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Überlebensstrategie
Ohne Computer würde unsere Welt zusammenbrechen – und das ist auch in der nicht allzu fernen Zukunft nicht anders. Die Gesellschaft ist so komplex geworden, dass eigentlich nur noch eine Maschine den Überblick behalten könnte. Doch könnten wir eine solche Maschine immer noch kontrollieren, oder wären wir die Sklaven der Super-Rechenmaschine? Um das herauszufinden, richtet ein Wissenschaftler-Team um Raymond Dyer einen Supercomputer in einem Satelliten ein und programmiert ihn so, dass er sich selbst um jeden Preis erhalten muss. Dann schicken sie ein Team los, diesen Computer zu zerstören. Sollte etwas schiefgehen, wären schlimmstenfalls ein paar Menschenleben verloren, und man könnte den Computer einfach wieder abschalten. Der Computer allerdings sieht das ganz anders …
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Seitenzahl: 708
JAMES P. HOGAN
DER
SATELLIT
Roman
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Ohne Computer würde unsere Welt zusammenbrechen – und das ist auch in der nicht allzu fernen Zukunft nicht anders. Die Gesellschaft ist so komplex geworden, dass eigentlich nur noch eine Maschine den Überblick behalten könnte. Doch könnten wir eine solche Maschine immer noch kontrollieren, oder wären wir die Sklaven der Super-Rechenmaschine? Um das herauszufinden, richtet ein Wissenschaftler-Team um Raymond Dyer einen Supercomputer in einem Satelliten ein und programmiert ihn so, dass er sich selbst um jeden Preis erhalten muss. Dann schicken sie ein Team los, diesen Computer zu zerstören. Sollte etwas schiefgehen, wären schlimmstenfalls ein paar Menschenleben verloren, und man könnte den Computer einfach wieder abschalten. Der Computer allerdings sieht das ganz anders …
James P. Hogan (1941-2010) wuchs im Londoner Westen auf. Sein erster Roman Das Erbe der Sterne erschien 1977. Sein wissenschaftlich-technisch orientierter Schreibstil fand großen Anklang, sodass Hogan mehrere Nachfolgeromane schrieb. Er wurde oft mit seinem Landsmann Arthur C. Clarke verglichen. Bis zu seinem Tod lebte er mit seiner Frau Jackie, mit der er in dritter Ehe verheiratet war, in Florida und Irland.
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Erster Teil – Mobilisierung
Zweiter Teil – Schlachtplan
Dritter Teil – Gefecht
Der Kleinplanet hatte seinen Ursprung als eine Region von überdurchschnittlicher Dichte, die zufällig in einer wirbelnden Wolke von Staub und Gas auftrat.
Sie kondensierte sich aus der expandierenden Größe des Weltraums. Zunächst behutsam, dann aber mit der Zeit immer schneller, nahm er die kleineren Ansammlungen in seinem Umfeld in sich auf, bis er zu einer groben Kugel aus komprimiertem Staub und Gestein von fünfzig Fuß Durchmesser angewachsen war.
Schließlich geriet der Kleinplanet selbst in die Anziehungskraft eines größeren Himmelskörpers, der auf eine ähnliche Art gewachsen war, und stürzte auf ihn zu. Er schlug mit einer Geschwindigkeit von mehr als zehn Meilen pro Sekunde auf, machte damit die Energie frei, die einer Hundert-Kilotonnen-Bombe entspricht, und sprengte einen Krater von mehr als einer halben Meile Durchmesser.
Kurz darauf – an kosmischen Zeitabläufen gemessen – stürzte ein zweiter Kleinplanet in der Nähe ab und schuf einen Krater von ähnlichen Abmessungen; die Entfernung zwischen den beiden Kraterzentren war so beschaffen, dass der durch die Explosionen hochgeworfene Trümmerrand für eine kurze Strecke bei beiden Kratern miteinander verschmolz. Das hatte die Bildung eines Kamms von übertriebener Größe zwischen den beiden Becken zur Folge.
In der darauf folgenden Zeit hielt der Regen von Meteoren an und pulverisierte die Landschaft zu einer Wildnis aus scharfkörnigem Staub bis in eine Tiefe von mehreren Fuß. Nur dann und wann lockerten herausragendes Gestein oder ein zerschmetterter Felsbrocken die desolate Landschaft auf. Die Erosion ließ die Umrisse der Krater langsam wieder verschwinden und in dem Meer aus Staub versinken.
Als die Bombardierung endlich langsam aufhörte, blieb von dem Kamm nur noch ein abgerundeter Hügel übrig, der die Stelle markierte, an der die Ränder sich geschnitten hatten – ein Hügel aus Staub und Geröll von vierzig Fuß Höhe und einigen hundert Fuß Länge. Dort blieb er stehen als einer der matten, aber triumphierenden Überlebenden, die zurückgeblieben waren, um über die sanft rollende Öde hinauszustarren, die sich bis zum Horizont erstreckte.
Von diesem Zeitpunkt an blieb der Kamm im Grunde unverändert. Ein ständiger Nieselregen von Mikrometeoriten ging weiter auf ihn nieder und trug ungefähr den obersten Millimeter seiner Oberfläche ab. Damit wurde frisches Material frei, das Wasserstoff- und Heliumkerne von den Sonnenwinden einfing; Partikel von sporadischen Sonnenprotuberanzen lösten bis in eine Tiefe von einigen Zentimetern nukleare Transformationen aus, und kosmische Strahlen drangen noch etwas tiefer ein. In seiner Größe, Gestalt und seinem allgemeinen Aussehen war der Kamm jedoch zu einer dauerhaften Einrichtung in einer Welt ohne Veränderungen geworden.
Ungefähr vier Milliarden Jahre später stand Commander Jerry Fields, der zur Mondbasis der Internationalen Raumverwaltung in Reinhold abkommandiert war, vor diesem gleichen Kamm und starrte ihn an. Neben ihm sah Kal Paskoe, wie er in einem blau-grauen Raumanzug mit den goldblitzenden Schulterstücken der IRV bekleidet, mit gerunzelter Stirn durch seine Sichtscheibe und musterte den Verlauf des Kamms mit dem geübten Auge des Ingenieurs.
»Na, was meinen Sie?«, fragte Fields über sein Funkgerät. »Sehen Sie irgendwelche Probleme?«
»Hhmm, nein.« Paskoes Antwort kam langsam und unverbindlich, während er mit zusammengekniffenen Augen in das grelle Licht der untergehenden Sonne sah. Er drehte sich um und starrte wieder auf das metallische Leuchten, das die Position der Basis am Fuß der niedrigen Hügelkette am Horizont hinter ihnen markierte. Dann ließ er seinen Blick wieder auf dem Kamm ruhen und registrierte geistig zwei herausragende Felsen in der Nähe seiner Spitze. »Nein … keine Probleme«, sagte er schließlich. »Ich denke, ich habe alles gesehen, was ich sehen wollte. Hier können wir nichts mehr tun, bis sich die Computer überlegt haben, wie sie es anfangen wollen.«
Der Massen-Beschleuniger bestand aus einer fünf Meilen langen, schnurgeraden Schiene, die von zwei kontinuierlichen »Hecken« aus elektromagnetischen Wicklungen flankiert waren – ein riesiges Gerät für lineare Beschleunigung, das sich in westlicher Richtung über Tranquillatis erstreckte. Es beschleunigte supergekühlte magnetische »Eimer«, die auf elektromagnetischen Kissen schwebten, mit hundertfacher Erdanziehungskraft, so dass sie nach zwei Meilen die Fluchtgeschwindigkeit erreichten. Danach wurden die Eimer durch Laser gelenkt und entleerten computergesteuert ihre Ladungen Mondgestein in einer flachen, ansteigenden Kurve, die infolge der Oberflächenkrümmung des Monds knapp über die zweihundert Meilen entfernten Berge führte. Unterwegs wurden die Ladungen durch eine Elektronendusche elektrisch aufgeladen und durch massive elektrostatische Deflektoren genau gelenkt, die an dem zweihundert Meilen weit entfernten Punkt in der Schlussphase des Wegs installiert waren. Damit wurde eine Genauigkeit erreicht, die höher als eins zu einer Million lag – einem Fußball vergleichbar, der aus 3000 Meilen Entfernung genau zwischen die Pfosten gesetzt wird.
Von da aus stieg jede Ladung, die aus 60 Pfund »Erz« bestand, zwei Tage lang stetig weiter an, bis sie 40 000 Meilen über der Mondoberfläche in ein »Hippo«-Auffangschiff stürzte, das an dem gravitationsstabilen Punkt L2 stationiert war. Die für den Antrieb der Anlage benötigte Energie wurde in Form von Mikrowellen von einem in einer Umlaufbahn kreisenden Solarkollektor von drei Meilen Durchmesser heruntergestrahlt.
Tag für Tag schickte der Massen-Beschleuniger rund um die Uhr alle zwei Sekunden eine Ladung hoch und machte nur Pausen für Wartung oder weil er dann und wann repariert werden musste. Jedes Jahr stürzten eine Million Tonnen Mondgestein in die wartenden Ladungsbuchten der Hippos, und weiter draußen im Raum nahmen die Kolonien stetig Gestalt an.
Das Projekt war so erfolgreich, dass die Verantwortlichen beschlossen, einen zweiten Massen-Beschleuniger zu konstruieren. Auch er sollte auf dem Äquator stehen, aber in der Nähe von Reinhold und mit Zielrichtung auf Procellarum. Die Schiene sollte nach der Anweisung der Experten genau über den Punkt führen, an dem Fields und Paskoe standen. Nicht ein wenig nach rechts oder ein wenig nach links, so hatten sie nach eingehender Prüfung des Geländes entschieden, sondern genau dort.
