Der rote Tarkar - C. M. Spoerri - E-Book

Der rote Tarkar E-Book

C.M. Spoerri

4,3

Beschreibung

Vom wohlhabenden Mann zum Sklaven. Von grenzenloser Macht zum Kampf ums Überleben. Erlebe die Geschichte des roten Tarkars und wie er zu einer Legende von Karinth wurde. Als mächtiger Magier und Sohn des Bürgermeisters gehört Arkan zur privilegierten Oberschicht der Hauptstadt Karinth. Doch als er sein Herz an ein Sklavenmädchen verliert, bedeutet dies nicht nur das Ende seines wohlhabenden Lebens, sondern auch den Beginn einer abenteuerlichen Reise, die ihn an die Grenzen seiner Kräfte bringt. Und ihm aufzeigt, dass die wirklich wichtigen Dinge im Leben nicht mit Gold gekauft werden können.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 345

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,3 (3 Bewertungen)
1
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Landkarten

Nordkarinth

Südkarinth

Halbinsel Brun

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Schlusswort

Weitere Fantasy aus der Welt um Karinth & Altra

Fan werden

Glossar

 

C. M. Spoerri

 

 

Der

rote Tarkar

 

 

 

 

Fantasy

 

Der rote Tarkar

 

Vom wohlhabenden Mann zum Sklaven.

Von grenzenloser Macht zum Kampf ums Überleben.

Erlebe die Geschichte des ›roten Tarkars‹ und wie er zu einer Legende von Karinth wurde.

 

Als mächtiger Magier und Sohn des Bürgermeisters gehört Arkan zur privilegierten Oberschicht der Hauptstadt Karinth. Doch als er sein Herz an ein Sklavenmädchen verliert, bedeutet dies nicht nur das Ende seines wohlhabenden Lebens, sondern auch den Beginn einer abenteuerlichen Reise, die ihn an die Grenzen seiner Kräfte bringt. Und ihm aufzeigt, dass die wirklich wichtigen Dinge im Leben nicht mit Gold gekauft werden können.

 

Die Autorin

C. M. Spoerri wurde 1983 geboren und lebt in der Schweiz. Ursprünglich aus der Klinischen Psychologie kommend, schreibt sie seit Frühling 2014 erfolgreich Fantasy-Jugendromane (›Alia-Saga‹, ›Greifen-Saga‹) und hat im Herbst 2015 zusammen mit ihrem Mann den Sternensand Verlag gegründet. Weitere Fantasy- und New-Adult-Projekte sind dabei, Gestalt anzunehmen.

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, März 2018

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2018

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski | Kopainski Artwork

Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

Landkarte: Corinne Spörri | Sternensand Verlag GmbH

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-906829-85-2

ISBN (epub): 978-3-906829-84-5

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Liebt, träumt, genießt,

hasst, verachtet, grollt,

verzeiht, versöhnt, liebt weiter.

Wir sind Menschen – das nennt man Leben.

C.

 

Nordkarinth

 

Südkarinth

 

Halbinsel Brun

Vorwort

 

Dieses Buch handelt von einem Charakter, den meine Leser womöglich schon aus ›Die Legenden von Karinth‹ kennen. Und zwar vom ›roten Tarkar‹, der vollkommen ungeplant in Band 2 der Reihe auftauchte und mich so sehr faszinierte, dass ich seine Vergangenheit ergründen wollte. Dies habe ich nun mit diesem Buch, das natürlich seinen Namen trägt, getan.

 

Wir schreiben das Jahr 10 840 der ersten Epoche, also 16 Jahre vor den ›Legenden von Karinth‹, 405 Jahre vor ›Alia‹ und 411 Jahre vor der ›Greifen-Saga‹. In Altra herrscht gerade der Hundertjährige Krieg, aber auf dem Kontinent Karinth, auf welchem diese Geschichte spielt, merken die Menschen nicht viel davon. Sie haben ihre eigenen Probleme und der Kontinent Altra liegt weit, weit weg.

Folgt mir nach Karinth, in eine Gesellschaft, die sich stark von jener Altras unterscheidet. Und dennoch gilt auch hier: Nur wer Geld hat und Magie in sich trägt, besitzt auch Macht. Aber … ist das wirklich alles, was zählt?

Kapitel 1

 

»Bei den Göttern! Ich habe dich nicht in die Welt gesetzt, damit du wie ein nichtsnutziger Bengel in den Tag hinein lebst – zusammen mit einer lausigen Sklavin!«

Der hochgewachsene Mann stützte sich schwer auf der Tischplatte ab, während er seinen Sohn anstarrte, der nicht nur die dunkelroten Haare, sondern auch das Temperament von ihm geerbt hatte.

Dieser gab sich jedoch unbeeindruckt vom wütenden Schnauben, das die Worte seines Vaters begleitete. Er zog nur eine Augenbraue in die Höhe und lehnte sich im Stuhl zurück, während er dem Mann, der ihm gegenübersaß, einen gleichmütigen Blick schenkte. »Und ich dachte, du hättest Mutter – die Götter haben sie selig – deinen Samen gegeben, weil du sie geliebt hast«, meinte er mit betont ruhigem Tonfall.

Prompt fuhr die Faust seines Vaters auf die Tischplatte hinab und sein Gesicht nahm beinahe dieselbe Farbe wie sein Haar an. »Wie wagst du es, mit mir zu sprechen?!«, wütete er. »Raus! Geh mir aus den Augen! Ich verfluche den Tag, an dem du geboren wurdest!«

Sein Sohn hatte nur auf diese Aufforderung gewartet. Er erhob sich geschmeidig und verneigte sich übertrieben korrekt. »Du fluchst so viel. Vielleicht solltest du es mal mit Beten versuchen.« Dann drehte er sich mit einem letzten herablassenden Lächeln um und schritt in Richtung der vergoldeten Tür, die das Arbeitszimmer des Magiers vom Rest des Hauses abgrenzte.

»Arkan!« Die Stimme seines Vaters war schneidender als ein frisch geschliffener Dolch. Der junge Mann drehte sich noch einmal zum Magier um, der immer noch wutschnaubend an seinem Tisch stand. »Wenn du zu diesem Fest gehst, bist du für mich gestorben!«

»Na, dann überleg dir schon mal eine angemessene Grabrede.« Arkan drehte sich wieder in Richtung Tür, während er hinzufügte: »Am besten ohne zu viel Fluchen, das hören die Tempeldiener nicht so gern.«

Was sein Vater darauf erwiderte, konnte er nicht mehr hören, denn die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.

