Suizidale Hilfe - Jörg Röske - E-Book

Suizidale Hilfe E-Book

Jörg Röske

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Beschreibung

Herr Zettel versucht, sich umzubringen. Aber nichts klappt. In seiner Not wendet er sich ans Amt. Aber dort muß er 12 Suicidversuche der letzten 6 Monate vorweisen. Ihm werden aber nur 9 Versuche angerechnet. Er versucht es weiter, und schließlich bekommt er suizidale Hilfe bewilligt. Er erhält Adressen, aber dort klappt auch nichts. Er trifft Leute, die auch des Lebens überdrüssig sind, und zusammen machen sie sich auf den Weg. Aber auch auf diesem Weg geht alles in die Hose. Schließlich kommen sie nach Pearl Harbor, das gerade von den Meistern des rituellen Suizids bombardiert wird.

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Jörg Röske

Suizidale Hilfe

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Impressum neobooks

Kapitel 1

„Guten Tag.“

„Guten Tag. Setzen Sie sich.“

„Danke.“

Der Mann setzte sich.

„Was kann ich für Sie tun?“

„Ich möchte gerne suizidale Hilfe beantragen.“

„Okay, dafür brauche ich den Nachweis von zwölf fehlgeschlagenen Suizidversuchen der letzten sechs Monate.“

„Habe ich.“

„Dann zeigen Sie mal.“

„Moment.“

Der Mann kramte in seinem Rucksack. Er legte einige Dinge auf den Tisch des Sachbearbeiters.

„Hier das Feuerzeug, das nicht funktionierte.“

„Ja.“

„Hier ein Seil, das gerissen ist.“

„Ja.“

„Hier die Pistole, für die ich einfach keine Munition fand.“

„Hm, das zählt eigentlich nicht.“

„Wieso?“

„Sie hätten die Munition bei irgendwelchen Händlern bekommen können.“

„Was meinen Sie mit irgendwelchen?“

„Damit meine ich illegal.“

„Das sagen Sie?“

„Wir vom Amt für suizidale Hilfe haben Sonderbefugnis.“

„Hätte ich das mal eher gewußt.“

„Weiter.“

„Hier die Handgranate, die nicht zündete.“

„Was meinen Sie damit?“

„Na ja, ich zog den Stift; und sie explodierte nicht.“

„Und die bringen Sie mit?!“

Der Sachbearbeiter nahm die Handgranate, öffnete das Fenster und warf sie hinaus. Draußen auf dem Rasen explodierte sie. Der Mann guckte.

„Oh, peinlich. Dann hätte ich einfach nur warten müssen.“

„Hätten Sie. Ist aber in Ordnung, dieser Versuch scheiterte. Weiter.“

„Dann hier ein Schreiben an einen örtlichen Zuhälter, in dem ich diesen wegen seines Jobs diffamiere."

„Haben Sie es abgeschickt?“

„Ja, das ist eine Kopie.“

„Okay. Weiter.“

„Dann hier ein abgebrochenes Messer.“

„Ja.“

„Dann hier eine abgebrochene Axt.“

„Wie bitte, eine abgebrochene Axt?“

„Ja.“

„Wie hatten Sie die denn verwendet?“

„Ich hatte sie mir vor den Kopf gehauen.“

„Hatten Sie auch die scharfe Seite genommen?“

„Wenn ich ehrlich bin nein.“

„Warum?“

„Ich wollte Schmerzen vermeiden.“

„Hatten Sie denn die andere Seite genommen?“

„Ja.“

„Wie oft?“

„32 mal.“

„Und dann?“

„Ich hatte Kopfschmerzen.“

„Dann hatten Sie ja doch Schmerzen.“

„Eigentlich ja.“

„Sagen Sie mir den wahren Grund, warum Sie nicht die scharfe Seite genommen haben.“

