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Ritter Jero wird von seiner Weggefährtin Wolfslilie getötet. Aber sein Ritterfreund Orge weiß um Abhilfe. Durch eine magische Handlung holt er Jero wieder in die Welt der Lebenden. Das ist aber noch nicht alles, denn Jero erwartet die Apokalypse der Drachen.
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Seitenzahl: 176
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Jörg Röske
Die Schneelandschaft und der violette Himmel
Die phantastischen Abenteuer des Ritters Jero
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Ruine
Styx
Der Fährmann
Wolfslilie
Der Traum
Mut eines Ritters
Nacht zum Tag
Das Drachenschwert
Flugzeug
Der Pilot
Artefakt
Die neun Hellebarden
Desaster
Der Stein
Das Andere Meer
Der lauernde Wolf
Das Feuer
Der schwarze Hund
Das violette Meer
Weggesprengt
Achtundzwanzig Rohre
In einem fernen, violetten Hauch
Die Vierzehn
Im Westen
Drachennacht
Jagd
Vier
Die Inthronisation des Geheimnisses
Das Schwert
Versunken
Der unbekannte Ritter
Die violetten Drachen
Der Tanz der sieben Drachen
Der violette Himmel
Für den Moment einer Seele
Das Lied der Dorfschutzherren
Der Kampfmönch
Öl
Die beiden Ritter
Wegesrand
Der Inquisitor und der Prophet
Der Walkür
Thor
Das kosmische Drache
Das helle All
Mjöllux
Die Walküre vom Feuervogel
Feuerzauber
Drachenhauch
Grem
Elf
Der himmlische Tross
Der ganz alte Schlachtkreuzer
Mjöllchron
Urmutter
Geisterstunde
Typ II C
Die Schlachtkreuzer
Die drei Drachen und die drei Kreuze
Sturm und Kogge
Das dritte Selbstgewählte
Tor zur Welt
Impressum neobooks
Eisig war es und der Himmel ständig getrübt vom rauen Geruch des Winters. Ein zugiger Wind fegte über die ebene Schneelandschaft hinweg, war zuhause im grauen Himmel und kam von dort. Nach Osten schmeckte seine Luft und seit Tagen wölbte sich sein düsteres Grau über uns, wärmte uns lediglich unser Atem bei unserer Wanderung durch den hellen Schnee. Wie ein Leichentuch lag er schon seit langem über der Ebene und bot mit seiner Helle die einzige Hoffnung, die, so sagt man, eigentlich von oben herab, vom Himmel, kommen sollte, der jedoch nur ein ödes Dunkelgrau bot.
Der sich zu Rauch wandelnde Atem erinnerte mich an Wärme spendende Maschinen, an warme Suppen, und warm war es mir lediglich durch mein Wandern, durch meine Bewegung. Wir drei hatten nur uns und selbst das wussten wir nicht. Gebückt mit verhängenden Kapuzen durchstiegen wir in unseren schwarzen Kutten die Weite, hatten die Speere über unseren Schultern.
Wie Sackleinen war der Stoff der Kutten geartet, ließ durch die Poren den Wind durch und das Kratzen spürte ich kaum, weil mein Fleisch an der Peripherie schon ertaubt war.
Da blinzelte ich hoch und entdeckte weit in der Ferne etwas Seltsames, ich wähnte ein Artefakt eines fremden Volkes. Ich steuerte darauf zu mit meinem keuchenden Schritt, hoffte dort auf Schutz, entdeckte beim hinaus Lugen aus meinem Kapuzenversteck keine Bewegung.
Meine beiden Begleiter folgten mir in einiger Entfernung - so, wie sie es hin und wieder taten. Wir wechselten uns schweigend mit dem Führen ab, wobei eigentlich niemand richtig führte und niemand richtig folgte. Aber immer waren wir zusammen - mal nahe, mal mit größerem Abstand. Und ein Ziel hatten wir nicht - in der Schneelandschaft, deren Kälte unser einziges Zuhause war, hatten wir jegliches Spüren verloren. Es war ein Irren und das wohl auch wegen der gräulichen Ungeheuer aus Stahl und Kettenrasseln und Ölgeruch, denen wir entkommen waren.
Da hatten wir schließlich das Seltsame erreicht, und ich stand erst einmal einfach nur so da neben den grauen Mauern und sah meinem dampfenden Atem zu. Die Begleiter ließen sich in der Nähe des Mauerwerks nieder und schichteten Holz zusammen, das sie irgendwo gefunden hatten.
