sinne hatten als die unaufmerksamen Menschen. Er mochte nicht jedes Gespenst, aber mit dem Tigerkhan hatte er sich angefreundet. Jetzt ließ er von der Wolle ab und glitt geschmeidig von der Bank, um es sich zwischen den rauchgleichen Pranken bequem zu machen und dem durchscheinenden Besucher mit einem Zirpen etwas mitzuteilen, das Ardeija gern zu deuten gewusst hätte. Doch ein Ohr für die Drachensprache war ihm leider bis heute nicht gegeben.

Um nicht taktlos irgendeine hochwichtige Äußerung zu unterbrechen, wartete er, bis Gjuki verstummt war, und beugte sich erst dann vor, um den Tigerkhan zur Begrüßung zu streicheln und ihn stumm, aber innig um Hilfe dabei zu bitten, Theodulfs Besuch im Praetorium gut zu überstehen.

Es war nicht einmal so sehr Theodulfs möglicher Ärger darüber, ohne Vorwarnung Ramberts neugierigen Fragen ausgeliefert worden zu sein, der Ardeija Sorgen machte, sondern weit eher die Tatsache, dass es nicht einfach war, einen spät gewonnenen Vater zu haben, der genug vom eigenen Handwerk verstand, um einem dabei allzu fachmännisch auf die Finger zu sehen. Gerade nachdem die unfreundlichen Bemerkungen des Kirchendiebs am Vortag schon zu Gerede geführt und allerlei Unsicherheiten in Ardeija wachgerufen hatten, war eine gründliche Begutachtung seiner Arbeit durch Theodulfs kühlen, eisblauen Blick das Letzte, wonach ihm der Sinn stand.

Nach außen hin hätte er das allerdings niemals zugegeben, und so verzichtete er auch darauf, vorzeitig sein Strickzeug wegzulegen, um nicht in Verdacht zu geraten, dass er es darauf anlegte, einen guten Eindruck auf seinen Vater zu machen.

Der Tigerkhan musterte ihn kurz aus klugen Augen, die alt wie die Welt wirkten. Dann gähnte er noch einmal und ließ sich wohlig auf die Seite fallen, als gedächte er, noch eine Weile behaglich so liegen zu bleiben.

Ihn dabei zu betrachten und weiterzustricken, wäre segensreich beruhigend gewesen, aber leider Gottes waren Rambert und Theodulf schnell; Ardeija war bei seinem neuerlichen Versuch noch keine zehn Maschen weit, als er sie draußen auf den Stufen ein paar Worte mit Maurus wechseln hörte.

Als sie dann hereinkamen, schien gewohnt gutes Einvernehmen zwischen ihnen zu herrschen, und Theodulf wirkte nicht, als hätte er vor, Ardeija demnächst den Kopf abzureißen.

»Eines muss man dir lassen, du sorgst dafür, dass die Dinge schnell geklärt werden«, sagte er, doch ohne Zorn, und bemerkte gar nicht, dass er mitten durch den Tigerkhan hindurchging, um zu Ardeija zu gelangen. »Und ihr habt gestern tatsächlich jemanden vom Brandhorst gefangen genommen, ohne zu ahnen, woher er stammt?«

»Nicht so laut! Berta vermutet so etwas, aber ich bete, dass sie sich irrt.« Ardeija wollte sich jedenfalls nicht ausmalen, was ihnen allen blühte, wenn tatsächlich ein Gefolgsmann Asgrims in einer der Zellen unter dem Praetorium saß und der Fürst beschloss, auf gewohnt handfeste Art etwas daran zu ändern, und das auch noch in Abwesenheit der Richterin.

Theodulf zuckte die Schultern. »Immerhin gibt es den Verdacht also wirklich. Das beruhigt mich.«

Ardeija war nahe daran, empört aufzuspringen, und tat es nur deshalb nicht, weil das den Tigerkhan aufgestört hätte, den Rambert gerade hingebungsvoll kraulte, soweit Gjuki es zuließ, der ihre freie Hand beanspruchte, um ja nicht zu kurz zu kommen. »Du traust mir ernsthaft zu, dich mit einer Lügengeschichte herzulocken?«

Sein Vater stritt es nicht ab. »Wenn du so überzeugt bist, dass der Mann, den du festgenommen hast, heute noch auf den Brandhorst gehört, hättest du ja auch Rambert fragen können, ob sie ihn erkennt.«

