Sweetwater-Ranch - G.F. Barner - E-Book

Sweetwater-Ranch E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. »Hätten wir ihn nur…«, sagt Dan Berry, der Storebesitzer, und macht danach eine kleine Pause. »Hätten wir ihn nur aufgehängt. Dann würde er nicht kommen.« Der Mann neben ihm wendet den Blick und sieht zur Schule hinüber. Sie stehen beide auf dem Vorbau von Carters Saloon, haben die Schule vor sich und warten auf den Glockenschlag, mit dem Mildred Keegan den Unterricht beenden wird. Sie läutet jetzt die Schulstunden ab, die Kinder werden herauskommen. »Du sagst es«, erwidert Lasco, der Barbier, der seine spanische Herkunft niemals ganz verleugnen kann. »Er wird kommen und wieder lächeln, wie damals, das betrunkene…« Die Glocke bimmelt. Sie wenden die Köpfe und sehen auf das kleine Haus, in dem die Langtons wohnen. Bei dem Gebimmel ist es nicht anders als an den anderen über tausend Tagen, die vergangen sind: Die Tür geht auf, Mrs. Langton kommt heraus und hat das Tuch, trotz der Hitze, um die Schultern gelegt. Es ist ein schwarzes Tuch. Und, wie immer, wirkt die Frau düster und verschlossen. Dabei hat sie früher gelacht. »Dieses Sch…«, sagte der Barbier Lasco heiser und wischt sich mit dem Taschentuch über die wenigen Haare, die noch auf seinem Kopf verblieben sind. »Warum tun wir nichts?

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G.F. Barner – 339 –

Sweetwater-Ranch

Zum Teufel mit der Bassett-Bande

G.F. Barner

»Hätten wir ihn nur…«, sagt Dan Berry, der Storebesitzer, und macht danach eine kleine Pause. »Hätten wir ihn nur aufgehängt. Dann würde er nicht kommen.«

Der Mann neben ihm wendet den Blick und sieht zur Schule hinüber.

Sie stehen beide auf dem Vorbau von Carters Saloon, haben die Schule vor sich und warten auf den Glockenschlag, mit dem Mildred Keegan den Unterricht beenden wird. Sie läutet jetzt die Schulstunden ab, die Kinder werden herauskommen.

»Du sagst es«, erwidert Lasco, der Barbier, der seine spanische Herkunft niemals ganz verleugnen kann. »Er wird kommen und wieder lächeln, wie damals, das betrunkene…«

Die Glocke bimmelt.

Sie wenden die Köpfe und sehen auf das kleine Haus, in dem die Langtons wohnen.

Bei dem Gebimmel ist es nicht anders als an den anderen über tausend Tagen, die vergangen sind: Die Tür geht auf, Mrs. Langton kommt heraus und hat das Tuch, trotz der Hitze, um die Schultern gelegt. Es ist ein schwarzes Tuch. Und, wie immer, wirkt die Frau düster und verschlossen.

Dabei hat sie früher gelacht.

»Dieses Sch…«, sagte der Barbier Lasco heiser und wischt sich mit dem Taschentuch über die wenigen Haare, die noch auf seinem Kopf verblieben sind. »Warum tun wir nichts? Warum stehen wir da und warten, bis dieser Lump kommt und es noch einmal macht? Ein verdammter, schmutziger Mörder. Nun gut, wir haben mehr Mörder in dieser Stadt gehabt. Und wenn sie sich gegenseitig umbringen, dann ist es ihre Sache, aber das – das hat noch keiner getan.«

»Er hat ihn ja nicht umgebracht«, sagt Berry leise. »Umgebracht nicht.«

»Was ist das denn anders als umbringen, wie?« erkundigt sich Lasco grimmig. »Du kannst einen umbringen, ohne ihn zu töten. Du kannst ihn so verdammt fertigmachen, daß er verrückt wird und praktisch tot ist. Das hat er auch gemacht, der Lump. Und niemand unternimmt was, keiner stellt sich ihm in den Weg, wenn er kommt. Warum lassen wir uns das gefallen, warum denn? Weil wir alle feige sind.«

»Du hast recht, wir sind feige.«

Der Mann steht hinter ihnen. Carter ist mit zwei anderen aus seinem Sa­loon gekommen.