Es glückte ihnen ein Feuer, das grau brannte und dessen Rauch kerzengerade und grau in den Winterhimmel stieg. Es wärmte die beiden kaum, so wusste ich, denn schon oft hatten wir unsere Hoffnung in ein Feuer gelegt, aber gewärmt hatte sie uns nur bis zum Horizont.
Die Speere der beiden, deren Gesichter ich seltsamerweise vergessen hatte, steckten hinter ihnen im Schnee. Meinen steckte ich auch hinein, zeigte er nun schattenlos in der eiszeitlichen Trübnis mit seiner Stahlspitze in den Himmel. Dann setzte ich mich vor ihn, hinein in den Trostschatten der Ruine.
Das heiße Getränk, das wir in kleinen Schlucken tranken, wärmte meinen Bauch und mein Inneres auf seltsame Art - Mut hatte ich wieder, ich stand auf, schaute umher und klar war es in meinem Kopf.
Ein Glucksen hörte ich von ferne und ich wusste, dass dieses unser Ziel war, hatten wir bisher nur in einem stummen Atmen auf Linderung gehofft. Schön war es, das Rauschen, von Wasser stammte es, sich bewegendem Wasser. Aber ein solches - ein Fluss oder Bach musste es sein - fand ich nirgendwo, so sehr ich auch die Schneelandschaft um mich herum absuchte. Auch - so fiel mir ein - wäre ein sich bewegendes Gewässer für die Eisigkeit dieser ebenen Öde kaum möglich, zugefroren wäre es.
Und so setzte ich mich wieder hin - die anderen hatten keine Notiz genommen.
War ich fast wieder erstarrt, da hatte ich jenes Glucksen erneut gehört und merkte wieder auf. Deutlicher vernahm ich es nun, nahm die Ruine in Augenschein, suchte und fand einen Pfad hinauf auf dem Mauerrest und folgte ihm.
Da sah ich ihn, breit schwang er sich wie eine Schlange weit hinten durch die Eisöde. Zugefroren schien er zu sein, der Strom, und dieses Ergebnis meiner Wahrnehmung wunderte mich nur für den Bruchteil einer Sekunde - Ströme frieren selten zu -, denn eisig musste es derart sein, dass ich diese Eisigkeit schon hätte nicht mehr spüren können. Aber trotz der Eisdecke hörte ich sein Glucksen, und noch etwas sah ich.
Einen schwarzen Punkt, der am Ufer verweilte und dessen Existenz mich beschleunigte. Ich wähnte beim Hinabsteigen ein Boot, und zu diesem Boot wollte ich - absurd, der Weg war durch die Eisdecke geebnet.
Da erst fiel mir ein, stieg es in mir auf - ein Glucksen wäre auf diese Entfernung zu einer warmen Zeit nicht zu hören gewesen.
War ich bei diesem Gedanken fast am Fuß der Mauer angelangt und stolperte ob dieses Gedankens von ihr herab, konnte mich jedoch noch fangen. Nur einen Moment hielt ich inne, ging dann weiter, nahm im Vorbeigehen meinen Speer, zog ihn aus dem von ihm gebildeten Eisloch. Geradewegs schritt ich in die Richtung meiner Entdeckung, die ich mutmaßen musste, aber gewiss hatte ich sie in mir.
So verließ ich sie, die Ruine, die einst eine Kirche gewesen sein musste.
Behenden und zügigen Schrittes durcheilte ich die Schneelandschaft, schaute mich nicht um, hatte das Ziel vor meinem inneren Auge - noch war es nicht zu sehen. Und das freundliche Glucksen hörte ich unvermindert, wurde zu einem guten Freund, der mich nun zu begleiten schien.
Abend wurde es - ich erkannte es daran, dass der Himmel noch düsterer wurde, aber Nacht war es nie geworden.
Nach einer kleinen Anhöhe sah ich vor mir einige Steinwürfe entfernt den größer gewordenen schwarzen Punkt. Die Form des Zieles war der eines Ruderbootes sehr nahe und bald war ich heran.
Mit zwei Riemen und einem ordentlich aufgerollten Seil war es bemannt - ich schlich um das Boot herum, suchte nach dem Schiffer. An Land war es gezogen worden und der Schnee hatte es mit seinem Weiß gefüllt. Es schien in seinem Dämmerschlaf unter der Eisigkeit auf den Frühling zu warten, auf die nächste Fahrt über den Strom.