Für die Vorbereitungen in der ersten Phase war eine genaue Sichtung mit Lasern notwendig, bei der eine Strecke Gelände abgedeckt werden sollte, die von einem Punkt ungefähr eine Meile hinter ihnen bis mehrere Meilen vor ihnen reichte. Dafür war ein hindernisfreier Weg notwendig. Der Kamm war nicht wirklich groß – er hatte ungefähr die Abmessung von zwölf aneinandergereihten Häusern durchschnittlicher Größe –, aber … er stand im Weg.
Und so kam es, dass diese Formation, die tapfer dagestanden und ihre Aufzeichnung der Ereignisse von der frühesten Epoche des Sonnensystems an aufbewahrt hatte, schließlich dem ruhelosen, beharrlichen Drang des Menschen nach draußen in den Weg geriet.
Der Kamm musste weg.
»Wie läuft es?« Die Stimme von Sergeant Tim Cummings kam über den offenen Kanal aus dem nächsten der beiden langsamen Bodenfahrzeuge, die einige hundert Fuß weiter hinten am Sockel des sanften Hangs geparkt waren, der zu dem Kamm hinaufführte.
»Ich denke, hier sind wir mehr oder weniger fertig«, antwortete Paskoe. »Stellen Sie schon mal Kaffee auf, Tim. Wir kommen wieder herunter.«
»Habt ihr von da oben alles gesehen, was ihr wolltet?«, fragte Cummings.
»Ja. Es sieht ungefähr so aus, wie wir es uns vorgestellt hatten«, sagte Paskoe. »Auf beiden Seiten mehr oder weniger symmetrisch. An der Basis wahrscheinlich nicht mehr als fünfzig, vielleicht sechzig Fuß stark.« Automatisch sah er auf die Zwillingslinien von Fußspuren, die bis zu dem Punkt auf der Spitze des Kamms führten, wohin er mit Fields geklettert war, um dann zu ihrem jetzigen Standpunkt zurückzukehren.
»Na los, gehen wir«, sagte Fields. Damit drehte er sich um und ging zurück auf das Fahrzeug zu. Paskoe warf einen letzten Blick auf den Kamm, drehte sich dann um und folgte Fields in einem leichten, lockeren Trab, der ihn in wenigen Sekunden an seine Seite brachte.
»Was meinen Sie?«, fragte Fields, während sie nebeneinander den Hang herunterhüpften. »Vielleicht mit dem Bodengebläse?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Paskoe. »Da drinnen sind einige große Felsbrocken, und weiter unten wird es wahrscheinlich ziemlich kompakt werden. Könnte gut sein, dass ein Graber oder zwei nötig sein werden, wahrscheinlich sogar ein schwerer Räumer. Wir werden ja sehen, was die Computer dazu meinen.«
»Auf der anderen Seite von Reinhold steht einiges schweres Gerät«, bemerkte Fields. »Wenn davon etwas hierhergeschafft wird, könnte es in ein oder zwei Tagen losgehen.«
»Nee – von dem Zeug ist der größte Teil in Benutzung, da bin ich ziemlich sicher«, sagte Paskoe. »Möglicherweise werden sie etwas von Tycho einfliegen müssen. Wie auch immer, das ist ihr Problem. Die kennen ihre Zeitpläne. Wir werden einfach warten müssen, und dann sehen wir schon, welche Lösung sie finden.«
»Solange wir es am Schluss nicht selbst mit der Schaufel machen müssen«, sagte Fields, während sie auf das Fahrzeug zukamen und langsamer wurden. Paskoe hielt sich an dem daran befestigten Geländer fest und beugte sich leicht hinunter, um mit seinem Helm an dem Eingang zu der unteren Kabine des Fahrzeugs vorbeizukommen.
»Kommt nicht in Frage«, erklärte er bestimmt. »Ich habe genügend viele Winter in Massachusetts erlebt, und eine Schaufel will ich nie mehr sehen. Das überlasse ich ganz den Computern. Wenn sie sagen, dass sie es bestenfalls in einer Woche schaffen können, dann habe ich dagegen nichts einzuwenden.«
»Wenn es so käme, würde das den Boss ganz schön auf die Palme bringen«, murmelte Fields, während er sich duckte, um dem nun unsichtbaren Paskoe zu folgen.
»Dann soll der Boss doch herkommen und es selbst wegschaufeln«, ließ sich Paskoes Stimme in seinem Helm vernehmen.
Fünf Minuten später hatten sie ihre Helme abgelegt und saßen in der Mannschaftsstation des Kriechfahrzeugs in seiner oberen Kabine unter der Aussichtskuppel.
Während Fields und Cummings den Sichtschirm benutzten, um sich mit Michel Chauverier, dem Kommandanten des neben ihnen geparkten Kriechers, über den nächsten Punkt auf dem Dienstplan für diesen Tag zu unterhalten, aktivierte Paskoe die Hauptkonsole am hinteren Ende der Kabine, um über Komsat einen Kanal zu dem Tycho-Knotenpunkt des allgegenwärtigen TITAN-Computer-Komplexes anzuschließen. Nach einem kurzen Dialog über Tastatur und Sichtschirm hatte er der exekutiven Befehlsstelle die Art seines Auftrags mitgeteilt. Wenige Sekunden später antwortete der Schirm mit der Botschaft:
ZUGEWIESENE AUFTRAGSNUMMER 2736/B. 72/Z72
ZUSTÄNDIGES SUBSYSTEM: OBERFLÄCHENARBEITEN P. 927
BRAUCHE ANGABENÜBER ARTUND STANDORTDES HINDERNISSES
Paskoe setzte über Fernsteuerung eine der Außenkameras des Kriechers in Bewegung, bis er ein Bild des Kammes draußen genau in die Mitte eines der Zusatzschirme der Konsole gebracht hatte. Danach bediente er wieder die Tastatur und blendete zwei leuchtende Peilzeiger in das Bild ein. Er bewegte sie über das Bild, bis sie sich mit der Felsformation deckten, die er sich gemerkt hatte. In dieser Position definierten die Peilzeiger den Teil des Kamms, auf den es ankam.
Danach tippte er mit seinen Fingerspitzen einen kurzen Code. In dem darauffolgenden Bruchteil einer Sekunde wurden die Koordinaten des Peilzeichens aus dem Kriechfahrzeug von einem der unsichtbaren Satelliten hoch droben aufgenommen und identifiziert. Zur gleichen Zeit wurde das Bild, das die Fernsehkamera aufnahm, von den Computern an Bord analysiert, und die gewonnenen Daten dazu benutzt, um den auf dem Dach montierten Laser so einzustellen, dass er genau zwischen die Peilzeiger zielte. Die Entfernung, Lage und Erhöhung, die der Laser berechnete, wurden in Daten umgesetzt und sofort zu den Computern in Tycho übermittelt. Von den durch den Satelliten ermittelten Angaben kannten die Computer den genauen Stand des Kriechers auf der Mondoberfläche. Die Laserdaten ermöglichten es ihnen, die Position des Kammes in Relation zu dem Fahrzeug zu ermitteln und somit auch seine genauen Koordinaten zu finden.
Es verstrichen noch einige Sekunden, während Programme in Tycho über die Muster grübelten, die in dem an sie geschickten Fernsehbild enthalten waren. Dann verschwanden die Worte auf dem Schirm und wurden ersetzt durch:
PROFIL?
Paskoe antwortete:
STÄRKEANDER BASIS 60 F. MAX.
HINDERNISINDER LÄNGSACHSEGROBSYMMETRISCH
KOMPAKTER REGOLITHFESTGESTELLT, GERÖLLBISZUGESCHÄTZTEM DURCHMESSER 10 F.
VERLANGTE ABRÄUMUNGBISZUGESCHÄTZTER TIEFEVON 40 F.
Er trommelte mit wachsender Ungeduld mit seinen Fingern auf der Konsole, während die Maschinen nachdachten. Wahrscheinlich setzten sie das Arsenal des Kriechers an Röntgenbild-Analysatoren, Infrarotanalysatoren und weiß der Himmel was sonst noch ein, um den Kamm zu untersuchen, seine Masse, Zusammensetzung, strukturelle Eigenschaften zu untersuchen und alles andere herauszubekommen, was sie nach ihrer Einschätzung unbedingt brauchten, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, wie sie eine völlig einfache Aufgabe zu erledigen hatten.
Sie war wirklich einfach, sagte er sich. Sie mussten lediglich eine Entscheidung darüber treffen, welche Art von erdbewegender Maschinerie am besten geeignet wäre – das hätte ihnen sicher jeder Landwirt sagen können –, überprüfen, wo die entsprechenden Maschinen standen und wann sie verfügbar waren, und dann mussten sie ihm mitteilen, wie lange es dauern würde, um sie herbeizuschaffen. Dann konnte er den nächsten Teil der Sache planen.
Computer! Je einfacher eine Aufgabe war, desto länger schienen sie sich mit irrelevanten Details aufzuhalten. Genau wie Menschen.
WELCHE PRIORITÄTWIRDVERLANGT?
Paskoe seufzte.
ABSOLUTDIEBESTMÖGLICHE
PB-GRAD-PROJEKTWIRDVERZÖGERT BEZ. 2053/A.
DIESISTEINKRITISCHER AUFTRAG
Die Computer wollten jedoch noch mehr wissen.
IRGENDWELCHE BESCHRÄNKUNGEN?
NEIN. RÄUMTDAS DINGNURWEG.
