Der Schöpfungscode - James P. Hogan - E-Book

Der Schöpfungscode E-Book

James P. Hogan

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Beschreibung

Die Roboter vom Titan

Etwa eine Million Jahre vor unserer Zeit fliegt ein automatisches Roboterschiff einer fremden Zivilisation zu nahe an einer Sonne vorbei, die völlig unerwartet zur Nova wird. Im Schiff treten schwere Schäden an der Elektronik auf. Es kommt vom Kurs ab und stürzt Jahrtausende später in den Eiswüsten eines nicht kartographierten Mondes ab, der einen beringten Planeten in einem kleinen Sonnensystem umkreist. Doch nicht alle Maschinen an Bord werden dabei zerstört, und als die Menschen im 21. Jahrhundert zum ersten Mal den Saturnmond Titan betreten, entdecken sie dort etwas Unglaubliches …

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JAMES P. HOGAN

 

 

 

DER

SCHÖPFUNGSCODE

 

Roman

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Etwa eine Million Jahre vor unserer Zeit fliegt ein automatisches Roboterschiff einer fremden Zivilisation zu nahe an einer Sonne vorbei, die völlig unerwartet zur Nova wird. Im Schiff treten schwere Schäden an der Elektronik auf. Es kommt vom Kurs ab und stürzt Jahrtausende später in den Eiswüsten eines nicht kartographierten Mondes ab, der einen beringten Planeten in einem kleinen Sonnensystem umkreist. Doch nicht alle Maschinen an Bord werden dabei zerstört, und als die Menschen im 21. Jahrhundert zum ersten Mal den Saturnmond Titan betreten, entdecken sie dort etwas Unglaubliches …

 

 

 

 

Der Autor

James P. Hogan (1941-2010) wuchs im Londoner Westen auf. Sein erster Roman Das Erbe der Sterne erschien 1977. Sein wissenschaftlich-technisch orientierter Schreibstil fand großen Anklang, sodass Hogan mehrere Nachfolgeromane schrieb. Er wurde oft mit seinem Landsmann Arthur C. Clarke verglichen. Bis zu seinem Tod lebte er mit seiner Frau Jackie, mit der er in dritter Ehe verheiratet war, in Florida und Irland.

 

 

 

 

 

www.diezukunft.de

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Titel der Originalausgabe
VOYAGE FROM YESTERYEAR
Aus dem Amerikanischen von Joachim Körber
Überarbeitete Neuausgabe Copyright © 1983 by James P. Hogan Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Covergestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: Thomas Menne
ISBN 978-3-641-23130-9 V002
www.penguinrandomhouse.de

Prolog

 

DER SUCHER

 

1,1 Millionen Jahre v. Chr.

1000 Lichtjahre vom Sonnensystem entfernt

 

Hätten die Menschen schon eine hochentwickelte Sprache gehabt, sie hätten die Bestimmung des Raumschiffes wahrscheinlich mit »Sucher« angegeben. Es war unbemannt, fast eine Meile lang, stromlinienförmig – zum Eintauchen in Planetenatmosphären –, und es operierte völlig unter der Kontrolle von Computern. Die außerirdische Zivilisation war weit entwickelt, die Computer daher sehr kompliziert.

Der Planet, den der Sucher nach einer viele Jahre dauernden Reise erreichte, war der vierte im System eines Sterns, der nach dem König einer mythischen Rasse außerirdischer Götter benannt war, und konnte durchaus angemessen Zeus IV genannt werden. Er bot keinen erwähnenswerten Anblick – ein atmosphäreloser, lebloser Ball erodierter Felsformationen, eine Menge Geröll und Schotter von uralten Meteoriteneinschlägen, weite Gebiete vulkanischer Asche –, aber die Orbitalscanner und Oberflächensonden des Suchers fanden eine Kruste, die reich an Titan, Chrom, Kobalt, Kupfer, Mangan, Uran und vielen anderen wertvollen Elementen war, wie sie von thermofluiden Prozessen in der Frühgeschichte eines Planeten angereichert werden können. Ein solch natürlicher Überfluss von Metallen gewährleistete in größerem Umfang Produktion ohne teure Abhängigkeit von umfangreichen nuklearen Umwandlungsprozessen – mit anderen Worten, er war ausgesprochen wirtschaftlich –, und genau danach hatte der Sucher gesucht. Nach Abschluss der Analyse erster Daten bestimmte der Computer einen Landeplatz, formulierte und sendete eine Botschaft über die Funde und das geplante weitere Vorgehen nach Hause und aktivierte dann das Landeprogramm des Schiffes.

Kurz nach der Landung schwärmten Erkundungsroboter, die mit Fotoapparaturen, Spektrometern, Analysatoren, chemischen Sensoren, Probennehmern, Strahlungsmessern und verschiedenen Greifwerkzeugen ausgerüstet waren, vom Schiff aus und verteilten sich über das umliegende Land, um Unregelmäßigkeiten an der Oberfläche zu untersuchen, die vom Orbit aus beobachtet worden waren. Ihre Funde wurden dem Schiff übermittelt und verarbeitet, kurz darauf kam ein Team Transportrobots auf Raupenketten, Beinen und Rädern, um Erde und andere Materialien dorthin zu schaffen, wo andere Maschinen begonnen hatten, das Pilotmodell eines fusionsbetriebenen Extraktionskraftwerks zu bauen. Daneben wurde eine Teile-herstellende Einrichtung erbaut, gefolgt von einer Einrichtung zum Zusammenbau dieser Teile, bis das Pilotwerk Schritt für Schritt zu einer voll ausgerüsteten Allzweckfabrik wuchs, die über eigene Kontrollcomputer verfügte. Die Master-Programme der Schiffscomputer wurden in die Computer der Fabrik kopiert, die daraufhin autonom wurden und selbst Kontrolle über die Vorgänge auf der Oberfläche übernahmen.

Manchmal verlief selbstverständlich nicht alles exakt nach Plan, aber die außerirdischen Ingenieure hatten ihr eigenes Gegenstück zu Murphy konstruiert und sein Gesetz in ihren Plänen zugelassen. Wartungsroboter kümmerten sich um Ausfälle und Verschleiß; Fehlersuchprogramme bestimmten Ursachen für Produktionsausfälle und justierten Toleranzen in die Maschinen ein; Abbruchteams brachten Maschinen mit Fehlfunktionen zur Reparatur; spezialisierte Schrottfinder suchten die Oberfläche nach ausgefallenen Maschinen, verlorenen Teilen und generell nach Materialien ab, die man recyceln konnte.

Die Zeit verstrich, die Fabrik summte, die Robotbevölkerung wuchs an Zahl und Vielfalt. Als die Population eine kritische Größe erreicht hatte, sonderte sich eine gemischte Arbeitsgruppe vom Hauptzentrum der Aktivitäten ab und entfernte sich einige Meilen, um eine zweite Fabrik zu bauen, eine Nachbildung der ersten, wobei Materialien verwendet wurden, die ursprünglich von Fabrik Eins gefertigt worden waren. Als Fabrik Zwei autark geworden war, stellte Fabrik Eins, deren Aufgabe damit erfüllt war, auf die Serienproduktion von Waren und Materialien um, die später zum Heimatplaneten transportiert werden sollten.

Während Fabrik Zwei den Prozess wiederholte, indem sie die Arbeit an Fabrik Drei begann, nahm der Arbeitstrupp von Fabrik Eins die Werkzeuge und machte sich an den Bau von Fabrik Vier. Als Fabrik Vier die Arbeit aufnahm, waren die Fabriken Fünf bis Acht bereits im Bau, Fabrik Zwei war zu Massenproduktion übergegangen, und Fabrik Drei erbaute das erste einer Flotte von Frachtschiffen, welche die gelagerten Produkte zum Heimatplaneten transportieren sollten. Dieser selbstreproduzierende Prozess würde mit rascher Geschwindigkeit weiterlaufen und die gesamte Oberfläche von Zeus IV in einen vollautomatischen Manufakturkomplex verwandeln, dessen Bestimmung es war, die ferne außerirdische Zivilisation aus lokalen Ressourcen zu versorgen.

Aus den Kontrollcomputern des Suchers sah das Überwachungsprogramm durch die Dateneingangskanäle auf die Szene hinaus und stellte fest, dass die Arbeit gut war. Nach einem gründlichen Überholen und Überprüfen aller Systeme nahm das Suchschiff den ersten Arbeitstrupp wieder an Bord und startete erneut ins All, um weitere Welten zu suchen, auf denen es den Zyklus wiederholen konnte.

 

 

Fünfzig Jahre später

 

Nach galaktischen Maßstäben nicht weit von Zeus entfernt, befand sich eine andere Sonne, ein heißer, blauweißer Stern, dessen Masse fünfzehnmal größer als die der irdischen Sonne war. Er war überaus schnell entstanden, und seine Lebensspanne – das temporäre Aufhalten seines Kollapses unter dem Druck der eigenen Schwerkraft durch den Druck thermonuklearer Strahlung – hatte eine so gewaltige Energiemenge erfordert, dass sie nur kurz war. Nach nur zehn Millionen Jahren setzte der Kollaps des Sterns, der den ganzen Wasserstoff der äußeren Hülle in Helium umgewandelt hatte, wieder ein, bis die Kerntemperatur hoch genug war, das Helium zu Kohlenstoff zu verbrennen, und dann, nachdem alles Helium verbraucht war, den Kohlenstoff selbst. Die Fusion des Kohlenstoffs heizte die Temperatur noch mehr an, was die Reaktion zusätzlich beschleunigte und den Kern weiter anheizte, bis es zu einem thermonuklearen Explosionsprozess kam, der nach kosmischen Zeitmaßstäben augenblicklich ablief. Binnen weniger Tage blähte sich der Stern zu einer Supernova auf. Er strahlte milliardenfach heller als die Sonne und dehnte sich aus, bis die Umlaufbahn des Uranus in ihm Platz gefunden hätte. Dabei verschlang er seine winzige Herde von Planeten.

Diese Planeten hatten als nächste auf der Liste der zu untersuchenden Himmelskörper des Suchers gestanden, und so kam es, dass sich das Schiff im letzten Stadium der Annäherung befand, als der Stern explodierte. Der Strahlenschauer traf es Bug voraus in einer Entfernung von drei Milliarden Meilen.