Draußen atmete Arkan tief durch und schloss seine smaragdgrünen Augen. Als er sie wieder öffnete, glitt sein Blick zu der dunkelhaarigen Frau, die mit gefalteten Händen im Empfangszimmer saß und wirkte, als würde sie beten. Sie war das hübscheste Mädchen, das er jemals gesehen hatte. Aber nun zeichnete Unsicherheit ihre Züge. Ihre dunkelbraunen Augen waren erwartungsvoll und mit einer Spur Angst auf ihn gerichtet.

Als er den Kopf schüttelte, ließ sie die Schultern enttäuscht sinken. Ein Anblick, den er sich gern erspart hätte, aber er hatte gewusst, dass es schwierig werden würde, seinen Vater zu überzeugen.

»Komm, Mila«, murmelte Arkan und hielt ihr seine Hand entgegen. »Lass uns draußen sprechen.«

Sie nickte und ließ sich wortlos von ihm auf die Beine ziehen. Wie eine gehorsame Sklavin folgte sie ihm – ein Gedanke, der Arkan die hochnäsige Gelassenheit, die er seinem Vater eben noch vorgespielt hatte, vergessen ließ.

Er hasste es, wenn er selbst sie so sah. Aber das war sie nun mal: eine Sklavin. Die Sklavin seines Vaters. Und doch sah er so viel mehr in ihr. Seit er sie zum ersten Mal im Speisesaal des stattlichen Herrenhauses erblickt hatte. Er hatte lange gebraucht, um sich aus seiner Erstarrung zu lösen, und danach hatte er sich nicht mehr aufs Essen konzentrieren können. Immer wieder waren seine Blicke der hübschen neuen Sklavin gefolgt. Und dann, vor ein paar Monaten, hatte er sie zu sich gerufen, um mit ihr in Ruhe zu sprechen. Da hatte er gemerkt, dass hinter ihrer schönen Fassade eine überaus kluge und warmherzige Frau steckte – und sich in sie verliebt.

Sie war sein Ein und Alles … nur wollte sein Vater das leider nicht einsehen.

»Sturer alter Bock«, brummte er, während er mit Mila an der Hand in die Gärten hinaustrat.

Hier gab es ein weitläufiges Labyrinth aus hohem, gepflegtem Buschwerk, das so manche geheime Nische verbarg. Früher hatte Arkan sich einen Spaß daraus gemacht, jede Menge Magierinnen im Schutze der Büsche zu verführen. Bis er Mila begegnet war. Von da an hatte sich alles geändert. Er hatte sich geändert. Er war zwar erst zwanzig Jahre alt und sie seine erste große Liebe – aber umso entschlossener war er, um sie zu kämpfen.

Nun führte er die junge Frau zu einer Steinbank und bedeutete ihr, sich zu setzen.

»Was hat er gesagt?«, fragte sie und sah ihn mit großen Augen an.

In ihnen lag so viel Hoffnung, dass es Arkan beinahe das Herz zerriss, ihr genau diese nehmen zu müssen. »Er hat viel gesagt – vor allem aber geschrien und geflucht.« Er strich sich seine langen Haare zurück, die er wie immer offen trug, und fuhr sich dann mit der Hand über den Kinnbart, den er jeden Tag sorgfältig pflegte. Einen Moment blickte er in den Himmel, dann zurück zu Mila und seufzte. »Es tut mir leid … Es tut mir leid, dass er so ein verbohrter Esel ist.« Er ließ sich neben ihr auf die Bank fallen und ergriff ihre Hände. »Aber ich lasse mich davon nicht abhalten. Ich werde mit dir zu diesem Fest gehen. Auch wenn mein Vater mich deswegen enterben sollte.«

Mila senkte den Blick und starrte auf ihre Finger, die Arkan mit seinen festhielt. »Es sollte wohl nicht sein«, flüsterte sie. »Ohne die Einwilligung deines Vaters dürfen wir nicht zum Rosenfest gehen und uns verloben. So will es das Gesetz.«

»Sag so etwas nicht!«, widersprach Arkan und zog sie näher zu sich. Der Duft nach Veilchen, der immer von ihr ausging, strömte ihm entgegen. Er sog ihn tief ein, tankte Kraft daraus, ehe er umso energischer fortfuhr. »Wir lieben uns. Alles andere ist bedeutungslos! Mein Vater ist bedeutungslos! Ich scheiß auf seine Einwilligung!«

Milas dunkle Augen verfingen sich in seinen. Er konnte sie unnatürlich glänzen sehen … Sie weinte … seinetwegen. Eine Feststellung, die ihn hart schlucken ließ.

»Arkan … ich liebe dich«, hauchte sie. »Mehr als alles andere auf der Welt. Aber wir sind nicht füreinander bestimmt.« Sie entzog sich ihm und wischte eine Träne weg, die sich von den Wimpern gelöst hatte und ihr über die Wange rann. »Du bist einer der reichsten und mächtigsten Männer in Karinth. Ein Magier aus dem Hochadel, dem Möglichkeiten offenstehen, die dein Volk in eine bessere Zukunft führen können. Und ich … ich bin nur eine einfache Sklavin. Ohne Stammbaum. Ohne Mittel oder Möglichkeiten. Du darfst dein Leben nicht für mich aufgeben, hörst du?«

Arkan hatte in der Hälfte ihrer Ansprache begonnen, den Kopf zu schütteln. Jetzt fielen ihm einige seiner langen roten Haarsträhnen wieder in die Augen und er blinzelte sie weg. »Nein. Hör auf, so etwas zu sagen! Ich gebe mein Leben nicht auf, ich beginne es erst wirklich zu leben – weil ich dich an meiner Seite habe. Wenn ich dich heirate, bist du nicht mehr ohne Stammbaum. Dann …«