»Ja, und wenn er eben heute nicht mehr oder erst nach einer Unterbrechung wieder in Asgrims Diensten steht, hätte mir das herzlich wenig weitergeholfen, da sie zu jung ist, sich an jeden zu erinnern, der zur Zeit des Bürgerkriegs bei Asgrim war, aber vielleicht nicht ewig geblieben ist«, gab Ardeija hitziger zurück, als er es hätte tun sollen, und überhörte Gjukis missbilligendes Schnarren. »Aber komm, du bist ja nun hier. – Rambert, kannst du eben in die Kanzlei laufen, um Oshelm zu sagen, dass wir jetzt hinuntergehen?«

Theodulf erwiderte nichts, aber immerhin kam er friedlich mit, und so stieg bald darauf eine ganze Prozession in die selbst an diesem Sommertag kühle Unterwelt des Praetoriums hinab: Berta mit einem Licht voran, dann Ardeija, Theodulf und Oshelm, während Rambert, die Gjuki hochgehoben hatte, die Nachhut bildete.

Der dicke Rattengeist, der sich oft unten an der Kerkertreppe sehen ließ, verzog sich sicherheitshalber in die nächste Wand, als er bemerkte, dass auch der Tigerkhan mit von der Partie war. Vor einigen Wochen, als er Ardeija allzu dreist um die Füße gehuscht war, hatte der Tiger seinem warnenden Grollen schließlich einmal Taten folgen lassen und das vorwitzige Rattengespenst verschluckt. Obwohl es dieses Erlebnis überstanden zu haben schien, hatte es danach mehrere Tage lang nicht gespukt und verhielt sich seither immer ausgesprochen vorsichtig, wenn nicht gar ängstlich, sobald der Tigerkhan erschien.

Drei der Zellen, in denen Missetäter auf den nächsten Gerichtstag warteten, standen unbesetzt offen; nur die vierte Tür ganz am Ende des Ganges war verschlossen und verriegelt. Das Gelass dahinter war der engste der ohnehin nicht großzügig bemessenen Räume in diesem Keller, aber nach allem, was der Kirchendieb gestern bei seiner Vernehmung gesagt hatte, war Ardeija nicht mehr in der Laune gewesen, ihm mehr Platz als nötig zu gönnen, und hatte ihn in Ketten genau dorthin stecken lassen. Stolz war er auf seine kleinliche Rachsucht nicht, und einen Herzschlag lang hatte er Mitleid, als Berta die schwere Tür aufzog und der Kirchendieb, der zusammengesunken in einem Winkel saß, gegen die plötzliche Helligkeit anblinzelte.

Doch Ardeijas Anflug von Reue hielt nicht lange vor, denn das Erste, was der Gefangene, kaum dass er wieder etwas erkennen konnte und Theodulf entdeckte, zu sagen hatte, war ausgerechnet: »Sieh an, Asgrims Verräter. Ich hätte wohl damit rechnen sollen, dass sie Euch früher oder später herholen würden.«

»Hättet Ihr«, bestätigte Theodulf, ohne große Aufregung über die kränkende Anrede erkennen zu lassen; stattdessen stand nur ein Hauch von Erstaunen in seiner Miene. Er wusste, wen er vor sich hatte, das merkte Ardeija ihm an, aber wenn er überhaupt mit einem Bekannten gerechnet hatte, dann nicht mit diesem im Großen und Ganzen eher unauffälligen Mann, der, das ursprünglich dunkle Haar von frühem Grau durchzogen, um die vierzig Jahre alt sein mochte und genauso gut ins Gefolge eines nicht übermäßig reichen Fürsten hätte gehören können wie zu den unzähligen unstet herumziehenden herrenlosen Kämpfern, denen es seit dem Bürgerkrieg nicht wieder gelungen war, sicher Fuß zu fassen.

»Du weißt, wer er ist?«, fragte Ardeija.

Theodulf nickte, musterte aber weiter den Gefangenen. »Das weiß ich, und ich kann es dir sagen – es sei denn, Ihr wollt es selbst tun?«

Der Mann lachte verächtlich. »Auf die Höflichkeit lege ich von einem, der seinem eigenen Fürsten so in den Rücken gefallen ist, keinen Wert.«

Der Tigerkhan knurrte leise.

