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Hauptfigur ist ein Ritter namens Jero. Er verlässt die Kirche, weil er seinen eigenen Weg gefunden hat. Auf diesem begegnen ihm Drachen, Walküren und die Götter aus der germanischen Mythologie. Odin, der Allvater, bittet Jero, ihm zu helfen. Denn neuartige Riesen bedrohen Walhall.
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Seitenzahl: 197
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Jörg Röske
Der Ritter der unbeugsamen Frucht
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Impressum
Kapitel 1
Ich erwachte an einem Morgen. Ich erwachte immer. Entweder geweckt durch der Sonne Strahl oder durch meinen schwarzen Hund, der mir durch das Gesicht leckte. Aber ich stand erst mal nicht auf, denn ich musste noch den Vortag verdauen, der angefüllt war mit Walkürenbegegnungen oder irgendwelchen Schlachten. Aber dann stand ich doch auf und ging zur Kaffeemaschine. Erst nach einem geglückten Kaffee durfte mich jemand ansprechen, sonst hätte ich denjenigen mit meinem Schwert einen Kopf kürzer gemacht. Mein Schwert war ein Drachenschwert. So mutmaßte ich, denn ich hatte es irgendwo gefunden und auf der einen Schwertseite eine Gravur entdeckt. Sie zeigte einen Schlachtkreuzer, in dessen Fahrtwelle ein Drache schlief.
Meine Burg stand auf einem Fels. Der Fels war uneinnehmbar, die Burg ebenso, denn überall standen Vierling-Flaks. Ein Rohr hatte das Kaliber von 2 cm. Damit konnte man schon was anrichten. Kürzlich hatte ich einige Segelschiffe des Bischofs angerichtet und Schnetzelsuppe daraus gemacht. Die geschnetzelten Schiffe sanken zu Boden, die Überlebenden suchten das Weite im Schoße des Bischofs. Da klingelte mein Telefon. Ich nahm ab.
„Hallo, Hieronymus! Wie wäre es mit einem Frühstück bei mir?“, fragte der Anrufende.
„Hallo Augustinus! Freut mich, von dir zu hören! Biste auch spät aufgestanden?“
„Na ja, weißt du, immer diese jungen Frauen!“
„Pass auf, Augustinus, die saugen dich noch völlig aus!“
„Ja, das tun sie!“
„Höre ich ein Jammern?
„Sie wollen mein Essen, meinen Wein...!“
„Und alles weitere!“
„So ist es!“
„Aha, ich soll dich trösten!“
„Ja, bitte!“
„20 Minuten, dann bin ich da!“
„In Ordnung!“
Wir legten auf. Der Kaffee war durch, und ich trank das warme, wohltuende Gebräu und legte dabei noch einige Notizen nieder mit Tinte und Feder auf Papier. Dann zog ich meine Rüstung an, die bestand aus meinem Drachenschwert. Ansonsten trug ich nur Wildlederzeug. Ich ging die Treppe in meinem vom Kaffeeduft erwärmten Turm hinauf und sah oben angekommenLuise. Das war mein Segelschiff, zweimastig und sehr prekär, denn es trug einen Torpedo unter dem Rumpf. Ich sprang hinein, dann löste ich das Seil. Durch den immerwährenden Wind driftete es von meinem Turm hinweg. Ich setzte ein Segel, undLuisenahm Fahrt auf. Dann kam es, wie es kommen musste. Ich vernahm windiges Hufgetrappel, und ein Donnerross landete auf dem Oberdeck. Diese Walküre kannte ich nicht. Sie war jung und schön, das waren sie alle. Sie stieg ab und trat auf mich zu.
„Hi Jero, wie wäre es mit Sex?“, fragte sie.
„Geht nicht, ich habe einen Termin!“
„Mit wem?“
„Geht dich nichts an!“
„Dann bin ich heute Abend in deiner Burg und sei pünktlich!“, sagte die unbekannte Walküre, bestieg ihr Ross und verschwand im Himmel.
