Der Sprung des Drachen - Ralph Scheuss - E-Book

Der Sprung des Drachen E-Book

Ralph Scheuss

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Beschreibung

Chinesen sind billiger, schneller und raffinierter. Sie klauen unsere Ideen, kopieren unsere Produkte und verkaufen diese dann zu Dumpingpreisen auf dem deutschen Markt. Und sie bieten verstärkt qualitativ hochwertige Produkte an.

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LESEPROBE

Scheuss, Ralph

Der Sprung des Drachen

Strategien gegen Produktkopierer, Qualitätsanbieter und andere Hyper-Wettbewerber aus China

LESEPROBE

www.campus.de

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2007. Campus Verlag GmbH

Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

E-Book ISBN: 978-3-593-40390-8

|9|Vorwort

»Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorherzusagen, sondern auf sie vorbereitet zu sein.«

Perikles

»Springen alle Chinesen auf Kommando gleichzeitig von ihren Stühlen, dann erzittert die ganze Welt«, soll schon Napoleon gesagt haben. Finden Sie nicht auch, dass zumindest einige Chinesen von ihren Stühlen gesprungen sind?

Die Erschütterungen des chinesischen Wirtschaftswunders spüren wir im Business immer intensiver. China ist für viele überraschend schnell zu einem wirtschaftlichen Giganten geworden. Die Geschäftswelt rund um den Globus kommt bei diesem Thema entweder ins Staunen, Grollen oder Zittern. Der »China-Faktor« ist in vielen Vorstandsetagen und Personalrestaurants ein kontrovers diskutiertes Thema. China fasziniert. Aus dieser Faszination heraus wurde dieses Buch geschrieben.

Wie sich unsere Zukunft entwickelt, entscheiden wir im Westen nicht mehr alleine. Auch die Maßstäbe für Erfolg im Business formulieren wir nicht mehr selber. Diese Zeiten sind vorbei. Die asiatischen Boom-Länder und vor allem der Gigant China reden hier zunehmend ein gewichtiges Wort mit. Die Herausforderer stehen auf Augenhöhe.

Als Wettbewerbsstratege verfolge ich das Phänomen des chinesischen Aufschwungs schon lange Zeit. Vor etwa 30 Jahren unternahm ich meine erste Reise ins Reich der Mitte. Seit dieser Begegnung faszinieren mich das Land, seine Menschen, die Jahrhunderte alte Kultur mit ihren oft noch lebendigen Traditionen, seine Führungsfiguren in Politik und Wirtschaft und vor allem sein rasanter Wirtschaftsboom. Mittlerweile habe ich etwa ein Dutzend, zum Teil monatelange Erkundungen kreuz und quer durch Chinas Provinzen und seine Firmenwelt hinter mir, bei  |10|denen ich mit Führungskräften, Parteikadern, Unternehmern, Universitätsprofessoren aber auch mit einfachen Bauern und Arbeitern ins Gespräch gekommen bin. Beeindruckt hat mich immer wieder, wie Chancen rasch erkannt und engagiert angepackt werden. Risiken gehören zwar dazu, stehen aber nicht im Brennpunkt des Interesses. Chinesen setzen aufs Gewinnen und nicht auf das Verhindern des Verlierens. Sie sehen die Zukunftschancen, wir eher die Zukunftsrisiken.

In der Geschäftswelt hört man immer wieder, wie rasch sich unsere Wirtschaft, unsere Technologien und unser soziales Umfeld verändern. Doch wer China in seiner Dynamik verfolgt, weiß, dass dies im Vergleich zum chinesischen Boom nichts als »Slow Motion« ist. Immer wieder überrascht mich, wie viel Veränderung das Land und seine Menschen in kurzer Zeit durchstehen. Schon nach ein paar Jahren erkennt man Bekanntes kaum mehr. Lieb gewonnene Quartiere, Straßenzüge, Geschäfte oder Restaurants sind einfach verschwunden. Ganze Häuserfluchten, Industriezonen oder Stadtteile sind dafür neu entstanden. Immer breitere, großzügigere Boulevards durchziehen die Städte, und mehrspurige Autobahnen umkreisen die explodierenden urbanen Zentren. In keinem Land der Erde sieht man so viele Baukräne, die an der Gestaltung des Morgen arbeiten wie in China. Aber auch viel Geschichte und persönliche Schicksale bleiben bei dieser rasenden Fahrt in die »bessere Zukunft« auf der Strecke.

Nicht die Wolkenkratzer ziehen mich in ihren Bann, sondern der enorme Zukunftsoptimismus, der dem Einzelnen Kraft, Selbstvertrauen, Hoffnung und Motivation gibt, Überdurchschnittliches zu leisten. Dieser chinesische Zukunftswille entfesselt eine Dynamik, wie man sie nirgendwo auf der Welt erlebt. »Our Future will be bright« scheint das geheime Mantra für den Erfolg der 1,3 Milliarden Chinesen zu sein. Das Land strotzt vor Tatendrang, Selbstbewusstsein und Optimismus. Alle wollen vom Fortschritt profitieren und sich ein Stück vom wachsenden Kuchen sichern. Das Durchschnittseinkommen liegt zurzeit bei einem Pro-Kopfeinkommen von 1500 US-Dollar pro Jahr und wächst auf breiter Basis weiter. In den letzten Jahren hat sich der Wohlstand für praktisch alle Chinesen in Stadt und Land vervielfacht. Dass das Gros der Chinesen daher seine Zukunft rosig prognostiziert, erstaunt kaum.

|11|Unsere Wirtschaftsmedien befinden sich im »China-Hype«: Schlagzeilen wie »China-Preise sind unschlagbar«, »China überschwemmt unsere Märkte«, »China ist skrupellos kapitalistisch«, »China im Turbo-Kapitalismus«, »China raubt uns den Wohlstand«, »Chinas grenzenlose Chancen«, »Unternehmen exportieren Arbeitsplätze nach Fernost« begleiten das rasende Wirtschaftswunder. Ein Riesenreich ist in Bewegung. Bisher begegnete uns der China-Faktor eher undercover in Form von Labels »Made in China« auf T-Shirts, Turnschuhen oder Elektrogeräten. Doch nun ist der chinesische Drache als Herausforderer präsent.