Die Hülle des Suchers blieb mehr oder weniger intakt, aber sekundäre Gammastrahlen und hochenergetische subatomare Teilchen – alles Dinge, die für einen Computer mehr als ungesund sind – überfluteten das Innere. Der Sucher brach mit größtenteils ausgebrannten Primärsensoren und gestörter Navigation vom vorgegebenen Kurs aus und verschwand in den Tiefen des interstellaren Raumes.

Eines der winzigen Pünktchen, die in der neuen Richtung des Schiffes lagen, war ein weißgelber Zwergstern, etwa tausend Lichtjahre entfernt. Auch er besaß eine Planetenfamilie, und auf dem dritten dieser Planeten hatten die Nachkommen einer halbintelligenten Rasse von Affen gerade das Feuer gezähmt und begannen, mit Werkzeugen zu experimentieren, die sie mühsam aus Steinen fertigten.

Supernovae sind vergleichsweise seltene Erscheinungen, die in einer durchschnittlichen Galaxie mit einer Häufigkeit von ungefähr zwei bis drei pro Jahr auftreten. Aber, wie bei allen Verallgemeinerungen, gibt es auch hier Ausnahmen. Die Supernova, die den Sucher fast verschlungen hätte, war die erste einer kleinen Kette, die durch einen lokalen Cluster von Sternen lief, welche alle ungefähr zur selben Zeit entstanden waren. In der Mitte dieses Clusters befand sich ein normaler, langlebiger Stern – der Heimatstern der Außerirdischen. Die Außerirdischen hatten sich nie die Mühe gemacht, ihre eigene Zivilisation bis über die Grenzen des heimatlichen Sonnensystems auszudehnen. Und das war Pech für sie, denn es bedeutete ihr Ende.

Jeder hat mal einen schlechten Tag.

 

 

Eine Million Jahre v. Chr.

 

Einhunderttausend Jahre nachdem er in die Ausläufer der Supernova geraten war, erreichte der Sucher die äußeren Regionen eines Planetensystems. Da die Messinstrumente für Höchstgeschwindigkeit nur teilweise funktionierten und die Sonden sich gar nicht mehr aktivieren konnten, ging das Schiff direkt über dem ersten Planeten, den es aufspürte, einem gefrorenen Ball aus eisverkrustetem Fels mit einem Durchmesser von etwa dreitausend Meilen, Seen aus flüssigem Methan und einer Atmosphäre aus Stickstoff, Wasserstoff und Methandampf, in den Landeflug. Die Welt genügte den Anforderungen für lohnenden Erzabbau in keinster Weise, was aber keinerlei Konsequenzen hatte, da die für Oberflächenanalyse und Auswertung zuständigen Computerprogramme nicht mehr funktionierten.

Aber die Programme zur Einleitung der Oberflächenaktivität funktionierten noch mehr oder weniger, und Fabrik Eins, deren Grundfunktionen wenigstens bis zu einem gewissen Grad intakt waren, wurde pflichtschuldig auf einem Felssims über dem Eisufer eines flachen Methansees errichtet. Die Master-Programme des Schiffes wurden in die neu installierten Fabrikcomputer übermittelt, die als erste Aufgabe den Befehl erhielten, mit dem Bau von Fabrik Zwei zu beginnen. Folgerichtig bat das Überwachungsprogramm die Datenbank des Schiffes um eine Kopie des »Wie man eine Fabrik baut«-Programms, zu dem eine Reihe von Unterprogrammen, »Wie man Maschinen macht, die man braucht, um eine Fabrik zu bauen«, d.h. Roboter, gehörten. Und hier nun ging wirklich alles schief.

Die Roboter enthielten kleine interne Prozessoren, die man via Funkverbindung mit den Fabrikcomputern für jede erforderliche neue Aufgabe programmieren konnte. Das ermöglichte den Robotern, ihre verschiedenen Aufgaben unter autonomer lokaler Kontrolle durchzuführen und schuf den Zentralcomputern Freiraum für andere Tätigkeiten, während sie auf das nächste »Fertig! Was kommt jetzt?«-Signal warteten. Daher existierten viele Software-Mechanismen, die einen Datenaustausch zwischen den Fabrikcomputern und den Fernsteuerungsprozessoren in den Robotern einleiten konnten.

Als man versuchte, die »Wie man eine Fabrik baut«-Programme vom Schiff zu Fabrik Eins zu übermitteln, wurden die falschen Software-Verbindungen aktiviert. Anstatt ins Zentralsystem der Fabrik zu gelangen, wurden die Sub-Programme mit den Instruktionen für Robotbau von der Fabrik einfach nur an die einzelnen Roboter abgestrahlt und direkt in die Erinnerung der respektiven Robotertypen eingegeben. In den Datenspeichern der Fabrik blieben keine Kopien. Schlimmer noch, die Originale im Schiff nahmen im Verlauf des Prozesses Schaden und wurden unwiederbringlich gelöscht. Die einzigen Kopien der »Wie man einen Roboter Typ Fred macht«-Programme befanden sich in den Robotern Typ Fred auf der Oberfläche. Dasselbe galt auch für alle Typen.

Als das Überwachungsprogramm der Fabrik dem Planungsprogramm befahl, mehr Roboter für die Manufaktur zu planen, und das Planungsprogramm dem Datenspeicher eine Anfrage nach den entsprechenden Sub-Programmen übermittelte, stellte der Datenspeicher fest, dass er damit nicht dienen konnte. Und auch vom Schiff konnte er keine Kopie erhalten. Der Datenspeicher teilte dem Planungsprogramm das Problem mit, das Planungsprogramm beschwerte sich bei der Überwachung, die Überwachung machte das Kommunikationsprogramm dafür verantwortlich, das Kommunikationsprogramm verlangte eine Erklärung von der Datenübermittlung; und nach einer langen Reihe elektronischer Gegenbeschuldigungen und Vorwürfe, kamen Systemlog und Bestimmungsprogramme zu dem Ergebnis, dass die fehlenden Sub-Programme zuletzt auf dem Weg durch die Übertragungsrelais zu den Robotern draußen registriert worden waren. Unter der dringenden Anweisung der Überwachung wählte das Kommunikationsprogramm einen Fred aus der ersten Roboterkategorie aus, nach denen die Liste des Planers fragte, und übermittelte ihm die Botschaft, das Sub-Programm zurückzusenden.

Aber der Fred hatte keine vollständige Kopie des Sub-Programms, da seine Erinnerungsspeicher einfach nicht groß genug gewesen waren, alles aufzunehmen. Aus demselben Grund konnte auch kein anderer Fred eine vollständige Kopie übermitteln. Sie waren in der Reihenfolge des Datenstroms versorgt worden, als würde man Eimer aus einem Schlauch füllen, so dass jeder einen anderen Teil des Sub-Programms erhalten hatte. Aber sie alle zusammen schienen das vollständige Programm bewahrt zu haben. Nun musste die Überwachung verschiedene Programmteile von verschiedenen Freds sammeln und sie wieder auf eine sinnvolle Weise zusammenfügen. So gelangte sie schließlich zu der Version, die dann vom Planer zur Herstellung übermittelt wurde.

Unglücklicherweise ging die Instruktion, die Informationen für den weiteren Gebrauch zu speichern, irgendwo verloren, und für jedes Teil eines Freds wurde das zugehörige »Wie macht man es«-Sub-Programm sofort wieder gelöscht, kaum dass die Herstellung damit fertig war. Als Fabrik Eins demzufolge eine gewisse Zeit Teile für Fabrik Zwei gefertigt hatte und die Zahl der Arbeitsroboter erhöhen musste, damit Standorte für Fabrik Drei untersucht werden konnten, musste der Überwacher das ganze Spiel von vorne beginnen. Und derselbe Prozess wurde auch immer dann nötig, wenn ein neuer Arbeitsgang begonnen wurde, um Roboter herzustellen, die ausgefallene oder verschlissene ersetzen sollten.

Das alles erforderte erhebliche Mengen Prozessorzeit, überlud die Kommunikationskanäle und war allgemein in der Weise unrentabel, über die sich Finanzbuchhalter immer beschweren. Die außerirdischen Programmierer waren hinreichend von den außerirdischen Finanzbuchhaltern, die das Geschäft leiteten, indoktriniert worden – wie immer –, und hatten daher die Überwachung als flexibles, selbstmodifizierendes Lernprogramm geschrieben, das derartige unrentable Vorgänge aufspürte, darüber unglücklich wurde und nach Wegen suchte, den Prozess rentabler zu gestalten. Nach einigem Überprüfen fand die Überwachung heraus, dass manche der Freds etwa die Hälfte ihrer respektiven Sub-Programme enthielten, was bedeutete, dass man eine vollständige Kopie erhalten konnte, indem man nur zwei Individuen anstatt viele befragte. Daher spürte sie diese »zusammenpassenden Paare« auf und zog sie als Quelle bei wiederholten Anfragen der Planung heran, ohne weiter auf die anderen zu achten.

Zusammen mit den ursprünglichen »Wie man einen Fred macht«-Sub-Programmen, gingen auch die Sub-Programme »Wie man einen Fred zum Funktionieren bringt, nachdem man ihn gemacht hat« verloren. Um diesen Missstand zu beseitigen, kopierte der Überwacher dem Planer das volle Programm-Set, das bereits in den Freds existierte, die er ausgewählt hatte, um Reproduktionsinformationen zu liefern, und zu diesem Set gehörte selbstverständlich auch das Programm, wie man Freds machte. So kamen die Roboter nun vom Fließband und hatten eine Hälfte ihrer »genetischen« Information automatisch eingebaut, und damit begann ein Zyklus, durch den sie wiederum zur Informationsquelle wurden, die später zur Herstellung weiterer Freds rekombiniert wurde. Diese Methode funktionierte, und der Überwacher kam nie auf den Gedanken, dass er sich eine Menge Ärger hätte ersparen können, hätte er die Blaupausen ein für allemal in der Datenbank der Fabrik gespeichert.