Jetzt sind es fünf, die der Frau nachblicken.

Aus der Schule kommen die Kinder, sie lachen und springen.

Ely in Nevada hat nicht viele Einwohner.

Darum sind es auch nur wenige Kinder, vielleicht vierzig, die die Schulbank drücken. Die Kinder stürmen aus der Schule, sie haben Leinentaschen oder die Bücher mit den Federkästen einfach so unter den Armen. Auf Carter kommen Sohn und Tochter zu, beide springend und lachend.

»Hallo, Pa, können wir baden?«

»Sicher, sicher«, sagt Carter heiser. »Aber fragt erst Mutter, verstanden?«

Die beiden Kinder verschwinden hinter der Tür. Die anderen sind auch fast alle von der Straße. Nur Benjamin Crittenden kommt mit seinen Büchern langsamer durch die kleinere Pforte vom Schulvorhof, dessen Sand von den Kindern zertrampelt ist.

Ben Crittenden ist nun zwölf Jahre alt und der beste Schüler in der ganzen Schule. Er ist ein stiller Junge, der nur manchmal lustig wie die anderen ist.

»Der Streber«, sagt Vic Carters Sohn noch aus der Tür, ehe er verschwindet. »Der geht natürlich wieder langsam und wartet. Dieser Streber!«

Niemand weiß, daß Benjamin Crittenden einmal Senator von Nevada werden soll, aber das schlaueste Kind dieser Schule ist Ben jetzt schon.

»Er wird wohl auf ihn warten, was?« fragt Carter Berry leise. »Auch wenn mein Vater Sheriff wäre, aber so hochnäsig brauchte der Bengel nicht zu sein!«

»Hochnäsig?« fragte Berry. »Ich glaube nicht, daß er hochnäsig ist, der denkt nur zuviel, der Junge. Das ist ein Grübler, ich sage euch, aus dem wird noch mal was.«

»Sie kommt!«

Das sagte Berry.

Die Frau kommt rückwärts aus dem Schulraum. Ihr schwarzes Tuch macht sie noch düsterer als sonst. Oder kommt es den Leuten nur so vor?

Mrs. Wyatt Langton geht rückwärts. Und jeder weiß, warum sie rückwärts geht.

In diesem Augenblick kommt der Rollstuhl, den Old Sam Eldridge für die Langtons gekauft hat. Der Stuhl blitzt und sieht noch immer wie neu aus. Die schönen Nickelfelgen der drei Räder funkeln.

Aber das Gesicht des Jungen ist wie immer bleich.

Seine Augen sind müde und seine mageren Hände, die mageren Arme, die aus der Jacke hervorsehen, liegen auf der Decke, mit der seine Beine umhüllt sind. Es ist eine feine Decke. Und die Bücher sind auch besser eingebunden als die der anderen Kinder. Dem Jungen fehlt es an nichts, nur an einer Sache:

Er kann seine Beine nicht mehr gebrauchen!

Der kleine Adam Langton lebt, aber sein Leben ist eine Qual für ihn und manche, die ihn so sehen müssen, sicher auch für seine Eltern.

Er wird immer gelähmt bleiben. Kein Arzt kann ihm helfen. Er kann nicht laufen, obwohl ihm der alte Eldridge die besten Ärzte verschafft hat, obwohl man ihn zweimal operiert hat und sie sogar mit der Mutter und Klein-Adam nach Salt Lake City gefahren sind.

Man mag von den Mormonen sagen, was man will, eines jedoch steht fest, das wissen alle: Die Mormonen haben die besten Ärzte.

Doch keiner hat Klein-Adam helfen können.

*

Und so wie heute, so schafft ihn seine Mutter jeden Vormittag zur Schule und bringt ihn nach dem Ende des Unterrichts wieder nach Hause. Manchmal steht sein Stuhl vorn auf dem Gehsteig vor dem Haus, manchmal schiebt sich der Junge auch allein ein Stück über die Straße, wenn kein Reiter zu sehen ist.