Heute existieren schon viele Bücher, Fachartikel, Fernseh- und Zeitungsberichte über den rasanten Aufschwung im Reich der Mitte. Auch an Visionen und Prognosen zu seiner wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Entwicklung fehlt es nicht. Und zu Dutzenden findet man Investitionsempfehlungen für Interessierte. All diese Themen beschäftigen uns hier nur am Rande. Im Fokus stehen unsere Chancen, um in der neuen, wilden Business-Ära mit Erfolg mitzuspielen. Die folgenden Fragen werden beantwortet:

Wie konnte sich das rückständige China in so kurzer Zeit zu einem Herausforderer der globalen Wirtschaft entwickeln?

Was charakterisiert Gewinner-Unternehmen, die es schaffen, sich in der immer wilder werdenden Wettbewerbslandschaft zu behaupten?

Welches Arsenal an Gegen- und Vorsprungstrategien steht zur Verfügung, um Billiganbietern, Produktkopierern oder Qualitätsanbietern Paroli zu bieten?

Wie lassen sich unsere Märkte und Kundenbestände sichern?

Welche Strategien können westliche Unternehmen nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken?

Grundsatzdiskussionen und Rahmenbedingungen interessieren hier nicht. Dies sind Themen für Politiker, Regierungsvertreter und Nationalökonomen. Sie alle müssen darüber besorgt sein, dass die Standortfaktoren in Europa für den wilden globalen Wettbewerb fair und attraktiv gestaltet sind. Wenn wir gegen Produktkopierer, Qualitätsanbieter |12|und andere Hyper-Wettbewerber gewinnen wollen, nützen Schutzforderungen an den Staat wenig. Modernes Business findet in der global vernetzten Wirtschaft keine geschützten Zonen der Kuschelidylle mehr. Wir können uns nicht nur für die eine Seite der Medaille entscheiden. Wenn wir als Konsumenten immer günstigere Produkte und Dienstleistungen kaufen und immer eine noch größere Auswahl wollen, müssen wir auch mit den Folgen von in anderen Ländern produzierten Gütern leben. Dies hat produktionstechnische, logistische, umweltbezogene aber auch soziale Auswirkungen, die nicht immer positiv sind. Andere Menschen auf diesem Globus arbeiten länger, zu günstigeren Konditionen, und sie sind genügsamer. Derartige Konstellationen haben in einer offenen Welt direkte Folgeeffekte.

Wettbewerbsthemen fristen in vielen Managementetagen oft ein stiefmütterliches Dasein. Häufig werden zentrale Wettbewerbsfragen nur im Rahmen formeller Strategie-Meetings aufgeworfen. Das ist falsch! Jede wichtige Entscheidung im Unternehmen hat kompetitive Effekte. Der Vorsprung im Wettbewerb basiert nicht nur auf einer cleveren Idee, sondern setzt sich aus vielen kleinen Einzelanstrengungen für den Kunden zusammen. Die Verantwortung für wettbewerbsorientiertes Handeln trägt jede einzelne Führungskraft für ihren Bereich und nicht nur der Gesamtvorstand.

Optimismus und Zukunftsglaube sind die Grundlage jeden Erfolgs. Auch des unseren. Wer nicht an sein Unternehmen glaubt, hat den Wettbewerb um die Gunst des Kunden von vornherein verloren. Wir haben viele Chancen gegenüber der harten Konkurrenz, vor allem, wenn diese aus dem fernen Ausland kommt:

Wir kennen unsere Märkte, unsere Kunden und ihre Wünsche.

Die Kunden kennen unsere Unternehmen, Marken und Produkte.

Wir wissen, was Kunden von uns und unseren Produkten und Dienstleistungen erwarten.

Wir reagieren rascher und sensitiver auf Trends oder Veränderungen in unseren Märkten.

|13|Wir verfügen über ein etabliertes Businessnetzwerk (Banken, Absatzmittler und so weiter).

Die staatlichen Rahmenbedingungen sind stabil und klar. Da hat es unsere ausländische Konkurrenz schwerer.

Doch unsere Chancen liegen nicht im Sichern des Bestehenden allein. Der Wandel des Wettbewerbs eröffnet auch neue Horizonte. Mit cleveren, mutigen Ideen, unkonventionellen Lösungen und echten Innovationen lassen sich neue Märkte erschließen. Kreativität und Chancen-Management sind daher gefragt: Innovatives Administrieren, innovativesProduzieren, innovativesLagern, innovativesLiefern, innovatives Bedienen, innovatives Beraten, innovatives Führen, innovatives Betreuen, innovatives Trainieren, innovatives Investieren und innovatives Finanzieren sind Stichworte dazu.