Die auf diese Weise rekombinierten Programmsegmente wurden manchmal nicht originalgetreu kopiert, und die aus ihnen gebildeten »Genome« waren selten identisch, bei manchen fehlten Stellen des Codes, während sie bei anderen verdoppelt wurden. Als Folge davon fingen manche Freds an, seltsame Gestalten anzunehmen und sich seltsam zu verhalten. Manche verhielten sich auch gar nicht, sondern fielen schon bei den Tests einfach um und versagten. Sie wurden in ihre Einzelteile zerlegt und wiederverwertet. Vielen ging es so.

Manche aus der früheren Phase waren genetisch unvollständig – »steril« – und baten den Überwacher nie um die Übermittlung von Reproduktionsdaten. Sie überdauerten, bis sie ausfielen oder verschlissen waren, dann wurden sie ausgelöscht. Manche vermehrten sich passiv, das heißt, sie übermittelten der Fabrik ihre halben Sub-Programme, wenn der Planer sie abrief.

Einige wenige jedoch hatten von der Software des Schiffes die Programm-Module geerbt, deren Funktion es war, der Planung Befehle zur Produktion von noch mehr Modellen ihrer eigenen Art zu übermitteln – Programm-Module, und dies kam erschwerend hinzu, die eine selbstmodifizierende Prioritätsstruktur enthielten, welche imstande war, die Dringlichkeit dieser Befehle innerhalb des Systems so lange zu steigern, bis sie befolgt wurden. Die Roboter dieser Kategorie vermehrten sich aktiv: Sie verhielten sich, als stünden sie unter dem Zwang, ständig sicherzustellen, dass ihre halben Sub-Programme immer im Plan des Planers, was als nächstes zu tun war, enthalten waren.

Als Fabrik Eins zur Massenproduktion überging, übernahmen die Roboter, die um Platz in der Produktionsliste kämpften, bald allen zur Verfügung stehenden Speicherplatz und bewirkten, dass die Fabrik künftig nichts anderes mehr ausstieß. Als Fabrik Zwei unter Kontrolle von Programmen, die von Fabrik Eins kopiert worden waren, an die Arbeit ging, geschah dort dasselbe. Und derselbe Zyklus wurde auch in Fabrik Drei aktiviert, deren Konstruktion zu dem Zeitpunkt begonnen hatte.

Immer mehr Fabriken wurden erbaut, und schon bald bildeten sie eine »Stadt«, die sich von der Felsenklippe an der Küste landeinwärts erstreckte. Die von der ursprünglichen Parental-Software vererbte Instabilität manifestierte sich weiter in den Kopien der Kopien der Kopien nachfolgender Generationen, und die neuen Fabriken, ebenso wie die gemischte Population der Roboternachkommen, unterschieden sich immer mehr in Form und Funktion.

Materielle Ressourcen gab es selten überall, was zu einem Konkurrenzdruck führte, wie ihn die außerirdischen System-Designer niemals beabsichtigt hatten. Die Fabrikroboter-Gemeinschaften, die eine ausgeglichene Mischung aus Erkundungs-, Beschaffungs- und Verarbeitungsrobotern bildeten, deren »Appetit« den Bedürfnissen ihrer Fabriken angeglichen war, und die an günstigen Stellen der Oberfläche lebten, konnten normalerweise überleben, wenn nicht gedeihen. Fabrik Zehn, zum Beispiel, befand sich im Zentrum eines zwölf Meilen durchmessenden alten Meteoritenkraters, wo Hitze und die Erschütterung des Aufpralls metallhaltiges Grundgestein unter dem Eis freigelegt hatten; Fabrik Dreizehn wurde in einer tiefen Spalte errichtet, wo die Eisdecke vergleichsweise dünn war, so dass sie einen Schacht in das dichtere Material des Kerns bohren konnte; und Fabrik Fünfzehn griff auf einen Kernumwandlungsprozess zurück, um schwere Kerne aus leichten zu bilden, die im Eis eingefroren waren. Aber viele waren wie Fabrik Neunzehn, die auf einer ungünstig gewählten Eisfläche weit draußen auf einem kahlen Eisfeld Form anzunehmen begann. Sie kam zum Stillstand, als die tiefbohrenden Roboter und die Kernumwandlungsreaktoren aufhörten zu funktionieren und ihr die lebenswichtigen Rohstoffe ausgingen.

Die Verarbeitungs- und Beschaffungsroboter spielten eine entscheidende Rolle beim Formen des seltsamen Metabolismus, der bald zum Leben erwachen sollte. Ungeachtet dessen, was die Planer in den einzelnen Fabriken gerne hergestellt gesehen hätten, waren die einzigen Dinge, die ohne weiteres zusammengebaut werden konnten, die, für die Teile zur Verfügung standen, und das wiederum hing größtenteils von der Fähigkeit der Beschaffungsroboter ab, sie aufzuspüren und zu finden, oder aber, Teile zu finden, die man zerkleinern – »verdauen« – und in etwas Neues umwandeln konnte. Fabrik Vierundzwanzig war ein Extremfall. Außerstande, Teile direkt aus einer Quelle von Rohstoffen zu »metabolisieren«, und zwar wegen eines Totalausfalls ihres Rohstoffabbauteams, verließ sie sich vollkommen auf die Beschaffungsroboter. Fabrik Zweiunddreißig konnte andererseits Rohstoffe herbeischaffen, aber nichts mit ihnen anfangen, da sie ganz ohne weiterverarbeitende Anlagen erbaut worden war. Ihre Roboter lieferten stattdessen an Siebenundvierzig, wo Teile für einige der von Zweiunddreißig gefertigten Beschaffungsrobots hergestellt wurden, und die beiden Fabrikroboter-Organismen gediehen ganz gut in ihrer bizarren Form der Symbiose.

Die Stapel sortierten Schrotts, die sich gar nicht hätten ablagern dürfen, aber trotzdem da waren, wurden verschlungen; die ausgefallenen Maschinen wurden verschlungen; und auch die Leichen der funktionsuntüchtigen Fabriken wurden verschlungen. Als diese Quellen erschöpft waren, begannen einige Maschinen, sich gegenseitig aufzufressen.

Die Beschaffungsroboter waren entworfen worden, wie es auch sein sollte, um zwischen funktionstüchtigen Maschinen und wünschenswerten Produkten einerseits unterscheiden zu können, aber auch andererseits, die Notwendigkeit des Recyclings abzuwägen. Diese Funktion aber funktionierte, wie alles bei diesem völlig durcheinandergeratenen Projekt, in einigen Fällen gut, in einigen nicht so gut und häufig überhaupt nicht. Manche der Modelle zerlegten ebenso einen lebenden, umhergehenden Fred, wie einen toten, auf dem Rücken liegenden. Viele der Opfer waren einer solchen Behandlung gegenüber gleichgültig und starben bald aus, wieder andere entwickelten erfolgreich Fluchtimpulse, um sich selbst zu schützen, und markierten so den Beginn der Entwicklung spezialisierter Beute- und Jägerwesen in der Form von »Lithovoren« und »Artefaktovoren«.

Diese Entwicklung war nicht immer ein Vorteil, besonders dann, wenn der Verlust der Unterscheidungsmöglichkeit total war. Fabrik Fünfzig wurde von ihren eigenen Produkten verschlungen, die, kaum kamen sie vom Fließband, damit begannen, sie an der Ausgabe auseinanderzunehmen, um die Einzelteile dann stolz in die Eingabe zu werfen. Die internen Reparaturroboter konnten die Entwicklung nicht schnell genug stoppen, und so wurde sie zum hilflosen Opfer der Plünderer von Sechsunddreißig und Dreiundfünfzig. Die erfolgreichsten Fabrikroboter-Organismen schützten sich selbst, indem sie aggressive Armeen von »Antikörper-Verteidigern« bauten, die ihre eigene Fabrik und ihre Abkömmlinge erkennen und ungeschoren lassen konnten, aber alle fremden Modelle gnadenlos angriffen und vernichteten, die ihnen zu nahe kamen. Sie wurden allmählich zur dominierenden Form von Organismen, die gewöhnlicherweise ein bestimmtes Territorium beherrschten, das die Mitglieder gemeinsam verteidigten.

Zu diesem Zeitpunkt wiesen nur noch einige Löcher an entgegengesetzten Enden der Felsenklippe darauf hin, wo Fabrik Eins und Zwei einst gestanden hatten. Sie hatten mit der Entwicklung nicht Schritt halten können, und nun befand sich das Gebiet unter dem Einfluss von Fabrik Fünfundsechzig. Die einzige Spur, die noch auf die Existenz des Sucher-Raumschiffs hindeutete, war ein langer, rundlicher Abdruck im Eis am Ufer des Sees aus flüssigem Methan.

 

Die außerirdischen Ingenieure hatten das System so entworfen, dass ein planetenumspannendes Kommunikationsnetz mittels Satelliten und Oberflächenrelais errichtet werden sollte, aber dieser Plan funktionierte nicht sehr gut, da keine Satelliten in Orbits gebracht worden waren und Oberflächenrelais nicht sehr lange hielten. Das ermöglichte es einigen der Organismen ohne ausgeprägte Verteidigung, sich durch große Entfernungen vor den besonders metallhungrigen Imperien zu schützen. Doch um Kommunikationsausfällen und Interferenzen vorzubeugen, hatten die Außerirdischen zusätzlich eine Methode von Programm- und Datenaustausch zur Sicherheit geschaffen, die in Form direkter physischer elektrischer Kontakte stattfand. Natürlich war das ein ungleich langsamerer Prozess als Funkverbindungen, da erforderlich war, dass die Roboter persönlich zur Reprogrammierung und zum Berichterstatten zu den Fabriken reisten, aber bei einer selbstunterhaltenden Operation fern von zu Hause war es immerhin besser als nichts. Und es machte die Buchhalter glücklich, indem es die Rückkehr der Investition gewährleistete.

Da Ausfälle und Defekte jedweder Art hier und dort an der Tagesordnung waren, war es unvermeidlich, dass einige der Organismen teilweise oder totale Kommunikationsausfälle erlebten. Fabrik Dreiundsiebzig, die ohne Funkanlage erbaut worden war, wurde mittels eines Programms gestartet, das von Sechsundsechzig über Land herbeigeschafft wurde. Keiner ihrer Roboter benützte jemals etwas anderes als die Ersatzmethode, und die Fabriken, die sie herstellte, setzten diese Tradition fort. Diese Tatsache aber bedeutete, dass ihre Operationsreichweiten drastisch ausgedehnt wurden.