Denn jedesmal, wenn ein Reiter kommt, Pferde auftauchen, die einen Wagen ziehen, dann wird der Junge steif vor Schreck und wagt es nicht, sich zu bewegen.

Und jeder weiß, daß er sich immer daran erinnern wird. Solange er lebt, wird die Erinnerung in ihm bleiben.

Zwei Reiter auf ihren Pferden – er in der Mitte der Straße.

Dort steht er, acht Jahre alt, klein, mager, dürr.

Und das Pferd kommt, die Frau schreit, doch der Junge kann nicht laufen. Er steht still, mitten auf der Fahrbahn, und das Pferd rennt über ihn hinweg.

Eine Staubwolke, ein Schrei und leises Wimmern. Zwei Pferde, die aus der Stadt jagen und eine Kanne mit Petroleum, die ausläuft und einen Fleck auf der Fahrbahn hinterläßt.

Seine Mutter hat den Jungen abends gegen neun Uhr noch schnell zu Berry geschickt, um Petroleum zu holen. Die Kanne liegt da, und der Junge liegt da mit gebrochenen Beinen. Die Reiter sind fort, doch die Frau hat den Mann erkannt, ein halbes Dutzend Leute haben den Mann erkannt, der immer freundlich zu jedermann gewesen ist. Sicher ein harter Mann, aber auch ein gutmütiger und freundlicher Bursche, der weggeritten ist, ohne sich um den Jungen zu kümmern.

Jetzt kommt die Frau mit dem Rollstuhl heran. Sie, eine schmale, verhärmte und sehr still gewordene Frau, schiebt ihn über den Gehsteig.

Der Junge sitzt im Rollstuhl und hält seine Bücher fest. Er ist ein guter Schüler, das stimmt. Aber immer, wenn die anderen tollen und springen, dann sieht er nur aus großen, dunklen Augen zu.

Wyatt Langton, der Schneider, denkt an seinen Jungen. Er kann die Straße ein Stück einsehen und seine Frau mit dem Rollstuhl kommen sehen. Manchmal hat er den Wunsch, aus der Haut zu fahren, wenn sie den Jungen zu sehr verwöhnt.

Niemand weiß so gut wie er, daß der Junge nicht davon gesund werden kann, wenn man ihm dauernd seine Hilfsbedürftigkeit zeigt. Er muß selbständiger werden, er muß an die frische Luft.

Wie der Junge aussieht, denkt er. Zwölf Jahre alt ist er nun und wird von ihr gefüttert. Sie schneidet ihm das Brot in Stücke, sie ist immer um ihn. Na ja, lange sehe ich mir das nicht mehr an!

*

Sheriff Crittenden hört seine Frau durch das offene Küchenfenster mit der Nachbarin reden. Er faßt sich an den Schnurrbart. Diese Bewegung macht seine ganze Nervosität deutlich. Immer, wenn Crittenden nervös wird, dann zupft er sich am Schnurrbart. Er blickt ziemlich finster in den Spiegel.

»Hallo!« sagt er grollend in die Küche hinein. »Mary, ist das Essen bald soweit?«

»Ja doch, James«, antwortete sie. »Meine Liebe, mein Fleisch brennt an, fürchte ich. Nun, wir werden es ja sehen, wie?«

Wir werden es sehen, denkt James Crittenden und beißt sich auf die Barthaare. Teufel, wir werden es sehen. Und ich stecke mittendrin. Ob der Alte kommt und ihn abholt? Ich weiß nicht, ich bin nicht sicher, aber der alte Wayne­ Flynn wird kommen, wie ich ihn kenne.