Kurz: Im Lichte der neuen Gegebenheiten, Herausforderungen und Chancen müssen wir unser Business immer wieder »neu« erfinden. Die aggressive Konkurrenz aus Fernost kann nur durch innovative, werthaltige Angebote für den Kunden verdrängt werden. Hier haben wir der Konkurrenz einiges entgegenzusetzen. Dieses Buch liefert eine Fülle an Impulsen, Strategien und Ideen, um dem Sprung des Drachen zu begegnen und aus dem Vorhaben eine »Mission Possible« zu machen.

|15|Abgekupfert, plattgemacht und überrannt

»Wir sind die Neuen. Wir sind die Zukunft.«

Yang Yuan Qing, CEO, Legend Group

Kopierwut: Wer kopiert, gewinnt

Wer Beijing besucht, kommt an der bekannten Silk Alley nicht vorbei. Sie ist ein Magnet für alle westlichen Touristen. Neueste CDs, VCDs, Designer-Klamotten, Damentaschen und T-Shirts werden dort in großen Mengen und ausufernden Variationen angeboten. Man findet praktisch alles. Auch die begehrenswerten Edelmarken aus Europa oder den USA sind hier vertreten. Doch all die Gütermassen, die von einer Heerschar von aufdringlichen Händlern angeboten werden, sind Kopien. Echtes sucht man hier vergebens. Selbst Kenner bekunden Mühe, Kopie und Original zu unterscheiden. So kosten die Copy-Watches bekannter Schweizer Prestigeuhren einen lächerlichen Bruchteil dessen, was man in unseren Breiten allein schon für ein echtes Lederarmband bezahlen müsste. Nach hartnäckigem Feilschen bekommt man selbst »feinste Stücke« zu Spottpreisen nachgetragen. Ganze Karawanen von Touristen pilgern zu diesem Copy-Markt mit einem ähnlichen Interesse wie beim Besuch des kaiserlichen Palastes oder des Tempel des Himmlischen Friedens. Alle wollen sich mit den heiß begehrten Marken wie Polo, Samsonite, Burberry, Prada, Armani, Puma, Nike, Hugo Boss, Louis Vuitton, Omega, North Face oder Gucci eindecken, um den Daheimgebliebenen ihre Shopping-Trophäen zu präsentieren.

Die Kopierindustrie ist mittlerweile zu einem der weltweit größten Wirtschaftszweige herangewachsen. Die Branche boomt kräftig. Fälschungen haben Hochkonjunktur. Etwa zwei Drittel aller weltweiten Fälschungen gehen auf das Konto Chinas. Das Land im fernen Asien  |16|hält so den zweifelhaften Rekord als »Weltmarktführer der Kopierindustrie«. Die Produktpiraten verursachen nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHK)1 global einen Schaden von etwa 500 Milliarden Euro. Dies entspricht cirka zehn Prozent des gesamten Welthandels! Diese enorme Schadensumme setzt sich aus Umsatz-, Gewinn-, Kunden- und vor allem auch aus massiven Imageverlusten zusammen. Aber auch Arbeitsplätze werden durch die Produktpiraterie vernichtet – in Deutschland allein jährlich rund 70000, wie das deutsche Justizministerium errechnet hat. In ganz Europa schätzt man die Arbeitsplatzverluste auf über 300000 pro Jahr!2

Jährlich werden etwa doppelt so viele gefälschte wie echte Schweizer Uhren weltweit hergestellt. Der Verband der Schweizer Uhrenindustrie beziffert das Plagiatevolumen auf über 40 Millionen Stück. Der kalkulierte Schaden für die Uhrenfirmen wird auf eine halbe Milliarde Euro beziffert und die Schweizer Luxusmarken verlieren rund ein Viertel ihres Umsatzes an die Fälscherbanden. Die billigsten asiatischen Kopien kosten etwa drei Dollar das Stück und werden vor allem über Internet-Plattformen für das zehn- bis 20-fache in alle Welt verkauft. Mittlerweile sind auch hochwertige Uhren im Visier der Fälscher, die durchaus 500 Dollar in ihrer Produktion kosten können. Entsprechend teuer werden diese dann auch abgesetzt. 90 Prozent aller Uhrenfälschungen kommen aus China. Die Herstellung ist dort derart günstig, dass selbst Fälscherbanden in anderen Ländern nicht mithalten können und zur Geschäftsaufgabe gezwungen werden.

Doch nicht nur die Uhrenindustrie leidet unter den dreisten Machenschaften der Fälscher und Kopierer3:

Der Sportartikelhersteller Puma ließ 2005 rund 1,2 Millionen gefälschte Markenprodukte aus dem Verkehr ziehen.

Der Fälscherumsatz von Hugo Boss in China ist höher als der reguläre Umsatz. Nicht nur einzelne Produkte werden kopiert, sondern gleich ganze Flagship-Stores.

Hilti, der liechtensteinische System-Werkzeughersteller, stieß bei einer Ausstellung auf seinen eigenen Messestand: »Cilti«. Die Produktpalette |17|und die Gestaltung des Präsentationsstandes wurden kopiert.

Schindler, der international tätige Schweizer Aufzug- und Rolltreppenhersteller, kämpft gegen design- und baugleiche Rolltreppen mit fremder Beschriftung.

Auch die Softwarebranche leidet. Fast 100 Prozent der in China installierten Betriebssysteme und Applikationen wurden illegal kopiert.

Von den in China angebotenen DVDs und CDs sind mehr als 90 Prozent kopierte Fälschungen, die internationales Copyright verletzen.

Jährlich werden etwa 15 Millionen Handys illegal in China verkauft. Damit ist jedes dritte Handy eine Fälschung. Und das Geschäft blüht: Der Umsatz mit den falschen Handys, mit illegalen Importen oder als Neuware wiederverpackten gebrauchten Geräten überschreitet mittlerweile die 5-Milliarden-Euro-Grenze.

Die Leistungsfähigkeit der chinesischen Kopierindustrie ist beeindruckend und beängstigend. Der neue Harry-Potter-Band war bereits zwei Wochen nach der Londoner Premiere übersetzt und verkaufsbereit auf dem chinesischen Markt. Der Verlag plante seine offizielle Markteinführung der »Chinese Edition« erst drei Monate später.