Ich setzte mich erschöpft auf des Ruderbootes Rand und ein Schatten schlich umher. Schnell fuhr ich herum, nichts war zu sehen. Meine beiden Begleiter waren mir nicht gefolgt, und ich erklärte mir den Schatten mit meiner Erinnerung an die beiden.
Da saß ich wieder auf dem Rand des eingeschneiten Bootes und es schneite. Mein Atem dampfte und die niederfallenden Flocken waren sanft, spürte ich sie auf meinen Händen. Meine Kapuze schob ich zurück, die Schneeflocken streichelten mein Gesicht, dessen geschlossene Augen genossen.
Und der Schatten war wieder da, huschte vorbei und ich sah ihn trotz der genießenden Lider. Jäh riss ich sie auf, fuhr herum dabei, spürte den Schatten vor mir jenseits des Bootes mit meiner Brust, meinem Bauch und meinem Gesicht.
Nahm ich mit der rechten Hand den Speer, der sich auf der Bordwand aufstützte. Da verschwand der Schatten wieder in seine Unwirklichkeit - unwirklich war es ebenso, wenn er umher tanzte, war dabei kaum zu vernehmen.
Da war er hinter mir - schnell hatte ich gelernt, ihn wahrzunehmen - und ich drehte mich herum, stach zu. Da materialisierte der Schatten, wurde zu einem Kutten- und Kapuzenträger und zerfiel im nächsten Moment zu Staub.
Kein Gesicht hatte ich im Kapuzenschatten sehen können, bemerkte nur das rote Blut an der Stahlspitze meines Speeres.
Mit panischem Entsetzen erwachte Jero, wähnte er den Angriff der Drachen im nächsten Moment, schaute er mit geweiteten Augen hektisch umher, gesellte sich Entsetzen zu Entsetzen.
Der Ritter war ausgezehrt, nicht zuletzt durch die Furcht vor der Drachen Apokalypse, und erschöpft auf dem Sturmfried eingeschlafen. Jero schloss die Augen, lehnte mit haltenden Armen zwischen zwei Zinnen seines Turms - war dies der Ort seines Traums gewesen. Er rieb sich seine Augen, begann nachzudenken - ja, nun begann die Zeit seines Erinnerns. Und das wollte er nicht, es schmerzte, in einem Winkel seiner Seele spürte er noch die eisige Kälte.
Etwas beruhigt war er, hatte er während seiner Hektik den gelben Himmel und die graue Ebene gesehen, waren diese Vertrauten in ihn eingeflossen, sein Zuhause.
Orge stand neben ihm und schaute zu dem Ritter des schwarzen Drachen und fing mit seinem Blick das Seelenblut auf.
Da ging ein Rauschen, ein Wind durch die Luft und beide hoben den Blick und sahen Wolfslilie, die Walküre vom Sonnenschwert, heran preschen. Donnerten die Hufe ihres Schlachtrosses über sie hinweg und Orge sah zurück zu Jero, der zu der Kriegsfrau hinaufschaute, ihren Ritt durch die Luft mit seinen Augen verfolgte und Orge bemerkte die seltsame Verfärbung Jeros Mantels. Das Schwarz begann, violett zu schimmern und da trappelten auch schon die Hufe des Windpferdes auf dem Dach des Sturmfrieds, nachdem Wolfslilie ihr Ross in einer Schleife zurück zum Turm geführt hatte.
Ohne Hast stieg sie ab, schnaubte noch das Ross, und stellte sich neben ihr Tier. Dann grinste sie wieder ihr freches Grinsen und Jero erwiderte und senkte erleichtert den Kopf, war froh, dass sie wieder zurückgekehrt war.
Aber da zog sie ihr Schwert, Orge merkte auf, und Wolflilie tat einige Schritte auf Jero zu, hatte sie dabei kaum merklich Wut im Gesicht, das ansonsten starr wirkte.
Orge wurde zum Zuschauer, konnte nicht Handelnder sein und die Walküre trieb die Klinge ihrer Waffe in Jeros Bauch. Jero versteinerte, sah in der Kriegsfrau kalte Augen, kollabierend bleich wurde des Ritters Gesicht und die Adern seiner Augen traten rot hervor. Orge spürte den Schmerz in seinem Bauch und Jero brach tot zusammen.
