Der Tanten Liebling - Axel Fischer - E-Book

Der Tanten Liebling E-Book

Axel Fischer

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Beschreibung

Der Lastkraftfahrer Horst Kaminke, der sich gerade mit seinem 40-Tonner auf der Autobahn kurz vor Köln befand, um seine Erzladung abzukippen, ahnte nicht, was in wenigen Minuten für immer sein Leben verändern würde. Als die Leiterin der Kölner Mordkommission Karin Weber und ihre Kollegin und Lebensgefährtin Asli Bülent am Tatort erscheinen, vermuten sie noch nicht, dass dies erst der Anfang ist. Ein völlig außer Kontrolle geratener Serientäter lebt sich in seinen Morden aus. Hauptkommissarin Weber kann dem Täter - oder ist es doch eine Täterin - nichts nachweisen, bis sie von der Gerichtsmedizinerin Dr. Biggi Wax den entscheidenden Hinweis erhält. Doch da ist es um ein Haar zu spät.

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Zwei Menschen möchte ich besonders für ihre Arbeit danken, ohne deren Mithilfe der Roman nicht hätte erscheinen können.

Vielen Dank an meine Frau Heike Fischer, die mich wie gewohnt mit tollen Fotos vor die schwere Wahl gestellt hat, mir aus einer großen Anzahl an Aufnahmen ein Coverfoto für den Einband auszusuchen. Aber nicht nur ihre Beratung bezüglich eines Fotos hat dieses Buch auch optisch zu einem Highlight werden lassen. Auch ihr sehr gewissenhaftes Lektorat steigert die Qualität des Romans erheblich.

Danke auch, liebe Heike, für die vielen Stunden, die du alleine verbringen musstest, während ich am Laptop saß und eifrig schrieb.

Weiterhin danke ich Ulli Grünewald und ihrer Firma COGITO (www.die-kreative-denkwerkstatt.de) für das Lektorat und das sorgfältige Korrekturlesen.

Wer jetzt noch einen Fehler im Text findet, darf ihn behalten.

Nun wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern viel Spaß und spannende Stunden beim Lesen des Romans:

Der Tanten Liebling

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 1

„Der Reißverschluss von diesem blöden Kleid zwickt mich im Rücken.“ „Ich sag doch, dass du zugenommen hast, Asli. Ich verwöhne dich zu sehr.“ „Hast du damit gerade andeuten wollen, dass ich dicker geworden bin, Karin?“ „Bei der Anprobe vor vier Wochen hat er jedenfalls noch nicht gezwickt, dein Reißverschluss.“ „Noch so eine Bemerkung und ich gehe nach Hause und heirate dich nicht.“ „Ohhh, Asli, kannst du keinen Spaß mehr vertragen, mein kleines Pummelchen?“ Weil Asli Bülent, Kriminalhauptkommissarin der Kölner Mordkommission, wegen des ziemlich eng sitzenden, tiefroten Hochzeitskleides ihr Bein nicht hoch genug heben konnte, trat sie ihre Chefin und angehende Ehepartnerin, Hauptkommissarin Karin Weber, Leiterin der Kölner Mordkommission, nicht in ihren Popo. Sie pitschte sie einfach in ihre linke Gesäßhälfte hinein, was auch für die Galerie besser aussah, da sich unter den Hochzeitsgästen unter anderem der Polizeipräsident von Köln befand. „Au, was machst du da, Asli?!“ „Von wegen dicker geworden! Deine Speckschicht ist so angewachsen, dass ich beinahe nicht mal mehr in deinen Po kneifen konnte.“ Karin nahm Asli lachend in den Arm. „Ich liebe dich, Asli.“ „Ich dich auch, Karin.“ Es folgte ein liebevoller Kuss. „Ich störe die Damen ja ungern und erfreue mich sehr an Ihrer Liebe, aber ich habe Sie ja noch gar nicht getraut. Sie haben sozusagen mit der Zugabe angefangen.“ Der Standesbeamte, der als sehr humorvoll bekannt war, begann mit der offiziellen Trauung von Karin und Asli. Feierlich, aber ganz sicher nicht übertrieben schwülstig in seiner Wortwahl, traute er Asli und Karin und stellte zu guter Letzt die alles entscheidende Frage nach dem „Ja“, die beide mit einem fröhlichen, wenn auch etwas verhalten in der Lautstärke klingenden „Ja“ beantworteten. Es folgte noch die Prozedur des Ringe Aufsteckens, die die beiden Frauen recht flott bewerkstelligt bekamen. Nachdem Asli und Karin nun noch ihre Unterschriften geleistet hatten, erhob der Standesbeamte erneut das Wort. „Jetzt dürfen sich die Eheleute küssen.“ Dies ließen sich die beiden Kommissarinnen nicht zweimal sagen. Ein liebevoller Kuss beendete die offizielle Trauung.