Die EU-Zollstatistik 2005 zeigt, dass etwa 214 Millionen gefälschte Artikel an den Grenzen der Europäischen Union beschlagnahmt wurden. Dies ist eine Verdreifachung des Volumens seit 2002. Besonders Textilien, Luxusuhren, Spielwaren und Computerspiele stehen ganz oben auf der Hitliste der Kopierer. Zunehmend werden aber auch heiklere Produkte schamlos gefälscht: So sind auch etwa zehn Prozent der Medikamente in einem Wert von rund 20 Milliarden US-Dollar Plagiate, was unliebsame Überraschungen für den Patienten mit sich bringen kann. Von den im Internet angebotenen Medikamenten sind etwa 50 Prozent Fälschungen.4 Derartige Medikamente tauchen in verschiedensten Formen auf: als identische Kopien, Plazebos, Verpackungsfälschungen mit unbekannten Wirkstoffen, als Ausschuss aus fehlerhafter  |18|Produktion oder fälschlicherweise als neu ausgezeichnete Produkte zum Beispiel bei Rückgaben.

Die Unverschämtheit und Unverfrorenheit kennt keine Grenzen: »Brand-Jacking« heißt der neue Trend, der nicht beim Produkt haltmacht. Hier kopieren Fälscher statt einzelner Produkte direkt das ganze Unternehmen! So lassen sich in fremden Märkten ganze Marken kapern. Der japanische Technologiekonzern NEC bekam Hinweise, dass in Hongkong und in Beijing gefälschte Keyboards, CD und DVD-Player sowie andere Produkte aufgetaucht seien. Dies war an sich nichts Außergewöhnliches. Doch als man den Hauptsitz in Tokio mit Garantieansprüchen von MP3-Playern konfrontierte, wurde das Unternehmen hellhörig, denn es produzierte gar keine MP3-Player. NEC verpflichtete spezialisierte Markendetektive, die der Angelegenheit nachgingen. Nach längeren Nachforschungen kam Folgendes zu Tage: Die chinesischen Fälscher hatten gleich die ganze Marke gekapert. Die dreisten Kopierpiraten vergaben selber NEC-Markenlizenzen, verteilten NEC-Visitenkarten, stellten NEC-Firmenschilder auf und betrieben sogar ein eigenes NEC-Forschungslabor. Bei Razzien in chinesischen Lagerhäusern und Fabriken konnten gefälschte NEC-Produkte beschlagnahmt werden. Die getäuschten Lizenznehmer wurden von den Gaunern sogar gezwungen, Lizenzgebühren für die NEC-Markenkopie zu zahlen. Sie erhielten so das »Recht«, das NEC-Logo auf ihren Produkten anzubringen und Garantie- und Service-Verträge anzubieten. Von der Begleitdokumentation bis hin zu den Verpackungen und Werbeprospekten wurde alles perfekt kopiert. Die Piraten schreckten auch nicht davor zurück, Produkte, die ihnen im NEC-Sortiment fehlten, kurzerhand selbst zu entwickeln. Diese Brand-Jackers betrieben ihr Business international. Falschwaren wurden nicht nur in China, sondern auch in Taiwan, Hongkong, Südostasien, Nordafrika, im Mittleren Osten bis hin nach Europa entdeckt. Doch was die NEC-Manager am meisten beeindruckte, war die Tatsache, dass die gefälschten »Eigenentwicklungen« von erstaunlicher Qualität waren!5

Die chinesische Kopierwut durchzieht mittlerweile praktisch alle Industriezweige: Bauteile von Maschinen, Autos und Lastwagen, Möbeldesigns, Lebensmittel, Kompressoren, Pumpen, Schmiermittel, Düngemittel|19|, Software im Spiele- und Businessbereich, Unkrautvertilgungsmittel, Flugzeugersatzteile, Medikamente, Kunstwerke. Betroffen sind aber auch schwer schützbare Prozesse, wie zum Beispiel Produktionsprozesse, Projektkonzepte oder Geschäftspläne. Sogar der deutsche Verfassungsschutz warnt die Industrie vor der elektronischen Spionage chinesischer Wirtschaftshacker. Nach verschiedenen Schätzungen zufolge entstehen den deutschen Firmen durch den Wissensklau Schäden in Milliardenhöhe. Hiervon sind nicht nur große internationale Unternehmen betroffen; im Visier stehen vor allem auch innovative mittelständische Firmen.6 Die Abbildung 1 zeigt die Quellen der Kopierer.

Messen

Wareneinkäufe

Messen, Symposien, Ausstellungen, Kongresse

Muster, Originale als Kopiervorlagen

Shootings

Web-Research

Fotos und Videoaufnahmen von Nutzern, Präsentationen

Internet-Surfing für Ideen und für den Vertrieb

Joint Ventures

Werbematerial

Technologie- und Know-how-Transferin Verbund mit Vermarktungsrechten

Prospekte, Dossiers, Skizzen, Pläne, Inserate, Previews, Fachmedien

Abbildung 1: Quellen für Kopierer

|20|Trittbrettfahren um zu lernen

Kopieren hat in China Tradition. Wer rasch Fortschritte erzielen will, sucht sich Vorbilder als Benchmark. Aufwändige, zeitraubende und teure Entwicklungsfehler muss man ja nicht auch noch selber durchlaufen. Derartige Lernphasen kann man getrost überspringen. Kopieren ist äußerst effizient, zeitsparend und fortschrittsfördernd. Dadurch werden Mehrfachsprünge in eine prosperierende Businesszukunft eröffnet:

Durch die Nutzung aktueller Herstellungstechnologien katapultiert man sich in eine neue Entwicklungs- und Produktionsära hinein. Kaufen beispielsweise chinesische Unternehmen Produktionstechnologien, so wollen sie keine alten Maschinen günstig erstehen, wie dies früher oft der Fall war. Sie fordern neueste Technik. Für die meisten Unternehmen bedeutet dies einen Technologiesprung und ein Gleichziehen mit dem westlichen Fortschritt.