»Sein Name ist Julian«, sagte Theodulf, ohne auf die neuerlichen Anwürfe einzugehen, und fuhr im selben nüchternen Ton fort: »Wenn ich mich recht entsinne, mag er die Frage nicht, ob er nach Julian von Aeclanum, Julian, dem Märtyrer, oder gar Julian Apostata benannt ist. Wohin er heute gehört, weiß ich nicht, aber während des Kriegs stand er in den Diensten der Herrin vom Rübenacker.«

Weiter hinten im Gang unterdrückte Rambert nur mühsam ihre Heiterkeit. »Heißt das, es gibt eine Burg namens Rübenacker?«

»Es gab nicht weit vom Nordwald ein Gut, das so hieß«, erklärte Berta und betrachtete den Kirchendieb mit neuem Interesse. »Aber Herr Ebbo, der jetzt Graf von Corvisium ist, soll während des Kriegs nicht viel davon übrig gelassen haben, und meine Mutter sagt, dort wohnt heute niemand mehr.«

Der Kirchendieb schwieg zu alledem.

»Ist es so, wie Theodulf sagt?«, wandte Ardeija sich an ihn.

»Wenn Euch das Wort Eures angeblichen Vaters nicht gut genug ist, kann ich Euch auch nicht helfen«, kam es mit so überheblicher Miene zurück, dass Ardeija Berta lieber bedeutete, die Tür wieder zu schließen, bevor jemand sich noch dazu hinreißen lassen konnte, handgreiflich zu werden.

»Was es sonst noch über ihn zu wissen gibt, könnt Ihr uns auch oben erzählen«, sagte Oshelm zu Theodulf und ging mit großen Schritten voran in Richtung Kanzlei.

Als sie dort angekommen waren, hatten sie nicht nur Berta mit bestem Dank für ihre Hilfe im Gerichtssaal zurückgelassen, sondern irgendwie auch den Tigergeist verloren. Ardeija hoffte im Stillen, dass er Julian vom Rübenacker gebührend plagen würde, aber da man das Tun und Lassen von Gespenstern nie vorhersagen konnte, hütete er sich, fest damit zu rechnen.

Er rückte einen Stuhl für Theodulf zurecht, während Rambert unaufgefordert den Teekessel nahm und wieder nach unten lief, um Wasser zu holen. Gjuki machte sich unterdessen auf die Suche nach den Leges et constitutiones, auf deren Ledereinband zusammengerollt er in der Kanzlei am liebsten lag, und schnarrte unmutig, als er bemerkte, dass Oshelm sorgsam gestapelte Papiere darauf abgelegt hatte.

Der Schreiber machte sich nicht die Mühe, sie zu entfernen, sondern sah Theodulf erwartungsvoll an. »Könnt Ihr mir noch zwei Leute nennen, die bestätigen können, um wen es sich bei diesem Julian handelt, damit wir drei Zeugen haben, falls er sich weiter weigert, uns auch nur über die einfachsten Dinge Auskunft zu geben?«

»Mehr als zwei«, entgegnete Theodulf. »Ihr könnt so gut wie jeden fragen, der damals mit Asgrim in den Krieg gezogen ist. Julian war mehrere Tage bei uns, als wir einen Ortskundigen benötigten, der uns in der Umgebung des großen Nordwalds die besten Wege weisen konnte. Zuletzt habe ich ihn allerdings eine ganze Weile nach Ende des Krieges gesehen, denn da kam er unversehens noch einmal auf den Brandhorst und fragte mich, ob wir einen zusätzlichen Krieger brauchen könnten. Ich sagte ihm, die Zeiten seien schwer und der Fürst habe schon Mühe, die Leute durchzubringen, die seit langem in seinem Gefolge seien, so dass wir für noch einen mehr keinen Platz hätten.« Er hielt kurz inne und gestand dann: »Das war halb gelogen. Um den Brandhorst war es zwar tatsächlich nicht rosig bestellt, aber für einen anderen als ihn hätte ich mich vielleicht bei Asgrim eingesetzt.«

»Dass du den nicht genommen hast, kann ich nur zu gut verstehen«, bemerkte Ardeija und sammelte Gjuki auf, bevor der kleine Drache seine Versuche, seinen besetzten Lieblingsplatz freizuräumen, zum Erfolg führen konnte.