»Was dann?«, unterbrach sie ihn. »Ich bin dennoch eine Niedere. Auch die Tatsache, dass ich ein bisschen Erdmagie in mir trage, ändert daran nichts. Der Hochadel würde immer die Sklavin in mir sehen, die die Blutlinien der Magier beschmutzt. Niemand billigt die Anwesenheit einer Niederen in der Oberstadt. Mögen sie noch so sehr behaupten, dass auch Sklaven mit magischen Kräften die Möglichkeit haben, an den Akademien zu lernen. Die Wahrheit sieht ganz anders aus. Was glaubst du, warum ich niemandem erzählt habe, dass ich ein paar kleine Zauber beherrsche?« Ihre Augen weiteten sich. »Wenn sie es erfahren hätten, hätten sie mich doch längst getötet. Und wenn wir heiraten … dann wäre der Tod beinahe besser als das, was dir blühen würde. Man würde dich verstoßen – dir alles nehmen, was du je hattest. Nein«, sie sah ihn eindringlich an, »das kann ich nicht verantworten.«

»Das ist mir gleichgültig«, erwiderte Arkan in bestimmendem Tonfall. »Alles Geld der Welt bedeutet mir nichts, wenn ich nicht bei dir sein kann.«

Mila lächelte gequält. »Das sagst du jetzt. Aber … irgendwann wirst du mir genau das zum Vorwurf machen. Irgendwann wirst du dich fragen, ob es das wert war. Ob ich das wert war. Und dann wirst du zu zweifeln beginnen.«

»Ich werde nie zweifeln! Hier.« Er zog eine kleine Schatulle aus seinem Hemd, die er ihr eigentlich erst beim Rosenfest als Verlobungsgeschenk hatte geben wollen. Aber wenn sie glaubte, dass seine Liebe nicht groß genug war, musste er ihr eben jetzt gleich das Gegenteil beweisen. »Nimm das hier zum Zeichen, dass ich dich immer lieben werde. Ganz gleichgültig, was geschieht.«

Sie senkte den Blick und starrte auf die Schatulle, die er ihr so lange entgegenstreckte, bis Mila sie sachte in ihre Hand nahm. Als sie das Kästchen öffnete, entfuhr ihr ein Laut der Überraschung. »Arkan …«, hauchte sie. »Das … Ich kann das nicht annehmen.«

»Doch. Das kannst du«, erwiderte er mit Nachdruck, griff nach der Schatulle und nahm den edlen Armreif heraus, den er vor zwei Wochen bei einem der teuersten Schmuckhändler gekauft hatte.

Er bestand aus purem Gold, hatte filigrane Verzierungen, die kleinen Blüten glichen, sechs an der Zahl – der Zahl der Liebe. Arkan hatte sie extra für Mila eingravieren lassen. Solche Armreife galten als sehr begehrt unter der Oberschicht, da sie die Verbindung zweier Menschen darstellten.

Als Mila nicht reagierte, ergriff Arkan ihre Hand und streifte den Reif darüber. »Ich liebe dich«, sagte er und küsste sie auf den Mund.

Doch sie erwiderte den Kuss nicht, sah bloß auf den Armreif hinunter, während ihr Gesicht immer trauriger wurde. »Arkan … du weißt nicht, wie es ist, ohne Geld und Macht zu leben«, flüsterte sie. »Du musstest nie auf Wohlstand verzichten und wirst es auch nie müssen. Das Leben, das ich führe … es unterscheidet sich so sehr von deinem.« Sie sah ihm wieder in die Augen. »Du wirst unglücklich werden mit mir. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen. Aber irgendwann fehlt dir das alles.« Mit ihrer Hand beschrieb sie einen ausladenden Kreis, der das Herrenhaus samt den wunderschönen Gärten mit einschloss.

»Ohne dich werde ich aber nicht glücklich«, warf Arkan verzweifelt ein.

»Doch. Das wirst du. Das musst du. Du bist ein mächtiger Magier und kannst dein Leben verlängern. Ich bin eine einfache Frau. Ich werde alt und gebrechlich – und spätestens dann wirst du mich nicht mehr lieben können.«

»Ich werde zusammen mit dir alt werden und auf mein langes Leben verzichten«, versuchte er, ihren Entschluss zum Schwanken zu bringen. Vergebens.

Mila schüttelte bloß den Kopf, erhob sich und strich ihr schlichtes beiges Dienergewand zurecht. »Nimm den Armreif zurück.« Sie streifte ihn ab, aber Arkan weigerte sich, ihn anzunehmen. Also seufzte sie und zog ihn wieder an, ehe sie traurig auf ihn hinuntersah. »Ich werde deinen Vater bitten, mich zu verkaufen«, flüsterte sie.

»Was wirst du?!« Arkan sprang von der Bank hoch und packte sie an den Schultern. »Niemals! Das lasse ich nicht zu!«

Mila legte sanft ihre Hände auf seine. »Es ist die einzige Möglichkeit. Das mit uns – es war ein schöner Traum. Aber nun müssen wir in die Wirklichkeit zurückkehren und in dieser bin ich nun mal eine Sklavin. Doch wenn ich weiter hier arbeite, werden wir uns jeden Tag sehen. Irgendwann wirst du eine andere Frau haben. Und das … ertrage ich nicht.« Sie wand sich aus seinem Griff und ging raschen Schrittes davon.

Arkan wollte ihr nachrennen, aber seine Beine waren wie am Boden festgeklebt.

Nein … Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Und doch erkannte er die Wahrheit in ihren Worten. Mila hätte keine Chance, an seiner Seite glücklich zu werden. Nicht hier. Nicht in Karinth.

Aber … Was, wenn er sie nicht hier heiraten würde? Wenn er mit ihr durchbrannte? Irgendwohin, wo niemand sie kannte? Wo sie Seite an Seite glücklich werden könnten, ohne dass jemand ihren Stand infrage stellte?

Er dachte an Altra oder Seoul. Zwei Kontinente, so weit entfernt, dass nur die wenigsten Händler jemals dort gewesen waren. Und doch gab es sie. Er hatte viele Geschichten gehört. Abenteuerliche Legenden von Drachen, Zwergen, Elfen … Völker, die erst vor einigen Jahren hier in Karinth aufgetaucht waren, als der Hundertjährige Krieg in ihrem eigenen Land begonnen hatte.

Allerdings … Mila in ein Land zu bringen, in welchem Krieg herrschte, erschien ihm ebenso riskant wie unüberlegt. Doch in der Stadt konnte er nicht bleiben, wenn er mit ihr zusammen sein wollte. Jeder kannte ihn, da sein Vater der Bürgermeister der Hauptstadt und damit der einflussreichste Mann in Nordkarinth war.