Der frühere IIWO, der die Geschicke der Burg und des Ordens so gut verstand zu verrichten, eilte zu seinem Ritter, fing ihn auf und hielt ihn in seinen Armen. Doch zu spät war es, ein schwarzer Hauch stieg von Jero empor hinein in den gelben Himmel und wurde dort zu schwarzen Vögeln.
Da bückte sich Wolfslilie, entriss des toten Ritters Bauch ihr Schwert und mit Entsetzen und Unbegreiflichkeit und Wut schaute der lebende Ritter in der Walküre regloses Gesicht. Dann begann sie, durch den knienden Orge hindurchzusehen, verharrte so einen Moment, wandte sich dann ab und ging zurück zu ihrem Reittier. Sie schwang sich darauf, steckte mit einem Walkürenlachen ihr blutiges Schwert zurück in die Scheide und ritt donnernd auf ihrem Sturmpferd los, hinein in den Himmel.
Orge schaute hinterher, sah sie in der Ferne hoch oben in Wolkenbastionen verschwinden.
Ein Schwarm jäh auffahrender schwarzer Vögel erschreckte mich - wunderte ich mich, dass es hier lebendige Wesen gab. Ich schaute ihnen hinterher, nach Osten zogen sie, überquerten den zugeeisten Strom - unwirklich war diese Szenerie. Gebückt über dem Ruderboot war ich, hatte unter der Schneedecke nach Essbarem gesucht und wandte mich nun wieder meiner Suche zu.
Dergleichen fand ich nicht, jedoch einen Gegenstand präziser, schwerer und eisig kalter Art. Einen Moment, nachdem ich ihn völlig abgetastet hatte, hielt ich mit geschlossenen Augen und meiner rechten Hand unter der Schneedecke inne, spürte den Stahl.
Dann öffnete ich meine Fenster zur Welt und umgriff mit derselben Hand den Griff und zog das Schwert aus dem Tod. Fiel und bröckelte ab der Schnee und das Eis, hielt ich die Waffe vor mir, besah sie mir mit ihren seltsamen Zeichen - ein Langschwert war es. Entziffern konnte ich die beiden Ornamente nicht, waren sie rätselhaft und eigenartig und somit mit zu eigen - hintereinander aufgereihte Quadrate, die jeweils von einem Kreis umschlungen waren, wobei der Kreis durch die vier Eckpunkte des jeweiligen Quadrates führte.
Vier Quadratkreise waren es und diese auf der einen Klingenseite in einen dunkelgrauen, länglichen und rechteckigen Stahluntergrund eingelassen, der sich wenige Millimeter von der mattgrauen Klinge abhob. Silbrig schimmerte das rätselhafte Ornament und silbrig schimmerte jenes auf der anderen Klingenseite. Auch war dieser Untergrund selbigst geartet, schloss mit dem Heft ab und maß ein Drittel der Schwertlänge. Mittig war er auf der Klinge angeordnet und maß in der Breite die Hälfte der der Klinge.
Dieses andere Ornament zeigte eine längliche Welle, bestehend aus Berg und Tal, und in ihr schlief ein Drache.
Eine ganze Weile betrachtete ich beide Symbole, Zeichen von Nirgendwo, die zu mir redeten, mir ihr Geheimnis anvertrauten - sie gefielen mir und ich wollte ihr Inneres lüften.
Und da schaute ich in Richtung Osten, in den Himmel über dem zu geeisten Strom, den schwarzen Vögeln hinterher, die sich schon längst in der winterlichen Trübnis verloren hatten.
Dorthin führte mein Weg und ich steckte meinen Speer neben das schwarze Ruderboot in den festen Schnee und begann, mit dem Schwert in der rechten Hand über das Eis zu gehen.
Ich schaute nicht zurück, aber etwas in mir sah das Boot mit dem schräg stehenden Speer - Sargesnichts mit eisigem Leichentuch und traurigem und Fragen stellendem Bewacher, um die der eisige Winter wehte.
Ritter Orge rannen Tränen die Wangen herab, sie benässten seinen Stoppelbart, der dem gut aussehenden und einstigen IIWO zum Vorteile gereichte. In seinen Armen lag der, für den er all´ die lange und zurück liegende Zeit gearbeitet, gewirtschaftet, geplant und organisiert hatte und umsonst schien dieses gewesen zu sein, stand die prächtige Burg des schwarzen Drachen nun leer.