Wieder folgte eine Wartezeit. Dann wechselten die Worte noch einmal. Paskoe las sie beiläufig, blinzelte, lehnte sich nach vorne und las sie noch einmal.
AUFTRAGIN PRIORITÄTSKATEGORIE »A« EINGESTUFT.
KEINEWEITEREN FRAGEN.
GESCHÄTZTE AUSFÜHRUNGSZEITBETRÄGT 21 MINUTEN.
Paskoe runzelte die Stirn und verlangte eine Wiederholung – und bekam sie. Mit einem verwirrten Gesichtsausdruck drehte er sich um und unterbrach die Konversation, die noch immer hinter ihm zwischen seinen beiden Begleitern und Chauverier geführt wurde.
»He. Schaut euch das an. Entweder spinne ich, oder mit dem System stimmt etwas nicht. Sagt mir, dass ich nicht spinne.« Fields und Cummings drehten sich in ihren Sitzen um.
»Was gibt's?«, fragte Fields. Paskoe gestikulierte zu seiner Konsole hin.
»Tycho hat die Aufgabe geprüft und gibt eine GAZ von einundzwanzig Minuten.«
»Sie spinnen«, erklärte Fields, ohne zu zögern.
»Schauen Sie sich den Schirm an.«
»Er spinnt«, entschied Fields.
Cummings erhob sich von seinem Sitz und kam schwerfällig durch die Kabine, um genauer auf den Schirm zu sehen.
»Was ist los?«, wollte Chauverier über den Kommunikationsschirm wissen.
»Kal hat ein paar verrückte Zahlen von Tycho bekommen«, sagte ihm Fields. »Tim sieht sich die Sache an.«
»Könnte ein Zufallstreffer sein«, sagte Cummings und rieb sich voller Zweifel am Kinn. »Vielleicht ist das unser Glückstag. Wahrscheinlich wird hier ein Transporter erwartet, in dem genau die Maschinen sind, die wir brauchen, und er trägt sie für einen Auftrag mit niedriger Priorität mit sich. Vielleicht hat Tycho ihn umgeleitet, so dass er hier landet.« Paskoe schürzte die Lippen und nickte langsam.
»Könnte sein …«, stimmte er zu und sprach dann plötzlich bestimmter weiter. »Stimmt. Sie könnten recht haben, Tim. Daran hatte ich nicht gedacht. Was meinen Sie, Jerry?«
»Könnte hinkommen«, stimmte ihm Fields zu. »Wir bleiben besser hier und warten ab, was da kommt.« Er wandte sich wieder Chauverier zu, der noch immer aus dem Kommunikationsschirm sah. »Unserer Meinung nach wird hier ziemlich bald ein Schiff landen, Michel. Wahrscheinlich bringt es nur Roboausgräber oder so was, aber vielleicht sollten wir hierbleiben und uns das ansehen. Es dürfte nur eine halbe Stunde oder so dauern.«
»Uns ist das recht«, antwortete Chauverier sofort. »Eigentlich bekommen Joe und ich langsam Hunger. Wenn wir noch eine Weile hierbleiben, könnten wir ja essen. Habt ihr da drüben Lust, auf einen Bissen herüberzukommen?« Fields drehte sich zu den anderen um.
»Michel lädt uns in seinem Wagen zum Essen ein. Seid ihr beiden damit einverstanden?«
»Hervorragende Idee.«
»Klar.«
»Okay, Michel«, teilte Fields mit. »Wir sind schon unterwegs. Tischen Sie genug für noch drei Leute auf.« Damit schaltete er den Schirm ab. Zur gleichen Zeit schloss Paskoe den Kanal zu Tycho.
Die nächsten Minuten verbrachten sie damit, die Helme anzulegen und abwechselnd routinemäßig die Prüfleitungen ihrer Raumanzüge in den Anschluss auf dem Paneel bei der Bodenluke zu stecken. Für Fields fiel der Test negativ aus. Nach den Angaben auf dem winzigen Schirm des Paneels klemmte manchmal ein Ventil in seiner Überlebensausrüstung. Paskoe brummte in sich hinein, während er das fehlerhafte Ventil in Fields Schulterpack auszutauschen begann. In der Zwischenzeit rief Cummings noch einmal Chauverier an, um ihn über die Verzögerung zu unterrichten. Fünfzehn Minuten später waren sie bereit zu gehen.
»Das wird sich nicht halten«, sagte Fields, während er sich umdrehte, um hinter Cummings die kurze Leiter unter der Bodenluke hinunterzuklettern. »Darauf verwette ich fünfzig Dollar. Paggett bleibt nur noch hier, bis er sich auf der Erde in den Ruhestand zurückzieht, und bis es soweit ist, stempelt er nur weiter. Wenn er geht, wird sicher Cawther übernehmen. Dann wird die Sache anders aussehen. Ich gebe dem Ganzen höchstens noch zwölf Monate.« Cummings war aus dem Ausgang heraus auf die Oberfläche getreten. Als Fields sich umdrehte, um ihm zu folgen, begann Paskoe den Abstieg von der oberen Kabine. Er hielt auf halbem Weg an, um die Luke über seinem Kopf zu verriegeln und zu überprüfen.
»Wie es auch kommt, mich interessiert das nicht«, erklärte er und nickte. Er trat von der Leiter herunter. »Ich bleibe nur noch vier Monate hier. Dann geht es zurück in die Heimat. Die Bezahlung für ein Jahr ist auf der Bank, und ich habe vor, mich ein paar Monate zusammen mit Cher in Europa umzusehen. Kümmert ihr euch um Cawther. Viel Spaß. Ich auf jeden Fall werde diesen Spaß haben.«
»Europa?« Cummings, der draußen auf sie wartete, schaltete sich zu. »Da soll es also hingehen?«
»Überallhin«, sagte Paskoe. »Wir haben es nie geschafft, mehr als ein paar Touristenfallen zu sehen. Dieses Mal werden wir es richtig machen. Mindestens drei Monate. Cher ist besonders auf Deutschland scharf.« Sie überwanden die Strecke von ungefähr dreißig Fuß, die die beiden Kriechfahrzeuge trennte. Paskoe und Cummings gingen nebeneinander, und Fields folgte kurz hinter ihnen.
»Vor ungefähr zwei Jahren war ich in Deutschland«, sagte die Stimme von Fields. »Von Polen habe ich auch einiges gesehen. Da gibt es einen Ort, den sollten Sie sich ansehen, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben … unten, im Süden. Krakau heißt er, glaube ich.«
»Was ist da los?«, fragte Paskoe.
»Salzbergwerke. Sie stammen noch aus dem Mittelalter, Mann, die sind vielleicht riesig.«
»Salzbergwerke?«, fragte Cummings mit verwirrter Stimme. Er und Paskoe hatten den anderen Kriecher erreicht und gingen um ihn herum auf den auf der anderen Seite gelegenen Eingang zu. »Was ist denn an Salzbergwerken so Besonderes? Ich dachte, das sind die Orte, an die die Russen früher die Leute geschickt haben, die sie nicht leiden konnten.«
»Diese sind anders«, antwortete Fields. »Da gibt es unheimlich tief unter der Erde eine richtige Kathedrale. Sie ist in ihrer Gesamtheit aus massiven Salzkristallen herausgehauen. Alles ist aus Salz – der Altar, die Kapellen, die Statuen, sogar die Leuchter. Es ist phantastisch. Und sie haben …«
Das Universum ging aus.
»Was ist das, Herrgott noch mal …!«, rief eine Stimme.
Cummings hatte gerade die Tür erreicht, und Paskoe war direkt hinter ihm. Fields war noch ein paar Fuß weit entfernt direkt hinter dem Ende des Fahrzeugs.
Alles um sie herum verschwand abrupt in einem undurchsichtigen Grauschleier. Im gleichen Augenblick spürte Paskoe, wie der Boden unter seinen Füßen zitterte. Die Masse des Kriechers über ihnen schwankte sichtbar, als sei ihm von der anderen Seite ein ungeheurer Schlag versetzt worden. Einen Augenblick lang hatte er das bedrückende Gefühl, das Fahrzeug würde umstürzen und auf sie fallen.
Ein gigantischer Schwall von Staub, Geröll und Felsbrocken war gegen die andere Seite des Fahrzeugs geprallt und an beiden Seiten daran vorbeigeflogen. Glücklicherweise hatten sie in seinem Windschatten gestanden. Nur wenige Sekunden früher wären sie ungeschützt erwischt worden. Ebenso plötzlich war es wieder zu Ende.
Paskoe stand wie angefroren. Er hatte noch immer keine Ahnung, was passiert war. Vor ihm klammerte sich Cummings mit aschfarbenem Gesicht hinter seiner Sichtscheibe an dem Haltegriff bei der Tür fest und gestikulierte mit einem Arm schwach zu einer Stelle hinter Paskoes Schulter.
»Jerry …!« Paskoes Stimme kam mit einem erstickten Schluchzen durch. »Jerry ist weg!« Paskoe drehte sich um und starrte benommen auf den Punkt direkt hinter dem schützenden Schatten des Kriechers, an dem noch vor wenigen Sekunden Fields gestanden hatte. Es war niemand mehr da.