Es war zum Verzweifeln …

»Na, was tust du denn hier so allein? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«

Die Stimme seiner Schwester Cassandría riss ihn aus den wirbelnden Gedankengängen und er blinzelte, während er sich zu ihr umdrehte.

Wie immer war sie atemberaubend schön. Nicht nur, dass ihr Haar im Sonnenlicht wie Gold glänzte, auch ihre Augen – die dieselbe grüne Farbe wie seine eigenen besaßen – strahlten regelrecht mit dem smaragdfarbenen Kleid um die Wette, das ihre weiblichen Reize hervorragend betonte. Den fein geschwungenen Mund hatte sie zu einem Lächeln verzogen, von welchem Arkan jedoch wusste, dass es einstudiert war.

Seine Schwester war kein liebevoller Mensch. Sie kam ganz nach ihrer Mutter, welche zeit ihres Lebens nach Macht und Geld gedürstet hatte. Beides hatte sie nicht in ihr Grab mitnehmen können, als sie an einer Krankheit gestorben war, gegen die sogar die Heiler machtlos gewesen waren.

Auch Cassandría war auf dem besten Weg, irgendwann mit versteinertem Herzen zu sterben, wenn sie so weitermachte und mit ihrer herablassenden Art jeden Verehrer vergraulte – und sie hatte eine Menge davon. Aber sie hielt lieber ihre kranke Beziehung zu ihrem Cousin aufrecht, als sich die Mühe zu machen, sich einem fremden Mann zu öffnen. Vielleicht war es auch besser so. Jeder wäre an ihrer Seite unglücklich geworden – und ihr Cousin Biélal hatte dieses Schicksal wenigstens verdient, denn er war ein Heuchler ohne Rückgrat.

»Was schaust du mich so an?«, fragte sie und legte den Kopf schief. »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?«

»Wohl eher unser Vater«, knurrte Arkan und fuhr sich wieder durch das Haar.

»Kann ich etwas für dich tun?«

Sie fuhr ihm mit der Hand sachte über den Oberarm, was ihn erschaudern ließ. Er wusste genau, was dieses ›etwas‹ war. Sie hatte es ihm nur zu deutlich gezeigt, als sie ihn einmal beim Baden ›überrascht‹ hatte. Seither schloss er immer alle Türen ab, ehe er sich auszog.

»Lass mich.« Er packte ihre Hand und schob sie weg. »Du bist eine kranke Frau mit kranken Fantasien. Ganz sicher nicht das, was ich jetzt brauche.«

»Sagt er und sieht mich dennoch so lüstern an, dass mir ganz warm wird.« Nun lächelte sie echter, denn dieses Spiel bereitete ihr Vergnügen.

Arkan wusste, dass er sie weder ›lüstern ansah‹ noch ihr ›ganz warm‹ wurde. Aber es hätte keinen Sinn gemacht, ihr dies zu sagen. Also wandte er sich ohne ein weiteres Wort zum Gehen.

»Es ist wegen ihr, oder?«

Cassandrías Stimme ließ ihn mitten in der Bewegung innehalten.

Wann verdammt noch mal hatte sie etwas von Mila erfahren? Er hatte sich so sehr bemüht, ihre Beziehung geheim zu halten. Nur seinem Vater hatte er vorhin zum ersten Mal die Wahrheit gesagt. In der vergeblichen Hoffnung, dass das kalte Herz des Magiers doch noch einen Funken des Feuers tragen möge, das ihm ansonsten in Form von Magie durch die Adern floss …

Da Arkan bewusst war, dass es nichts bringen würde, seiner Schwester eine Lüge aufzutischen, versuchte er es gar nicht erst. »Woher weißt du …«

»Ich weiß über alles Bescheid, was in diesem Hause geschieht, Bruderherz.« Ihre Stimme klang beinahe fröhlich und verspielt. »Auch, was die kleine Sklavin vorhat. Armes Ding, will sich selbst zum Verkauf anbieten … Wirklich bedauerlich, wie grausam das Schicksal manchmal sein kann.«

Nun entfuhr Arkan ein Knurren und er wirbelte zu Cassandría herum. »Ich warne dich! Wenn du deine dreckigen Finger im Spiel hast …«

Wieder ließ sie ihn nicht ausreden, denn sie hob die Arme in die Luft und grinste. »Meine Hände sind so rein wie mein Herz, Liebster.«

Beides eine Lüge. Aber auch hier brachte es nichts, ihr dies vorzuhalten, denn sie wusste es genauso gut wie Arkan selbst.

»Dann sorg dafür, dass das auch so bleibt!«, fuhr er sie stattdessen an. »Und jetzt entschuldige mich. Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich mit dir abzugeben. Zum Beispiel wollte ich schon immer wissen, wie viele Steinplatten unser Vorhof hat.«

Sie ließ ihr glockenhelles Lachen erklingen, für das Männer töten würden, nur um der Grund dafür zu sein. Arkan widerte es einfach nur an.

»Dann lass dich nicht davon abhalten, lieber Bruder«, säuselte sie. »Und bei der Gelegenheit kannst du auch gleich das Unkraut aus den Rillen zupfen. Denn deine Sklavenfreundin wird das wohl nicht mehr lange tun können. Nun ja, vielleicht wird sie sich ja auch bald aus einem anderen Grund bücken …«

Arkan war drauf und dran, Cassandría zu packen und zu schütteln, aber er widerstand dem Drang, ihr wehzutun, und drehte sich stattdessen wortlos um. Er wusste, dass es sie viel mehr kränkte, wenn sie nicht die Aufmerksamkeit erhielt, auf die sie mit solchen Provokationen abzielte. Also ging er gemäßigten Schrittes auf den Ausgang des Labyrinths zu und atmete erst durch, als er die obere Ebene der Gärten erreicht hatte, die zu seinen Gemächern führte.

Verdammt noch mal. Er würde es zu verhindern wissen, dass Mila seinen Vater darum bat, sie zu verkaufen. Denn wenn sie das täte, würde sie in ihr Unglück rennen. Eine junge hübsche Frau wie sie war begehrt auf dem Sklavenmarkt. Allein beim Gedanken, dass sie die Bettgespielin eines fetten alten Magiers werden könnte, gefror alles in Arkan.

