Der Schweiger - G.F. Barner - E-Book

Der Schweiger E-Book

G. F. Barner

0,0
3,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Die Angst war jetzt da, vor der Looser sich immer gefürchtet hatte. Er schluckte unwillkürlich, hörte wieder das durchdringende Heulen, das durch die Nacht über den Sumpf hallte. Die Kerle haben die Bluthunde geholt und scheuchen sie auf den Karrendamm, dachte er entsetzt. Einen Moment glaubte Jake Looser ein kleines flackerndes Licht drüben hinter den Sumpfbüschen zu sehen, doch er mußte sich täuschen. Der Damm war über eine halbe Meile entfernt. Looser trug die Nummer 741 auf dem Jackenrücken und am rechten Hosenbein. Die Aufseher des Außenlagers von Camp Lakeview mußten schon vor vier Stunden beim abendlichen Zählappell im State Prison gemerkt haben, daß Nummer 741 weder in der Küche noch in der Zelle gewesen war. Danach mußte alles wie üblich abgelaufen sein. Man hatte ihn zuerst im Camp gesucht, die Hunde an seiner Pritsche Witterung nehmen lassen, doch trotz aller Suche keine Spur gefunden. Daß sich Looser in einer der beiden Abfalltonnen versteckt hatte, über sich haufenweise stinkenden und zum Teil faulig triefenden Unrast, der jeden Abend vom Steg aus in den Neches River gekippt wurde, hätte keine noch so gute Bluthundnase jemals erschnüffeln können. Jake Looser, der kleine dürre Mann, den sie im Camp vom ersten Tag an einen »losen Vogel« genannt hatten, war ihnen entwischt. Loosers Stiefel waren bis an die Knöchel in das Sumpfgras eingesunken. Ganz ruhig bleiben, dachte er. Mikel hat gesagt, nur nicht den Kopf verlieren, Lousy. Sie werden Wolski mit den Hunden hinter dir her jagen, aber das tun sie immer, also laß dich durch die Hunde nicht verrückt machen. Looser würgte schwer und kam sich so verlassen wie nie zuvor in seinem Leben vor. Dabei hatte ihm ­Mikel alles gesagt, was er zu tun hatte. Mikel Bragg, Sträflingsnummer 703. »Wenn Wolski mit den Hunden da ist, dann nimm Kalmussaft aus der Flasche und reibe dir Gesicht und Arme ein.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 151

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



G.F. Barner – 345 –

Der Schweiger

G.F. Barner

Die Angst war jetzt da, vor der Looser sich immer gefürchtet hatte. Er schluckte unwillkürlich, hörte wieder das durchdringende Heulen, das durch die Nacht über den Sumpf hallte.

Die Kerle haben die Bluthunde geholt und scheuchen sie auf den Karrendamm, dachte er entsetzt.

Einen Moment glaubte Jake Looser ein kleines flackerndes Licht drüben hinter den Sumpfbüschen zu sehen, doch er mußte sich täuschen. Der Damm war über eine halbe Meile entfernt.

Looser trug die Nummer 741 auf dem Jackenrücken und am rechten Hosenbein.

Die Aufseher des Außenlagers von Camp Lakeview mußten schon vor vier Stunden beim abendlichen Zählappell im State Prison gemerkt haben, daß Nummer 741 weder in der Küche noch in der Zelle gewesen war. Danach mußte alles wie üblich abgelaufen sein. Man hatte ihn zuerst im Camp gesucht, die Hunde an seiner Pritsche Witterung nehmen lassen, doch trotz aller Suche keine Spur gefunden. Daß sich Looser in einer der beiden Abfalltonnen versteckt hatte, über sich haufenweise stinkenden und zum Teil faulig triefenden Unrast, der jeden Abend vom Steg aus in den Neches River gekippt wurde, hätte keine noch so gute Bluthundnase jemals erschnüffeln können.

Jake Looser, der kleine dürre Mann, den sie im Camp vom ersten Tag an einen »losen Vogel« genannt hatten, war ihnen entwischt.

Loosers Stiefel waren bis an die Knöchel in das Sumpfgras eingesunken.

Ganz ruhig bleiben, dachte er. Mikel hat gesagt, nur nicht den Kopf verlieren, Lousy. Sie werden Wolski mit den Hunden hinter dir her jagen, aber das tun sie immer, also laß dich durch die Hunde nicht verrückt machen.