Und dann kam die Explosion wieder, wie die Entladung eines riesigen Schrotgewehrs, das Mondgestein verschießt. Und wieder, und wieder und wieder … und wieder. Paskoe fand sich auf dem Boden wieder, wo er sich gegen die Ketten des Fahrzeugs presste, während die Erschütterungen durch seinen Körper jagten und das Kriechfahrzeug unter dem ständigen Aufprall von Felsbrocken erzitterte, die gegen seine Seite prallten und unter verrückten Drehungen in dem Mahlstrom aus Staub verschwanden. Sein Helm berührte den Aufbau. Ein Geräusch explodierte in seinen Ohren, das sich anhörte, als würde ein Gebäude zusammenstürzen und auf eine riesige Pauke herabfallen. Er konnte die Erschütterungen nicht mehr mitzählen. Vielleicht zehn, zwanzig … Sein Gehirn arbeitete nicht mehr mit.
Er lag mit klopfendem Herzen und zitterndem Körper neben der Kette des Kriechfahrzeugs. Jeder Zentimeter seiner Haut fühlte sich kalt und feucht an. Es hatte aufgehört. Er wartete und wagte dabei kaum, Luft zu holen. Die Spannung, die ihn voller Angst darauf hatte warten lassen, dass es wieder losging, wollte ihn nicht loslassen, aber nichts geschah. Langsam öffnete er die Augen und sah nach oben.
Cummings lag auf dem Rücken, die Beine in den Stufen verheddert, die die Lücke zwischen dem Boden und der Einstiegsluke überbrückten. Er sah so aus, als sei er genau in dem Augenblick rückwärts aus der Tür geschleudert worden, als er hineinklettern wollte. Immer noch zitternd, stand Paskoe mühsam auf. Kleine Bäche von klebrigem Mondstaub flossen an den Falten seines Raumanzugs herab.
»Tim … Tim, können Sie mich hören?« Er torkelte zu der Stelle hinüber, an der Cummings bewegungslos lag, und blieb dann stehen. Ein Stück eiskalten Schreckens senkte sich in seinen Magen, als er die zerschmetterte Sichtscheibe sah, aber dann stöhnte eine dünne Stimme in seinem Helm.
»Heiliger Himmel, was ist passiert?«
»Tim …?« Paskoes Stimme schluchzte fast vor Erleichterung. »Tim, sind Sie okay da drinnen?« Die hingestreckte Gestalt bewegte sich und zog vorsichtig ein Bein aus den Stufen über ihr heraus.
»Ich kann nicht sehen«, kam Cummings Stimme wieder. Sie klang nun weniger desorientiert. »Irgendwas hat mich im Gesicht getroffen.« Das zweite Bein befreite sich. Paskoe beugte sich herab und half Cummings dabei, sich aufzurichten. »Verdammt … Mein Brustkasten! Mir ist, als sei ich von einer Raumfähre getroffen worden.«
»Können Sie aufstehen? Vorsichtig, ich hab' Sie.«
»Langsam.« Cummings Worte kamen zwischen schweren Atemzügen. »Ich glaube, ich habe mir eine Rippe angeknackst.«
Paskoe hob Cummings auf die Füße und führte seine Hand zu dem Haltegriff neben der Tür. Das Brustpaneel von Cummings Raumanzug war zerschmettert und sein Sichtschirm bestand aus einer undurchsichtigen Masse aus zerbrochenem Kristall. Paskoe ging um ihn herum, um an die manuellen Notkontrollen auf dem Rucksack heranzukommen, die den Aufprall von Cummings Sturz anscheinend unbeschädigt überstanden hatten.
»Ihre Sichtscheibe ist angebrochen, aber sie scheint noch zu halten«, sagte er. »Ich senke den Druck in Ihrem Anzug, um sie zu entlasten. Soweit ich das sehen kann, können Sie noch eine Weile aushalten, aber wir sollten so bald wie möglich einen anderen Raumanzug für Sie besorgen.«
»Was ist passiert?«, fragte Cummings wieder.
»Ich weiß es nicht. Wenn Krieg wäre, würde ich sagen, eine Artilleriesalve hat uns knapp verfehlt. Vielleicht war es ein Meteoritenschwarm. Ich weiß es nicht.« Während Paskoe redete, sah er in die niedrigere Kabine des Kriechfahrzeugs hinein. Der Fußboden war mit Staub und größeren Trümmern bedeckt. Lichtstrahlen fielen durch mehrere gezackte Löcher, die in die hintere Wand gerissen worden waren. Wahrscheinlich war das, was die Löcher gerissen hatte, schnurstracks hindurchgeflogen und hatte Cummings von vorne erwischt, als er von der anderen Richtung hineinklettern wollte.
»Was … was ist mit Jerry?«, fragte Cummings stockend.
»Ihn hat es ohne Deckung erwischt.« Paskoe wandte sich von der Tür ab und begann, die unmittelbare Umgebung zu untersuchen. »Ich schätze, er muss weggeblasen worden sein. Sieht schlecht aus … Augenblick mal. Ich glaube, ich sehe ihn.« Er konnte die verdrehte Gestalt von Fields gerade noch ausmachen, die zusammengesunken am Fuß eines runden Felsens in zehn oder zwanzig Metern Entfernung in einem Haufen von Staub lag, der sich dort gebildet hatte. Die Schicht aus grauem Puder, die ihn bedeckte, war so dick, dass Paskoe ihn zunächst für eine unregelmäßige Felsengruppe gehalten und nicht beachtet hatte. Cummings blieb still, hielt sich weiter an dem Haltegriff fest und versuchte, Luft zu schnappen.
»Das ist er«, sagte Paskoe. »Er bewegt sich nicht. Sieht so aus, als sei er ziemlich schwer getroffen worden. Bleiben Sie hier und rühren Sie sich nicht. Ich gehe hin.«
Mit einigen langsamen Sätzen überbrückte er die Entfernung bis zu der Stelle, an der Fields lag, und begann hektisch, den Staub mit seinen behandschuhten Händen zur Seite zu schaufeln. Fields Helm war unversehrt. Paskoe kratzte die Schicht von zusammengebackenem Mondstaub von seiner Sichtscheibe und sah auf das Gesicht dahinter. Es war blass, die Augen waren geschlossen, und er konnte kein Lebenszeichen entdecken. Es fanden sich aber zumindest keine der grauenhaften Anzeichen für Dekompression. Also bestand noch Hoffnung. Paskoe arbeitete schnell und machte den Rest der Gestalt frei.
»Was gibt es für Neuigkeiten?«, erklang Cummings Stimme in seinem Helm. Sie machte einen angespannten Eindruck. Er war offensichtlich auf das Schlimmste vorbereitet.
»Könnte schlimmer sein«, antwortete Paskoe. »Keine Dekompression, aber wenn er noch lebt, ist er bewusstlos. Sein Schultersack ist völlig zerschmettert. Er wird sich also nicht lange halten, wenn wir ihn nicht herausholen. Ein großer Brocken muss ihn direkt am Rücken getroffen haben.«
»Irgendwelche Atemgeräusche?«
»Kann ich nicht sagen. Ich habe nichts gehört, obwohl ich meinen Eingang voll aufgedreht habe, aber ich denke, sein Funkgerät ist wahrscheinlich tot.«
In diesem Augenblick kam eine weitere, zittrig klingende Stimme durch.
»Kal, sind Sie das? Seid ihr da draußen noch am Leben?«
Paskoe warf seinen Kopf instinktiv herum, um zu dem Kriecher zurückzusehen. »Mit Ihnen ist also alles in Ordnung. Wie ist die Lage da drinnen?«
»Die schlimmsten Schäden sind unten«, antwortete Chauverier. »Hier oben haben wir Druck verloren, aber es war nicht explosiv – nur kleine Löcher. Die Kompensatoren haben es lange genug ausgeglichen, dass ich meinen Helm aufsetzen konnte.«
»Wie geht es Joe?«, fragte Paskoe.
»Der hat sich an dem Zentralschott k.o. geschlagen. Ich habe ihm den Helm angezogen. Er ist noch nicht wieder bei sich, aber mit ihm dürfte alles in Ordnung sein. Ich habe gehört, wie ihr über Jerry gesprochen habt. Wie geht es Tim?«
»Scheint alles klar zu sein bei ihm, aber seine Sichtscheibe ist hinüber, und er kann nichts sehen. Im Augenblick ist Jerry das Problem. Wir müssen ihn hier herausschaffen. Sagten Sie, die Kabine ist auf dem Nullpunkt?«
»Alles ist außer Funktion«, antwortete Chauverier. »Wir werden ein Notzelt benutzen und warten müssen, bis ein Hilfsschiff aufkreuzt. Vorsicht, ich schicke euch jetzt ein Zelt heraus. In einer Minute komme ich mit zwei Raumanzügen selbst auch heraus und helfe euch.«
»Was ist mit Joe?«, fragte Paskoe.
»Der wird es hier schon eine Zeitlang aushalten. Wir können ihn dann herausschaffen, wenn das Zelt steht.«
»In Ordnung.«
Ein Paket, das wie ein Heubündel aus Gummi aussah, stieß sich von seinem Depot in der Nähe des einen Fahrzeugsenders selbst aus und blies sich sofort zu einem grell orangefarbenen Notzelt für sechs Personen auf. Paskoe befreite den unteren Teil von Fields Beinen von dem Geröll und begann, an der noch immer reglosen Gestalt zu zerren. Gerade, als er das Zelt erreichte, flogen zwei verpackte Raumanzüge aus der Tür des Kriechers, die direkt von Chauverier gefolgt wurden. Er landete leicht auf seinen Füßen, hob die Raumanzüge auf und rannte zu Paskoe hin, der gerade Fields durch die Außentür der Luftschleuse des Zelts schleifte.
»Irgendwas ist gerade an mir vorbeigegangen«, rief Cummings über sein Funkgerät.