»James?« fragt seine Frau und gießt Wasser in den Topf nach, daß es zischt. »Meinst du wirklich, der traut sich her?«

»Was heißt – der?«, fragt Crittenden bissig. »Läßt über die Rederei mit der klatschsüchtigen Nachbarin noch das Fleisch anbrennen, aber wenn unsereins mal drei Minuten später vom Kartenspiel nach Hause kommt, dann ist der Teufel los. Das Gesetz Mose müßte noch bestehen!«

»Du mit deinem Gesetz Mose! Ich frage dich, ob der es wagen wird, und du redest vom Gesetz Mose! Könnte dir so passen, deine Frau zu – na, du weißt schon. Außerdem ist das Fleisch nicht angebrannt. – Kommt der Kerl nun?«

»Clay ist kein Kerl«, erwiderte James­ Crittenden grimmig. »Ich bitte dich, daran zu denken, daß ich ohne ihn wahrscheinlich tot wäre, und du keinen Braten mehr im Topf haben dürftest. Jeder Mann macht mal irgendwann eine Dummheit, seine ist besonders tragisch gewesen. Nun gut, aber er hat seine Strafe abgesessen und hat Anrecht auf eine anständige Behandlung.«

»Anständige Behandlung auch noch? Siehst du den kleinen Adam nicht täglich?«, erkundigt sich seine Frau sarkastisch. »Du bist ein schöner Sheriff! So ein Mann wie Flynn gehört nicht mehr in unsere Stadt. Und du solltest ihm das begreiflich machen!«

»Wie stellst du dir das vor?«, fragt er und nimmt das Stück Fleisch, das sie ihm abschneidet, zwischen die Zähne. Er muß erst etwas kauen, ehe er es herunterschlingen kann. »Du kennst doch Clay, Mary, er würde gerade darum herkommen. Mary, diese Stadt ist verrückt. Sie verdankt Clay Flynn eine ganze Menge. Und auf einmal will sie ihn umbringen. Mein Gott, er tut mir leid, er hat das nicht gewollt, das weißt du. Es war dunkel und der Junge kaum zu sehen. Das gleiche hätte jedem Mann passieren können.«

»Aber der Junge, dieser arme Junge, James. Ich habe oft an Clay denken müssen, das ist wahr. Sam Eldridges bester Mann im Jail, dein bester auch. Du hast immer gesagt, es gibt keinen besseren Mann als ihn. Ich habe es auch geglaubt. Doch dieses Elend mit dem Jungen ansehen müssen – nein, James, ich weiß, daß Clay das niemals hätte tun dürfen.«

Er blickt auf die Straße und wird steif.

»Was ist, Mann?«

»Tony Bassett und seine drei wildesten Burschen«, erklärt James Crittenden heiser. Er kann die vier Mann zu Carters Saloon reiten sehen. »Das wird was, wenn Clay wirklich herkommt! Tony vergißt nie etwas! Der ist nachtragend wie kaum ein anderer. Warum kommt er jetzt? Will er erleben, daß der Mann, der ihn zweimal verprügelt hat, von einer Stadt gelyncht wird? Zuzutrauen ist Tony alles. Der verdammte Kerl bringt Monky mit.«

»Monky«, echot seine Frau entsetzt. »Auch das noch. Mann, reite der Kutsche entgegen. Monky schlägt einen Ochsen mit der Faust tot!«

Sheriff Crittenden stellt sich hinter das Fenster, wirft einen kurzen Blick auf die Uhr und dann auf Tony Bassett und seine drei rauhen Burschen, die wirklich vor Carters Saloon absteigen. Links neben Carters Saloon liegt die Poststelle, die Carter mitverwaltet. Dort muß die Kutsche halten. Und dort gibt es eine Katastrophe, wenn Bassett seine Männer auf Clay losläßt.

»Was wirst du tun?« fragt seine Frau, als er sich nicht rührt und nur heftiger den Schnurrbart streichelt. »Sag doch was, James!«

James Crittenden dreht sich um, blickt sie an und dann auf den Topf am Herd. »Mach nicht zu schnell, wir haben noch fünfzehn Minuten«, sagt er langsam. »Ich gehe hin.«

»Du solltest reiten, Mann, nicht hingehen!«

»Ich reite Clay nicht entgegen. Ich gehe in Carters Saloon und werde dort warten, aber hinten herum, Frau!«

Nach drei Minuten – die Kutsche müßte in elf Minuten ankommen steht er hinter dem Saloonstall und blickt sich um.