Looser würgte schwer und kam sich so verlassen wie nie zuvor in seinem Leben vor. Dabei hatte ihm ­Mikel alles gesagt, was er zu tun hatte. Mikel Bragg, Sträflingsnummer 703.

»Wenn Wolski mit den Hunden da ist, dann nimm Kalmussaft aus der Flasche und reibe dir Gesicht und Arme ein. Kalmus überdeckt deinen Körpergeruch. Mit dem Zeug hat mein Onkel sogar die Alligatoren überlistet. Die haben noch eine bessere Nase als die Bluthunde. Und dann gehst du nach Norden durch den Sumpf zu den Wegmarkierungen. Du weichst dem Damm um eine halbe Meile aus. Aber vergiß nicht, daß du die Stangen herausziehen mußt. Nicht einfach wegwerfen. Steck sie tief ins Wasser. Sie müssen nicht mehr sichtbar sein, dann können die Kerle nicht folgen.«

Das Geheul der Bluthunde klang nun anders.

Wolski war also mit seinen drei Bestien am Bootshaus angekommen. Die Hunde drängten in die Boote, die Bestien wußten genau, was sie nun zu tun hatten.

Looser haßte Wolski genauso wie die anderen 120 Sträflinge, die in Camp Lakeview eingesperrt worden waren, um Binsen und Schilf zu schneiden, in der Hauptsache jedoch, um Gräben auszuschachten und den Sumpf trockenzulegen. Es war eine höllische Arbeit. Über dem meilenweiten Sumpfgelände lastete glühende Hitze, die sich mit der Feuchtigkeit wie zu einer Riesenglocke vereinte. Der Schweiß lief den Sträflingen buchstäblich am Körper herunter, und mit dem Schweiß kamen die Sumpfmücken, bösartig heranschwirrende Insekten, die immer irgendwie ihren Weg unter die Mückenschutznetze aus feiner Gaze fanden, die um die breitrandigen Hüte der Sträflinge geschlungen und am Hals zusammengebunden wurden.

Looser hatte den ersten Schock überwunden. Nun schüttelte er die Furcht ab. Wenn er sich genau an das hielt, was ihm Mikel Bragg gesagt hatte, konnte er Wolskis Hunden und den Suchtrupps entkommen. Niemand kannte den Sumpf so gut wie Bragg. Er hatte elf Jahre hier gelebt und das Gelände von jenem Bootshaus aus tagtäglich befahren.

Jake Looser konnte im Sternenlicht die bleich schimmernden Stangen drüben deutlich ausmachen.

Lousy tat exakt das, was ihm Bragg. geraten hatte.

Er nahm die erste Stange, setzte sie flach an und schob sie unter das sofort nachgebende und schmatzende Sumpfgras.

Dabei dachte er an Mikel Bragg, der wie die meisten Sträflinge einen Spitznamen bekommen hatte. Sie nannten Bragg »den Schweiger«. Es gab Tage, an denen Bragg kein Wort sagte. Im Camp gab es niemand, der Braggs schweigsame Autorität nicht respektierte.

Selbst Sam Wadell, der Oberaufseher, fragte immer zuerst Bragg, wenn es unter den Sträflingen Unruhe oder Streit gegeben hatte. Mikel Bragg war, ohne daß er sich jemals danach gedrängt hätte, zum Vertrauensmann der Sträflinge geworden. Die Justizbehörde von Texas hatte ihn vor drei Jahren, als mit der Trockenlegung des Sumpfes begonnen worden war, herschaffen lassen.

»Verdammt«, keuchte Jake Looser, als er die nächste Stange aus dem schmatzenden Grund zerrte, »ich verstehe nicht, weshalb Mikel nie daran gedacht hat, zu türmen. Der hätte es geschafft.«

Looser kicherte vor sich hin. Das Heulen von Wolskis Bluthunden störte ihn nicht mehr.

Mich seht ihr nie wieder, ging es ihm durch den Kopf. Ihr habt mich nicht umsonst einen losen Vogel genannt. Ein Vogel kann fliegen, das beweise ich euch.

*

Wolski, der zuständig für geflohene Sträflinge war, konnte bestimmen, wie eine Verfolgung durchgeführt werden mußte, und Wadell war verpflichtet, Wolski mit allen Mitteln zu unterstützen.