»Das war ich«, teilte ihm Chauverier mit. »Wir schaffen Jerry in das Zelt. Für Sie habe ich hier einen Raumanzug. Wir holen Sie in einer Sekunde ab, bevor wir die Luftschleuse unter Druck setzen.«
»Okay. Ich warte hier.«
»Moment mal …« Chauveriers Stimme nahm plötzlich einen neuen Tonfall an – er klang ungläubig. Paskoe stand in der Schleuse und brachte Fields in eine bequemere Lage. Chauverier hatte sich aufgerichtet und starrte hinaus auf etwas hinter dem Zelt.
»Was gibt es?«, fragte Paskoe.
»Kommen Sie einen Moment wieder heraus und sehen Sie sich das an«, sagte Chauverier. Cummings in dem Kriechfahrzeug hörte wortlos zu. Dann hörte er Paskoes Stimme: »Um Himmels willen!«
»Was ist los?«, wollte Cummings von ihnen wissen.
»Unser Wagen«, antwortete Paskoe. »Haben Sie schon einmal eine Konservendose gesehen, nachdem eine Granate in ihr explodiert ist? Wenn dort jemand drinnen gewesen wäre, wäre davon jetzt nur noch Brei an den Wänden übrig. Der Wagen ist total umgeworfen worden.«
»Sehen Sie ihn sich mal von der anderen Seite an«, schlug Chauverier vor.
Paskoe schnappte nach Luft. Der gesamte Mittelteil des Kamms war sauber weggesprengt worden, so dass nur zwei isolierte kleine Buckel dort übrigblieben, wo vorher seine Enden gewesen waren. Die Lücke, die jetzt zwischen den beiden Buckeln existierte, war zu einem chaotischen Durcheinander von dicht beieinanderliegenden und sich überschneidenden Kratern aufgewühlt.
»Wie zum Teufel …«, begann Paskoe, aber Cummings unterbrach ihn:
»Was gibt es denn dort?«
»Wir sind bombardiert worden!«
»Wie?«
»Ich weiß es nicht. Irgendwo hat da jemand verrückt gespielt.«
»Das werden Sie später selbst sehen«, mischte sich Chauverier ein. »Jetzt müssen wir Sie erst einmal in das Zelt schaffen, bevor die Sichtscheibe ganz den Geist aufgibt.« Damit sprang er wieder zu Cummings hinüber, führte ihn zu dem Zelt und in die Luftschleuse hinein. Er warf die verpackten Raumanzüge in die Schleuse und schlüpfte danach selbst hinein. Paskoe stand bereits darin und wartete darauf, die Klappe versiegeln zu können. Innerhalb von Sekunden begannen die Schleusenwände fest zu werden, als sich der Druck langsam aufbaute.
Zehn Minuten später war Joe zu sich gekommen und über die Lage informiert worden. Er verkündete, er könne es allein schaffen, von dem Kriecher zu ihnen zu kommen. In dem Zelt hatte Chauverier Fields untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass er lebte, an Schock, Sauerstoffmangel und einer ausgerenkten Schulter litt, aber in keiner unmittelbaren Gefahr schwebte. Ein Hauch von Farbe war in sein Gesicht zurückgekehrt, und sein Pulsschlag wurde wieder stärker. Auf der anderen Seite des Zelts zog sich Cummings einen der Ersatz-Raumanzüge über, während Paskoe über sein Taschenfunkgerät mit seinem kleinen Monitor die Basis von den Ereignissen informierte.
»Die Kommunikationssatelliten haben vor fünfzehn Minuten das automatische Notsignal ihres Wagens aufgefangen«, teilte ihm die Tagesaufsicht in Reinhold über den Schirm mit. »Zwei Notraketen sind unterwegs und dürften jetzt jede Minute eintreffen. Was ist passiert?«
»Ich hatte gehofft, dass ihr Trottel uns das sagen könntet!«, brüllte Paskoe ihn an; er hatte sich offensichtlich erholt und war wieder ganz der Alte. »Irgendein Arschloch hat uns gerade bombardiert, das ist passiert! Wollen Sie mir vielleicht jetzt sagen, Sie wüssten nichts davon?«
»Nicht das geringste.« Der Aufsicht schien die Sache rätselhaft zu sein. »Wir haben lediglich das Notsignal bekommen und daraufhin die Notraketen losgeschickt. Das ist alles, was ich weiß.«
»Oskar Zebra zwei-fünf-fünf Kommando an Reinhold-Kontrolle«, unterbrach eine weitere Stimme. »Wir haben Sichtkontakt. Zwei Fahrzeuge und ein Zelt, ein Fahrzeug umgestürzt. Standort am Rande eines scheinbar neuen Aufprall-Strahlenmusters, das auf eine Gruppe von Kratern zentriert ist. Wir landen jetzt.«
»Sie sind da«, sagte Paskoe unnötigerweise. »Wir unterhalten uns später noch.« Er schaltete das Funkgerät ab, verschloss es und begann, es in seine Schenkeltasche zurückzustecken. Er blieb stehen, runzelte eine Sekunde lang nachdenklich die Stirn, öffnete das Gerät wieder und tippte schnell eine Reihe von Befehlen darauf. Einen Augenblick später war er mit dem obersten Befehlsumsetzer in Tycho verbunden. Einige weitere Anweisungen lieferten ihm diese Worte:
AUFTRAG 2736/B. 72/Z72
DURCHFÜHRUNGWIEVORGESEHEN.
BITTEUM AUSWERTUNG.
WIRD WIEDERHOLUNGDER DURCHFÜHRUNGVERLANGT?
BITTEUM MITTEILUNG.
»Großer Gott!«
»Was ist denn los?«, fragte Chauverier und wandte sich von dem Sichtfenster ab, durch das er die erste Notrakete beobachtet hatte, wie sie sich in sein Sichtfeld senkte. Paskoe deutete auf den Monitor.
»Das waren diese gottverdammten Computer in Tycho! Sie wollen wissen, ob sie den Auftrag zur Zufriedenheit erledigt haben … Sie fragen, ob wir eine Wiederholung wünschen!« Er drückte sich den Monitor gegen sein Knie, um ihn ruhig zu halten und hämmerte hastig mit zitternden Fingern:
NEIN!
EINSTELLUNG! EINSTELLUNG! EINSTELLUNG!
BESTÄTIGT,
lautete die gleichmütige Antwort.
Erster Teil
Mobilisierung
New York streckte sich, um den Sonnenschein eines neuen Tages zu begrüßen.
Das Autotaxi war nur eine der zahllosen Perlen auf dem Gewirr von leuchtenden Fäden, die die Basis der monolithischen Stadt umkränzten. Unter ihm und auf beiden Seiten marschierten rechteckige Klippen und Schluchten aus Glas, Beton und Duroplastik steif vorüber und gaben dann und wann kurz den Blick auf den Hudson frei.
Die Gestalt, die aus dem sonst leeren, sechssitzigen Fahrzeug herausstarrte, war noch einige Jahre unter vierzig und lag in ihrer Größe etwas über dem Durchschnitt. Seine Züge, denn es handelte sich um einen Mann, trugen eine faltige Rauheit, die durch einen ungepflegt herabhängenden Schnurrbart noch betont wurde. Eine dichte Mähne von geradem, schwarzem Haar und seine dunkle Hautfarbe waren die Überreste des Indianerbluts, das stolz auf die frühen Vorfahren der väterlichen Seite seiner Familie verwies. Leicht ausgehöhlte Wangen und hoch sitzende Backenknochen, die seinen Augen einen permanent scharfen und zusammengekniffenen Ausdruck verliehen, deuteten auf das gleiche Erbe hin. Sein schlaksiger Körper war lässig in einer Ecke des Taxis ausgestreckt und formlos mit einem offenen Hemd bekleidet, über dem er eine leichte Windjacke trug, aber die Gedanken, die ihm an diesem Morgen durch den Kopf gingen, waren nicht so heiter, wie man das aus seinem Aussehen hätte schließen können.
Dieses Mal, so sagte sich Dr. Raymond Dyer, musste es aufhören. Im Verlauf der vergangenen sechs Monate hatte er mit Sharon einige gute Zeiten erlebt und eine Menge Spaß gehabt – genau die lockere Verbindung ohne Verpflichtungen, wie man sie zwischen einem seit sechs Jahren geschiedenen vierunddreißigjährigen Mann und einer alleinstehenden jungen Frau erwartet hätte, die mit dem einzigen Ziel in die große Stadt gekommen war, herauszubekommen, worum es im Leben überhaupt ging. So zumindest hatte es begonnen, und so wäre es auch geblieben, wenn nur … Er seufzte in sich hinein. Warum mussten Frauen bloß eine gute Sache immer zu weit führen?
Die Finger seines ausgestreckten Arms trommelten einen Wirbel auf dem Fenstersims. Er sah sie einige Sekunden lang mürrisch mit gerunzelter Stirn an.
Er rationalisierte die ganze Angelegenheit, wie er sich selbst eingestand. Wem wollte er etwas vormachen? Sharon hatte im Grund nichts gesagt, woraus man bei ihr auf Pläne schließen könnte, die Beziehung ernster werden zu lassen, als er das selbst wollte – wenn er ehrlich war, konnte er das nicht sagen. Die Wahrheit war vielmehr, dass ihn die ganze Affäre zu langweilen begann.
Seine alte Ruhelosigkeit begann sich wieder zu rühren. Oder war es das nicht? Entweder das, oder er hatte ein Alter erreicht, in dem die Anwesenheit von zwei Personen im gleichen Raum einfach noch keine Gemeinsamkeit bedeutete … auf jeden Fall nicht in den wesentlichen Bereichen. Vielleicht war er es, der nach einem Weg mit einem Ziel suchte. Interessanter Gedanke, dachte er. Es war ihm gelungen, sich selbst zu überraschen.