Nein. Er musste eine andere Lösung finden. Es gab immer einen Weg …

Kapitel 2

 

Fast eine Woche war seit dem Gespräch mit seinem Vater vergangen und noch immer hatte Arkan keine Lösung gefunden. Mila ging ihm seit ihrem letzten Treffen aus dem Weg. Im Grunde wäre es für Arkan ein Leichtes gewesen, sie zu sich zu rufen, aber er wollte, dass sie freiwillig zu ihm kam. Nicht, weil ihr Herr es befahl und sie als Sklavin zu gehorchen hatte.

Das Rosenfest würde bereits morgen Abend stattfinden und auch wenn Mila es nicht wollte, schwor Arkan sich, mit ihr daran teilzunehmen. Es war alte Tradition im Hochadel, dass sich junge Paare dort die Treue schworen. Unter dem Blütenregen, der von Hunderten von Rosen stammte, welche über den Liebenden ausgeschüttet wurden, während sie sich erstmals in aller Öffentlichkeit küssten. Und ja, auch er und Mila würden unter den Verlobten sein.

Doch ein Problem gab es noch zu bewältigen: Er brauchte einen Trauzeugen. Jemanden, der bestätigte, dass Mila und er dort gewesen waren und sich bei der Göttin der Liebe den Segen für ihre Ehe geholt hatten.

Dafür kam niemand anderes als sein langjähriger Freund Togar infrage. Ein junger, temperamentvoller Magier, der dem Leben mit offenen Armen begegnete und zusammen mit Arkan bereits so manche brenzlige Situation durchgestanden hatte. Wenn jemand verstehen konnte, dass man seinen Gefühlen folgen musste, dann er.

Also wartete Arkan nun am Geländer seines Balkons, starrte in den Abendhimmel über sich. Vor zwei Tagen war der Mond noch voll gewesen, nun nahm er wieder ab, doch sein Licht erhellte noch genügend die Nacht, sodass auf der Terrasse nur zwei Fackeln entzündet werden mussten.

Arkan schwenkte seinen Weinkelch, während er überlegte, wie er das Gespräch beginnen sollte, sobald sein Freund hier war.

Togar stammte aus einer ebenso angesehenen Magierfamilie wie er selbst. Trotz der Tatsache, dass sein Freund viel Verständnis für Liebeleien und Geplänkel hatte, galten auch für ihn die Regeln des Hochadels. Und diese besagten, dass man sich nicht mit einer Niederen einlassen durfte, da man dadurch die Blutlinien gefährdete. Magier blieben unter sich, so war es hier in Karinth immer schon gewesen.

Würde Togar also Verständnis für Arkans Liebe zu Mila zeigen können? Würde er sich sogar dazu bereiterklären, für ihre Ehe zu bürgen? Eine Aufgabe, die ihm seinen Ruf kosten konnte?

Noch während Arkan das Für und Wider abwog und sich die richtigen Worte zurechtlegte, seinen Freund zu überreden, erklang hinter ihm ein Räuspern.

»Herr.«

Der Sklave sprach leise und vorsichtig. Er wusste, dass er Arkan eigentlich nicht unterbrechen durfte, wenn dieser in nachdenklicher Stimmung war. Dass er es dennoch tat, sprach dafür, dass er ebenso wusste, weder eine Auspeitschung noch Wässerung befürchten zu müssen.

Arkan war noch nie ein Freund davon gewesen, Sklaven zu bestrafen. Er sah – anders als viele Magier – Menschen in ihnen. Und Menschen verdienten es nicht, bis aufs Blut gegeißelt oder bis kurz vor dem Ertrinken ins Wasser getaucht zu werden.

Daher war er auch jetzt nicht verwundert, als er sich zu dem Sklaven umdrehte und dieser ihn freundlich anlächelte. Eine Regung, die viele Herren ihren Leibeigenen verboten hätten. Aber Arkan mochte es lieber, wenn seine Sklaven ihm zeigten, wie sie sich fühlten, als dass sie hinter seinem Rücken über ihn tuschelten. Allein schon, um sich von seinem herrischen Vater und seiner selbstverliebten Schwester abzuheben, erlaubte er den Sklaven daher Dinge, die seine Familie ansonsten verpönte.

»Euer Freund Togar ist soeben eingetroffen, mein Herr«, erklärte der Sklave und neigte das Haupt. »Darf ich ihn zu Euch führen?«

»Ich bitte darum.« Arkan machte eine kleine Geste mit der Hand, um zu signalisieren, dass er bereit war. »Ich erwarte ihn hier draußen auf dem Balkon.«

»Sehr wohl, mein Herr.« Der Sklave verneigte sich. »Darf ich Euch sonst noch etwas bringen?«

»Nein. Ich werde dich rufen, wenn ich etwas benötige.«

»Wie Ihr wünscht, mein Herr.« Der Sklave beeilte sich, ins Innere des Gebäudes zurückzukehren und den Neuankömmling hinauszugeleiten.

Kurze Zeit später trat ein hochgewachsener, schlanker Mann auf den Balkon. Er trug wie immer teure Roben, die größtenteils in seiner Lieblingsfarbe Gold gehalten waren. Sein pechschwarzes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengenommen, der Oberlippenbart wirkte wie zwei feine Striche, die er sich ins Gesicht gemalt hatte.

Anders als die meisten Hochadeligen schminkte er sich kaum – nur schwarze Striche um die Augen betonten das dunkle Braun. Ein weiterer Grund, warum Arkan ihn mochte, denn er schminkte sich selbst auch nur, wenn es wirklich sein musste.