»He, Bragg, kannst du auch zur Nachtzeit sehen, wo der Weg durch den Sumpf führt?« fragte Wadell.

»Nein, Sir«, antwortete Bragg.

»Er lügt schon wieder, der Dreckskerl«, schnaubte Wolski. »Wadell, er könnte uns auch bei Dunkelheit sagen, wo der Sumpfboden trägt und wo nicht. Wenn er eine Laterne hat, muß er den Weg finden können. Also los, schneidet ihm einen langen Zweig ab, damit er im Boden stochern kann. Und schließe ihm die Handschellen auf, Wadell. Dann kann er die Laterne und den Zweig halten. Jede Wette, daß der Hundesohn lügt, Wadell?«

Der mochte Bragg, was jeder wußte, aber er konnte das unmöglich zeigen.

»Du wirst es versuchen, Bragg«, sagte Wadell. »Bei Laternenschein kann das nicht so schwierig sein.«

»Es ist nicht möglich, Sir«, gab Bragg achselzuckend zurück. »Nur bei Tageslicht kann man genau feststellen, wie das Gras beschaffen ist.«

»Tages- oder Laternenlicht«, brummte Wolski, »Licht ist Licht. Du Hundesohn willst nur dafür sorgen, daß der lose Vogel seinen Vorsprung behält und uns entwischt. Aber daraus wird nichts. Ich halte jede Wette, du hast ihm versprochen, daß er seine Mutter noch einmal sehen kann, bevor sie stirbt. Du bist ein sentimentaler, mitleidiger Hund, deshalb hast du Looser geholfen. Strafaussetzung beantragen – so ein Blödsinn –, damit der noch mal zu seiner Mama kann. Ich lache mich tot. Der wollte nur hier raus.«

»Du mußt es ja wissen«, sagte Wadell grimmig. »Du hast ein Gemüt wie deine Bluthunde, Wolski. Vorwärts, die Hände weg, Bragg! Du wirst es versuchen, verstanden?«

»Ja«, erwiderte Bragg, doch die Aufseher blieben mißtrauisch.

*

Wolski blickte sich nach den Zweigen um, die ihren bisherigen Weg markierten. Einer der Aufseher hatte sie abgeschlagen und in den Sumpfboden stecken müssen. Die Markierungen verliefen nicht in gerader Linie, sondern beschrieben Bogen und Winkel.

»Wo, zur Hölle«, tobte Wolski, »führt nun der richtige und sichere Weg in den Sumpf, Bragg? Du Schweinehund, behaupte nur nicht, du könntest ihn nicht entdecken. Wadell, ich schwöre dir, er hat uns eiskalt in die Irre geführt und hätte den Weg mühelos finden können, wenn er nur gewollt hätte. Soll ich dir sagen, Wadell, was das verdammte Schwein vorhat?«

»Am besten sagst du gar nichts mehr«, fuhr ihn Wadell an. »Ich habe genug von deinen Flüchen und Ausdrücken, die du schon als Kind von deinem Vater, dem Sklavenjäger, gelernt hast, wie du mal erzähltest. Wolski, ich kenne dich mittlerweile so gut, daß ich weiß, was du meinst. Du vermutest, daß Bragg unserem entflohenen Vogel nur einen möglichst großen Vorsprung verschaffen will, oder?«

»So ist es«, bestätigte Wolski. »Ich werde es in meinem Fluchtbericht haarklein erwähnen.«

»Das tue nur«, sagte Wadell ungerührt. »Ich werde dazuschreiben, daß du Bragg wie die Pest haßt, seitdem er damals dazwischenging, als du Tom Reily die schwarze Haut ›gesalzen‹ hast, wie du es nanntest. Wenn Bragg dir nicht die Peitsche aus der Hand gerissen hätte, hättest du Tom Reily totgeprügelt. Und das alles nur, weil er schwarz und dir zu langsam bei der Arbeit war. Wolski, für dich ist jeder Schwarze ein dreckiges Schwein und jeder weiße Sträfling ein Schweinehund. Ich kenne jemanden, der beides ist.«