Die beiden Nachbarinnen von Asli und Karin schenkten bei strahlendem Sonnenschein Sekt vor dem Rathaus aus. Karin und Asli standen auf der ausladenden Treppe und prosteten ihren Gästen zu. Asli in ihrem roten Kleid mit dem weit ausladenden U-Boot Ausschnitt und den dazu passenden roten, atemberaubend hohen Sandaletten, sah wunderschön aus. Nur wer die hübsche, zierliche Deutschtürkin besser kannte und ob ihrer Vergangenheit Bescheid wusste, erkannte direkt über ihrer linken Brust die kreisrunde Narbe, die ihr das 9mm Geschoss beigebracht hatte. Um ein Haar wäre diese Sylvesternacht Aslis letzte geworden. Aber wie es schien, hatten beide Frauen die furchtbaren Erinnerungen gut verarbeitet und freuten sich jetzt auf ihr neues, gemeinsames Leben als Ehepaar. Nach dem ersten Vorglühen mit Sekt vor dem Rathaus fuhren Asli Bülent und Karin Weber mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft im Schlepptau nach Köln Pesch, um dort ihre Gäste ausgiebig zu bewirten und ausschweifend zu feiern. Laut hupend bewegte sich der Fahrzeugkorso hinter dem Führungsfahrzeug mit dem Brautpaar in Richtung Kölner Norden her. Dort wartete bereits Jean, der Ehepartner von Aslis und Karins Friseur Marc, der einen stadtbekannten Cateringservice betrieb, mit einem köstlichen kalt-warmen Buffet. Für flotte Musik sorgte die Band von Theo Zerfakis, dem jüngsten Kollegen des Brautpaares, der sich erst wenige Tage zuvor mit der jungen Gerichtsmedizinerin Dr. Biggi Wax verlobt hatte. Auch Ernst Brandt, der Leiter der Kölner Gerichtsmedizin, war gerne anwesend, als seine langjährige Polizei-Kollegin Karin Weber Asli Bülent ihr Ja-Wort gab. Zu der Zeit, als Karin noch heterogene Beziehungen pflegte, hatte Ernst Brandt auch einmal ein Auge auf Karin geworfen. Vielleicht kannten sich die beiden auch einfach schon zu lange, als das sich daraus eine Beziehung hätte entwickeln können. Sie waren allerdings nach wie vor ganz enge und liebe Freunde geblieben und Ernst ließ es sich nicht nehmen, immer wieder gerne zum Essen bei Asli und Karin einzukehren. Zu vorgerückter Stunde tanzten beinahe alle Gäste wild auf der zur Tanzfläche umgebauten Terrasse, und weil auch die ganze Nachbarschaft eingeladen war, störte sich niemand daran, dass die Musik ein paar Dezibel zu laut aufspielte. Es nahm auch kein Anwesender daran Anstoß, dass der ein oder andere Tischnachbar schon weit davon entfernt war, ein Auto fahren zu können, geschweige denn seinen eigenen PKW noch zu finden. Weit nach Mitternacht verabschiedeten sich die letzten Gäste und wie von Geisterhand geführt sorgte der Cateringservice von Jean dafür, dass bereits nach kürzester Zeit aus dem Hochzeits-Eventbereich wieder ein Garten zum gemütlichen Verweilen wurde. Asli und Karin verschwanden gegen drei Uhr nach einer Katzenwäsche im Bett. „Können wir ausnahmsweise auf die Hochzeitsnacht verzichten und sie verschieben, Karin?“ „Liebend gern. Irgendwie dreht sich bei mir alles ein wenig um mich herum. Morgen ist ja auch noch ein Tag.“