„Ich, ich..., äh, ich wollte Blutflecken auf dem Teppich vermeiden.“

„Hatten Sie auch kräftig zugeschlagen?“

„Was meinen Sie wohl, warum der Axtstiel abgebrochen istß“

„Na gut, akzeptiert. Weiter.“

„Dann habe ich hier Schlaftabletten, die ich nicht genommen hatte.“

„Wieso hatten Sie die nicht genommen?“

„Wissen Sie, ein Bekannter empfahl sie mir, er hatte sie auch genommen.“

„Ach ja.“

„Er meinte, die wirken wundervoll.“

„Und wieso hatten Sie die nicht genommen?“

„Ich hatte die Packungsbeilage gelesen und die Nebenwirkungen.“

„Ja, und?“

„Da wurde mir Angst und Bange.“

„Wegen der Nebenwirkungen?“

„Ja. Ich wollte einfach nur einschlafen, aber nicht noch Herzrasen und Schweißausbrüche und Hautausschlag bekommen.“

„Verstehe. Ist akzeptiert. Weiter.“

„Dann hier eine leere Packung Zigaretten.“

„Verstehe ich nicht.“

„Man sagt doch, mittels Zigaretten kann man sich umbringen.“

„Dafür genügt aber nicht eine Packung. Abgelehnt. Weiter.“

„Dann hier eine Fahrkarte für den Dampfer Titanic.“

„Das ist aber länger als sechs Monate her.“

„Gilt nicht?“

„Gilt nicht.“

„Dann hier das Gebiß eines Weißspitzenhochseehais.“

„Versteh ich nicht.“

„Na ja, ich war im Wasser und auch der Hai.“

„Und dann?“

„Verstehen Sie, ich war eine Stunde im Wasser.“

„Und der Hai hatte nicht zugebissen?“

„Genau. Eigentlich möchte ich gleichzeitig auch eine Beschwerde an Greenpeace richten.“

„Mit welchem Inhalt?“

„Dass die Haie auch nicht mehr das sind, was sie mal waren.“

„Ich nehme die Beschwerde gerne entgegen und werde sie weiterleiten.“

„Vielen Dank.“

„Weiter.“

„Gilt das denn mit dem Hai?“

„Ja.“

„Okay.“

„Wir sind jetzt bei acht gültigen Nachweisen.“

„Dann habe ich noch einen Nachweis vor der Tür.“

„Der Nachweis kann reinkommen.“

Der Mann ging vor die Tür und bat den Nachweis rein.

„Guten Tag.“, sagte der Nachweis.

„Guten Tag. Setzen Sie sich.“

„Danke.“

„Dann erzählen Sie mal.“

„Na gut, ich bin Lokführer.“

„Verstehe. Und weiter?“

„Wissen Sie, ich bin im Rangierbetrieb.“

„Ach ja.“

„Wissen Sie, eines späten Abends kam der Herr hier zu mir und beschwerte sich.“

„Was sagte er denn?“

„Er fragte mich, wo ich denn bliebe.“

„Und wo blieben Sie?“

„Na ja, ich bin dummerweise eingepennt.“

„In Ordnung, zählt. Weiter.“

„Mehr habe ich nicht.“

„Dann sind wir bei neun fehlgeschlagenen Suizidversuchen. Ich brauche aber zwölf.“

„Ich dachte, ich hätte alle beisammen.“

„Tut mir leid, das mit der Pistole, den Zigaretten und der Titanic kann ich leider nicht bewilligen.“

„Hm.“

„Machen Sie neue Versuche, und denken Sie daran, für einen Monat bitte zwei Versuche.“

„Na gut.“

Im nächsten Monat war der Mann wieder da.

„Guten Tag.“, sagte der Mann.

„Guten Tag. Da sind Sie ja wieder. Bitte setzen.“

„Vielen Dank.“

„Und? Haben Sie was mitgebracht?“

„Ja, hier eine angebrochene Schachtel Zyankalikapseln.“

„Zyankalikapseln?“

„Ja. Ich hatte sie unter Aufsicht meines Hausarztes genommen.“

„Ach.“

„Pro Tag eine.“

„Wie bitte?“

„Ich sagte, pro Tag eine.“

„Ach ja.“

„Ich bekam immer Atemnot.“

„Okay.“

„Nach einer Woche hatte ich sie mit Absprache meines Hausarztes abgesetzt.“

„Dann hatten Sie also sieben Kapseln genommen?“

„So ist es.“

„Und keine Wirkung?“

„Wirkung nicht, aber Nebenwirkung.“

„Sie scheinen ein schwerer Fall zu sein.“

„Ist mir auch peinlich.“

„Okay. Die sieben Zyankalikapseln gelten als sieben Suizidversuche, das bedeutet, wir sind jetzt bei 16 Versuchen. Die müssen auf sieben Monate umgerechnet werden, das heißt, wir brauchen insgesamt 14 Suizidversuche, aber Sie können 16 vorlegen. Sie erfüllen also die Voraussetzungen für die suizidale Hilfe, und zwei haben Sie noch gut.“