»Meinst du mich?« schrie Wolski wütend. »Na gut, mir macht das nichts aus. Ich bin jedenfalls nicht so verrückt, mit einem dieser Stinktiere Mitleid zu haben oder sogar noch etwas wie freundliche Gefühle für sie zu entwickeln wie gewisse andere Leute. Verflucht noch mal, ich hätte den verdammten Nigger und deinen Freund Bragg damals…«

»Genug jetzt!« fauchte Wadell. »Hier geht es jedenfalls nicht weiter. Der Weg ist nicht mehr zu finden, aber wir wissen, wo er endet. Wenn Looser alle Stangen herausgerissen hat, kann er nur drüben am Freiwasser sein. Dann ist er längst im östlichen Teil des Sumpfgeländes. Nur dort müssen wir suchen. Oder bist du anderer Meinung, Wolski?«

Wolskis Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze.

»Wenn der Kerl womöglich auch drüben die Stangen herausgerissen hat, dann müssen wir bis zum Morgen warten. Dann könnte er inzwischen durch den Neches River schwimmen. Zurück in die Boote! Hoch mit euch, ihr Mistviecher!«

In seiner Wut schlug er auf seine Hunde ein. Obwohl sie das gewohnt waren, zog Pollux, der immer widerspenstiger gewesen war als die anderen beiden, die Lefzen hoch und knurrte Wolski an. Dann jedoch trottete er wie die anderen an Wolski vorbei.

Wadell sah zwar, daß der Bluthund Wolski die Zähne zeigte, achtete jedoch mehr auf Bragg. Der Sträfling schien spöttisch und zufrieden zu lächeln.

*

Es gab keinen Zweifel mehr: Looser, der lose Vogel, hatte schwimmend das vielleicht 600 Yards lange und 250 Yards breite südliche Freiwasser überwunden. Es gab mehrere davon im Sumpfgebiet.

Wolskis Glotzaugen schienen aus den Höhlen zu quellen, während er voller Wut auf die Bordkante des Flachbootes einschlug.

»Gott ver…«

Wolski sprang aus dem Boot und landete dort, wo sonst die Kähne die Schilfrohrladungen übernahmen. Die Stelle war plattgetrampelt und nicht zu verfehlen gewesen. Aber schon von hier aus war zu erkennen, daß die Markierungsstangen verschwunden waren.

»Dein verfluchtes Werk!« schrie Wolski.

Er fuhr herum und schwang, während er auf Bragg zudrängte, die schwere Hundepeitsche. »Kerl, ich schlage dir die Ohren ab. Das hast du Looser eingetrichtert. Grinst du etwa?«

Bragg musterte ihn kühl.

»Wie könnte ich es wagen, zu grinsen, Sir?« entgegnete er träge. »Sieht übel aus. Wir werden wohl bis zum Morgen warten müssen.«

»Und bis dahin schwimmt Looser, der verkommene Strolch, schon auf einer Schilfmatte den Neches River hinunter, was?« brüllte Wolski ihn an. »Ich werde Looser stellen, bevor er den Fluß erreichen kann. Kerl, bilde dir nicht ein, daß ich aufgebe. Bis zum Morgen warten? Niemals.«

»Wolski, sei kein Narr«, warnte Wadell. »Bis an den Schilfgürtel magst du kommen, aber dahinter liegt der eigentliche Sumpf mit seinen Inseln und offenen Schwarzwasserlöchern. Du schaffst es nicht, dort durchzukommen.«

»Da irrst du dich aber gewaltig«, krächzte Wolski. »Niemand entkommt Anthony Wolski und seinen Hunden. Vorwärts, ihr faulen Galgenstricke!«

Er stieß dem aufjaulenden Castor mit einem Stock in die Flanke und hastete los.

Sam Wadell blickte sich nach seinen Aufsehern um, die sich verstört und vielsagend ansahen. Alle schienen dasselbe zu denken: Wolski war nahe daran, vor Haß den Verstand zu verlieren und ins Unglück zu rennen.

»Folgen wir Wolski vorsichtig«, bestimmte Wadell widerwillig. Er ließ zwei, drei seiner Aufseher vorbei und wartete, bis Denis und Price mit dem wieder an Ketten hängenden Bragg heran waren. »Bragg, was hältst du davon?«

»Nichts, Sir.«

»Das dachte ich mir. Die Sache hat Looser gut eingefädelt, nicht wahr, Bragg?«

»Sieht so aus, Sir.«

Diesmal war es nicht zu übersehen: Bragg lächelte dünn.