Irgendwie schien es, dass Odins Schildjungfern in letzter Zeit ein Auge auf mich geworfen hatten. Aber Walküren waren heiß in der Liebe und heiß im Zorn, und in der Regel hielt ich von ihnen Abstand. Ich nahm mir vor, Odin mal darauf anzusprechen. Bald erreichte ich das Kloster des Abtes. Einen Steinwurf entfernt warf ich den Anker. An einem Seil hangelte ich mich zum Boden, den Rest des Wegs ging ich zu Fuß. In roter Wildlederkleidung und mit meinem Drachenschwert, das ich am Rücken trug. Am Tor stand Augustinus, der Abt dieses Klosters, und er begrüßte mich freudig. Augustinus war ein Freund, einer der wenigen aus den Reihen der Kirche.
„Hi, Hieronymus, heute schon jemanden umgebracht?“
„Ne, noch nicht, aber du könntest der erste sein!“
Augustinus lachte herzerfrischend.
„Ich liebe deinen Zynismus, mein Freund!“, sagte der Abt und umarmte mich.
Dann schauten wir uns wieder in die Augen, und ich bemerkte ein Quantum Unzufriedenheit in dessen Gesicht.
„Du hast mich doch nicht wegen der viele Mädels zu dir gebeten, Augustinus?“
„Komm' erst mal rein, ich erkläre es dir drinnen!“
Also gingen wir hinein ins Kloster. In des Abtes Stube saß schon jemand, der Anblick desjenigen erfrischte neuerlich mein Herz.
„Guten Tag, Bischof, was machen deine Segelschiffe?“, begrüßte ich Bischof Johannes.
Der Bischof war mürrisch, wäre ich an seiner Stelle auch. Er hatte fünf Segelschiffe verloren.
„Die Reste deiner Angreifer liegen noch in meiner Ebene, vielleicht könntest du sie wegräumen!“, meinte ich.
„Es ist nicht deine Ebene, Hieronymus, es ist das Land der Kirche!“
„Aha!“, sagte ich nur.
„Mehr hast du dazu nicht zu sagen, Hieronymus, als nurAha?“
„Sieht wohl so aus!“
Der Bischof fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her.
„Ich hatte dich freundlich gebeten, das Land zu verlassen...“, begann Johannes.
„Du hast mich nicht gebeten, du hast mir ein Ultimatum gestellt!“
„Hieronymus, du warst doch selber mal ein Mann der Kirche! Du warst ein Novize, der ein hervorragender Inquisitor geworden wäre!“
„Ja und? Ich habe es mir anders überlegt!“
„Und jetzt fürchten sich alle vor dir!“
„Ich denke, die Inquisition wird mehr gefürchtet!“
„Apropos Inquisition! Ein Inquisitor ist hierher unterwegs, um die Missstände aufzuklären und alle Beteiligten zu befragen!“
„Wie nett! Er findet mich in meiner Burg!“
„Er ist Dominikaner!“
„Ich war auch Dominikaner, das weißt du, Johannes! Deswegen sollte er sich nicht auf ein Wortgefecht mit mir einlassen!“
„Ich habe befürchtet, dass du das sagst, Hieronymus! Du warst einer unserer begabtesten Novizen!“
„Und ihr wollt mich nicht verlieren!“
„Nicht nur das! Wenn du nicht wieder in den Schoß der Kirche zurückkehrst, gehst du auf ewig verloren!“
Ich sagte nichts.
„Wie ich sehe, ist der wahre Glaube noch in dir, Hieronymus! Komm' zurück, beichte und empfange die Sakramente, und dir wird vergeben!“, sagte Bischof Johannes.
In seinen Augen sah ich, dass er es wirklich ernst meinte.
„Johannes, du warst immer gütig zu mir und hattest mich unterstützt, und es tut mir auch leid, dass ich deine Schiffe zerstört habe. Ich sehe, du bist ein Mann, der nur das Beste will.“
„Dann komm' zurück, Hieronymus!“
„Nein!“
„Und warum nicht?“
„Ich habe etwas gefunden!“
„Und was?“
„MeinenWeg!“
Ich sah, wie Johannes in seinem Inneren auf dem Stuhl zusammensackte. Das gefiel mir nicht, denn ich mochte diesen in die Jahre gekommenen Mann.
„Begleitest du mich noch hinaus?“, fragte ich den Abt.
Dieser nickte. Wir verließen dessen Stube und traten hinaus zum Tor des Klosters.