„Das habe ich nicht verstanden.“

„Es sind jetzt mittlerweile sieben Monate verstrichen, in denen Sie insgesamt 16 Suizidversuche unternommen haben.“

„Ja.“

„Bei sieben Monaten gilt der Satz von 14 verlangten Versuchen.“

„Ja.“

„Da Sie aber 16 Versuche vorweisen können, entsprechen Sie den Anforderungen. Sie haben sogar noch zwei gut.“

„Und was mache ich mit den zweien?“

„Die können bei einem nächsten Antrag angerechnet werden.“

„Ach ja.“

„Gut. Dann benötige ich noch einige Informationen. Ich gebe Ihnen mal ein Formular mit, das können Sie zuhause in Ruhe ausfüllen.“

Der Sachbearbeiter reichte dem Mann das Formular. Der Mann beschaute sich das Formular.

„Dann wären wir für heute fertig.“, sagte der Sachbearbeiter.

„Wann kann ich denn mit der suizidalen Hilfe rechnen?“

„Sobald Sie das ausgefüllte Formular eingereicht haben.“

„Das kann ich doch jetzt ausfüllen.“

„Mir wäre es lieber, Sie würden das zuhause tun. Dort haben Sie dafür notwendigen Unterlagen. Zudem warten vor der Tür noch weitere Antragsteller.“

„Na gut. Wann soll ich das Formular einreichen?“

„Innerhalb von zwei Wochen, aber nicht später.“

„Warum?“

„Sie könnten es sich anders überlegen.“

„Okay, vielen Dank.“

„Gerne.“

Nach einer Woche sprach der Mann wieder beim Amt für suizidale Hilfe vor.

„Guten Tag.“, sagte der Mann.

„Guten Tag.“, sagte der Sachbearbeiter.

Der Mann reichte wortlos das ausgefüllte Formular.

„Ah ja, was haben wir denn hier?“

Der Sachbearbeiter widmete sich dem Formular.

„Hausrat- und Haftpflichtversicherung 20.49 Euro, Krankenkassenbeitrag 256 Euro, Lebensversicherung 234 Euro. Ich sehe gerade, die anderen Felder haben Sie nicht ausgefüllt.“

„Was meinen Sie?“

„Wahrscheinlichkeit der Erleidens von Hodenkrebs, Prostatakrebs und Darmkrebs.“

„Ich sehe da keine Wahrscheinlichkeit.“

„Aber das muß zumindest vom Hausarzt bestätigt werden.“

„Wo steht das?“

„Hier.“

Der Sachbearbeiter zeigte den entsprechenden Passus auf dem Formular.

„Das hatte ich wohl nicht gesehen.“

„Macht ja nichts. Lassen Sie das noch nachprüfen.“

„Okay.“

„Und bitte mit Attest vom Arzt.“

„Ja, mache ich.“

Zwei Wochen später war der Mann wieder da.

„Na, dann zeigen Sie mal.“

Der Mann reichte das Attest. Der Sachbearbeiter las.

„Obig genannter Mann ist frei von Tumoren im Hoden-, Darm- und Prostatabereich. Hm. Das ist nicht das, was ich wollte.“

„Was wollten Sie denn?“

„Es ging um die Wahrscheinlichkeit.“

„Das hatte ich den Ärzten auch gesagt.“

„Und was hatten die gesagt?“

„Eine präzise Prognose konnten sie nicht sagen.“

„Na gut. Die Voraussetzungen sind erfüllt, und das Formular ist ausgefüllt. Suizidale Hilfe wird gewährt.“

„Vielen Dank.“

„Melden Sie sich nächste Woche Dienstag bei dieser Adresse um 8 Uhr. Dort erhalten Sie die erste Zahlung.“

Der Sachbearbeiter überreichte dem Mann einen Zettel mit den entsprechenden Informationen.

„Vielen Dank.“

„Gerne. Der nächste kann reinkommen.“

„Der nächste kann reinkommen.“, sagte der Mann zu den Wartenden.