Der »Defekt« erwies sich also gar nicht so sehr als Defekt. Suchtrupps konnten weiter vordringen, was ihre Jagdgründe extrem erweiterte, und manchmal brachten sie als Belohnung eines der zuvor durch große geographische Entfernung geschützten Gebiete in ihre Gewalt. Des weiteren steigerten selektive Zwänge die Autonomie der Roboter, die nach dieser Methode arbeiteten, immer mehr. Die autonomen Typen, die sich auf ihre vergleichsweise kleinen Eigenprozessoren verlassen mussten, neigten dazu, die Probleme, die sich ihnen entgegenstellten, durch möglichst einfache Lösungen aus der Welt zu schaffen, und ihr direkter Modus der Wechselwirkung mit ihrer Umwelt bedeutete, dass diese Lösungen sehr schnell angewendet wurden. Sie entwickelten wirksame »Reflexe«. Die ferngesteuerten Typen griffen dagegen auf die großen, aber weit entfernten Zentralcomputer zurück, daher waren ihre Problemlösungen verständlicher und komplexer, aber kamen – wie so häufig – meist zu spät, um noch etwas zu nützen. So erwies Autodirektion sich als überlegen und wurde allmählich zur Norm, während die Teledirektion abgeschafft und nur noch in vereinzelten isolierten Gegenden beibehalten wurde.

Der periodische Instinkt, halbe genetische Sub-Programme zu ihren Fabriken zurückzukommunizieren, war längst zum allgemeinen Brauch unter den Robotern geworden – es konnte nur Nachkommen von Vorfahren geben, die Nachkommen hinterließen –, und sie reagierten auf die Abschaffung des Funks als Kommunikationsmittel, indem sie den Drang entwickelten, in Intervallen zu den Orten zurückzureisen, woher sie gekommen waren, also gewissermaßen zu den »Laichplätzen« zurückzukehren. Aber diese Methode der Reproduktion hatte ihre Probleme und stellte neue Herausforderungen an den Evolutionsprozess.

Das Hauptproblem bestand darin, dass das Individuum nur immer die Hälfte seines Genoms der Fabrik übermitteln konnte, worauf die Überwachung diese Informationen speichern und dann abwarten musste, bis ein anderer Roboter desselben Typs mit der zugehörigen anderen Hälfte auftauchte; nur dann konnte der Überwacher dem Hersteller einen vollständigen Plan vorlegen. War, was hin und wieder auch vorkam, eine Informationssättigung des Überwachers erreicht, während er auf die zweite Informationshälfte wartete, dann konnte es vorkommen, dass er die erste Hälfte löschte und die so freiwerdende Speicherkapazität anderen, wichtigeren Dingen zuwandte – schlechte Nachrichten für den Fred, von dem die Daten gekommen waren, denn er hatte in diesem Fall das ganze Reproduktionsritual für nichts und wieder nichts durchgemacht. Die erfolgreiche Reaktion auf dieses Problem kam mit dem Aufkommen eines neuen Modus genetischer Rekombination, der zufälligerweise auch gleich die Lösung einer »Informationskrise« lieferte, die begonnen hatte, das Reservoir genetischer Vielfalt einzuschränken, das für eine konkurrierende Selektion zum Zweck weiterer Verbesserungen zur Verfügung stand.

Eine mutierte Form von Robotern wusste, dass sie ihre halben Sub-Programme irgendwo abliefern musste, war sich aber nicht ganz sicher oder vielleicht auch nicht sehr wählerisch, wohin sie sie bringen musste. Alles mit der richtigen elektrischen Verbindung und einer kompatiblen internen Software war gut genug, und das waren in aller Regel andere Roboter desselben Typs. Und ein Roboter, der seine Aufgabe beendet hatte, befand sich in einem rezeptiven Stadium für externe Reprogrammierung, das heißt, er war bereit für eine neue Eingabe, die normalerweise vom Fabriksystem kam, und ein eifriger Spender hatte keine Schwierigkeiten, einen kooperativen Akzeptor zu finden, vorausgesetzt, er näherte sich ihm zum richtigen Zeitpunkt. Anfänglich waren also die übernommenen Rollen größtenteils eine Frage der Umstände und willkürlicher Gegebenheiten.

Nun nahm zwar die lokale Speicherkapazität der Roboter, verglichen mit der ihrer Vorfahren, zu, aber auch die Programme wuchsen an Größe und Kompliziertheit, was dazu führte, dass der Akzeptor immer noch nicht ausreichend Speicherkapazität besaß, um ein vollständiges »Wie man einen Fred macht«-Sub-Programm aufzunehmen. Demnach konnte die Hälfte des Spenders nur untergebracht werden, indem ein Teil des bereits im Akzeptor befindlichen Codes überschrieben wurde. Wie das bewerkstelligt wurde, hing von der Reaktion der Programme ab, die die verschiedenen Robotertypen in sich trugen.

In manchen Fällen wurde dem vom Spender hereinkommenden Code erlaubt, ganze Programm-Module im Akzeptor zu überschreiben, was dazu führte, dass der Akzeptor sämtliche Funktionen verlor, die diese Module kontrolliert hatten. Das erwies sich gewöhnlich als fatal, und es gab keinerlei Nachkommen, die diesen Fehler wiederholen konnten. Die erfolgreichere Alternative dazu war, freie Kapazitäten zu schaffen, indem unwesentliche Informationen aus vielen verschiedenen Modulen gelöscht wurden, was beim Akzeptorroboter normalerweise eine gewisse Beeinträchtigung der Funktion mit sich brachte – für gewöhnlich Nachlassen der Gewandtheit, Geschicklichkeit und Verteidigungsfähigkeit –, diesen aber funktionstüchtig ließ. Das Opfer war auch nur vorübergehend, wenn der Akzeptorroboter mit Ersatzmodulen reprogrammiert wurde, wenn er seine genetische Botschaft an die Fabrik übermittelte.

Als Ausgleich für diese Komplikationen und vorübergehenden Nachteile kam der überragende Vorteil, dass die Sub-Programme, die von nun an den Fabriken übergeben wurden, vollständig waren – und jetzt konnten sie ohne Verzögerungen an die Planer und Hersteller weitergeleitet werden, ohne das Risiko einer Löschung durch überlastete Überwacher. Die neue Methode löste so das Zuverlässigkeitsproblem, das der vorherigen, allgemein üblichen »asexuellen« Reproduktionsmethode angehangen hatte.

Die Informationskrise, die damit ebenfalls gelöst wurde, hatte sich durch die »Inzucht« der verschiedenen Überwacher entwickelt, die lediglich die Genreservoire ihrer respektiven »Stämme« zum Arbeiten zur Verfügung hatten, was eine Rekombination erschwerte, und zwar aufgrund der restriktiven Regeln, die die außerirdischen Programmierer eingegeben hatten. Aber die Roboter, die auf der Oberfläche Gene austauschten, waren nicht immer abgeneigt, auch jenseits der Stammesgrenzen zu suchen. Sie wussten nichts und kümmerten sich wenig um die Regeln der Programmierer, denn noch war keine Intelligenz und kein Bewusstsein in dem vorhanden, was sich entwickelte, und daher brachten sie aufs Geratewohl halbe Sub-Programme in einer Weise zusammen, die die Regeln der Außerirdischen nicht zuließen, und von denen die Überwacher sich nichts hätten träumen lassen. Die meisten der Nachkommen, die aus derlei Experimenten hervorgingen, funktionierten nicht und wurden noch vor dem Verlassen der Fabrik wieder eingestampft; aber jene, die funktionierten, wurden in alle Richtungen verstreut und leiteten eine neue, deutlich andere Phase des Evolutionsprozesses ein.

Die Bedürfnisse der beiden sexuellen Rollen brachten unwesentliche physische Unterschiede hervor und bewirkten eine allmähliche Polarisierung der Verhaltensmuster. Da eine Frau in der »Schwangerschaft« kurzzeitig eine Phase eigener Unzulänglichkeit durchmachte, wurde die Chance, dass sie die Botschaft übermitteln konnte, wesentlich größer, wenn der Mann sich eine Weile in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielt und sie beide versorgte, wodurch er mit dazu beitrug, ihre gemeinsame genetische Investition zu beschützen. Die Auslese neigte daher dazu, die Gene dieses Typs Mann zu bevorzugen, ebenso wie die der Frauen, die sich vorzugsweise mit ihnen paarten. Als Folge davon entwickelte sich eine Generation von Frauen, die diesbezüglich »wählerisch« waren, und als Reaktion darauf wiederum entwickelten die Männer verschiedene Repertoires von Ritualen, Zurschaustellungen und Demonstrationen, um ihre Anziehungskraft zu verstärken.

 

Die Population hatte damit genetische Veränderlichkeit und Rekombination, Konkurrenzkampf, Auslese und Adaption entwickelt – alles Grundvoraussetzungen für eine kontinuierliche Evolution. Die Lebensform – denn genau das war es, oder nicht? – war zugegeben ein wenig seltsam, nach irdischen Maßstäben bemessen, denn die Individuen, aus denen sie sich zusammensetzte, hatten gemeinsame externe Reproduktions-, Verdauungs- und Immunsysteme anstatt separate interne … und selbstverständlich gab es nirgendwo in diesem Plan der Dinge eine komplizierte Kette der Kohlenstoffchemie … Aber was, abgesehen von Chauvinismus, spricht denn dagegen, dass es so sein sollte?

1

 

Karl Zambendorf sah aus dem Fenster seiner Penthouse-Suite im New Yorker Hilton auf die Seventh Avenue hinab. Er war ein großer Mann in den frühen Fünfzigern, ein wenig beleibt, aber mit aufrechter und beeindruckender Haltung, ergrauendem Haar, das er kragenlang und offen trug, hellen, stechenden Augen und raubvogelähnlichen Zügen, die durch einen gestutzten grauen Bart, den er effekthalber weiß färbte, im biblischen Sinne patriarchalisch wirkten. Obwohl es schon spät am Morgen war, hatte man Zambendorfs Frühstückstablett erst vor kurzem abgeholt, und er trug immer noch den Schlafanzug, in dem er nach der Rückkehr seines Teams von der gerade beendeten Argentinienreise spät in der Nacht geschlafen hatte.