Das Taxi flog niedrig über einen offenen Platz, bunt und fröhlich im Licht der Maisonne, und tauchte dann in ein Rohr hinein, das es in den glitzernden Abgrund führte, der durch einen Teil des Nordrands des West-Side-Turmkomplexes gebildet wurde. Kurze Bilder von beleuchteten Arkaden, mosaikbelegten Fußgängerzonen und gepflegten Hecken rasten am hinteren Ende der Plexiglaswand des Taxis vorbei und lösten einander ab.
Ein Sensor unter der Schiene reagierte auf den Identifikationscode des Taxis und gab ihn an die eine halbe Meile quer durch die Stadt entfernt gelegenen Computer des Kontrollzentrums für die Sektion Manhattan Drei weiter. Millisekunden später aktivierte die Antwort der Computer den in dem Taxi eingebauten Leit-Prozessor. Das Taxi verließ die Führungs-Leitlinie und kam zehn Sekunden später an einer Einstiegsstelle zum Stehen, die einhundertachtzig Meter über Resten des ursprünglichen Pflasters der West 57th Street in den unteren Gewölben der Stadt lag.
Dyer stand auf und ging über den kurzen Bahnsteig der Einstiegsstelle zwischen den ungefähr zwölf Leuten hindurch, die in die langsam auf den Abfahrtspunkt zurückenden Taxis einstiegen oder aus ihnen herauskamen. Er ging auf den Ausgang zu und trat auf eine große, umbaute Promenade hinaus, die um einen rechteckigen Kern mit den nächsten Fahrstuhlschächten gebaut war. Sie war nicht überfüllt – ungefähr durchschnittlich für diese Tageszeit. Im Grund fluktuierte der Verkehr im Verlauf des Tages nicht sehr stark, und auch während der Nacht war das nicht der Fall. Der Standard-Neun-bis-Fünf-Uhr-Tag mit seiner Pendler-Stampede war seit langem verschwunden.
Er schloss sich einer kleinen Menschengruppe vor einem der Fahrstühle an, wartete, bis die Türen aufgingen, und trat hinter ihr ein. Gerade als die Türen sich wieder schließen wollten, beschleunigte eine Gestalt, die sich dem Fahrstuhl genähert hatte, ihre Schritte, rannte kurz los und erreichte die Kabine gerade noch mit einem kurzen »Entschuldigung« an keine spezielle Adresse. Der Spätankömmling war in seinen frühen zwanziger Jahren, groß, mit schmalem Gesicht und machte mit seinem unordentlich auf den Kragen herabfallenden Haar und seinem dunkelblauen Parka über einem Rollkragenpullover einen studentischen Eindruck.
»Ein Segen, dass Sie gute Luftdruckbremsen haben«, murmelte Dyer, als der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte. »Einen Augenblick lang habe ich gedacht, Sie würden mich plattdrücken.«
Chris Steeton sah abrupt auf, als er die Stimme erkannte.
»Hallo, Chef«, grüßte er mit einem Grinsen. »Tut mir leid. Das ist nur meine Methode, um zu beweisen, dass Bewegungsenergie nicht erhalten bleibt, wie Newton das meint.«
Chris war mit einem zweijährigen Forschungsauftrag aus England gekommen. Er gehörte zu den drei Forschungsbeauftragten in Dyers Team und war ein ruhiger Mensch, der dann und wann zu Introvertiertheit neigte. Im akademischen Bereich aber war er ein kluger Kopf und akzeptierte die Welt mit einer gutgelaunten Mischung von Optimismus und Neugier, die ihm im Umgang mit den komplizierten Problemen, die er ständig erfand, um sie dann zu lösen, Beharrlichkeit verlieh. Seine größte Tugend war vielleicht seine unerschöpfliche Geduld.
»Wie haben Sie denn Ihren Urlaub verbracht, während wir alle an der Arbeit waren?«, fragte Dyer nach einigen Sekunden. »Haben Sie irgendetwas Interessantes angefangen?«
»Ach, ich habe mir noch einige weitere Kolonien angesehen«, antwortete Chris in dem ernsthaften Tonfall, den er immer dann benutzte, wenn er es nicht wirklich ernst meinte. »Ich war in Florida. Der Homo americanus beim Spiel. Es war … lehrreich.« Er runzelte die Stirn, während er tiefer über Dyers Frage nachdachte. »Wirklich interessant war es wahrscheinlich nur einmal, als ein Hochgeschwindigkeitsidiot von seinen Wasserskiern herunterfiel und sich ein Bein brach. Davon abgesehen war es mittelprächtig: Massenhaft laute Bars mit Megatonnen-Bands und nackte Körper, die sich Strahlenkrankheiten einfingen. Da ist mir Upton-on-Severn weit lieber.«
»Das heißt wohl, dass Sie ungeduldig darauf warten, bis es endlich wieder losgeht, was?«, sagte Dyer, als der Fahrstuhl mit ungeduldigem Heulen im 96. Stock anhielt und sie hinausgingen. »Das ist gut. Ron hat oft bis spät in die Nacht an FISE gearbeitet. Sie werden viel zu tun haben.«
»Das ist mir recht. Woran hat Ron gearbeitet?«
»Ich bin auch noch nicht auf dem Laufenden«, sagte Dyer. »Ich war zu sehr mit Haushaltsangelegenheiten beschäftigt. Für heute habe ich mir vorgenommen, einige Zeit mit Ihnen und Ron zu verbringen, um zu sehen, wie es läuft. Wahrscheinlich später am Vormittag. Vorher muss ich noch einige Dinge bereinigen.«
Sie waren um eine Ecke des kleinen Platzes vor dem Fahrstuhl gebogen und hatten eine breite Fußgängerpassage betreten, die auf der einen Seite von Schaufenstern und auf der anderen von einer Aussicht auf New Jersey flankiert wurde. Nach einer kurzen Strecke bogen sie ab und gingen durch zwei mit von innen beleuchteten Mustern verzierten Glastüren in eine große Empfangshalle hinein. Die Worte, die einen halben Meter von der Wand entfernt neben der Tür in einem holografischen Planarbild schwebten, lauteten:
STÄDTISCHE UNIVERSITÄT NEW YORK
FAKULTÄTFÜR
INFORMATIONSVERARBEITENDE WISSENSCHAFTEN
SHANNON-SCHULE
FÜR
SYSTEMPROGRAMMIERUNGEN
»Es überrascht mich zwar selbst sehr, wenn ich das sage, aber es ist gut, wieder hier zu sein«, bemerkte Chris, als sie durch die Empfangshalle gingen. Sie begrüßten Peggy, die lächelnde, sommersprossige Empfangssekretärin, die sich gerade kämmte und dazu ihren Tischmonitor als Spiegel benutzte. »Wissen Sie was, Ray, ich habe den Verdacht, dass ihr noch einen New Yorker aus mir macht.«
»Das will ich sehen«, sagte Dyer zu ihm und lächelte.
Sie ließen die Halle hinter sich und folgten einem breiten, mit Marmor ausgelegten Korridor, der sie in einen Teil des Gebäudes führte, bei dem es sich nach einem Schild um die ABTEILUNGFÜRSELBSTADAPTIVE PROGRAMMIERUNG handelte. Die Türen, die in Abständen auf den Korridor mündeten, trugen eine Reihe von Namen, denen zum größten Teil Buchstaben und akademische Titel folgten. Von der Decke herabhängende Hinweisschilder zeigten den Weg zu Stellen wie: NATURSPRACHENPROJEKT – VORLESUNGSRÄUME C BIS E – BILDANALYSE – ABTEILUNGSLEITER – SIMULATIONSLABOR. Schließlich verließen sie unter einem Schild in der Nähe des hinteren Endes den Hauptkorridor. Auf dem Schild stand einfach HESPER-EINHEIT.
Dyer ignorierte die Tür mit der Bezeichnung DR. RAYMOND E. DYER, PROJEKTLEITER und trat mit Chris durch die ein Stück weiter gelegene Tür mit dem Hinweis HESPER-LABOR.
Dahinter lag ein winziger Irrgarten von abgeteilten Büros, dessen offener Bereich in der Mitte mit einem Teil der Ausrüstungsregale und zwei Laborstellen am hinteren Ende endete. Das lässige Durcheinander von dokumentbeladenen Tischen, durchhängenden Regalbrettern, unordentlichen Büchergestellen und gestapelten Computerausdrucken passte gut zu den Unmengen von Postern, technischen Zeichnungen, Zeitungsausschnitten und Cartoons, die den größten Teil der freien Wandflächen bedeckten. Zusammen ergab das jene charakteristische Art von freundlicher Unordnung, in der sich Forschungsarbeiter überall in der Welt am wohlsten zu fühlen scheinen. Es war eine Umgebung, die sich halb zufällig entwickelt hatte, um sich den Launen ihrer Bewohner anzupassen. Eine ordentliche und methodisch geplante Umgebung ging mit ordentlicheren und methodischeren Arten von Arbeit Hand in Hand.
Betty Thorn, die mittelalterliche, mütterliche und sorgfältige Verwaltungsangestellte der Einheit, die außerdem noch als Dyers Sekretärin fungierte, kochte auf dem kleinen Tisch in der Nähe ihres Schreibtischs neben der zweiten Tür zu Dyers Dienstzimmer Kaffee. Sie drehte ihren gelockten, leicht grau werdenden Kopf, um über ihre Schulter zurückzusehen, als sie eintraten.