Niemand ist zu sehen. Sie müssen alle im Saloon sein und werden das Ereignis diskutieren. So kommt es, daß Crittenden bis in den Nebenraum des Saloons schleichen kann, von dem eine Tür in den Saloon führt. Crittenden ist kein Narr, diese Tür sofort zu öffnen. Er tritt an das Fenster, spürt in sich die Unruhe wieder und weiß, daß Reden eine Stadt verrückt machen können. Tony Bassett kann reden. Und macht er das, dann hetzt er die Menge, die sich langsam im Saloon versammelt hat, in wenigen Minuten gegen jenen Mann auf, der aus dem Jail kommen wird.

Crittenden wirft einen Blick aus dem Fenster. Er hört – noch weit von der Tür zum Saloon entfernt – das Gerede von Bassett nur als Gemurmel, aber dafür sieht er den Wagen auf der Straße.

In dieser Sekunde braucht der Sheriff all seinen Mut, denn der Mann, der auf dem Wagen sitzt, kommt genau auf die Rampe des Saloon zu. Er will, das sieht Crittenden sofort, vor die Rampe fahren, also am Nebengebäude halten und auf die Kutsche warten.

Der Mann heißt Wayne Flynn.

Und sein Junge hat hier in der Stadt drei Männer erschossen. Da dieses sinnvoll und gut für alle Bewohner der Stadt gewesen ist, hat sich niemand daran gestört. Im Gegenteil, man hat den jungen Flynn dafür noch gelobt.

Aber dann hat er den Jungen von Wyatt Langton umgeritten.

Und das war es, das ihn zum Feind Nummer eins eines ganzen Countrys gemacht hat.

Dort kommt jetzt sein Vater, Wayne Flynn.

Crittenden erstarrt. Er denkt sofort an die vier Pferde und die Männer, die zu diesen vier Pferden gehören.

Instinktiv ahnt er, daß es Ärger geben wird, noch ehe die Kutsche in der Stadt ist und Clay Flynn aus ihr steigen kann. Der alte Mann dort, dessen schlohweißes Haar vor vier Jahren noch grau gewesen ist, sitzt zusammengekauert auf dem Bock.

Wayne Flynn ist nie ein besonders mutiger Mann gewesen. Er hat sich nie als Held gefühlt und immer still und bescheiden seine Pflicht getan. Dann ist es ihm ergangen, wie es manchmal Vätern ergeht: Sein Sohn ist zu einem großen furchtlosen Mann geworden. Gewiß ist der alte Mann kein Feigling, aber den Mut seines Sohnes hat er nie besessen, schon gar nicht dessen Körpergröße.

Jetzt sitzt er auf dem Bock und sieht nur aus den Augenwinkeln die Leute stehenbleiben.

Der alte Mann spürt den Haß förmlich und zieht seine mageren Schultern zusammen.

Mein Gott, Tony Bassett, denkt er erschreckt und zieht unwillkürlich an den Zügeln. Tony, dieser großmäulige und wilde Lümmel, der immer Streit sucht. Er wartet auch auf Clay. Sie alle warten auf meinen Jungen, als wäre er ein wildes Tier, das mit Knüppeln totgeschlagen werden müßte. Tony Bassett wartet.

»Clay«, sagt er, während ihm die Angst beinahe die Sprache raubt. »Clay, Junge, dreh um, steig aus der Kutsche! Sie warten alle auf dich. Das gibt noch ein Unglück, das gibt noch ein Unglück! Clay, Junge, spring aus der Kutsche!«

Einen Moment hat er den törichten Wunsch, die Pferde herumzureißen und loszufegen, um seinen Sohn zu warnen. Dann aber denkt er an den Brief von Clay. Ja, der Junge hat recht, er wird noch einmal in die Stadt kommen müssen. Er kann, wenn er sich jetzt drückt, nur etwas aufschieben, aber nichts ändern.