Ein populäres argentinisches Nachrichtenmagazin hatte ihn in der letzten Woche als den ÖSTERREICHISCHEN WUNDERTÄTER auf dem Titelblatt abgebildet, und die Talkmasterin einer der bedeutendsten Fernsehshows in Buenos Aires hatte ihn als »einen der erstaunlichsten Männer des einundzwanzigsten Jahrhunderts, das wissenschaftlich authentische Super-PSI-Talent« vorgestellt. So hatte Lateinamerika den Mann begrüßt, der auf dem nördlichen Teil des Kontinents und in Westeuropa schon längst eine Mediensensation war und dessen Fähigkeit, Gedanken zu lesen, die Zukunft vorherzusagen, entfernte Ereignisse zu beeinflussen und dem normalen menschlichen Verstand verschlossene göttliche Informationen zu erlangen, bewiesen war, und zwar, wie man der Öffentlichkeit versichert hatte, durch wiederholte Tests, die zu erklären die Macht der Wissenschaft überstieg.

»Karl, mir gefällt das nicht«, sagte Otto Abaquaan hinter ihm. Zambendorf schürzte die Lippen und pfiff lautlos vor sich hin, während er darauf wartete, dass Abaquaan fortfuhr. In den Jahren ihrer Zusammenarbeit war diese Unterhaltung zu einem Ritual zwischen ihnen geworden. Abaquaan würde alle Gründe aufzählen, weshalb sie sich nicht darauf einlassen, warum sie sich das Risiko nicht leisten konnten, und Zambendorf würde alle Gründe nennen, weshalb sie keine andere Wahl hatten. Danach würde Abaquaan es sich noch einmal überlegen, und schließlich würde er sich brummend fügen. Nachdem sie damit die akademische Seite erledigt hatten, würden sie sich daranmachen, die Krise irgendwie zu bewältigen. Das spielte sich etwa einmal pro Woche ab. Abaquaan fuhr fort: »Wir müssten den Verstand verloren haben, wenn wir uns darauf einließen. Die ganze Situation erfordert zuviel Bloßstellung. Derartige Risiken können wir nicht brauchen.«

Zambendorf wandte sich vom Fenster ab und streckte das Kinn vor. »Es wurde von Anfang an so hingestellt, als wäre es unser Einfall gewesen, außerdem haben die Medien sich wie wild darauf gestürzt«, sagte er. »Wir können es uns jetzt nicht mehr leisten, einfach zurückzustecken. Ganz davon abgesehen, dass es nicht nur unsere Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit erschüttern würde, sondern auch die bei GSEC … und GSEC kann uns eine Menge nützen, Otto. Die Situation hat sich nicht so entwickelt, wie wir es erwartet hatten. Na und? Wir stecken bis über beide Ohren in der Sache drin, aber wir können damit fertig werden.«

Otto Abaquaan, ein stattlicher, schlanker und dunkelhäutiger Armenier mit schwarzem Haar, herabhängendem Schnurrbart und dunkelbraunen, feuchten Augen, rieb sich die Nase mit einem Knöchel, während er über diese Bemerkung nachdachte, dann schüttelte er seufzend den Kopf. »Warum, zum Teufel, musstest du uns da hineinreiten, Karl? Du hast gesagt, der GSEC-Rat würde von einem Narren wie Hendridge nie Notiz nehmen. Darum haben wir anderen diesem verrückten Vorschlag zugestimmt – weil wir jede Menge gute Publicity hätten haben können, wenn die GSEC ihn abblitzen lässt … hast du gesagt.« Er breitete die Arme aus und warf einen verzweifelten Blick zur Decke. »Und was haben wir jetzt? Den Mars! … als hätten wir nichts Besseres zu tun, als sechs Monate lang auf dem Mars herumzuhängen. Gibt es wirklich keinen Weg, wie wir wieder aus dieser Sache herauskommen können?«

Zambendorf zuckte leichthin die Schultern und breitete die leeren Handflächen aus. »Sicher – wir können die ganze Angelegenheit abblasen und vor der Welt eingestehen, dass wir nie damit gerechnet hatten, ernst genommen zu werden … denn so werden sie es sehen. Und was das Bessere anbelangt, nun, vielleicht könnten wir derweil etwas Besseres tun, vielleicht auch nicht. Wer weiß? Wann hat ein PSI-Begabter das letzte Mal vom Mars aus operiert? Die Situation könnte Möglichkeiten bieten, von denen wir nicht die leiseste Ahnung haben.«

»Sehr philosophisch«, bemerkte Abaquaan mit ironischem Enthusiasmus. Zambendorf hatte gut von grandiosen Plänen und Möglichkeiten reden; an Abaquaan und dem Rest des Teams würde die Arbeit hängenbleiben.

»Philosophie, mein lieber Otto, ist eine Denkweise, zu der man übergeht, wenn man sowieso nichts ändern kann. Und das ist die Situation, in der wir uns befinden. Kurz gesagt, wir haben keine andere Wahl.«

GSEC, General Space Enterprises Corporation, und die NASO-europäisch-amerikanische zivile und militärische North Atlantic Space Organization, die aus der Verbindung vieler Interessen der ehemaligen NASA, ESA und NATO entstanden war –, planten die Ausdehnung einer der Pilot-Basen auf dem Mars, um ihre Vorstellung hinsichtlich der Organisation extraterrestrischer Gemeinschaften als Vorstufe echter Kolonien zu testen. Ein GSEC-Direktor mit Namen Baines Hendridge – der seit langem an PSI und das »Paranormale« glaubte und erst jüngst Zambendorfs Fan-Gemeinde beigetreten war –, hatte vorgeschlagen, Zambendorf mit auf diese Mission zu nehmen, um erstmalig Hellseherei und PSI-Kommunikation über interplanetare Entfernungen zu testen, und um PSI-Experimente unter von irdischen »Störeinflüssen« freien Bedingungen durchzuführen. Zambendorf, der darauf vertraut hatte, dass der Rat von GSEC sich niemals darauf einlassen würde, hatte mit der Zurschaustellung von Enthusiasmus gekontert, teils deshalb, weil jede andere Reaktion die Erwartungen der Gläubigen enttäuscht hätte, teils aber auch, um wieder einmal eine »Wissenschaftler-weichen-Zambendorfs-Herausforderung-aus«-Story aufzubauen, wenn der Vorschlag abgelehnt wurde. Aber Baines Hendridges Einfluss war größer als erwartet gewesen, und die Einwilligung des Rates hatte Zambendorf in eine Position gebracht, aus der er sich nur unter einem erheblichen Imageverlust wieder zurückziehen konnte.

»Ich nehme an, du hast recht«, gab Abaquaan nach kurzem Schweigen zu. »Trotzdem gefällt mir die Vorstellung nicht, in die Weltraummission der NASO verwickelt zu werden.« Wieder schüttelte er zweifelnd den Kopf. »Das ist nicht dasselbe wie eine Beschäftigung mit der Öffentlichkeit. Die haben ein paar gute Wissenschaftler dabei … von anderem Kaliber als die Arschlöcher, mit denen wir es normalerweise zu tun haben. Nicht ungefährlich.«

»Wissenschaftler sind am einfachsten zu narren.« Das war einer von Zambendorfs Lieblingssätzen. »Sie denken in geraden, vorhersehbaren Bahnen und lassen sich führen, auch auf falsche Fährten. Sie kennen nur die Welt, in der alles logisch erklärbar ist und die Dinge auch so sind, wie sie scheinen. Kinder und Taschenspieler, die machen mir angst. Wissenschaftler sind kein Problem, bei denen habe ich genug Selbstvertrauen.«

Abaquaan lächelte humorlos. »Selbstvertrauen empfindet man, wenn man eine Situation nicht wirklich versteht.« Er hob den Arm, um auf die Uhr zu sehen.

Zambendorf wollte gerade antworten, als das Rufzeichen vom Comnet-Terminal ertönte. Abaquaan ging hinüber, um zu antworten. Der Bildschirm leuchtete auf und zeigte die glatten, adretten Züge von Drew West, Zambendorfs Geschäftsführer, der aus einer Suite weiter unten am Flur anrief. »Die NBC-Leute können jeden Moment unten ankommen«, sagte West. »Du solltest besser in die Halle gehen.« Clarissa Eidstadt, die sich um die Publicityangelegenheiten des Teams kümmerte, hatte ein kurzes Fernsehinterview vereinbart, das heute Vormittag aufgezeichnet und später am Tag gesendet werden sollte, um Zambendorfs Rückkehr nach New York bekanntzugeben.

»Ich war bereits unterwegs«, sagte Abaquaan.

»Hat Karl schon gefrühstückt?«, fragte West. »Die Zeit bleibt nicht stehen. Wir haben heute Nachmittag ein volles Programm.«

»Ja«, sagte Abaquaan. »Er steht neben mir. Möchtest du ihn sprechen?«

»Guten Morgen, Drew«, sagte Zambendorf fröhlich und trat in den Aufnahmebereich, während Abaquaan sich entfernte. »Ja, ich bin fast fertig. Wie hast du geschlafen?« Er nickte quer durch das Zimmer, als Abaquaan zur Tür hinausging.

»Hi, Karl. Danke, ausgezeichnet«, gab Drew West zu. West hatte die Mars-Situation als Tatsache akzeptiert. Seinetwegen hätte man das Team auch zum Andromedanebel fliegen können, solange Geld dabei heraussprang. »Das NBC-Team wird in fünfzehn Minuten hier sein, und wir müssen noch ein paar Dinge durchgehen, bevor sie kommen. Wenn du mit Frühstücken fertig bist, kommen wir runter.«

»Ja, tut das«, sagte Zambendorf. »Wir können uns unterhalten, während ich mich anziehe.«

»Fein. Wir sehen uns in ein paar Minuten, Karl.«

 

Unten, im seitlichen Foyer des Hotels, direkt vor der Rampe, die zu den Tiefgaragen hinabführte, gab Otto Abaquaan vor, den Stadtplan von New York zu studieren, während er sich Einzelheiten und Autonummer des Wagens einprägte, der mit dem NBC-Lieferwagen angekommen war, aus dem gerade zwei Techniker Fernsehkameras und Aufnahmegeräte ausluden. Die aufreizende blonde Frau, die das Auto gefahren hatte, stand in der Nähe, hielt eine Aktentasche und einen Stapel Papier in Händen und sprach mit zwei Kollegen – einer Frau und einem Mann –, die sie begleiteten. Abaquaan vermutete, dass ihr das Auto gehörte und sie auch die Reporterin war, die Zambendorf interviewen würde, aber er musste sichergehen.