Du schlauer Bursche, dachte Wadell halb grimmig, halb bewundernd, das ist tatsächlich deine Idee gewesen. Du wolltest Looser helfen, damit er seine Mutter noch einmal wiedersieht, bevor sie stirbt. Ich an deiner Stelle hätte nicht anders gehandelt.

*

Pollux rutschte in die Brühe. Castor schwamm auf Wolski zu. Ohne dessen Gezerre wären die Hunde wahrscheinlich verloren gewesen. Doch nun kam Hektor, vor Wolski hin sinkend und röchelnd, heraus.

Wolski riß mit der Linken an der Leine, holte mit der Rechten aus und schlug auf Pollux ein. Der Bluthund duckte sich. Und dann geschah das, was Wadell oft genug heimlich gewünscht hatte.

Pollux, auf den die Schläge herunterprasselten, stieß ein markerschütterndes Heulen aus und sprang Wolski mitten vor die Brust. Der tobende Aufseher kippte hintenüber, riß abwehrend die Arme vors Gesicht und stieß einen gellenden Schrei aus.

Pollux, der mehr Tritte als freundliche Worte bekommen hatte, biß zwischen die Oberschenkel seines Peinigers. Die langen Fangzähne gruben sich tief in Wolskis Fleisch.

Den Colt herauszerrend, stieß Wolski den rechten Arm vor und die Waffe von der Seite aus gegen den Kopf des Bluthundes. Und dann drückte Wolski so lange ab, bis die letzte Kugel aus dem Lauf war. Dann sank Wolskis Hand zu Boden. Der Aufseher ließ den Colt fallen, und irgendwie gelang es ihm, das Tier noch von sich zu schieben. Während Pollux in das nasse Gras kollerte, starrte Wadell auf die von den Bissen zerfetzten Hosenbeine. Und da wurde Wolski schlaff.

Während Hektor und Castor jaulend am Boden liegenblieben, sich zurückschiebend, weil ihnen die Witterung des aus Pollux’ Körper rieselnden Blutes entgegenwehte, blickte Wadell sprachlos auf die Wunde dicht über Wolskis linkem Knie. Der brutale Mann hatte sich selbst angeschossen und war in Ohnmacht gefallen.

»Mitchell, halte die Hunde!« befahl Wadell. »Herrgott, es mußte ja einmal passieren. Jetzt hat der Idiot endlich die Quittung für seine brutalen Dressurmethoden bekommen. Schnell, kommt her und leuchtet, ich brauche mehr Licht!«

Dennis und Price kamen mit Bragg heran. Wadell konnte nicht anders, er blickte zu Bragg empor, während er neben Wolski kniete. In Braggs Augen war nichts als Genugtuung zu lesen. Bragg schien Wolski alldas zu gönnen, was ihm nun widerfahren war. Alle Sträflinge hatten sich vor Wolski gefürchtet und ihn wie die Pest gehaßt. Nun lag der Mann, der sie oft genug gepeinigt hatte, ohnmächtig am Boden.

»Er muß auf dem schnellsten Weg mit dem Kahn zurück und nach Beaumont ins Hospital gebracht werden«, sagte Wadell.

*

Jack Loosers Schilffloß kam gut voran, und als er die nächsten Inseln hinter sich hatte, konnte er Hufgetrappel hören. Es kam von Nordosten, war mehr als 300 Yards entfernt, und er wußte, daß die Aufseher auf jenem Damm hin und her ritten.

Looser grinste, während er einen Moment Pause machte. Das ständige Paddeln in liegender Haltung lähmte die Oberarmmuskeln nach kurzer Zeit.

Dann sucht mich mal dort recht lange, dachte er. Genau, wie Mikel es vorhergesagt hat. Sie sind auch dort, bloß weiter kommen sie nicht. Noch vierhundert Yards bis zum Schilfgürtel am River, die schaffe ich auch noch.

Er ruhte noch etwas aus. Der Jacke hatte er sich längst entledigt und die Hemdsärmel ein Stück aufgekrempelt. Das Hemd klebte ihm wie eine zweite Haut am Körper, und er hatte das Gefühl, daß seine Oberarmkugeln angeschwollen und dick wie Texasmelonen waren.