»Guten Morgen, Ray. Schön, Sie wiederzusehen, Chris. Sie kommen gerade rechtzeitig. Möchten Sie eine Tasse?«
»Betty, was würde ich ohne Sie anfangen?«, sagte Dyer voller Ehrfurcht. »Mmm … bitte. Stark.«
»Die Vorstellung macht mir manchmal Angst«, antwortete sie mit gespielter Ernsthaftigkeit. »Haben Sie es doch noch bis nach Florida geschafft, Chris?«
»Danke. Ja … Es hat Spaß gemacht. Ich bin allerdings nicht sicher, ob ich allzu sehr darauf versessen wäre, mir dort ein zweites Zuhause einzurichten.« Chris zog seinen Parka aus und warf ihn achtlos über den Kleiderständer neben der Tür.
»Haben Sie sich das Raumfahrtzentrum angesehen, wie ich es Ihnen empfohlen habe?«, fragte ihn Betty.
»Ich war drei Tage lang dort, ja. Es gab vier oder fünf Starts. Das allein war schon den Besuch wert. Verdammt laut war es allerdings.«
»Das einzige, woran er sich noch zu erinnern scheint, ist, wie sich ein Typ ein Bein gebrochen hat«, murmelte Dyer geistesabwesend. Er hatte den Schirm auf Bettys Schreibtisch auf seinem beweglichen Stützarm herumgeschwenkt und benutzte nun die Tastatur dazu, um die Post abzurufen.
»Wirklich!« Bettys Stimme nahm einen besorgten Klang an, der aber ihr Interesse nicht verbergen konnte. »Wer?«
»Oh, mit uns hatte er nichts zu tun«, antwortete Chris nonchalant. »Nur ein Mister Universum, der von seinen Skiern heruntergefallen ist.«
»Er hat sich doch nicht schwer verletzt, oder?«
»Nein – nichts Ernstes. Deshalb war es doch so komisch.«
»Na ja, es freut mich auf jeden Fall, das zu hören«, sagte Betty mit erleichterter Stimme. »Ron, möchten Sie einen Kaffee?« Ihre letzten Worte richtete sie mit erhobener Stimme zur offenen Tür des chaotischen Dienstzimmers, das Chris mit Ron Stokes, einem weiteren Forschungsbeauftragten aus Dyers Team und Chris' Partner bei dem FISE-Projekt, teilte. Die Gestalt, die drinnen bereits an der Arbeit war, riss den Kopf von dem Durcheinander von Programmierungsanweisungen und Notizen hoch, die den Schreibtisch vor ihr bedeckten.
»Ja.« Die Stimme war laut und bestimmt. »Schwarz. Hallo, Jungs.« Damit beugte sich Ron wieder über seinen Schreibtisch und schrieb hektisch weiter.
Dyer überflog weiter die Mitteilungen, die auf dem Schirm erschienen und markierte sie dabei mit der Tastatur. Fortschrittsbericht von Ron muss überprüft werden … das würde er heute morgen erledigen. Sieht gut aus. Aufwendungen für die Abteilung im Vergleich mit Haushaltsstatistiken … abheften und vergessen. Brief von Prof. Graulich in Hamburg … Fragenliste zu Kims Arbeit an programmierter instinktiver Motivation … Zusammenfassung von Graulichs eigenen Arbeiten … Verweise auf veröffentlichte Artikel … später genauer lesen. Erinnerung daran, dass Chris heute zurückerwartet wird … löschen. Angebot von DEC für Zusätze zum Stimmkanal bei PDP-130 … an Ron und Chris delegieren. Verschiedener Verwaltungskram … soll Betty erledigen … Hinter ihm erzählte Betty Chris alles über ihre Tochter und ihren sechs Monate alten Enkel in Florida. Jeder in der Einheit wusste alles über Bettys Enkel.
»He, das ist ja ein Ding.« Dyer drehte sich halb um und gestikulierte zum Schirm hin. »Eine Gruppe in Tokio glaubt eine Methode entwickelt zu haben, Memory-Einheiten von hoher Dichte aus synthetischer DNS zu züchten. Sie sagen, das sei hundertmal billiger als die e-Bestrahlung von Reihenkristallen.« Chris trat einen Schritt nach vorn und überflog die Mitteilung verächtlich. Es war eine Nachricht, die Frank Wescott, der Leiter des HESPER-Labors bei CIT, weitergegeben hatte.
»Dieser Computer ist gefährlich. Bitte nicht füttern«, bemerkte Chris in feierlichem Ton. »Könnte interessant sein. Sonst noch etwas?« In der nächsten Mitteilung, die Dyer abrief, hieß es, Laura Fenning ließe ausrichten, sie wolle später am Morgen hereinschauen und würde sich freuen, wenn Dr. Dyer die Zeit finden könne, ein paar Worte über die Notizen zu sagen, die sie vorbereitet hatte. Er stöhnte laut, und sein Gesicht verzog sich.
»Was hat sie denn, dass sie heute schon kommen will?«, protestierte er. »Ich dachte, sie ist erst Donnerstag wieder dran.«
»Sieht so aus, als hätte sie ihre Meinung geändert«, sagte Betty mit unwiderlegbarer Logik.
»Mist!«, murmelte Dyer verärgert. »Ich habe heute viel zu tun. Darauf hätte ich gern verzichten können.«
»O weh.« Chris nahm Rons Kaffee und ging damit auf sein Dienstzimmer zu. »Ich denke, ich sollte wohl besser einmal nachschauen, wie Ron weitergekommen ist. Bis später.«
Dyer kochte weiter vor sich hin, während Betty ihre Aufmerksamkeit auf die Einordnung von verschiedenen Schriftstücken in die Ablage neben ihrem Schreibtisch richtete. Einige Sekunden später erklang Rons Stimme von der anderen Seite der noch immer offenen Tür. »Wir werden die gesamte Struktur der Nichterfüllungsverbindungen ändern müssen. Ich sage immer noch, die sind total durcheinander.«
»Sie sind nicht durcheinander«, seufzte Chris' Stimme mit unendlicher Geduld. »Haben Sie den Deckungs-Algorithmus ausgeweitet?«
»Der braucht nicht ausgeweitet werden. Ich sage Ihnen ständig, dass …«
»Machen Sie mal eine Sekunde lang Sendepause, Ron. Welche Testlimits haben Sie für den I-sub-D-Parameter vorgesehen?«
»I-sub-D hatte damit nichts zu tun. I-sub …«
»Es hat sehr wohl etwas damit zu tun. Wenn Sie nur eine Sekunde lang darüber nachdenken würden …«
»Hat es nicht! I-sub …«
»Ruhe, bitte.«
»I-sub-D wirkt sich nur auf …«
»RUHE, RON!«
Dyer seufzte. Chris und Ron waren trotz ihrer total gegensätzlichen Natur unzertrennlich. Das bedeutete, dass sie den ganzen Tag so weitermachen würden. Dyer war immer noch ärgerlich und runzelte die Stirn bei dem Anblick des unbesetzten Schreibtischs, der auf der anderen Seite der Tür auf den Korridor hinaus gegenüber von Bettys Arbeitsplatz stand.
»Wo ist Pattie?«, fragte er. »Ich dachte, diese Woche fängt sie früh an?« Betty spürte seine Stimmung und schnitt eine Grimasse.
»Das Übliche, nehme ich an«, antwortete sie vorsichtig. »Sie kennen doch die jungen Leute – besonders Pattie.« Sie fragte weiter, ohne darum gebeten worden zu sein: »Wollen Sie mit ihr darüber reden, oder soll ich es tun?«
»Sie ist Ihre Assistentin«, sagte Dyer. »Sehen Sie eben zu, was Sie ausrichten können. Wenn das nicht wirkt, unterhalte ich mich mit ihr.«
»Okay. Ach ja, Kim wollte auch mit Ihnen sprechen. Sie ist drüben in der Instandsetzung, aber so um zehn Uhr wollte sie herkommen. Ich habe ihr gesagt, das würde schon in Ordnung gehen. Sie sagt, es sei persönlich.«
»Und wann kommt diese Fenning her?«, fragte Dyer.
»Davon stand nichts in der Botschaft.«
»Persönlich. O Gott.« Es war bereits ein langer Tag geworden. Dyer öffnete die Tür zu seinem Dienstzimmer. »Okay, ich bin den ganzen Morgen hier. Ich muss einen Bericht überprüfen. Der oder die erste, der hereinkommt, soll zu mir kommen, wer es auch sein mag.«
»Geht in Ordnung«, bestätigte Betty die Anweisung.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch, aktivierte auf seiner eigenen Konsole einen Stimmkanal und tippte seinen persönlichen Zugangscode.
»Aktiviert«, informierte ihn eine synthetische Stimme aus dem Lautsprechergitter.
»Datenbank«, antwortete er. »Berichte zu HESPER Strich S. A. P. Strich Stokes zwei-null-neun Strich D Punkt sieben. Nur Video.« Der Schirm zeigte ihm die Interpretation der Maschine.
»Bestätigt«, sagte sie. Einige Sekunden verstrichen, während Computer, die an einer anderen Stelle in dem Gebäude standen, seine Anweisung durch die Stadt an den lokalen Primärknotenpunkt – nordöstlicher Sektor, nordamerikanische Region – des TITAN-Netzes weitergaben.
»Frauen!«, murmelte er.
»Wie bitte?«, fragte die Konsole höflich.
Er seufzte.
»Löschen.«
»Gelöscht«, teilte ihm die Konsole mit.
Maschinen!, dachte er für sich.