„Du hast mich hierher gelockt, Augustinus!“, sprach ich den Abt an.
„Aber sage doch selbst, Hieronymus! Johannes hat recht! Du warst mal einer von uns gewesen!“
„Ja, das war ich wohl!“
„Was hat dich denn veranlasst, der Kirche den Rücken zu kehren?“
„Ihr seid brutal!“
Ich schaute Augustinus in die Augen. Dessen Augen wurden fahrig.
„Was meinst du damit?“
„Du weißt, was ich meine, Abt!“
„Das, das ist alles der Wille Gottes!“
„Gott ist doch gütig oder?“
„Ja, das ist er!“
„Und wieso wird dann in Jerusalem Krieg gegen die Moslems geführt? Wieso werden hier in unserem Land Scheiterhaufen für Hexen errichtet? Wieso gibt es die Folter für Andersgläubige?“
„Weil sie den Satan anbeten!“
„Und da ist euch jedes Mittel recht?“
„Wenn es um die Seele eines Menschen geht, dann ja!“
„Was ist mit deinen Mädchen?“
„Was für...?“
„Ist Lust nicht eine der sieben Todsünden?“
„Sie geben mir Dienste, und ich gebe ihnen was zu essen, es sind arme Mädchen! Es ist eine gute Tat!“
„Vielleicht solltest du ihnen helfen, dass sie sich selbst ernähren können?“
Der Abt schaute verwirrt.
„Aber dann würden sie nicht mehr zu dir kommen, richtig?“
Augustinus gingen die Argumente aus.
„Ist das Doppelmoral? Einerseits predigt ihr die Liebe und Freiheit, und andererseits machst du Menschen von dir abhängig nur wegen deiner Lust!“
„Hieronymus!“, flehte der Abt.
„Nein, nicht mehrHieronymus! Ich bin Jero! Und liebe Grüße an den Inquisitor! Ich erwarte ihn und zwar in meiner Burg!“, sagte ich und verschwand.
Der angebliche Freund Augustinus war ad acta gelegt. Ich war an meinem Schiff angekommen, das zwei Meter über dem Boden schwebte. Ich ergriff eines der herabhängenden Seile und schaute zum Kloster. Der Abt war nicht mehr zu sehen. Ich war wütend und rotzte auf den Boden, der das Kloster umgab. Dann hangelte ich mich hinauf und zog den Anker ein. Ich setzte ein Segel und driftete davon. An Bord hatte ich vier gusseiserne Kanonen, aber mit denen konnte ich das verräterische Kloster nicht in Schutt und Asche legen. Und den einen Torpedo wollte ich nicht vergeuden. Ich brauchte etwa stärkeres. Etwas, das stärker war als ein Torpedo und vier Kanonen. Und vier Meilen nördlich rauschte etwas in meine Karavelle hinein, so dass sie drohte zu kentern.
„Bei Odin und allen entjungfernten Schildjungfern Odins!!“, fluchte ich.
Der Zusammenstoß geschah so schnell, dass ich zunächst überhaupt nicht erkennen konnte, wer mit mir kollidiert war. Das Etwas fiel herab und krachte auf den Boden meiner Ebene. Meine KaravelleLuiserichtete sich wieder auf. Und mein gesetztes Segel krachte samt Rah auf das Oberdeck. Ich war begeistert. Ich wartete noch das Ende des Schaukelns meines Schiffes ab, dann lugte ich hinab. Unten auf dem Boden meiner grauen Ebene erspähte ich ein großes, schwarzes Tier. Es hatte Flügel, und es krümmte sich vor Schmerzen, und mir was klar, dass es ein Drache war.
„Hey, Kleiner! Das Fliegen musste wohl noch etwas üben!“, rief ich hinab.
Aber das Fabelwesen, das es eigentlich nicht gab, sagte nichts.
„Hey, du Tolpatsch, ich rede mit dir! Eigentlich gibt es so was wie dich nicht, aber du hast mein Schiff gerammt und Schaden angerichtet, und du entschuldigst dich noch nicht mal!“, rief ich weiter.
Da erinnerte ich mich an die Gravur auf meinem Drachenschwert. Und wie ein Blitz schoss es durch mich hindurch, durch meinen ganzen Leib, und ich stand starr vor Schreck.