Looser paddelte hastig weiter…

Durch das Schilffloß ging ein Ruck. Looser blieb wie gelähmt liegen. Er war auf irgend etwas aufgelaufen.

Du großer Geist, dachte Looser erschrocken. Er brach einen Schilfstengel vom Fluß und tauchte ihn ein. Was ist da unten, etwa der Grund?

Der Stengel tauchte mehr als fünfzehn Zoll ein, also mußte genug Wasser unter seinem Floß sein. Beim dritten Eintauchen stieß der Stengel auf Widerstand, keine zehn Zoll unter der Wasseroberfläche. Den Stengel zur Seite bewegend, stieß er gegen knorrige Zweige, die halb verfault waren.

Looser krempelte seinen rechten Hemdsärmel auf und griff ins Wasser, ertastete einen dickeren Zweig. Je stärker er zog, desto mehr tauchte die Spitze seines Floßes ein. Obwohl er nun schob und drückte, um nach hinten gleitend mit dem Floß freizukommen, blieb er stecken.

Looser blieb keine Wahl. Er mußte sich hinknien, den dicken Zweig mit beiden Händen packen. Aber als er mit aller Gewalt erneut daran zog, stürzte er in das Brackwasser des Sumpfes, berührte den schlammigen Grund und warf sich geistesgegenwärtig auf die linke Seite. Seine Rechte schnellte vor, bekam das Floß wieder zu fassen, trat mit beiden Beinen aus und warf sich über das Floß.

Und da passierte es.

Schmerz zuckte stechend durch Looses linkes Bein, ließ ihn aufschreien, während er auf die sich windende grün-gelbe Wasserschlange starrte.

»Das Yellow-Green-Monster«, stöhnte Looser auf. »Oh, mein Gott, das Messer.«

Das Floß war frei und trieb mit der schwachen Strömung der nächsten Insel entgegen. Looser legte sich auf den Rücken. Todesangst befiel ihn, als er das Messer in der Hand hielt.

Ich muß es tun, dachte Looser, sonst…

Er trennte den Hosenstoff auf, sah die zwei Bißpunkte und zögerte. Dann stieß er die Klinge in den Beinmuskel. Er schloß einen Moment die Augen, wehrte sich gegen die drohende Ohnmacht. Schließlich, als es getan war, blickte er auf die Wunde, aus der Blut rann.

Die Schnittstelle brannte wie Feuer.

Ich werde nicht sterben, dachte er, als er sein Hemd zerriß und mit zitternden Händen die Stoffstreifen um seinen Oberschenkel band. Ich werde bis zum Fluß paddeln und dem Meer entgegentreiben. Irgendwo dort, wo man keine Spuren findet, werde ich ans Ufer kriechen und die Straße finden. Mikel hat mir genau beschrieben, wo sie ist und wo die Hütten stehen, in denen ich andere Kleidung und etwas zu essen finden kann. Da unten leben Fischer, hat Mikel gesagt. Wenn sie hinausfahren, sind viele Hütten leer. Ich schaffe es.

Looser fror, der Schmerz nagte im Bein, als er sich auf den Bauch drehte und zu paddeln begann. Das Floß glitt zwischen den Sumpfinseln her, es kam jedoch viel langsamer voran, und die Paddelei wurde zur Qual.

Ich schaffe es, dachte Looser verbissen. Ich weiß, daß ich frei sein werde.

Etwas wußte er nicht. Er hatte den Kreuzschnitt nicht gut genug ausgeführt. Der eine Bißpunkt war gar nicht getroffen worden. Das Gift darin begann zu wirken.

*

Mitten im Schilfgürtel hatten sie die Boote so weit es ging hineingeschoben, doch hier kamen sie nicht weiter. Sie sanken ein. Deshalb hatte Wadell befohlen, daß sie das Schilf von den Booten aus abschnitten. Es lag nun quer zu den Borden, und Bragg wand schweigsam die langen Schilfhalme zum Bindezopf. Die Kette an Braggs Handschellen klirrte dabei häßlich.

»Dennis, schließ ihn frei!« befahl Wadell. »Er kann so nicht arbeiten, es geht zu langsam. Verdammt, ich will zu den Bäumen. Von dort aus kann man weit über den Sumpf blicken. Meinst du nicht, Bragg?«

»Könnte sein, Sir«, sagte Bragg und hielt Dennis die Hände hin.