Der folgende Sonntag begann für die beiden frisch getrauten Eheleute eher spät. Auch wenn die Drehbewegungen verschwunden waren, tummelten sich doch immer noch recht ordentlich große männliche Katzen in den Köpfen von Asli und Karin. „Lebst du noch, Karin?“ „Diese Frage kann ich dir noch nicht so wirklich beantworten“, tönte es eher murrend und knurrend unter der Daunendecke hervor. „Man, hab ich einen dicken Kopf.“ „Jetzt hab ich nicht nur ein Pummelchen geheiratet, sondern auch noch eine Säuferin“, vernahm Asli zur Antwort. „Ich rufe sofort im Standesamt an, ob ich meinen Ehepartner innerhalb von 14 Tagen wegen unflätiger Bemerkungen zurückgeben darf. Ist ja nicht auszuhalten mit dir. Ach, ich rufe am besten gleich Oberstaatsanwalt Bracht an, der für dich ein Plätzchen in der JVA Ossendorf wegen seelischer Grausamkeit gegenüber dem Ehepartner einrichten kann. Immerhin trampelst du auf meinem armen Seelchen herum, Frau Hauptkommissarin. Aber dann schmeißen sie dich nachher noch aus der Polizei heraus und du verlierst deinen Status als Chef der Mordkommission und liegst mir daraufhin noch auf der Tasche.“ Das von Karin zur Antwort geworfene Kopfkissen verfehlte, trotz am Abend zuvor ausreichend eingeflößten Zielwassers, erheblich sein Ziel. „Mach dich nützlich, meine liebe Ehefrau, und hol mir bitte ein doppeltes Aspirin plus C, nur gerührt und nicht geschüttelt, sonst muss ich die Sauerei nachher wieder in der Küche wegwischen.“ „Ich muss sowieso Pipi, Karin. Dann bringe ich dir ein Aspirin mit.“ „Ein Doppeltes bitte!“ Die beiden Frauen gönnten sich beide eine Brausetablette zur Vertreibung der Kater und schliefen wieder ein, diesmal jedoch eng aneinander geschmiegt. Beinahe gleichzeitig erwachten Karin und Asli am frühen Nachmittag. „Geht es dir besser, Karin?“ „Ja, die Kopfschmerzen sind weg. Ein leichtes Hungergefühl macht mir zu schaffen. Was gedenkt denn meine Ehefrau mir heute zu kochen?“ „Nix koche ich dir. Du hast selbst zwei Hände. Mit der Aussage hätte ich gleich einen Kerl heiraten können.“ Asli, deren Hand auf Karins Bauch lag schob diese höher und legte sie ihr auf ihre rechte Brust. „Obwohl, wenn ich das hier so in meiner Hand spüre, bereue ich es nicht eine Frau mir großen Brüsten geheiratet zu haben.“ „Ich hatte mir immer eine schlanke, kleine Frau gewünscht und habe jetzt ein Pummelchen bekommen.“ Asli kniff Karin fest in ihre rechte Brustwarze. „Au, hab ich etwas Falsches gesagt?“ „Wann hast du eigentlich das letzte Mal vor dem großen Spiegel gestanden, Karin? Ich sage nur Glashaus, Madame. Der Pitscher scheint dir auch noch gefallen zu haben, Süße. Was fühle ich denn da?“ „Mach weiter, Asli, und quatsch jetzt nicht rum.“ Das ließ sich die Deutschtürkin nicht zweimal sagen. Mit ihren Lippen umschloss sie Karins rechte Brust und begann daran heftig zu saugen, während sie mit Daumen und Zeigefinger ihre andere Brustwarze massierte. Karins Atem beschleunigte sich und sie begann sanft zu stöhnen. Es dauerte nicht lange und Asli ließ von Karins Brust ab. Ihre rechte Hand wanderte über den Bauch hinunter zum Venushügel und weiter zu dem kleinen Punkt, an dem die meisten Lustnerven zusammen liefen. Karins Stöhnen nahm zu. „Mach weiter, Asli, bitte.“ Während ihr Zeigefinger sanft mit langsamen Bewegungen in Karin eindrang, spielte ihr Daumen weiter mit dem kleinen Punkt. Plötzlich griff Karin nach Aslis Hand zwischen ihren Schenkeln. „Mach fester.“ Sie hatte dies noch nicht ganz ausgesprochen, als sie zum Orgasmus kam. „Ohhh, Asli, das war einfach wunderbar.“ „Das freut mich zu hören. Nun sag schon, dass du jetzt Hunger hast und ich kochen gehen soll.“