Akribisches Nachahmen spart zudem aufwändige, teure und riskante Entwicklungszeit. Durch diesen Zeitsprung holt der Herausforderer schnell auf und setzt dann zum Überholen an.

Kopieren, so wie in China betrieben, beinhaltet zudem einen Knowhow-Sprung. Kopieren heißt hier nicht einfach dasselbe tun, sondern bedeutet praktisches Lernen: Wie man Produkte gestaltet, konzipiert, entwickelt, produziert, vermarktet und wie die Business-Spielregeln heute funktionieren.

Viele chinesische Unternehmen sind ohne das Kopieren westlicher Produkte nicht lebensfähig. Die Kopierstrategie ist ein nicht zu unterschätzender Pfeiler des chinesischen Entwicklungsmodells. Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen, aber auch Firmen ohne Auslandserfahrung können sich die Bedürfnisse und Wünsche westlicher Kunden kaum vorstellen. Kopieren ist in diesem Fall eine willkommene Lösung. Marktforschung, Produktentwicklung und Industrial Design sind weitgehend unbekannt. Was liegt da näher, als die erfolgreichen Firmen aus dem fortschrittlicheren Westen, aus Japan oder Südkorea zum Vorbild zu nehmen?

|21|Produktentwicklung bedeutet daher für viele chinesische Unternehmen detailgetreues Nachahmen von Produkt, Produktionsprozess, Marke, Marketing und so weiter. Ohne dieses Trittbrettfahren wären Millionen von Chinesen ohne Job und ohne Einnahmequelle. Doch diese Praktiken gefährden Arbeitsplätze in unseren westlichen Industrieländern, wie Abbildung 2 zeigt.

Abbildung 2: Schäden durch Kopierer

|22|Joint Ventures als Entwicklungsimpuls

Die chinesische Regierung ist sehr an diesen Fortschrittssprüngen interessiert, da sie das Land in eine Zukunft mit höherer Prosperität treiben. Die Regierung »sanktioniert« diese unfairen Praktiken, bekämpft sie unzulänglich, halbherzig oder gibt entschuldigende Lippenbekenntnisse ab. Die Produktpiraterie wird daher auch gerne als ein Nebeneffekt der rasanten Entwicklung von einem rückständigen Entwicklungsland zu einer modernen Industrienation interpretiert. Als ein weiteres Ausweichargument werden die Größe des Landes und die »Ohnmacht des fernen Beijing« genannt.

Auch der Staat unterstützt den Know-how-Transfer. Wer heute in China das große Geschäft sucht, muss mehr bieten als nur ein hervorragendes Produkt. Der deutsche Transrapid ist nur eines von vielen Beispielen für das dreiste Vorgehen chinesischer Unternehmen bei Joint Ventures.7 China lässt sich die 35 Kilometer vom Shanghaier Flughafen bis zum Rand der Stadt stolze 1,2 Milliarden Euro kosten, um mit über 400 Stundenkilometern über die Reisfelder zu preschen. Auf der Suche nach dem richtigen Partner wurden die führenden westlichen Konsortien gegeneinander ausgespielt. Wer am meisten bot, bekam den Zuschlag. China steigerte die Attraktivität des Auftrags für die ausländische Industrie zusätzlich durch Folgeprojekte, zum Beispiel mit der Achse Peking-Shanghai, Shanghai-Hangzhou oder Shanghai-Nanjing. Bedingung war aber, dass schon für die Verlängerungsstrecke von Shanghai nach Hangzhou etwa drei Viertel des Umfangs aus eigener chinesischer Fertigung stammen mussten.

Der Technologie- und Know-how-Transfer wird nach außen und nach innen erzwungen. Der ausländische Projektpartner muss bereit sein, den chinesischen Partnerfirmen zu zeigen, wie einzelne Komponenten hergestellt werden. Sukzessive wandern so die Produktions- und die Projektkompetenz nach China. Selbstverständlich müssen chinesische Arbeitskräfte engagiert werden, wodurch de facto auch Arbeitsplätze exportiert beziehungsweise vor Ort ausgebildet werden. So trainiert der westliche Projektpartner – in einer etwas längerfristigen Perspektive betrachtet – seine eigenen Konkurrenten. Das Transrapid-Projekt kam nur zustande, |23|weil sich die deutschen Unternehmen großzügig bereit erklärten, technologisches Wissen (Vorgehen, Pläne, Methoden) in die Partnerschaft miteinzubringen. Im Laufe der Projektrealisierung erschienen dann mehrfach Medienberichte, die auf weiteren Wissensdiebstahl hinwiesen.

Nun, kaum zwei Jahre nachdem das deutsche Konsortium um Thyssen-Krupp und Siemens in Shanghai die Magnetschwebebahn Transrapid unter großem Medienaufgebot eingeweiht hatte, verkünden die Chinesen, dass sie erste Tests mit ihren (fünf!) »Eigenentwicklungen« durchführen. In den lokalen Medien rühmen die chinesischen Entwickler ihre »selbstentwickelten« Hochleistungsbahnen, die deutlich schneller als der von den Deutschen gelieferte Transrapid seien. Wer die »fetten« Folgeaufträge für Schnellbahnen vom chinesischen Staatsrat erhält, ist noch offen. Doch die chinesischen Fortschritte wachsen Tag für Tag!