Der nächste kam rein.

Der Mann klingelte um 8 Uhr an der Klingel. Eine Frau machte ihm auf.

„Herr Zettel?“, fragte sie.

„Ja.“, sagte der Mann.

„Kommen Sie rein, lassen wir keine Zeit verstreichen.“

Herr Zettel ging rein.

„Folgen Sie mir.“, sagte die Frau.

Herr Zettel folgte. Es ging in einen Raum, in dem es weitere Antragsteller für suizidale Hilfe gab. Man begrüßte sich. Unterwürfig vor der allgewaltigen Grausamkeit des Lebens.

„Nun begeben Sie sich in die Pose.“, sagte die Frau.

Man begab sich in die Pose. Herr Zettel sah die Pose der anderen, hinknien, den Kopf leicht senken. Er tat also. Die Frau nahm ein Samuraischwert und schlug dem ersten den Kopf ab. Hilfreicher Suizid gelungen. Dem nächsten erging es ebenso. Dann war Herr Zettel an der Reihe. Er freute sich schon. Die Frau holte zum Schlag aus, aber da löste sich die Klinge vom Griff. Die Frau fluchte.

„Mist!“, sagte sie.

„Bin ich tot?“, fragte Herr Zettel.

„Moment, ich arbeite daran.“, sagte die Frau und ging weg.

Sie kam mit einem weiteren Samuraischwert wieder.

„Bin wieder da.“, sagte sie.

„Wunderbar!“, sagte Herr Zettel.

Die Frau holte zum Schlag aus, aber die Klinge entfuhr wieder dem Griff.

„Mist!“, schimpfte die Frau.

„Was ist denn?“, fragte Herr Zettel.

„Ich habe Probleme mit dem Equipment.“

„Inwiefern?“

„Die Klinge löst sich immer von dem Griff.“

„Haben Sie noch ein Schwert?“

„Eigentlich schon.“

„Dann nehmen Sie es.“

Die Frau nahm das neuerliche Schwert, die Klinge flog vom Griff.

„Wir müssen Pause machen.“, sagte die Frau.

„Warum?“, fragte Herr Zettel.

„Da ist der Wurm drin.“

„Wo?“

„Ich weiß es nicht.“

„Und jetzt?“

„Kommen Sie morgen noch mal wieder.“

„Okay.“

Herr Zettel ging. Aber am nächsten Tag ging er nicht zu der Adresse, sondern zum Amt.

„Was gibt es?“, fragte der Sachbearbeiter.

„Probleme.“

„Inwiefern?“

„Die Klinge verläßt immer den Griff.“

„Dann ist das eine untaugliche Stelle für Sie. Ich schreibe Ihnen eine weitere Adresse auf.“

Der Sachbearbeiter reichte dem Mann den Zettel.

„Vielen Dank.“

„Gerne.“

Herr Zettel verließ das Amt mit dem Zettel, auf dem die weitere Adresse stand. Auf dem gab es nur ein Wort: Flughafen. Also fuhr er mit dem Bus zum Flughafen. Dort angekommen, stieg er aus und suchte sich eine öffentliche Person. Er fand jemanden, es war ein Wachmann.

„Hallo.“, sagte Herr Zettel.

„Hallo. Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Wachmann.

Herr Zettel reichte den Zettel.

„Ach, Sie kommen vom Amt?“

„Ja.“

„Dann kommen Sie mal mit.“

Der Wachmann ging voraus, Herr Zettel folgte. Sie erreichten ein Büro.

„Kundschaft!“, sagte der Wachmann zu der einzigen Dame, die im Büro saß.

Der Wachmann entfernte sich.

„Dann kommen Sie mal mit!“, sagte die Dame.

Die beiden verließen das Büro und gingen auf das Rollfeld. Dort stand ein kleines Flugzeug. Das besaß einen Piloten.

„Kundschaft!“, sagte die einzige Dame und entfernte sich ebenso.

„Na, dann wollen wir mal.“, sagte der einzige Pilot.

Er warf den Motor an, und die Maschine rollte zur Startbahn. Dort gab der einzige Pilot Gas und bald hob das Flugzeug ab.

„Was muß ich denn machen?“, fragte Herr Zettel.

„Abspringen, wenn ich das Zeichen dazu gebe.“

„Ohne Fallschirm?“