»Arkan, alter Freund!«, rief Togar und breitete die Arme aus, um den rothaarigen Magier in eine herzliche Umarmung zu ziehen. »Was verschafft mir denn die Ehre dieses nächtlichen Empfangs? Hast du dich wieder mit einer Schülerin deines Cousins eingelassen und ich darf dich aus dem Schlamassel ziehen? Oder ist es deine Schwester, die ihre intriganten Fingerchen um deinen Hals legt?« Seine Augen glitten freundlich über Arkans Gesicht und er entblößte seine makellosen Zähne in einem breiten Lächeln. »Ich denke wohl kaum, dass dir danach ist, mit mir zu so später Stunde ein Glas Wein zu trinken. Da hätten wir früher beginnen müssen.«

Arkan erwiderte Togars Lächeln und prostete ihm mit seinem Weinkelch zu, den er immer noch in der Hand hielt. »Schön, dass du es einrichten konntest. Bitte, bedien dich doch. Es ist nie zu spät, um Wein mit einem guten Freund zu trinken.« Er deutete auf einen kleinen Tisch, den der Sklave vorhin bereits mit einer Obstschale und einem zweiten Kelch Wein sowie ein paar Gebäcken gedeckt hatte. »Ich denke, für das, weswegen ich dich hergerufen habe, wirst du einen Schluck vertragen können.«

»So schlimm, ja?« Togar hob eine Augenbraue, griff aber zum bereits gefüllten Weinkelch und prostete Arkan zu. »So ernst kenne ich dich ja gar nicht. Na dann, schieß los und mach es nicht spannender als nötig. Ich habe nachher nämlich noch eine ganz besondere Verabredung. Du erinnerst dich an das blonde Mädchen, das wir vor einer Woche im ›durstigen Huhn‹ getroffen haben?« Er sprach nicht weiter, sondern sah seinen Freund stattdessen vielsagend an.

Arkan konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Togar war schon immer ein Mann gewesen, der mehrere Frauen gleichzeitig an seiner Seite gebraucht hatte, um sich vollständig zu fühlen. Dass er sich jemals auf eine einzige Frau konzentrieren könnte, war kaum vorstellbar. Und so würde auch die Erinnerung an die hübsche blonde Tänzerin, die ihm in einer der teuersten Schenken in Karinth den Kopf verdreht hatte, bloß als eine von vielen Kerben an Togars Bettpfosten enden.

»Nun gut, dann werde ich gleich zur Sache kommen«, meinte Arkan und umfasste seinen Weinkelch mit beiden Händen, als könnte er ihm Mut geben. »Der Grund, warum ich dich hergebeten habe, ist, dass ich deine Hilfe benötige.«

»Bei einer Frau?« Togars Blick war mit einem Mal hellwach. Er liebte es, andere zu verkuppeln. Fast noch mehr, als selbst verkuppelt zu werden. Das war der Grund, warum Arkan sich erhoffte, bei ihm auf offene Ohren zu stoßen.

»Nun ja … ja«, nickte er.

»Was jetzt? Ist es eine Frau? Oder etwa …« Die Augen des dunkelhaarigen Magiers wurden kugelrund. »Hast du etwa das Ufer gewechselt?«

Arkan lachte schallend. »Ja, klar. Und du bist hier, weil ich dir meine Liebe gestehen möchte.« Er winkte mit der Hand ab und wurde schlagartig wieder ernst. »Nein. Es geht nicht um einen Mann, sondern um eine Frau. Und diese Frau ist etwas ganz Besonderes. Ich möchte …« Er holte leise Luft und schloss kurz die Augen. Dann sah er seinen Freund fest an. »Ich möchte mich mit ihr verloben.«

Nun fiel Togar beinahe der Kelch aus der Hand. »Du möchtest … habe ich das gerade richtig verstanden? Bei den Göttern, ich hätte nie geglaubt, dass sich der große Arkan mit den vielen Gesichtern und Affären irgendwann wahrhaftig verliebt! Du warst doch immer der Vernünftige von uns beiden. Der, der einen kühlen Kopf bewahrte und mit Frauen das hatte, was man mit ihnen haben sollte: Spaß. Und jetzt? Halt!« Er hob die Hand. »Wenn du ›verloben‹ sagst, spielst du dann auf das ›Rosenfest‹ an? Das findet morgen Abend statt, das weißt du?«

Arkan nickte. »Ich weiß. Und deswegen muss ich dich dabeihaben. Mein Vater hat mir jegliche Unterstützung verweigert. Er hat sogar damit gedroht, mich zu enterben. Aber ich lasse mich nicht so rasch von meinem Vorhaben abbringen. Ich will diese Frau. Koste es, was es wolle.«

»Arkan …« Togar schüttelte grinsend den Kopf. »Stur wie eh und je. Aber wie stellst du dir das denn vor, wenn dein Vater nicht mit der Hochzeit einverstanden ist? Wo willst du mit deiner Angebeteten wohnen? Wer soll euer Leben finanzieren?«

Arkan winkte ab. »Das werde ich alles zu gegebener Zeit regeln. Fürs Erste ist mir wichtig, dass ich mit Mila zusammen sein kann. Dass wir uns die ewige Treue schwören. Und zwar morgen Abend.«

»Mila …« Togar legte seine Stirn in Falten und strich sich mit Zeigefinger und Daumen über den Oberlippenbart. Wie immer, wenn er überlegte. »Noch nie gehört. Aus welchem Haus stammt sie? Habe ich sie schon einmal gesehen? Wo hast du sie überhaupt kennengelernt?«

Nun kam der schwierige Teil, das war Arkan bewusst. Er atmete nochmals tief durch, ehe er dem Blick seines Freundes auswich und stattdessen über die Gärten sah, die dunkel unter seinem Balkon lagen.

»Arkan?« Als er schwieg, trat Togar dicht neben ihn, um seine Gesichtszüge zu studieren. »Ich kenne dich inzwischen so gut, dass ich weiß, dass du mir nicht alles erzählt hast – da kommt noch etwas. Dieser Blick von dir … Was ist es? Sag es mir.«

Arkan presste die Lippen zusammen. »Du bist mein Freund, Togar«, murmelte er. »Versprichst du mir, dass du mein Trauzeuge bist? Ohne zu hinterfragen, warum ich tue, was ich tue?« Jetzt wandte er sich wieder zum schwarzhaarigen Magier um und sah ihn eindringlich an. »Versprichst du es?«

Togar zögerte, dann nickte er. »Gleichgültig, was es ist, ich verspreche dir, dass ich es mir anhöre und zumindest darüber nachdenke. Du weißt, ich kann dir nicht blindlings zusagen, und wenn ich Zweifel hege, ob diese Verbindung gut für dich ist, werde ich mich auch nicht gegen deinen Vater stellen.«

Jetzt schlich Verzweiflung in Arkan hoch, wie dunkle Gewitterwolken, die nach und nach das Meer einhüllten, ihm seinen Glanz nahmen und die Oberfläche stattdessen zu schäumenden Wellen aufpeitschten. »Togar.« Seine Stimme war fast schon flehend. »Bitte. Ich brauche dich jetzt mehr denn je als meinen Freund. Denn was ich vorhabe … Es ist unter Magiern verpönt. Und dennoch kann ich nicht anders, als meinem Herzen zu folgen. Ich muss sie heiraten, verstehst du? Ansonsten würde ich mein Leben lang unglücklich sein.«