Große Erwartungen auf Big Business hegen auch die beiden Flugzeugbauer Boeing und Airbus in China.8 Mit rund 120 Millionen Fluggästen pro Jahr ist China seit 2004 der drittgrößte Luftfahrtmarkt der Welt. Laut einer Airbus-Schätzung benötigt das Land in den kommenden 20 Jahren circa 1800 Flugzeuge. Beide Fluzeughersteller möchten sich natürlich ein möglichst großes Stück dieses enormen Kuchens sichern. Doch China pocht darauf, dass die Fertigung in China selbst zu erfolgen hat. Airbus hat eingewilligt, Flugzeuge in China herzustellen. Boeing dagegen hat dies aufgrund der hohen Pirateriegefahr abgelehnt. Schon im aktuellen Fünfjahresplan Chinas ist der Bau einer landeseigenen, mit 200 Passagiersitzen ausgestatteten Maschine vorgesehen, wie die für die Luft- und Raumfahrtindustrie zuständige COSTIND (Commission of Science, Technology and Industry for Defence) mitteilte.

Joint Ventures könnten sich so rasch zum Eigentor entwickeln. Auch die ausländischen Automobilkonzerne haben sich mit ihren großen Engagements in China einem hohen Kopierrisiko ausgesetzt. VW, DaimlerChrysler, GM, Ford und BMW reizen die gigantischen Wachstumsraten und Marktpotenziale, fördern im gleichen Schritt aber immer auch ihre eigenen Konkurrenten in ihrer Markt- und Wettbewerbskompetenz. Seit 20 Jahren arbeitet die SAIC, die Shanghai Auto Industry Corporation, mit dem Wolfsburger VW-Konzern zusammen. Sie gab kürzlich bekannt, dass sie ab 2007 eigene Modelle vermarkten will.

|24|Copyright-Schutz in der Grauzone

Die Aufmerksamkeit Pekings gegenüber dem Thema Plagiate hat sich in der letzten Zeit erhöht. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens steigt der externe Druck der westlichen Nationen nachhaltig und zweitens wächst der interne Druck durch nationale Main-Players ebenfalls.9 Führende chinesische Unternehmen fordern mittlerweile selbst einen Copyright-Schutz, da sie wiederum von kleineren einheimischen (noch günstigeren) Anbietern kopiert werden.

Auch die chinesische Gesetzgebung für die Sicherung von Urheberrechten hat sich seit dem Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation WTO maßgeblich verbessert. Doch die Umsetzung der Verordnungen entspricht nicht internationalen Standards. Die vorhandenen Gesetze schützen weder vor Markendiebstahl noch vor dreistem Abkupfern genügend. Urheberrechte dürfen zu »Lernzwecken« von Unternehmen oder Behörden (beziehungsweise staatlichen Unternehmen) durchaus legal genutzt werden. Zudem lohnt sich oft der Rechtsweg nicht, da das Prozedere langwierig und das Strafmaß für Produktpiraten gering sind. Aufwand, Risiken und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. Es kann passieren, dass bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung gefordert wird, Pläne, Zeichnungen, Bauteile und dergleichen als Beweisstücke beizubringen. Da alle Parteien Einsicht in das Verfahren haben, verschärft dies den ungewollten Know-how-Transfer meist nur noch weiter.

Trotz dieser positiven Entwicklungen ist der Weg zu einem »Fair Play« im Umgang mit geistigem Eigentum nach unserem Rechtsverständnis aber noch lang.

Überall: »Made in China«

»Made in China« – Kein Tag vergeht, ohne dass wir nicht irgendetwas in China Hergestelltes kaufen oder nutzen. Selbst der Bauer auf der Schweizer Alm im Appenzeller Land kehrt seinen Kuhstall mit einem |25|handgeflochtenen Strohbesen aus Fernost. Tankstellen-Shops sind zu Showrooms für chinesisches Automobilzubehör geworden. Friseure trimmen die Haare ihrer Kunden mit rostfreien Haarscheren aus dem Reich der Mitte. Möbel, Fliessen, Hemden, Geschirr, Bestecke, Keramikteile, Türklinken, Lampen, Radiogeräte, Taschenrechner, Rucksäcke, Daunenkissen, Teppiche, Bildschirme, aber auch Ersatzteile für Rasenmäher, Motorräder oder Autos – die Liste chinesischer Produkte auf dem deutschen Markt ist lang. Chinas Fertigungskapazität wächst und wächst. Das Land hat sich rasant zur globalen Werkshalle entwickelt.10 Chinesische Massenwaren überschwemmen den ganzen Globus und niemand bleibt davon verschont, seien es die USA, Europa, Südamerika, Südostasien oder Afrika. Kein Land der Welt produziert mehr T-Shirts, Jeans, Jacken und Schuhe. Nirgends entstehen heute mehr Fernseher, DVD-Geräte oder Mobilfunktelefone als in China. Rund 50 Prozent aller Digitalkameras, 30 Prozent aller TV-Geräte, 35 Prozent aller Klimaanlagen, 25 Prozent aller Waschmaschinen und 20 Prozent aller Kühlschränke spuckt das Land aus seinen Fabriken in die Welt.

Wal-Marts durchschlagender Erfolg in den USA basiert zum großen Teil auf dem China-Sourcing.11 Bis zu 90 Prozent der Produkte der Warenhauskette kommen aus dem Ausland. Die weitaus meisten davon aus China. 2003 kaufte Wal-Mart für 15 Milliarden US-Dollar Güter von chinesischen Lieferanten, was etwa dem Bruttosozialprodukt von Bahrain, Armenien oder Zypern entspricht. 80 Prozent der rund 6000 Lieferanten von Wal-Mart haben ihren Geschäftssitz im Reich der Mitte. Wal-Mart beschäftigt 600 Einkäufer direkt in China, welche die Einkaufsverhandlungen führen.