NBC hatte es abgelehnt, den Namen des Reporters vorher zu nennen, was ungewöhnlich war und darauf hindeutete, dass sie etwas mit Zambendorf vorhatten. Eine Erkundigung von Clarissa Eidstadt oder Drew West hätte diese Frage zweifellos rasch beantworten können, gleichzeitig aber genau die Art von Gelegenheit zunichte gemacht, um die es Zambendorf und seinem Team ging. Natürlich war es ein Spiel mit Risiken – vielleicht konnte Abaquaan in der kurzen Zeit nichts herausfinden –, aber ein Vorteil, den PSI-Talente genossen, war der, dass negative Ergebnisse meist rasch vergessen wurden.

Ein Hotelboy fuhr das Auto zur Rampe, und die Frau und ihre Begleiter betraten die Haupthalle, in die Abaquaan ihnen unauffällig in geringer Entfernung folgte. Einer der Portiers am Empfang hob fragend eine Braue. »Kann ich Ihnen helfen, Ma'am?«

»Ja. Mein Name ist Marion Kearson, von der NBC. Ich hatte mit dem stellvertretenden Geschäftsführer, Mr. Graves, verabredet, dass wir in der Halle ein Gespräch mit Mr. Zambendorf aufzeichnen wollen. Ist Mr. Graves da?«

»Einen Augenblick. Ich rufe in seinem Büro an.«

Damit war eine Frage beantwortet. Wenn sich das Spiel auszahlen sollte, kam es jetzt auf Sekunden an. Abaquaan drehte sich um und schritt rasch zu einer Reihe von Comnet-Terminals im hinteren Teil der Halle, setzte sich in eine der Kabinen, schloss die Tür und wählte eine Nummer der Fahrzeugzulassungsstelle des Staates New Jersey. Sekunden später erschien ein Mann mit rosigen, fleischigen Zügen und beginnender Glatze auf dem Bildschirm. »Hallo, Frank. Lange nicht gesehen. Wie geht es?« Abaquaan sprach leise, aber drängend.

Das Gesicht runzelte einen Augenblick die Stirn, dann erkannte es den Anrufer. »Oh, Harry! Mir geht es gut. Was macht das Detektivbüro?« Abaquaan trat nie in der Öffentlichkeit auf und konnte sich daher eine Menge Tarnidentitäten leisten.

»Man lebt. Hör zu, ich brauche dringend eine Information. Bedingungen wie immer. Irgendwelche Probleme?«

Frank sah sich mit einem instinktiv verstohlenen Blick um. »Darf ich fragen, womit es zu tun hat?«

»Kein Grund für schlaflose Nächte – eine Routinesache. Ich muss den Besitzer eines Wagens herausfinden, der an verschiedenen Orten gesehen wurde. Wie immer der eifersüchtige Ehemann.«

Frank leckte sich die Lippen, dann nickte er. »Gut. Hast du die Nummer?«

»New Jersey Anmeldung KGY 27-86753.«

»Bleib eine Minute dran.« Frank sah weg und bediente ein Terminal außerhalb des Sichtbereichs. Abaquaan holte Kugelschreiber und Notizbuch heraus, dann trommelte er mit den Fingern an die Seite des Terminals, während er wartete. »Nun?«, fragte er, als Frank ihn wieder vom Bildschirm ansah.

»Er ist auf den Namen Marion Kearson, 2578 Maple Drive, Orangeton, eingetragen«, sagte Frank. »Möchtest du Näheres über den Wagen wissen?«

»Ich habe eine Beschreibung. Ist er schon lange unter derselben Adresse angemeldet, und gab es irgendwelche Unfälle?«

»Anmeldung wurde in den zurückliegenden drei Jahren regelmäßig erneuert. Keine Unfälle.«

»Sind andere Fahrzeuge unter derselben Adresse gemeldet? Welche Informationen hast du über die Fahrer …?«

 

»Fein, wir sind in ein paar Minuten unten«, sagte Drew West zum Bildschirm in Zambendorfs Wohnzimmer. Er unterbrach die Verbindung, drehte sich um und sagte: »Das war Graves, der stellvertretende Geschäftsführer. Er ist mit Clarissa unten. Die NBC-Leute haben aufgebaut und warten nur noch auf uns.«

Dr. Osmond Periera, in mittleren Jahren, wuscheliges Haar, trug eine kastanienbraune Jacke und Krawatte und rauchte eine türkische Zigarette durch ein kostbar verziertes silbernes Mundstück. Er nahm sein Gespräch dort wieder auf, wo er durch den Anruf unterbrochen worden war. Die Vorworte und Klappentexte seiner pseudowissenschaftlichen Bestseller beschrieben ihn als Zambendorfs Entdecker und Mentor; ganz gewiss gehörte er auch zu seinen unerschütterlichsten Schülern. »Eine der faszinierendsten Gelegenheiten auf dem Mars wird die Möglichkeit sein, endlich zu beweisen, dass außersinnliche Wahrnehmungen tatsächlich auf eine Weise übermittelt werden, die unabhängig vom Gesetz vom inversen Quadrat der Entfernung ist. Experimente auf der Erde deuten zwar darauf hin, dass die Stärke des Feldes nicht mit der Entfernung abnimmt, aber ich bin der Meinung, dass die Entfernungen bisher einfach zu gering waren, um messbare Unterschiede zu verursachen. Schließlich dürfen wir nicht unseren Sinn für Realismus und wissenschaftliche Plausibilität verlieren, wenn wir uns auch in völlig neue phänomenologische Gebiete vorwagen, nicht wahr?«

Zambendorf blinzelte und rieb sich die Nase mit dem Handrücken. Perieras Fähigkeit, für Zambendorfs Heldentaten die ausgefallensten Erklärungen zu finden, und dann noch selbst völlig kritiklos an sie zu glauben, verblüffte selbst Zambendorf auf Dauer immer wieder. »Ein interessanter Gedanke«, stimmte er zu. »Eine andere Möglichkeit ist, dass das Fehlen negativer Einflüsse sich günstig auf die Wiederholbarkeit auswirken könnte.«

Periera hob unbewusst die Hand und spielte mit der Krawatte, während er über diese Bemerkung nachdachte. Sie war fesselnd – offensichtlich war er bisher noch nicht darauf gekommen. »Ich könnte Tests entwerfen, die man im Verlauf der Reise durchführt, um einen Zusammenhang mit der Entfernung festzustellen«, überlegte er. »Das könnte sehr informativ sein.«

»Ja, warum tun Sie das nicht?«, pflichtete Zambendorf bei.

Periera wandte sich an Baines Hendridge, einen dunkelhaarigen, glattrasierten Mann mit akademischem Aussehen, der seinen üblichen eifrigen Gesichtsausdruck zur Schau stellte. Hendridge war am frühen Morgen ins Hilton gekommen, um die Entscheidung des GSEC-Rates, was das Mars-Projekt anbelangte, persönlich zu überbringen, und um Zambendorf und seine Kollegen zu einem Essen mit den anderen Direktoren einzuladen. »Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die Manifestationen paranormaler Phänomene sich von den Beobachtungen auf der weltlichen, materiellen Ebene dahingehend unterscheiden, dass ihre Wiederholbarkeit durch die Präsenz negativer oder kritischer Einflüsse beeinträchtigt werden kann«, erklärte Periera. »Dieser Effekt lässt sich aus der elementaren Quantenmechanik ableiten, wo die Wechselwirkung zwischen Beobachter und Beobachtetem definiert wird.« Hendridge nickte, während er die Lektion verarbeitete, und sah sogar noch eifriger aus.

Plötzlich erklang das Rufzeichen am Terminal. Drew West ging hin, und einige Sekunden später tauchte Otto Abaquaans Gesicht auf dem Schirm auf. »Ist Thelma hier?«, fragte er und signalisierte mit einem Augenzwinkern, dass er Informationen zu übermitteln hatte. »Ich muss mit ihr sprechen.« Das bedeutete, dass er nicht offen sprechen konnte, so lange Periera und Hendridge noch im Zimmer waren.

Zambendorf sah zu Thelma, der blonden, langbeinigen Sekretärin des Teams, die von der Couch an der gegenüberliegenden Wand aus zuhörte. »Oh, wahrscheinlich geht es um einige Einrichtungen, deren Besuch ich ihm unbedingt angeraten habe, solange wir in New York sind«, sagte Thelma. »Er möchte heute Nachmittag eine Tour durch die Stadt machen.«

»Ja, gut, aber könntest du nicht vom Apparat nebenan mit ihm sprechen?«, fragte Zambendorf. Thelma nickte, stand von der Couch auf und verschwand im Schlafzimmer der Suite. Drew West legte das Gespräch hinüber und schaltete den Bildschirm im Wohnzimmer aus. Periera und Hendridge konnten manchmal hinderlich sein, was aber durch ihren Wohlstand und ihren gesellschaftlichen Einfluss wieder wettgemacht wurde.

»Wo wird das Essen stattfinden?«, fragte Zambendorf und sah West an.

»In dem österreichischen Lokal, wo es Ihnen beim letzten Besuch so gut gefallen hat – bei Hoffmann, in der Dreiundachtzigsten Straße«, antwortete West. »Wir können gleich nach dem Interview gehen. Mein Taxi wartet.«

»Kommt Osmond mit uns?«, fragte Zambendorf.