„Scheiße, ein Drache!“, entfuhr es meinen Lippen.
„Du hast mich gerufen, Ritter!“, sagte eine Stimme.
„Wer redet da?“
„Ich, der unvorsichtige Drache!“
„Seit wann können Drachen reden?“
„Das konnten wir schon immer! Und außerdem hattest du das eben noch vorausgesetzt, es scheint, du bist etwas ungeordnet, Ritter!“
„Ungeordnet, ich ungeordnet?!“
Ich dachte nach, dachte an Augustinus und Johannes.
„Ja, du hast recht, Drache, ich bin ungeordnet. Und das deswegen, weil mir die Kirche im Nacken sitzt!“
„Die sitzt jedem im Nacken, nur die meisten bemerken das nicht!“
„Aber der Geordnetste bist du auch nicht, Drache!“
„Sag' nichtDrachezu mir, nenne mich mit meinem Namen!“
„Haha, als würde ich den kennen!“
„Ich kenne ja auch deinen, Jero!“
„Mich kennt hier jeder, ob Hieronymus oder Jero!“
„Du kämpfst verbal recht gut, Jero!“
„Vielen Dank!“
„Aber wie ist mein Name?“
„Weiß ich doch nicht!Untauglicher NavigatoroderJemand, der Spaß hat, das Schiff eines Ritters zu rammen?“
„Überlege mal weiter!“
Ich überlegte weiter. Dabei schaute ich hinab zu dem Drachen, der immer noch auf dem Boden meiner Ebene lag. Da entdeckte ich eine klaffende Wunde am Bauch des Fabelwesens.
„Hey, mein Guter, du blutest!“, meinte ich aufgeschreckt.
„Ach, das ist nichts!“
„Von wegen nichts!“
Ich suchte mir auf meinem Schiff einige Lappen zusammen, und ich nahm den guten Calvados. Damit sprang ich hinab zu dem Verletzten.
„Was machst du da, Jero?“
„Ich verarzte dich!“
Ich goss von dem Calvados über die Wunde. Der Drache schrie auf vor Schmerz. Dann packte ich einen Lappen auf die Wunde. Der Drache stöhnte.
„Es ist so schön, wenn der Schmerz nachlässt!“, meinte der Drache.
„Ganz ruhig, Ischgatarh!“
„Du hast mich bei meinem Namen genannt!“
„Habe ich das?“
„Ja, das hast du!“
Da gingen mir Bilder durch den Kopf, die nicht stehen blieben. Bilder von Schlachten und Scheiterhaufen, bis sie schließlich inne hielten. Ich sah im letzten Bild die andere Seite meines Schwertes. Dort stand eingraviertIschgatarh. Sofort zog ich mein Schwert und begutachtete die andere Seite der Klinge. Da stand tatsächlichIschgatarh.
„Jetzt haben wir die Formalitäten erledigt! Was kommt als nächstes?“, fragte ich das Fabelwesen.
„Meine Wunde!“
„Die ist verarztet!“
„Schau mir in die Augen, Jero!“
„Warum?“
„Das ist das nächste!“
Also schaute ich dem Drachen, namens Ischgatarh, in die Augen. Die waren grün, und ich bemerkte, wie dieses Grün in mich überging. Ich sah nur noch diese Farbe, sie schmerzte, und dann brannte alles, und ich wurde ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, bemerkte ich, wie mir der Kopf dröhnte. Das war ungeheuerlich, und ich konnte mich erst mal an nichts erinnern. Ich versuchte, aufzustehen, aber das misslang. Meine Kräfte versagten, und ich schlief wieder ein. Auf dem grauen Boden meiner Ebene. Als ich erneut erwachte, war alles friedlich, in mir und um mich herum.
„Haste wieder gesoffen?“, vernahm ich eine Stimme, die ich nur zu gut kannte.
Ich erhob mich und entdeckte neben mir meinen Freund Mero. Er zog genüsslich an seiner Pfeife.
„Was gibt es, alter Haudegen?“, fragte ich.
„Das wollte ich dich fragen!“
Da bemerkte ich, wie es zwischendurch in meinem Blick grün aufflammte. Das geschah mehrere Male und jeweils nur kurz.