Kein Wunder, dass nun auch die Anlage-Analysten führender Banken und Investmenthäuser die asiatischen Boom-Märkte propagieren. Professionelle Finanzberater empfehlen dem betuchten Anleger heute, seine finanziellen Mittel in die Wachstumsregion Asiens zu investieren.12 Einige sind der Ansicht, dass man sich von den amerikanischen Investments verabschieden und die Mittel in Richtung Osten transferieren sollte. »Investieren Sie dort, wo das Business brummt«, heißt es aus Finanzkreisen. Auch die Direktinvestitionen boomen in China wie in |26|keinem anderen Land der Erde. So fließen allein in die Metropole Shanghai mehr ausländische Mittel als insgesamt nach Mexiko oder Indonesien.

Wert wird aus dem Kombinieren der Produktionsfaktoren Boden, Kapital, Arbeit und Know-how geschaffen. Bis auf den Faktor Boden lassen sich alle anderen in relativ kurzer Zeit rasch dorthin transferieren, wo attraktive Margen winken. Mit Leichtigkeit überwinden sie Grenzen und überbrücken große Distanzen. Vor allem die Faktoren Know-how und Kapital sind non-stop auf der Suche nach neuen, attraktiven und lukrativen Business-Chancen. Francis Cairncross13, Rektorin der Oxford University, spricht in diesem Zusammenhang vom »Verlust der Distanz«. Entfernungen verlieren in unserer globalisierten Wirtschaftswelt mit ihren leistungsfähigen Kommunikations- und Logistikmitteln ihre Bedeutung. Der Distanzfaktor wird für Businessüberlegungen immer irrelevanter und vernachlässigbarer.

Killer: Der »China-Preis«

Frau Hong Dongying aus der Provinz Zhejiang stieg schon Ende der 70er Jahre mutig ins Geschäftsleben ein und hängte ihren Lehrerjob an den Nagel. Sie folgte den Aufrufen des damaligen Premiers Deng Xiao Ping zu mehr Eigenengagement und Marktwirtschaft. In ihrer kleinen Wohnung strickte sie mit großem Elan Socken auf einer Haushaltsstrickmaschine. Diese verkaufte sie dann direkt am Straßenrand vor der Wohnung. So kam ihr Geschäft ins Rollen. Ihre Firma taufte sie dann »Zhejiang Stocking Company«. Der Erfolg zog Nachahmer an, und Frau Hong wurde en masse kopiert. Heute ist die Provinz Zhejing das Socken-Mekka Chinas. Über 8000 Firmen produzieren rund acht Milliarden Socken in allen Variationen, Farben und Formen.14 Alleine die Provinz Zhejing deckt ein Drittel des Weltbedarfs an Socken. Heute vergibt Frau Hong einen Großteil ihrer Aufträge an Subunternehmer, die noch kostengünstiger produzieren als sie selbst. Zudem verkauft sie anderen Herstellern Garne und Nylonfäden. Das Beispiel zeigt, wie |27|sich Unternehmen dem rasanten Wandel in China anpassen und immer noch günstigere Optionen erschließen.

Werfen wir einen Blick auf den amerikanischen Sockenmarkt15: Im Jahr 2001 exportierte China in die Vereinigten Staaten etwa 12 Millionen Paar Socken, 2004 waren dies schon stolze 504 Millionen Paar! 2001 lag der Marktanteil chinesischer Socken in den USA bei rund einem Prozent, bis 2007 werden sie drei Viertel des Gesamtmarktes erobert haben. Chinesische Socken kosten im Durchschnitt nicht einmal die Hälfte der amerikanischen. Dies bedeutet den Untergang für viele amerikanische Firmen: Etwa ein Drittel der Produktionsbetriebe schloss in den letzten Jahren die Tore, wodurch über 200000 Arbeitskräfte ihre Jobs aufgeben mussten. Ganz analog sieht die Entwicklung in der Möbelindustrie aus: Von 2000 bis 2003 explodierte der Import von in China hergestellten Holzmöbeln von 360 Millionen auf 1200 Millionen US-Dollar. Im gleichen Zeitraum wurden 35000 Mitarbeiter in der Branche freigesetzt. Jede dritte Stelle fiel weg. Schon heute wird über die Hälfte aller amerikanischen Holzmöbel in China produziert, und noch ist kein Ende der Abwärtsspirale abzusehen.

Vergleicht man die Stundensätze für manuelle Arbeitsleistungen international, so offenbart sich der Hyperwettbewerb mit China in aller Klarheit. In China kostet eine Arbeitsstunde etwa 70 Euro-Cents. Im Vergleich dazu bezahlen Unternehmen in den USA etwa 16 Euro, in Deutschland etwa 22 Euro. Ein Mithalten ist aus ökonomischer Sicht kaum möglich.

Sinkende Preise gefährden die Existenzschwelle westlicher Unternehmen. Die Preise in den Branchen, in die sich China als Anbieter hineindrängt, sind global im Sinkflug. Lederschuhe, Sneakers, Strümpfe, T-Shirts, Jeans aber auch Güter im Bereich der Haushaltselektronik oder der Möbelindustrie verbilligten sich in den letzten Jahren erheblich.