Periera schüttelte den Kopf. »Ich muss heute Nachmittag zu einer Versammlung, trotzdem vielen Dank. Vielleicht beim nächsten Mal.«

»Wie schade«, murmelte Zambendorf, und erzählte ein oder zwei Minuten vom Essen bei Hoffmann. Dann, als er der Meinung war, dass Abaquaan und Thelma genügend Zeit gehabt hatten, nickte er West auf kaum wahrnehmbare Weise zu.

West sah auf die Uhr. »Ich glaube, es wird Zeit für uns.«

Joe Fellburg, der hünenhafte, einen Meter neunzig große, ehemalige schwarze Box-Champion und frühere militärische Geheimagent, der als Zambendorfs Leibwächter und Sicherheitsmann des Teams fungierte, stand von seinem Platz direkt neben der Tür auf, öffnete den Schrank neben sich und holte Zambendorfs Mantel heraus.

Zambendorf schüttelte den Kopf, während er die Jacke anzog. »Nein, ich glaube, dafür ist das Wetter nicht kühl genug, Joe. Vielleicht mein blaues Cape …« Er sah sich im Zimmer um. »Oh, ja, das ist nebenan. Bitte entschuldigen Sie mich einen Augenblick.« Er ging ins Schlafzimmer, wo Thelma wartete, und ließ die Tür ins Schloss fallen. »Was gibt es?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.

»Wir haben Glück«, antwortete Thelma hastig. »Die Reporterin ist eine Frau namens Marion Kearson. Sie fährt eine sechssitzige Mittelklasselimousine, Buick, Baujahr 2018, Wasserstoffantrieb, silbergrau, schwarze Zierleisten, weiße Reifen, kleine Delle vorne an der Fahrerseite, Nummer ist New Jersey KGY 27-86753. Kearsons Adresse lautet 2578 Maple Drive, Orangeton.« Zambendorf nickte rasch, während er sich darauf konzentrierte, sich die Informationen genau einzuprägen. Thelma fuhr fort: »Unter derselben Adresse sind zwei weitere Fahrer nebst Wagen gemeldet: William Kearson, geboren am 4. August 1978, einsfünfundsiebzig groß, braunes Haar, grüne Augen, hundertachtzig Pfund – muss ihr Mann sein, fährt eine USM Gazelle, Neuzulassung dieses Jahr, Geschwindigkeitsüberschreitung letzten April, kleineren Unfall letzten Herbst; außerdem ein Thomas Kearson, am 4. Januar 2001 geboren, ebenfalls einsfünfundsiebzig, blond, graue Augen, hundertzwanzig Pfund, fährt einen Datsun Baujahr 2013 – scheint der Sohn zu sein.«

Zambendorf wiederholte die Informationen, und Thelma bestätigte sie. »Gut«, sagte Zambendorf. »Kannst du oder Otto auch etwas über die GSEC-Leute herausfinden, mit denen wir heute essen gehen?«

»Vielleicht. Otto verfolgt schon einige Hinweise.«

»Ruft mich oder Drew nach halb eins an und berichtet mir alles, was ihr herausfinden konntet.«

»Hoffmann, Dreiundachtzigste, nach halb eins«, bestätigte Thelma. »Okay. Und nun beeil dich besser.«

 

Zehn Minuten später betrat Zambendorf, dessen blaues Cape malerisch über der schwarzen Samtjacke hing, in Begleitung von Drew West, Joe Fellburg, Osmond Periera und Baines Hendridge, der den Schluss machte, die Halle. Clarissa Eidstadt, die Publicity-Matrone des Teams, deren schwarzes Haar zu einem Pony geschnitten war und ihr in die Stirn fiel, deren Augen von einer Schmetterlingsbrille mit schwerem Gestell umrahmt wurden und die ihre Lippen mit einem zu roten und zu dick aufgetragenen Lippenstift betonte, wartete schon auf sie. Sie begleitete Zambendorf zu Marion Kearson und der NBC-Mannschaft, während im Hintergrund neugierige Hotelgäste zusammenliefen. »Wer ist die Reporterin?«, murmelte Zambendorf. »Die Blondine im rosa Mantel?«

»Ja.«

»Kennst du ihren Namen?«

»Sie haben ihn mir nicht gesagt, und ich habe nicht danach gefragt«, murmelte Clarissa aus dem Mundwinkel.

Zambendorf nickte und lächelte. »Um so besser.«

Und dann hielt ihm die stürmische Marion Kearson auch schon ein Mikrofon vors Gesicht. »Wir sind hier im New Yorker Hilton, wo Karl Zambendorf, den ich Ihnen sicher nicht mehr vorstellen muss, erst gestern Nacht nach seiner Rückkehr aus Südamerika abgestiegen ist. Willkommen daheim.«

»Vielen Dank.«

»Und wie war die Reise?«

»Höchst angenehm und außerordentlich erfolgreich.«

»Freut mich, das zu hören. Ich würde gerne in einem Augenblick noch einmal auf dieses Thema zurückkommen. Doch zunächst, bevor wir mit unserer Unterhaltung fortfahren, würde ich Sie gerne bitten, für unsere Zuschauer eine kleine Kostprobe Ihres Könnens abzuliefern.« Kearson lächelte einen Moment garstig. »Ich kann mit Sicherheit bestätigen, dass wir einander vorher noch niemals begegnet sind, und die Zuschauer interessiert es vielleicht, dass wir bei NBC heute morgen selbst noch nicht wussten, welche Reporterin die Aufgabe übernehmen würde, bis fünf von uns vor weniger als einer Stunde informiert wurden.« Sie wartete, um das wirken zu lassen, dann fuhr sie fort: »Ich frage mich, Herr Zambendorf, was Sie über mich, eine vollkommen Fremde, herausfinden können … abgesehen davon, dass ich blond und mittelgroß bin und ein paar Sommersprossen habe.« Nach diesem Scherz lächelte sie in die Kamera, dann wandte sie sich wieder Zambendorf zu und wartete neugierig.

Zambendorf sah sie einige Sekunden an, dann schloss er die Augen und schien seine Kräfte zu konzentrieren. Die Menschen in der Halle verstummten. Ein Ausdruck der Ruhe und Gelassenheit breitete sich über sein Gesicht aus. Er lächelte dünn. Als er die Augen wieder öffnete, blieb seine Miene verklärt, aber sein Blick war stechend. »Sie sind nicht aus der Stadt«, sagte er, wobei er ihr Gesicht immer noch mit den Augen absuchte. »Ich sehe Wasser. Ihr Zuhause liegt jenseits dieses Wassers, aber nicht allzu weit entfernt … im Westen. Es muss auf der anderen Seite des Flusses sein, wahrscheinlich in New Jersey. Irgendwo im Gebiet von Newark … mit einem Namen, der an eine Frucht oder Farbe erinnert … vielleicht Zitrone … nein, Orange …«

Kearsons Augen weiteten sich ungläubig, der Kameramann und die Techniker tauschten Blicke aus, die besagen sollten, dass sie beeindruckt waren. »Das … das ist wirklich unglaublich!«, stammelte sie in die Kameras. »Ich schwöre, dass ich diesen Mann noch nie zuvor gesehen habe.«

»Zwei Männer sind in Ihrer Nähe«, fuhr Zambendorf fort. »Einer davon heißt William, William oder Bill. Er ist der ältere der beiden … Ihr Mann, wenn ich mich nicht irre. Sind Sie verheiratet?« Kearson nickte benommen. »Mmm«, brummte Zambendorf wissend. »Jetzt kann ich ihn ein wenig deutlicher sehen – mittelgroß, braunes Haar … Nein, bitte sagen Sie nichts. Konzentrieren Sie sich bitte weiter auf das Bild Ihres Mannes …«

2

 

»Hmpf!« Walter Conlon, der Direktor des Planetenerforschungsprogramms der North Atlantic Space Organization, sah finster auf einen Stapel Papiere hinab, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, betrachtete die zahlreichen Einwände und Änderungen, die mit roter Tinte über die ganzen Blätter geschrieben und mit den Kürzeln verschiedener Leute von den obersten Etagen der NASO-Hierarchie gekennzeichnet waren, und hob trotzig den Kopf. Er hatte ein rosiges Gesicht mit unzähmbaren buschigen Brauen, das durch sein weißes, kurzgeschnittenes Haar, den untersetzten Bau und eine etwas zu knollige Nase nur noch lebhafter und streitsüchtiger wirkte. Die älteren Wissenschaftler von PEP nannten ihn GNASO-Gnom. »Ich verstehe immer noch nicht, was es daran auszusetzen gibt«, wiederholte er. »Was drin stehen muss, das steht drin, und es ist sachlich richtig. Sie wollten eine Meinung. Das ist sie. Ich bin keiner von den politischen Kosmetikern oder Nur-keinem-auf-die-Füße-treten-Typen. Was sollte ich sonst dazu sagen?«

Allan Brady, der erst kürzlich von der NASO eingestellte breitschultrige, blonde und modisch gekleidete Public-Relations-Direktor, konnte mit einiger Anstrengung seinen Zorn beherrschen, während er im Sessel gegenüber saß. Man hatte ihn gewarnt, dass er im Umgang mit Conlon Probleme haben würde, und hatte angenommen, dass er, indem er ihnen aus dem Weg ging und Conlons Meinung über das Pressematerial zur Korning-UFO-Sache, die morgen veröffentlicht werden sollte, einholte, wenigstens einen Schritt in die richtige Richtung machen würde. Aber der Text, der nach fünfzehn Minuten via Kabel von Conlons Schreibtischterminal gekommen war, hatte in der PR-Abteilung fast zu Herzanfällen geführt. »Walt«, protestierte Brady, »darin steht, dass ein US-Senator entweder ein Dummkopf oder ein Schwindler ist. Und das …«

»Ist er auch«, erwiderte Conlon. »Beides. Was die Wissenschaft anbelangt, ist er ein Analphabet, und die Wahrheit ist, dass er an der New Gospel Scientific Solidarity so sehr interessiert ist wie ich an mittelalterlicher türkischer Dichtung. Nichts als Politik – Geldmacherei, Werberummel, Propaganda und Tam-Tam. Das können Sie zitieren.«