„Mir ist irgendwie komisch!“, bemerkte ich.
„Nach einer Flasche Calvados wäre mir auch komisch!“, meinte Mero.
„Ich habe keinen Calvados getrunken!“
„Das sagst du, mein Freund!“
„Ich glaube, mir ist schlecht!“
„Das verstehe ich! Hände weg vom Alkohol!“
Ich kotzte, ich kotzte so laut, dass es die ganze graue Ebene hörte. Aber das war noch nicht das Ende. Ich bemerkte, wie es in meinen Beinen und in meinen Armen rumorte.
„Ich glaube, ich verwandele mich gerade!“
„Das Gefühl hat man immer nach einem Besäufnis!“, meinte Mero.
Auch mein Kopf schien sich zu verändern, und ich hatte das Gefühl, dass ich größer wurde. Ich hatte keinen Spiegel um das, was ich spürte, verifizieren zu können. Aber mein Gefühl sprach klare Worte. Dann war die Transformation beendet, und ich fühlte mich als Drache. Mein Ritterkumpel zog an seiner Pfeife und schien keine Notiz von meiner vermeintlichen Verwandlung zu nehmen. Jedenfalls dachte ich mir, dass Drachen fliegen können. Also versuchte ich zu fliegen. Ich rannte, schlug mit meinen Schwingen und sprang. Aber alles, was ich mir einfing, war ein Mund voller Sand. Das gefiel mir nicht. Und gefrustet blieb ich erst mal so liegen. Da kam Mero zu mir, ich hörte seine Schritte.
„Du solltest nicht so viel saufen, Jero!“, kommentierte mein Ritterkumpel.
Ich spuckte den Sand aus dem Mund und richtete mich auf.
„Ich habe nichts getrunken, ich bin völlig nüchtern!“
„Das glaube ich dir auf 's Wort, mein Freund!“
„Da war ein Drache, der ist jetzt in mir!“
„Da ist nirgendwo ein Drache!“
„Sag' ich doch, er ist jetzt in mir!“
„Der Drache heißt Calvados!“
„Nein, Ischgatarh!“
Das war das Stichwort, sozusagen der Code. Ich hatte das Gefühl, ich brach auseinander. Mero erschrak heftigst. Dann schrie ich, wie ein Drache nur schreien konnte. Mero hielt sich die Ohren zu. Dann schrie ich nicht mehr. Mero schaute hinauf zu mir.
„Was hast du nur getrunken? Kriege ich auch was von diesem Calvados?“, fragte er.
Ich gab nur noch ein Brummfauchen von mir, in das sich kleine Feuerpartikel mischten. Dann schwang ich meine Flügel und erhob mich in den Himmel und sauste durch diesen.
Fast besinnungslos, lediglich bewusstseinsnah flog ich durch meinen gelblich gefärbten Himmel, und immer mal wieder gab es eine Art Fauchen, bei dem sich kleine Feuerflammen aus meinem Maul lösten. Ich flog wie ein Tier, so eines war ich, aber ich war eigentlich eins, das es nicht gab. Da entdeckte ich das Kloster des Augustinus unter mir, und ich stieß herab und vergoss mein Feuer auf das gesamte bebaute Areal. Ich hielt bei meinem Flug inne, schlug mit meinen Flügeln wie ein Kolibri und sah die brennenden Mönche unter mir. Sie bekamen das, was sie anderen zugemutet hatten, das höllische Feuer der unzähligen Scheiterhaufen. Auf denen sie Hexen und Ketzer verbrannt hatten. Und ich verstand nicht, dass ich so lange noch Freundschaft zu dem doppelmoraligen Abt unterhalten hatte. Und ich entdeckte frische Pferde- und Wagenspuren in dem grauen Sand meiner Ebene und verfolgte diese. Ich roch den widerwärtigen Gestank des Bischofs, und bald sah ich sein Hufgespann. Aber ich fauchte nicht mit meinem Höllenatem, sondern landete vor dem Karren. Erschreckt wieherten die Pferde.
„Was in Gottes Namen...?“, hörte ich Johannes sagen.
„Ich bin es, Johannes!“,sagte ich.