»Okay, Ray. In diesem Punkt sind wir einer Meinung.« Kimberly Sinclair hakte elektronisch einen Posten jener Liste ab, die den auf ihrem Knie balancierten Schirm ausfüllte, und stockte kurz, um sich den nächsten Punkt anzusehen.
Während Dyer mit auf den Daumenballen gestütztem Kinn wartete, musterte er die weiche Kaskade von hellbraunem Haar, die auf ihre Schultern herabfiel, und die interessanten Rundungen, die gegen die Jacke und den Rock ihres teuren Schneiderkostüms nach außen drängten.
Die Linien ihres Gesichts waren gerade und fest, aber gerade abgerundet genug, um nicht harsch auszusehen. Eine jener faszinierenden Frauen, die Sexualität ausströmen, ohne dabei irgendwie als schön gelten zu können, dachte er. Einen Augenblick verspürte er einen Anflug von Neid auf ihren Mann, den Anwalt. Tony schien den größten Teil seiner Zeit in der Luft zwischen einer Stadt und der anderen zu verbringen. Bei näherer Überlegung kam er jedoch zu dem Ergebnis, dass er dieses Tempo keinen Monat lang aushalten würde. Vielleicht hatte Tony das gleiche Problem.
Mit ihren dreißig Jahren war Kim nach Dyer die jüngste in dem technischen Stab, dem alle bis auf Betty und Pattie angehörten. Sie wurde allgemein als inoffizielle stellvertretende Chefin angesehen. Dyer hatte oft das Gefühl, dass sie im Grund nicht in die Forschung gehörte. Sie arbeitete ständig mit Höchstgeschwindigkeit, und es gelang ihr, eine anspruchsvolle Karriere mit einem unmöglichen Privatleben zu vereinbaren, das mit Bürgerinitiativen, Komitees für dies und Vereinigungen für jenes und endlosen Kampagnen vollgepackt war, die sich für gewöhnlich gegen Bürokratie in der einen oder anderen Form richteten. Sie packte beide Bereiche mit dem Eifer eines Predigers an, der am Vorabend des Weltuntergangs erst die Hälfte der Menschheit errettet hat. Nach Dyers Meinung wäre sie eher als Managerin einer Börsenmaklerfirma in der Wall Street, eines internationalen Konzerns oder sogar in der Regierung an der richtigen Stelle. Computer waren aber schon immer ihre Leidenschaft gewesen, und als Beweis dafür konnte sie auf eine lange Liste von akademischen Auszeichnungen und Neuerungen verweisen, und wenn eine solche Frau eine derartige Leidenschaft entwickelte, dann spielten die Vorstellungen anderer Leute, wie sie ihre Talente anderweitig besser einsetzen könnte, keine große Rolle mehr.
Die Arbeitszeit der HESPER-Einheit war zu ihrem größten Teil zwei Kernprojekten gewidmet. Das erste davon war FISE, in dem es im Grunde um die Entwicklung verlässlicher Methoden ging, Computer dazu zu programmieren, Vernunft zu zeigen – damit befassten sich Chris und Ron. In dem anderen Projekt ging es um die Verfeinerung bereits vorhandener Techniken der Konstruktion von sich selbst modifizierenden Programmierungssystemen, die in der Lage waren, ihre eigenen Problemlösungsstrategien als aufsteigende Strukturen von Zielen und Unterzielen zu entwickeln. In gewisser Beziehung geschah dies analog dazu, dass man der Maschine grundsätzliche »instinktive« Motivationen verlieh, »Triebe«, die sie dann in immer effektiverer Weise befriedigen konnte. In dem Prozess wurde die natürliche Evolution nachgeahmt, aber mit elektronischen Geschwindigkeiten. Das war Kims Projekt, und ihr Assistent dabei war Allan Morrow, der jüngste des Teams. Er war einer der beiden Mitarbeiter, die im Zuge der Graduiertenförderung der Einheit zugewiesen worden waren. Die andere, Judy Farlin, befand sich theoretisch ebenfalls unter Kims Fittichen, verbrachte aber den größten Teil ihrer Zeit mit ihrer Dissertation (»Evolution objektiver Hierarchien in zielorientierten, sich selbsttätig ausweitenden Programmstrukturen«) und war daher im Grund nicht wirklich aktiv beteiligt.
»Ach ja«, sagte Kim und sah auf. »Ich wollte noch etwas erwähnen. Wir haben mit der Verwaltung immer noch Schwierigkeiten, was das Reservationssystem für den Raum für grafische Darstellungen betrifft. Darüber müsste wirklich mal jemand mit Hoestler sprechen, damit da drüben jemand einen ordentlichen Tritt bekommt. Ich habe heute morgen versucht, ihnen irgendetwas Vernünftiges zu entlocken, aber das ist einfach sinnlos.«
»Hat man die Buchungen wieder durcheinandergebracht?«, vermutete Dyer. Kim nickte und tippte betont auf den Schirm des Monitors.
»Genau. Ray, diese Leute stehen mir wirklich bis hier. Zweimal in der letzten Woche haben sie Judy mitgeteilt, ein Raum sei für sie reserviert, und dann konnte sie nicht hinein, weil er doppelt gebucht war.«
»O Gott! Wieder Judy, was?«
»Ja, darum geht es doch«, sagte Kim hitzig. »Das Mädchen ist voll damit beschäftigt, ihre Dissertation hieb- und stichfest hinzukriegen, und sie braucht die Zeit für die Wandgrafiken. Diese Arschlöcher in der Verwaltung geben ständig den Computern die Schuld, statt zu lernen, ihre Aufgabe richtig zu erledigen. Wenn sie nicht wissen, wie ein Programm richtig durchgezogen wird – und das ausgerechnet hier –, dann sollten sie hinausgeworfen und durch Leute ersetzt werden, die sich auskennen!«
»Schon gut, schon gut.« Dyer hob seine Hand, um den Redeschwall zu stoppen. »Ich bin ganz Ihrer Meinung, die Leute bauen Mist. Ich werde mit Hoestler darüber sprechen. Für den Betrag, den sie von unserem Etat für die Raumbenutzung abzweigen, könnten wir uns fast unseren eigenen Grafik-Raum hier in der Einheit einrichten. Was gibt's sonst noch?«
»Es ist ja nicht so, dass daran irgendetwas schwierig wäre«, redete Kim weiter. »Sie brauchen doch nur …«
»Schon gut«, sagte Dyer noch einmal. »Das wird erledigt. Was gibt's sonst noch?« Kim sah automatisch nach unten.
»Das wär's wohl«, sagte sie, schaltete den Monitor ab und machte den Deckel zu. Sie sah auf die Uhr hinter Dyers Kopf und stellte ihre übereinandergeschlagenen Beine nebeneinander, um aufzustehen. »Ich wollte Eric vor elf Uhr anrufen. Haben Sie mir sonst noch etwas zu sagen, wenn ich schon mal hier bin?«
»Nein, aber ich dachte, Sie hätten etwas auf dem Herzen.« Dyer sah leicht überrascht aus. »In allem, was Sie zu mir gesagt haben, ging es um Universitätsangelegenheiten. Betty sagte mir, Sie hätten ein persönliches Anliegen an mich.« Kim runzelte eine Sekunde lang die Stirn.
»Ach ja.« Sie setzte sich wieder hin. Ihre Stimme senkte sich zu einem vertraulicheren Tonfall. »Es geht um Allan.«
»Was gibt es?«
»Er macht die ganze Zeit mit Pattie herum«, sagte Kim. »Sie kam heute schon wieder vierzig Minuten zu spät, und er hat sich fünf Minuten später verstohlen hereingeschlichen, rein zufälligerweise natürlich. Ich will mich ja nicht in die persönlichen Angelegenheiten von anderen Leuten einmischen, Ray, aber es gibt doch so etwas wie Vernunft und Diskretion.«
»Okay, ich weiß, was Sie meinen«, sagte Dyer und hob eine Hand leicht an. »Ich bin da ganz Ihrer Meinung. Er macht sich öffentlich zum Narren, und jemand sollte mit ihm reden. Überlassen Sie das mir. Ich werde Betty darum bitten, auch zu Pattie ein paar weise Worte zu sagen.«
»Ich will hier nicht versuchen, den Schwarzen Peter weiterzugeben oder so etwas«, sagte ihm Kim. »Es ist eben nur … na ja, Sie wissen ja, wie das mit jungen Leuten ist. Ich dachte, das sollte besser von Ihnen kommen.«
»Machen Sie sich keine Gedanken darüber. Ich werde …« Das Glockensignal ertönte von seiner Konsole. »Bitte entschuldigen Sie mich eine Sekunde.« Er berührte eine Taste, um den Anruf anzunehmen, und Bettys Gesicht begrüßte ihn.
»Bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung, aber Laura Fenning ist hier«, verkündete sie. Dyer konnte hinter Bettys Schulter das vertraute, klassisch ovale Gesicht und die rabenschwarze Kleopatra-Frisur erkennen. Er entblößte seine Zähne zu einem Lächeln, beziehungsweise er hoffte, dass es ein Lächeln war.
»Nur noch eine Minute, Betty. Guten Morgen, Miss Fenning.« Er schaltete den Schirm ab und wandte sich wieder Kim zu, die bereits im Aufstehen begriffen war. »Wo waren wir? Ach ja … machen Sie sich darüber keine Gedanken. Ich spreche mit ihm.«
»Vielen Dank«, antwortete Kim. »Damit hätten wir es wohl geschafft. Ich verziehe mich jetzt, damit Sie weitermachen können. Bis später.«
»Bis später.«