Grundsätzlich stehen betroffenen Unternehmen nur zwei Handlungsalternativen offen: aufgeben oder sein Geschäft neu definieren. Selbst technologisch hochwertige Güter wie PCs wurden zwischen 1998 und 2004 für den Verbraucher um mehr als 25 Prozent (bei gleicher Leistung) günstiger, die Preise für Fernsehgeräte sanken um zwölf Prozent, Fotokameras und Spielwaren verbilligten sich um acht Prozent. |28|Doch der China-Boom hat nicht nur Konsequenzen für unsere westlichen Industrien. Auch für andere Entwicklungsregionen ist China zu einer gefährlichen Konkurrenz geworden. Die Konditionen, zu denen China produziert, ersticken oft erste Industrialisierungsprojekte der Entwicklungsländer im Keim. So war Mexiko einer der Favoriten der US-Industrie für Auslandsinvestments und etablierte eine Zulieferindustrie ganz in der Nähe der USA. Bei einem durchschnittlichen Stundenlohn von 2,5 US-Dollar bietet das Land neben seiner geografisch idealen Lage auch günstige Faktorkosten. Doch dieselbe Arbeitsleistung kostet in China nur ein Drittel. Dies ist so niedrig, dass die Logistikkosten, die durch die größere Distanz entstehen, vernachlässigt werden können. Sind die Mexikaner dreimal so effizient wie die Chinesen? – Wohl kaum. Mexikos Industrie spürt diese Kostennachteile nachhaltig, indem einige Wirtschaftszweige rasant schrumpfen: Die Schuhfabrikation, die Gummi- und Plastikwaren-Herstellung, die Produktion von Reifen und Automobilzulieferteilen sowie die Textilindustrie befinden sich im Rückgang.

Der China-Preis ist so für manchen Geschäftsmann im wahrsten Sinn des Wortes zum roten Tuch geworden. Oft sind die chinesischen Angebote derart günstig, dass sich bei uns im Westen nicht einmal die Herstellungskosten decken lassen. Wie kann man da mitziehen? Wer den China-Effekt überstehen will, muss selber radikal und ohne Sentimentalität kalkulieren, um sein Geschäft zu sichern. So fordern nun auch die amerikanischen Automobilhersteller von ihren nationalen Zulieferern Offerten, die zu »China-Konditionen« zu rechnen sind. So führte General Motors bei seinen Einkaufsvereinbarungen eine feste »China-Preisklausel« ein. Diese gewährt jedem Zulieferer eine Zeitspanne von 30 Tagen, um sich auf den jeweils günstigsten Preis der Konkurrenz einzustellen. Kann der Zulieferer nicht mithalten, stehen bisherige Vereinbarungen zur Disposition. Gerade für General Motors, das selbst um seine Zukunft bangt, ist ein kompetitiver Einkauf eine Grundvoraussetzung. Bei einem weltweiten Einkaufsvolumen von 80 Milliarden US-Dollar lassen sich so enorme Einsparungen realisieren.

Was sind die Konsequenzen aus diesem Verhalten in einer längerfristigen Perspektive? Auch die Zulieferer werden gezwungen, Kostensenkungen|29|, Effizienzprogramme, Entlassungen und Produktivitätssteigerung durchzuführen. Um mithalten zu können, sehen sich viele von ihnen gezwungen, ihre Werke in Billiglohnländer (vor allem nach China) zu verlagern, wodurch auch Arbeitsplätze exportieret werden.

Doch es ist nicht nur der China-Preis, der westliche Firmen immer mehr unter Druck setzt. Auch in anderer Hinsicht verschärfen sich die Turbulenzen im globalen Wettbewerb nachhaltig. Durch das rasant wachsende chinesische Produktionsvolumen werden wichtige Rohstoffe knapper. So explodierte in den letzten Jahren der Preis für Kupfer um rund 40 Prozent, der Preis für Zink um 25 Prozent, Rohöl verteuerte sich um 33 Prozent. China kauft schon heute für seine boomende Wirtschaftsmaschinerie knapp zehn Prozent der weltweiten Erdölförderung, ein Viertel des Aluminiums, einen Drittel des Stahls, einen Drittel der Kohle und knapp die Hälfte des weltweiten Zements auf. Dieser Nachfragedruck auf den Beschaffungsmärkten treibt die Preise. Westliche Unternehmen geraten so in eine Zwickmühle: Auf der Absatzseite müssen sie ihre Produkte günstiger verkaufen, auf der Beschaffungsseite zahlen sie immer mehr für Rohstoffe.

Vollgas: Auf der Überholspur

China ist unbestritten die dynamischste Wirtschaftsmacht der Welt und dies nicht erst seit heute. Im gesamten letzten Jahrzehnt belegte die chinesische Wirtschaft in Statistiken Spitzenpositionen. Kein Land hat sich je so radikal und so lange als Wachstumsführer positioniert. So hat sich die chinesische Wirtschaft in den letzten 30 Jahren etwa alle drei Jahre verdoppelt! Zukunftsprognosen zufolge setzt sich dieser Trend fort.16 China wird die Wirtschaftskraft der USA im Jahr 2020 überrunden. Vielleicht sogar schon früher. Auch Deutschland wird den Titel »Exportweltmeister 2008« an China abgeben müssen. Das offizielle chinesische Bruttosozialprodukt 2005 betrug 8,9 Billionen US-Dollar und liegt damit auf Platz drei der Weltrangliste nach den USA (circa zwölf Billionen US-Dollar) und der konsolidierten Europäischen Union (circa |30|11,5 Billionen US-Dollar). Wie bei vielen Statistiken sind diese Zahlen mit Vorsicht zu interpretieren. Experten stufen die effektive ökonomische Performance Chinas um einiges höher ein. So versucht das Land immer noch, internationale Entwicklungsfonds anzuzapfen, um zu günstigen finanziellen Mitteln zu kommen. Dabei sind hohe Wachstumsraten und eine prosperierende Wirtschaft natürlich eher hinderlich. Zudem erfassen die Statistiken nur die offiziell gelieferten Daten und blenden die boomende Schattenwirtschaft aus.

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|214|Register

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