Wayne Flynn sieht den Sheriff nicht, aber er hofft, daß Crittenden in der Nähe ist. Wenn ein Mann seinem Jungen immer einen Rest von Anstandsgefühl bewahrt hat, dann James Crittenden.

*

Der Sheriff von Ely in Nevada steht hinter dem Fenster und weicht nun langsam an die Tür zurück. Er fühlt, daß er schwitzt. Es ist jedesmal so, wenn es Ärger gibt. Crittenden schwitzt leicht. Jetzt nähert er sich der Tür zum Saloon, in dem Stiefel trampeln.

James ist dicht an der Tür, als er Bassett sagen hört: »Der Alte hat wohl einen Vogel, was? Will er uns alle verspotten? Was bildet sich dieser alte Narr ein? Da hält er, denn sein prächtiger Sohn soll es leicht haben, wenn er nach Hause kommt. Vielleicht ist er das Sitzen auf einem Gaul nicht mehr gewohnt, wie? Na, so ein Sitzbrett ist ja beinahe so hart wie eine Jailpritsche. He, Monky…«

»Der hat hier nichts zu suchen, Boß«, sagt Monky Shinburn heiser und stößt seine mächtige Gestalt vom Tresen ab. »Ich werd ihm was aufs Haupt geben, daß er aus der Stadt fliegt.«

Bassett, der die Blicke von einem Dutzend Männern auf sich gerichtet fühlt, starrt seinen Rauswerfer und Schläger scharf an. Er weiß nur zu genau, daß er jetzt nicht hetzen kann, denn Bassett besitzt die Schläue seines Vaters, den manche als den durchtriebensten Mann der Gegend ansehen.

»Monky, keinen Streit«, sagt Bassett scheinheilig und grinst danach leicht. »Laß den Mann in Ruhe. Und trinkt nicht mehr, verstanden? Ich muß mal zur Schule gehen!«

»Aber – Boß…«, sagt Monky verwirrt. »Dieser Kerl…«

»Du hast es gehört!«

Danach wendet sich Bassett um und geht dicht an Monky vorbei, weil er aus dem Saloon will. Dabei sieht er Monky nur einmal an.

Und so groß Monky auch ist, so wenig Verstand er besitzt, diesen Blick versteht er. Er begreift, daß er seinen Befehl nicht ins Gegenteil verdreht anzusehen hat. Der Befehl besteht noch, der Befehl ist nicht aufgehoben.

Monky wartet, bis Tony Bassett aus der Tür ist. Er kann Bassett auf die Schule zugehen sehen und wendet sich dann dem Tresen zu.

»Gib mir noch ’nen Drink, Victor.«

»Dein Boß hat aber gesagt…«

»Gibst du mir bald einen?«, fragt Monky und hebt seine Eimerfaust hoch. »Na, wird ’s bald?«

»Wie du willst. Du hast ihn verlangt«, brummt Vic Carter und denkt an die letzte Prügelei zwischen zwei Dutzend Minern und der Mannschaft der Bassett Ranch, bei der Monky alle Stühle bis auf einen zerschlagen hat.

Monky bekommt sein Glas, setzt es an und gießt den Inhalt wie pures Wasser hinunter.

»Noch einen, Vic!«

»Hör mal«, meinte Brazos, der zweite Mann aus Bassetts wilder Mannschaft. »Monky, du solltest…«

»Sei still, sonst hast du keine Ohren mehr«, grollt Monky.

»Ich lasse mir nichts befehlen!«

Das lernt der nie, der Gorilla, denkt Brazos. Er wechselt einen Blick mit Duncan, dem dritten Mann. Ivo Duncan steht nicht weit von ihnen am Tresen. »Laß ihn«, sagt Duncan leise. »Es ist seine Sache.« Damit hat er genug geredet. Er redet wenig. Er ist ein eiskalter Mann, der hier niemanden mit dem Revolver zu fürchten hat, außer vielleicht Crittenden und Sam Eldridge junior.