„Wer bist du, du Gespenst aus der Hölle tiefster Gruft?“
„Ich bin Hieronymus!“
Ich roch den kalten Angstschweiß des Bischofs.
„Und jetzt willst du mich vernichten?“
„Nein, du sollst dafür sorgen, dass sämtliche Kleriker von meinem Land abziehen!“
„Das geht nicht!“
„Augustinus samt seiner Mönche habe ich schon ihrer Schicksale besiegelt!“
„Du bist mit dem Satan im Bunde, Hieronymus!“
„Nein, mit dem Geist der Freiheit!“, sagte ich und schwang mich empor.
Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich auf meinem Strohlager im Sturmfried. Das war der mächtigste Turm meiner Burg. Etwas lag auf mir, ich schaute, es war mein schwarzer Hund. Das machte er manchmal, legte sich einfach auf mich drauf. Aber eher auf meine Beine. Ich legte meinen Kopf wieder zurück und sann darüber nach, was ich getan hatte. Ich hatte Mönche verbrannt. Das war eine Handlungsweise, der ich normalerweise nicht nachging. Ich hatte Matrosen des Bischofs getötet. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Das nagte an mir, denn ich war niemandes Feind. Da hörte ich Hufgetrappel auf dem Dach meines Sturmfrieds. Das war die junge und schöne Walküre, die nur meinen Körper wollte. Ich vernahm Schritte, sie stiefelte die Stiegen innerhalb des Turmes hinab. Ich lag immer noch auf meinem Lager, begraben von meinem Hund. Vor meinem Lager aus Stroh hielt sie inne. Ich hatte die Augen geschlossen. Aber ich roch alles, das Parfum ihrer weiblichen Authenzität und den Duft in ihrem Schritt. Sie setzte sich auf mich – mein Hund verschwand. Dann fuhr sie mit ihren beiden Händen über meine Brust. Mir gefiel das. Nach einer Stunde Stöhnens zogen wir uns wieder an.
„Du hast es drauf, Jero! Meine Freundinnen haben nicht übertrieben!“
„Freut mich zu hören! Wie heißt du?“
„Sonnenschwert, ich gehöre der Gilde des roten Tuches an!“
„Ich bin Jero, Ritter des Ordens des schwarzen Drachen!“
„Deinen Namen kennt jeder, aber seit wann gibt es hier den Orden des schwarzen Drachen?“
„Seit jetzt!“
„Ach so, während wir Sex hatten, hattest du überlegt, einen Orden zu gründen?“, fragte die Dame pikiert.
„Nein, erst hinterher! Währenddessen konnte ich nicht denken!“
Das gefiel Sonnenschwert, und wir standen uns gegenüber, und sie zog mich an sich und küsste mich. Das war ein Fehler gewesen, denn just an diesem emotionalen Punkt in der Zeit verliebten wir uns ineinander.
Aber das wussten wir noch nicht. Wir gingen die Treppe, die an der Innenwand im Sturmfried spiralförmig nach oben glitt, hinauf. Dabei schauten wir uns immer wieder zaghaft lächelnd an. Als wir uns, auf dem Dach angekommen, voneinander verabschieden wollten, waren wir noch unsicherer. Ich kam mir wie ein 12jähriger Junge vor, der sich zum ersten Mal so richtig verliebt hatte.
„Wann sehen wir...?“, sagten wir beide gleichzeitig.
Wir lachten.
„Komm' mich doch mal in Walhall besuchen!“, sagte Sonnenschwert.
„Ja, mache ich! Ich könnte dich auch jetzt hinbringen, wenn du willst!“, meinte ich.
„Oh, das wäre fein!“, Sonnenschwerts Augen leuchteten.
„Aber es gibt ein kleines Problem!“, merkte ich an.
„Welches denn?“
„Mein Schiff ist irgendwo in der Ebene!“
„Das macht nichts! Wir suchen es!“
Also ritten wir los. Wir schwangen uns auf Sonnenschwerts Donnerross, und dann ging es los. Es wurde windig und zugig, ich liebte es. Ich spürte den kraftvollen Körper des Himmelspferdes unter mir und den meiner Geliebten vor mir. Man könnte sagen, dass ich sehr glücklich war. Bald fanden wir meine Karavelle namensLuise. Da sprang ich einfach von Sonnenschwerts Donnerross herab und wurde zu dem schwarzen Drachen und flog. Ich flog hinab zu meinem Schiff, und Sonnenschwert folgte mir.