Dann kam das Meer in einer großen Welle und rann heraus aus Orges Augen, als vergraben war sein Angesicht in Jeros Hals - zwischen Schulter und leblos herabhängendem Kopf.
Abend war es schließlich geworden und im heraufziehenden Dunkel und Fackelschein wurde Ritter Jero in seinem Turm aufgebahrt - in seiner roten Kleidung und mit seinem scharfen und eleganten Schwert, das in seine über der Brust gefalteten Hände gelegt wurde.
Die ganze düstere und lange Nacht wachten die Ordensleute überall in der Burg, im Hof, auf den Mauern, auf dem Ordenshaus und auf den drei Türmen. Als einziger hielt Orge bei Jero im Sturmfried Totenwache, saß am Fußende der Bahre und ließ die Erinnerungen passieren.
Es wurde Morgen und Orge schaute hinauf, geweckt vom Blinzeln der Sonne, deren Strahl durch das offene Turmluk drang. Da sah der Ritter einen Schwarm schwarzer Vögel vorüberziehen, zogen sie durch der Sonne Helle. Orge schaute zu Jero, der reglos da lag mit stillem Antlitz.
Jäh schoss es Orge durch den Kopf, der Name des Drachen seines Ritters - Ischgatarh. Ja, das war der Zauber, das Wunder, das geschehen könnte und Orge wusste, dass es eine Möglichkeit gab, nur fehlte ihm noch das Wissen über die notwendigen Erfordernisse.
Hinaus aus dem Sturmfried eilte er, marschierte im Burghof auf und ab und die verschlafenen Ordensleute merkten auf, beobachteten den neuen Herrn der Burg. Sie rätselten über den angestrengt nachdenkenden Ritter, dessen Äußeres keinesfalls über eine Trauer Zeugnis gab.
Da befiel ihn die erste Idee und er eilte den Sturmfried hinauf, ging zu dem Ort, an dem Jero gestorben war. Hektisch lief er auf dem Dach umher, starrte zu dem Unglücksort, sah das Blut seines Ritters auf dem Steinboden und dann sah er das andere. Violett schimmerte das getrocknete Blut des Drachen - die Blutlachen lagen ein wenig versetzt übereinander.
Der Fund brachte den nächsten Schritt - der Drache - und damit ein nächstes Rätsel. Doch Orge, nun auf dem richtigen Weg, so empfand er, wusste schnell Rat. Er lief die Treppe im Sturmfried hinunter und öffnete die Luke neben den Eichenholzfässern. Der Ritter nahm eine Fackel und stieg hinab ins Kellergewölbe, mit ein wenig Beklemmung - Jero und Mero waren die einzigen, die in dieser unterirdischen Düsternis keine Beklemmung kannten -, und tastete sich vor.
Dann, nach aufregenden Schritten, erreichte er sie, die Regale mit den vielen Büchern und Manuskripten und Schriftrollen. Orge stand inmitten Jeros geheimer Bibliothek, von der nur wenige Eingeweihte wussten und die Ordensleute, denen Jero Zutritt gestattet hatte, waren niemals in dem Kellergewölbe gewesen. Lediglich Orge hatte für wenige Besuche Mut gehabt.
Nun schauderte der verbliebene Ritter erneut und er suchte das Buch der roten Rose und fand es und schlug es auf. Sofort war er gefangen von dem, was er las und vergaß dabei die Düsternis, die um ihn herum wallte. Er versank in den Tiefen des Buches, das Jero selbst geschrieben hatte und fand immer wieder den Namen Jeros Drachen.
Und er fand einen Satz, der lautete: 'Und ziehe ich das Schwert heraus aus meiner Seele, werde ich vereint sein mit Ischgatarh.'
Orge merkte auf und allmählich breitete sich die Gewissheit in ihm aus, an das Ziel seiner Suche gelangt zu sein. Doch es hob die Frage nach dem Seelenschwert an und der Ritter begann, erneut zu grübeln.
In der geheimen Bibliothek stöberte er erneut und wurde müde und versank in einen Schlaf. Er träumte von der Fahrt eines Mannes, der in einem Boot einen breiten Fluss überquerte. Der Mann lag reglos in dem schwarz getünchten Ruderboot und es war Frühling und ein verziertes Schwert steckte in seinem Bauch.