»Das klingt reichlich dramatisch für einen Magier, der mächtig genug ist, sein Leben zu verlängern und Hunderte von Jahren alt zu werden«, brummte Togar. »Aber gut«, wandte er schnell ein und hob seine freie Hand zum Zeichen, dass er sich anhören würde, was sein Freund zu sagen hatte. »Erklär mir, warum es solch ein Skandal ist, den du begehen willst, und ich überlege, ob ich dich darin unterstützen möchte oder nicht.«

Arkan atmete erleichtert aus, dann trat er zum Balkongeländer und stellte seinen Weinkelch darauf ab, während er erneut seinen Blick über die Gärten schweifen ließ. »Mila. Sie ist die wundervollste Frau, die ich je gesehen habe. Warmherzig, klug, wunderschön … aber … sie trägt leider nur sehr wenig Magie in sich.«

»Wie meinst du das? Ist sie von Mittelstand?«

Nun wandte sich Arkan wieder zu seinem Freund um. »Nein. Sie ist … eine Sklavin.«

Ein paar Sekunden lang starrte Togar ihn einfach nur an, während er sichtlich um Fassung rang. Dann trat er jedoch so rasch auf Arkan zu, dass dieser zusammenzuckte und sich gerade noch beherrschen konnte, um nicht reflexartig einen magischen Schutzschild zu bilden. Nur das Wissen, dass sein Freund ihn niemals wegen so eines Geständnisses angreifen würde, ließ ihn seine Verteidigungshaltung unterdrücken.

»Hör zu, Arkan«, raunte Togar in eindringlichem Tonfall. »Ich mag dich. Sehr sogar – du bist wie ein Bruder, den ich nie hatte. Und ich respektiere deine Meinung mehr als die meines Vaters oder von sonst jemandem.« Er legte ihm eine Hand auf den Arm und sein Blick wurde bohrend. »Aber das, was du vorhast, grenzt an Hochverrat.« Rasch sah er sich um, um sich zu vergewissern, dass niemand sie belauschte, und fuhr dann leiser fort: »Niemals wird irgendjemand dich noch ernst nehmen, wenn du das durchziehst. Hörst du? Du wirst von den Magiern verstoßen, von deinem Volk verachtet. Alle werden dir den Rücken kehren und ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, gegen sie alle zu bestehen und an unserer Freundschaft festzuhalten. Versteh mich nicht falsch.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich will dich nicht als meinen Freund verlieren. Und deswegen rate ich dir: Nimm dir diese Mila. Hab vergnügliche Stunden mit ihr. Befiehl ihr meinetwegen, jede Nacht mit dir zu verbringen, bis ans Ende ihres kurzen Lebens. Aber um der Götter Willen … heirate sie nicht!«

Arkan hatte stumm zugehört, während sein Freund sich immer mehr in Rage geredet hatte. Nun entwich ihm ein wütendes Knurren und er warf seinen Weinkelch achtlos zu Boden, sodass es laut schepperte. »Du willst mir also vorschlagen, ich soll mich an Mila vergehen wie an einer hundsgewöhnlichen Hure? Nur dass ich sie nicht mal für ihren Körper bezahlen muss, weil sie ja ohnehin meine Sklavin ist und mir gehört?!« Er konnte den Zorn in seiner Stimme nicht länger unterdrücken. Die Wut brach aus ihm hervor wie brodelnde Lava aus einem Vulkan. »Was für ein Freund bist du, der mir rät, die Frau zu besitzen, die ich liebe? Was für ein Mensch bist du, der sich erdreistet, einen Körper einfach für sich zu nehmen, ohne auf Gefühle zu achten?! Nie hätte ich geglaubt, dass solche Worte über deine Lippen kommen würden! Nimm auf der Stelle deine dreckigen Pfoten von mir! Du widerst mich an!«

Er wollte sich umdrehen, aber Togar hielt ihn weiterhin am Arm fest. »Ich weiß, dass die Verzweiflung aus dir spricht, Arkan«, sagte er in beschwörendem Tonfall. »Daher verzeihe ich dir deine Worte und bitte dich als dein Freund: Lass dich nicht von der Liebe zu dieser Frau blenden. Öffne die Augen und überleg dir ganz genau, was du gerade im Begriff bist zu tun. Was du verlierst, wenn du blindlings deinen Gefühlen folgst. Du wirst weder sie noch dich glücklich machen, wenn du deinen Willen durchsetzt.« Sein Griff wurde noch fester. »Hat sie deinen Verlobungsplänen zugestimmt? Ist sie gewillt, dich ins Unglück zu stürzen? Denn falls ja, liebt sie dich ganz bestimmt nicht. Dann will sie nur einen Ausweg aus ihrem erbärmlichen Leben – und du bist der Schlüssel dazu. Nicht mehr und nicht weniger!«

»Schweig!«, brüllte Arkan und riss sich von ihm los. »Hör auf damit! Auf der Stelle!«

Nun glitt ein wissendes Lächeln über Togars Gesicht, das jedoch mit einem Hauch Wehmut versehen war. »Sie will es nicht ohne die Zustimmung deines Vaters, oder?«, sagte er in ruhigem Tonfall. »Sie will dich nicht heiraten. Weil sie genau weiß, was sie dir damit antun würde.« Als Arkan nichts sagte, sondern einfach nur auf die dunklen Gärten starrte, atmete Togar tief durch. »Verdammt. Mein Freund, du tust mir leid. Denn sie scheint dich wirklich zu lieben … Ich wünschte für dich, es wäre nicht so.«

Kapitel 3

 

Noch lange in dieser Nacht stand Arkan auf seinem Balkon und starrte abwechselnd in den Himmel, auf die Stadt und die Gärten seines Zuhauses. Er wusste nicht, was er tun sollte. Jetzt noch weniger als zuvor.