„Du bist kein gewöhnlicher Ritter?“, fragte sie mich auf dem Oberdeck derLuise.
„Stimmt, ich bin kürzlich einem Drachen begegnet! Jetzt wohnt dieser in mir!“
„Oh, ein Drachenritter! Das ist selten! Für gewöhnlich kämpfen Ritter gegen Drachen, töten sie und führen dann die Jungfrau heim!“
„Dann scheint es so, dass ich aus der Art schlage!“
„Das könnte Odin gefallen! Kennst du den Allvater, Jero?“, fragte Sonnenschwert.
„Natürlich kenne ich ihn!“
„Du kennst ihn?!“
Ich bin aufDumit ihm!“
„Wie das?“
„Ich habe vor einstigen Zeiten seinen Sohn Thor im Duell besiegt! Jetzt ist Odin ganz närrisch auf mich!“
„Du hast Thor besiegt?!?!“
Sonnenschwert war irritiert.
„Niemand kann Thor besiegen!!“, fügte die Walküre hinzu.
„Verzeihung, ich heiße nichtniemand,sondern Jero!“
„Sag' an, mit welcher Kraft konntest du den Donnergott Thor besiegen?“
„Mit der Kraft meines Schwertes!“
„Zeige es mir!“
Ich zog mein Drachenschwert aus dessen Scheide und zeigte die Klinge der liebenden Walküre. Sie begutachtete sie, und sie erschrak.
„Was ist, Geliebte?“, fragte ich.
Sie konnte sich kaum beruhigen, so sehr quälte sie etwas. Ausgelöst durch die Ansichtigkeit meines Drachenschwertes. Da kam sie wieder zu sich.
„Jetzt weiß ich, warum Odin närrisch auf dich ist, Jero!“
„Aha!“
„Du sagst nurAha?“
„Ja, ich habe nurAhagesagt!“
„Du scheinst nichts zu fürchten, Ritter Jero!“
„So ist es! Ich fürchte nichts!“
„Wieso hast du vor nichts Angst, Jero?“
„Vielleicht hat es zu tun mitDie Genugtuung der sieben schwarzen Schlangen!“
„Was ist das?“
„Das ist ein Buch, das ich kürzlich in meiner geheimen Bibliothek gefunden und gelesen hatte!“
„Wie dem auch sei. Odin fürchtet eine neue Generation von Riesen, und es scheint, dass er dich als einzigen Bezwinger sieht. So erkläre ich es mir, dass er dich hofiert!“
„Davon hatte er mir noch nichts gesagt!“
„Dann bringe mich mit deinem Schiff nach Walhall! Dort werden wir Näheres erfahren!“
Kapitel 2
Also glitten wir mit meiner Karavelle hinauf nach Walhall. Wir erreichten einen Regenbogen, das war Bifröst, die Regenbogenbrücke zwischen Asgard und Midgard, zwischen Himmel und Erde. Dort stand einer.
„Odin erwartet dich, Jero!“, sagte der eine.
Es war Heimdal, der strahlende Gott.
„Warum diese Eile, Heimdal?“, fragte ich.
„Das weiß nur Odin allein. Es ist auch Thor da. Sie erhofften schon seit einiger Zeit deine Ankunft!“
„Es bekümmert mich, den Allvater so traurig zu sehen!“, sagte ich.
„Jero, gehe bitte weiter! Sie warten deiner!“
Also ging ich mit Sonnenschwert weiter und ließ meine Karavelle zurück an dem Regenbogen. Dann trafen wir in Asgard ein. Dort fand ich sie vor, Odin und Thor. Mit niedergeschlagenem Antlitz.
„Oh, mein Gott! Was ist Euch widerfahren?“
„Oh Jero, es tut mir so gut, dass du da bist! Hier innerhalb der Mauern von Asgard!“, sagte Odin.
„Sagt mir Eure Not, und ich will Euch davon befreien!“
„Es ist eine große Not, und fast habe ich die Befürchtung, dass selbst du, Jero, ihrer nicht gewachsen bist!“, klagte Odin.
„