Da schreckte Orge auf und Schrecken und Antwort tanzten in ihm einen seltsamen Tanz von Duft und Tod. Der Ritter kannte das Schwert, es war Jeros altes, schweres Schwert, das er damals mit dem Griff nach oben zeigend in eine Nische im Sturmfried gestellt hatte.
Nacht war es inzwischen geworden - so stellte er fest, als er hinauf schritt und durch die offene Dachluke des Sturmfrieds einige wenige Sterne am schwarzen Himmel sah. Dabei meinte er einen kaum merklichen Schatten zu sehen, der das Schwarz ins Violette hinein fast nicht wahrnehmbar trübte.
Dann löste er sich von dieser Entdeckung und wandte sich zur Nische und sah das matt im Fackelschein schimmernde Stahlschwert. Er nahm es, hielt es heilig und ehrfurchtsvoll und ging damit zu Jero. Die in Orge einströmende Andacht samt des ruhevollen, durch den Klang des Kosmos´ driftenden Gesichtes des Toten ließen Orge das Weitere vergessen.
Doch es dauerte nicht lange und er entdeckte den Schnitt in Jeros roter Kleidung, der die Machenschaften Wolfslilies verriet und der hereinbrechende Schrecken machte Orges Gesicht totenbleich.
Während meines Überquerens des breiten Flusses trat von Zeit zu Zeit eine Vision vor mein inneres Auge. Seltsamerweise wärmte mich ihr Erscheinen und ein zweites Mal seltsam war dieses Phänomen, denn sie handelte von Kälte und Sterben.
Ich sah einen Mann, gebettet auf einem Fell in einem Boot, das einen Fluss hinabtrieb. Ruhig war das Wasser, still war es in der verschneiten Landschaft und der Mann war dem Tode nahe.
Immer wieder kam sie und jedes Mal freute ich mich mehr, denn die Wärme nahm zu.
So ging ich unbeirrt, hielt in der rechten Hand das schwere Schwert, verwandte es als Wanderstab. Zunehmend versank ich in meine Vision - der Sterbende näherte sich immer mehr seinem Totenreich. Gesäumt war sein Weg von einer Art Sakralinsignien, die verloren und geisterhaft wirkten, an beiden Flussufern aufgestellt waren. Dechiffrieren vermochte ich sie nicht, jedoch empfand ich mich nicht in einer allzu großen Entfernung zur Deutung.
Ich nahm die Kapuze ab, stöhnte schon fast vor Wärme, tat meinen Blick hinaus und bemerkte mich in einer Gegend, deren Boden grau war. Fest war er, Sand gab es allerorten und Steine hier und da.
Ich hielt inne, hob meinen Blick, sah einen gelben Himmel und in der Ferne eine Kirche, die brannte.
Mit Schaudern stand Orge auf dem Sturmfried - mit erhobenem und stoßbereitem Schwert. Vor ihm lag Jero - Seelenfrieden schlummerte in seinem Antlitz, obwohl er im Reich des bleichen Wahns gefangen war - und Orge sah den Schnitt in seines Ritters Bauch und roter Jacke. Er zitterte, entschied dann und schloss die Augen, und er begann die Handlung.
Das mit rätselhaften und seltsamen Symbolen bewehrte Schwert fuhr herab und der einstige IIWO öffnete dabei seine Lider - nicht um die Fahrt der Waffe zu überprüfen, denn den Weg kannte er genau. Stellen wollte er sich dem Ereignis, dem Tod, dem Grausigen, dem Unausweichlichen, es mit eigenen Augen sehen.
Da fuhr das mattgraue und alte Schwert in die blutige Scheide und Jero bäumte sich auf, stöhnte dabei aus tiefstem und schwärzestem Abgrund herauf. Dann sank er wieder zurück auf sein Totenlager, blies dabei seinen Atem in die Nacht. Orge durchlebte eine Art Hölle, während des Stoßes, und dann eine unbestimmbare Unsicherheit - umwehte ihn der Nachtwind im Fackelschein.
Heimlich vollzog Orge diese Zeremonie, dieses Unterfangen, auf dem mächtigsten Turm Jeros in stiller Mitternacht. Die Ordensleute schliefen, wussten nicht um ihres Ritters Gedanken und Tat und fürchteten zu arg die Mysterien, die ihre Ritter umgaben.
Bis zum Morgen wartete Ritter Orge - er wusste nichts, folgte lediglich seiner Intuition.