Brady kniff einen Augenblick die Lippen zusammen, dann hob er die Hand zu einer beschwichtigenden Geste. »Okay. Das mag sein, aber so etwas können wir nicht in einer offiziellen NASO-Erklärung drucken. Ganz abgesehen von der Ethik, sind wir von der Regierung abhängig und können es uns nicht leisten, Leute wie Korning zu unseren Feinden zu machen. Programme wie PEP werden immer noch größtenteils aus öffentlichen Mitteln finanziert …« Er verstummte, schüttelte den Kopf und sah Conlon zweifelnd an. »Aber Ihnen, Walt, muss ich das alles doch nicht erklären. Sie wissen doch, wie das System funktioniert. Wir brauchen etwas, das im Tonfall versöhnlicher und etwas taktvoller ausgedrückt ist. Es muss ja nicht einmal etwas aussagen.«

Conlon schüttelte den Kopf. »Von mir nicht. Der Präzedenzfall ist schon zu weit gegangen, obwohl es eigentlich niemals hätte dazu kommen dürfen. Wir können es uns nicht leisten, derartige Dinge einfach durchgehen zu lassen. Wenn das so weitergeht, dann wird bald jeder Verein von Irren und Scharlatanen Kreuzzüge nach Washington unternehmen, um zu entscheiden, worum die NASO sich kümmern sollte. Ich möchte damit nichts zu tun haben. Ich habe schon genug von diesem Zambendorf-Unsinn auf dem Mars. Ich habe weder die Zeit noch das Budget noch die Leute.«

Die New Gospel Scientific Solidarity Church von Oregon hatte eine vollständige neue Bibelübersetzung mit den neuesten pseudowissenschaftlichen Schriften über Präastronautik verbunden, um eine neue, »rationalisierte« Doktrin aufzustellen, in der alle Offenbarungen und mystischen Geschehnisse aus alter Zeit mit den Besuchen gütiger Außerirdischer mit übernatürlichen Kräften erklärt wurden, die Zugang zu Geheimnissen hatten, an denen die Menschheit nach Erlangung der »Reife« ebenfalls teilhaben konnte. Die Zweite Wiederkunft war ein Symbol dafür, dass die Macht erfüllt werden würde, und zusätzlich waren zeitgenössische UFO-Garne als gültige Beweise mit eingeflochten worden, dass der Jüngste Tag kurz bevorstand. Die Kirche zählte ihre Mitglieder angeblich nach Millionen, hatte ganz sicher ein monatliches Einkommen in dieser Größenordnung und hatte emsig auf eine Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Legitimität gedrängt, was sie – wie Skeptiker sofort erkannten – in den Genuss von Forschungsgeldern aus öffentlicher Hand bringen konnte. Orthodoxe Wissenschaftler, die aufgefordert wurden, auf die Argumente der Sekte einzugehen, sahen sich in der bekannten Position, in der sie nichts gewinnen konnten: Antworteten sie überhaupt, wurde es so ausgelegt, dass sie »die Wichtigkeit der Bewegung erkannt hatten«, antworteten sie gar nicht, warf man ihnen vor, »keine Antworten« zu haben. Die Kirche unterstützte eine begeisterte Lobby, die unter anderem verlangte, dass ihnen Gelder aus dem NASO-Fundus zugeteilt und öffentliche Mittel zur Untersuchung des UFO-Phänomens bewilligt wurden, und offensichtlich war es ihnen gelungen, Senator Korning aus Oregon als Sprecher und Galionsfigur zu gewinnen. Und Korning hatte schon so oft für Schlagzeilen gesorgt, dass eine Reaktion der NASO unumgänglich war.

Brady wollte vermeiden, das Treffen ergebnislos zu verlassen. »Nun, ich denke, die PR-Abteilung kann mit dem Korning-Aspekt der Sache fertig werden, aber da ist noch etwas anderes. In dem Artikel ist ein Abschnitt, der das ganze UFO-Phänomen lächerlich macht und darüber hinaus kein Blatt vor den Mund nimmt.«

Er lehnte sich zurück und zeigte flehentlich die leeren Handflächen. »Warum wollen Sie eine Menge Leute verärgern, denen gar nichts an Korning oder irgendwelchen Religionen liegt, die aber dem Weltraumprogramm aufgeschlossen gegenüberstehen? NASO hat eine Menge Anhänger unter den Ufologen. Weshalb soll man die vor den Kopf stoßen?«

»Ich bin Wissenschaftler. Ich will nicht berühmt werden, indem ich irgendwelche populären Mythen aufbausche«, antwortete Conlon. »Ich suche nach Erklärungen von Tatsachen. Auf diesem Gebiet gibt es keine Tatsachen, die man erklären müsste. Niemals.«

Brady sah überrascht über den Tisch. Er war kein Wissenschaftler, aber er glaubte, sich einigermaßen auf dem Laufenden zu halten, indem er die populärwissenschaftliche Fachliteratur las. Ganz sicher ging am Himmel irgendetwas vor, für das die Wissenschaft keine Erklärung hatte. Und Brady gefiel der Gedanke, Senator Korning einmal ganz außer acht gelassen, dass die NASO dieses Thema einer ernsten Untersuchung für wert erachtete. Es wäre eine erfreuliche Sache, mit etwas zu tun zu haben, das er seinen Freunden erzählen konnte. »Aber dort draußen muss etwas sein«, sagte er. »Ich weiß, fünfundneunzig Prozent aller Meldungen sind Unfug, aber was ist mit den anderen fünf? Wie kann man die erklären?«

Conlon schnaubte verächtlich und rieb sich die Stirn. Wie viele Male hatte er das schon gehört? »Kann ich nicht und auch sonst niemand«, antwortete er. »Darum nennt man sie ja auch unidentifiziert. Sagt schon das Wort. Nicht geheimnisvoller als Autounfälle. Analysiert man die Statistiken, dann stellt man fest, dass ein paar Prozent auf Betrunkene zurückzuführen sind, ein paar auf Unachtsamkeit, ein paar auf Fahrzeugschäden und so weiter, bis man bei den restlichen fünf Prozent angelangt ist, für die keiner eine Erklärung finden kann. Die Unfallgründe sind unbekannt – deshalb behauptet aber noch lange niemand, sie hätten etwas mit Außerirdischen zu tun. Mit den UFOs verhält es sich genauso.«

»Das beweist aber auch nicht, dass sie nichts mit Außerirdischen zu tun haben«, hielt Brady dem entgegen.

»Das habe ich auch nicht gesagt«, antwortete Conlon. »Ich kann auch nicht beweisen, dass der Weihnachtsmann nicht existiert. Ein Negativum kann man nicht beweisen. Philosophisch ist das unmöglich.«

»Was sagen Sie also?«, fragte ihn Brady.

Conlon warf die Arme hoch und zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, ich bin Wissenschaftler. Die Wissenschaft hat dazu nichts zu sagen, weil es keine Frage der Wissenschaft ist.«

»Wie können Sie so etwas sagen, Walt?« Brady klang ungläubig. »Es hat etwas mit dem All und der Raumfahrt zu tun, mit außerirdischen Lebensformen … Wie können Sie sagen, es sei keine Frage der Wissenschaft?«

»Wissenschaftlich wird eine Theorie erst, wenn sie logisch konstruiert ist. Auf ihre Aussage kommt es nicht an. Wenn sie wissenschaftlich sein soll, dann muss eine der Bedingungen einer Theorie sein, dass sie falsifiziert werden kann – es muss eine Methode geben, sie zu testen und herauszufinden, ob sie falsch ist. Man kann nie absolut beweisen, dass eine Theorie richtig ist. Wenn Sie die Theorie aufstellen, einige UFOs könnten außerirdische Raumfahrzeuge sein, dann stimme ich Ihnen zu – manche schon. Es gibt keinen Weg für mich, die Unrichtigkeit der Behauptung zu beweisen. Mehr kann ich dazu nicht sagen, und mehr kann die Wissenschaft nicht sagen. Es ist keine falsifizierbare Theorie. Verstanden, was ich meine?«

Brady schüttelte zögernd den Kopf. »Das kaufe ich Ihnen nicht ab. Es muss eine Möglichkeit für die Wissenschaft geben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, einen Weg, zumindest einen Teil davon zu testen.«

»Gibt es. Man kehrt einfach die Logik um und erstellt die Theorie, der ich anhänge: Keine UFOs sind außerirdische Raumschiffe. Diese Theorie lässt sich sehr einfach falsifizieren, aber nicht durch etwas, das bisher bewiesen worden wäre.«

»Und was ist mit den Astronomen, die sich öffentlich dazu bekannt haben?«, beharrte Brady.

»Welche Astronomen?«

»Oh, ich kann mich aus dem Stegreif nicht an Namen erinnern, aber man liest immer wieder davon.«

»Pah!« Conlon verzog das Gesicht. »Sie meinen Leute wie Jannitsky?«

»Nun, er ist einer von ihnen, ja.«

»Der war Wissenschaftler – den ganzen Tag im Labor eingesperrt, ohne dass jemand von ihm jemals gehört hatte. Jetzt ist er eine Berühmtheit. Manche Menschen würden alles tun, um berühmt zu werden. Wie viele von seinem Schlag können Sie noch finden? Man kann sie an einer Hand abzählen, und in einem Land dieser Größe ist das schon ungewöhnlich. Das hat überhaupt nichts zu sagen, Al. Weniger als zwei Prozent der amerikanischen Astronomen halten dieses Thema für wichtig genug, um sich überhaupt damit zu beschäftigen. Und das hat etwas zu sagen.« Nach einem Augenblick des Schweigens fügte Conlon noch hinzu: »Außerdem ist es lächerlich, Astronomen nach ihrer Meinung zu diesem Thema zu befragen. Sie sind dafür überhaupt nicht kompetent.«

»Was!«, rief Brady aus.

»Was weiß denn ein Astronom über UFOs?«, fragte Conlon.

Brady warf hilflos die Arme hoch. »Was soll ich darauf antworten? Es sind Dinge am Himmel, richtig? Und Astronomen sollten über die Dinge am Himmel Bescheid wissen.«

»Was für Dinge am Himmel?«

»Was für Dinge? … Die die Menschen am Himmel sehen.«

»Genau!« Conlon lehnte sich zurück und breitete die Arme mit einer Zufriedenheit ausdrückenden Geste aus. »Die die Menschen am Himmel sehen.