Er hatte sich so sehr erhofft, bei Togar auf offene Ohren zu stoßen. Dass ihm sein Freund in dieser Situation beistand. Aber … Togar war wortlos gegangen, nachdem Arkan nicht mehr auf seine Bemerkungen reagiert, sondern stur und mit mahlenden Kiefermuskeln an ihm vorbeigesehen hatte. Der Diener hatte ihm einen neuen Kelch und Wein gebracht.

Irgendwann, als er genug getrunken und seinen Gedanken gelauscht hatte, zog er sich in seine Gemächer zurück und rief einen Sklaven, der ihm Mila bringen sollte. Er war es leid, darauf zu warten, dass sie von selbst zu ihm kam. Er musste jetzt mit ihr sprechen, ihr klarmachen, dass er sie trotz aller Widrigkeiten heiraten wollte.

Ein paar Minuten nachdem der Sklave gegangen war, kehrte er allerdings ohne Mila zurück.

Arkan lag auf seinem Bett und starrte an den Baldachin, der sich darüber spannte. Als der Sklave sich leise räusperte, wandte Arkan ihm den Kopf zu und setzte sich auf. »Wo ist sie?«, fragte er stirnrunzelnd.

Der Sklave schien nicht zu wissen, in welche Richtung er schauen sollte. Schließlich nahm er allen Mut zusammen und sah ihn an. »Es tut mir leid, mein Herr. Sie steht nicht länger in den Diensten dieses Hauses.«

Arkan sprang so rasch auf, dass der Sklave einen erschrockenen Schritt zurückwich. »Was hast du gerade gesagt?!«, rief er aufgebracht und griff sich mit beiden Händen in sein rotes Haar, um es nach hinten zu streichen. »Was verdammt noch mal hast du gerade gesagt?!«

»Sie steht …«

»Ich habe es gehört!«, knurrte Arkan und ging an dem eingeschüchterten Sklaven vorbei zur Tür. »Das wird mir mein Vater erklären müssen!«

Damit verließ er wutschnaubend seine Gemächer und stürmte durch die Gänge, um zum Arbeitszimmer seines Vaters zu gelangen. Dieser widmete sich oft bis spät in die Nacht der Bürokratie, die sein Amt als Bürgermeister mit sich brachte. Er war zwar dabei, die meisten Aufgaben an seine Tochter abzutreten, da es ihn immer stärker belastete, aber noch hatte er das Sagen in der Hauptstadt von Karinth.

Als Arkan beim Zimmer seines Vaters ankam, riss er, ohne zu klopfen, die Tür auf und trat ein. »Was verdammt noch mal hast du mit ihr angestellt?!«, brüllte er, noch ehe er den älteren Magier entdeckt hatte, der wider Erwarten nicht an seinem Schreibpult, sondern am Fenster stand und gedankenversunken in die Nacht hinausstarrte.

Jetzt wirbelte der Bürgermeister herum und bildete aus Reflex einen Schutzschild, den er jedoch fallen ließ, als er seinen Sohn erblickte. Verständnislosigkeit zeichnete sein Gesicht. »Was bei den Göttern ist denn in dich gefahren?«, fragte er und musterte den jungen Magier, der mit zornesrotem Gesicht vor ihm stand.

»Die Frage sollte ich dir stellen!«, fauchte Arkan und hatte sichtlich Mühe, seinem eigenen Vater keinen Feuerball entgegenzuschleudern. »Wo hast du sie hingebracht? Wo ist sie? Raus mit der Sprache, oder ich schwöre dir, ich lege hier alles in Schutt und Asche!«

Sein Vater hob beide Hände. »Beruhige dich erst mal und sag mir, wen du meinst. Ich kann dir leider nicht folgen.«

»Tu nicht so, als wüsstest du nicht Bescheid!«, schrie sein Sohn. »Du hast Mila wegbringen lassen! Hast du sie auf dem Sklavenmarkt verkauft? Oder gar …«

Daran, dass sein eigener Vater die Frau, die er liebte, getötet haben könnte, mochte er gar nicht denken. Er schluckte hart und spürte, wie sein Herz bei dem Gedanken, dass Mila etwas zugestoßen sein könnte, erstarrte.

»Wo ist sie?!«, rief er und sah sich im Raum um, als könne er sie jederzeit hinter einem der schweren Vorhänge entdecken.

»Mila … Du meinst dieses Sklavenmädchen, das dir die Flausen vom Heiraten in den Kopf gesetzt hat?«

Sein Vater stand nun nahe vor ihm und Arkan hätte nur die Hand auszustrecken brauchen, um seine Gurgel zu packen. Doch noch beherrschte er sich und knurrte stattdessen. »Sie hat mir keine Flausen in den Kopf gesetzt. Wir LIEBEN uns! Und jetzt sag mir endlich, wo du sie hingebracht hast!«

Der Bürgermeister zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Tut mir leid, mein Sohn, aber ich habe keine Ahnung, wo sie ist. Es war nicht meine Anordnung, dass sie unsere Dienste verlässt. Ich wusste bis eben auch nichts davon.«

Zum ersten Mal im Leben verfluchte sich Arkan dafür, dass er Feuermagie und keine Luftmagie in sich trug. Denn dann hätte er problemlos die Gedanken seines Vaters lesen und die Wahrheit herausfinden können. Aber so müsste er ihn wohl verprügeln, wenn er erfahren wollte, wo Mila war. Gerade war er dabei, den letzten Schritt zu machen, der sie noch voneinander trennte, und seinen eigenen Vater angreifen, da erklang die Stimme seiner Schwester hinter ihm.

»Arkan, was brüllst du denn so in der Gegend herum?«, fragte sie in fast schon zärtlichem Tonfall. »Du weckst ja das ganze Haus auf, lieber Bruder.«

Arkan fuhr zu ihr herum und sah, wie sie mit scheinheiligem Lächeln das Arbeitszimmer ihres Vaters betrat.

Mit der Hand strich sie über eine Marmorstatue, die sich neben der Tür befand und die Göttin der Gerechtigkeit darstellte.

Er kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, dass sie nicht zufällig hier aufgetaucht war. Sie wusste etwas – hatte ziemlich sicher selbst mit dem plötzlichen Verschwinden von Mila zu tun.

Also trat er zu ihr und packte sie an den Schultern, schüttelte sie, dass sich ein paar blonde Strähnen aus ihrer kunstvollen Hochsteckfrisur lösten und ihr ins Gesicht fielen. »Sag mir verdammt noch mal, wo sie ist, sonst …«