„Ich wollte dir auch einen sexuellen Wunsch erfüllen, Asli.“ „Dann mach es mir bitte einmal mit einem Fuß.“ „Einem Fuß?“ „Ja, das habe ich mir schon lange gewünscht und erst kürzlich gelesen, wie toll das sein muss, vor allem wenn der Partner gepflegte Füße hat.“ „Warum nicht. Sag mir, wenn dir etwas nicht gefällt.“ „Ja, klar.“ Asli drehte sich zu ihrem Nachtisch und entnahm der Schublade ein Gleitmittel und massierte dies in Karins Füße ein. „Das ist ja richtig toll. Ich glaube, ich komme gleich schon wieder.“ „Nix da, jetzt bin ich erstmal dran.“ Auch sie nahm etwas von dem Gleitmittel und verteilte es auf ihrem Unterleib. Sie drehte sich herum und legte ihren Kopf gegen das Fußende des Bettes. Karin beobachtete sie dabei und als sie spürte, wie Asli ihre Füße nahm, sich den rechten, großen Zeh in ihre feuchte Scham schob, verspürte auch sie ein starkes, erotisches Gefühl und es dauerte nicht mehr sehr lange, bis auch Asli zuckend ihren Höhepunkt erreichte.

Kapitel 2

„Ich finde es immer wieder toll, wie du aus nur ganz wenigen Zutaten ein so leckeres Menü zusammen gebastelt bekommst.“ „Tja, Karin, wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich das von meiner Mutter gelernt habe. Wir waren ziemlich arm und dadurch gezwungen, mit wenigen Mitteln meine Eltern, meine Großeltern und uns sechs Kinder irgendwie satt zu bekommen. Wirklich gehungert haben wir allerdings nie, aber ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals Lebensmittel weggeworfen hätten. Es ist aber auch eine Menge vom Buffet übriggeblieben und so hatte ich keine Mühe, uns diese gemischte Gemüsepfanne mit Rindfleischstreifen zu zaubern.“ Nach dem Essen tranken die beiden Frauen einen starken Kaffee und begannen, ihre Präsente und Kuverts auszupacken, die ihnen überreicht worden waren. „Da sind insgesamt vierhundert Euro zusammengekommen. Mit den Weinen kommen wir sicher auch einige Monate lang aus. Das Präsidium hat uns einen Reisegutschein von immerhin fünfhundert Euro geschenkt.“ „Die wollen uns sicher mal eine Zeit lang loswerden, Asli, was glaubst du.“ „Möglich wäre es. Du bist sicher zu streng mit unseren Kollegen. Das bekomme ich ja auch jeden Tag zu spüren.“

Um noch ein wenig Bewegung zu finden, spazierten Asli und Karin am frühen Abend durch den Grüngürtel. Nach gut eineinhalbstündigem Spaziergang trafen sie wieder zu Hause ein. Müde warfen sie sich auf ihre Sofalandschaft. Gegen zehn Uhr verschwanden sie im Bett.

Horst Kaminke saß im Führerhaus seines schon leicht betagten Vierzigtonners und quälte sich ein wenig auf der rechten Spur der A 61 Richtung Köln entgegen. Er hatte 28 Tonnen Eisenerz in seine Kippermulde geladen, die er einem Betonwerk anliefern musste, das daraus Strahlenschutzbauteile goss. Er war noch etwas müde, was montags morgens gegen kurz nach 06:00 Uhr eigentlich immer der Fall war und damit nichts Besonderes. Außerdem war es gestern Abend etwas später geworden, weil er mit seiner Frau bei Schmitzens zum Anschauen der Urlaubsbilder eingeladen war. Karl-Heinz Schmitz leitete einen Supermarkt und verdiente nicht schlecht. So fuhren Schmitzens meistens dreimal im Jahr in aller Herren Länder in Urlaub, um dann hinterher ihre Freunde und Nachbarn mit dem langweiligen Anschauen der Urlaubsbilder zu nerven. Horst und Hedwig fuhren jedes Jahr im Sommer drei Wochen an die Ostsee. Und immer in die Pension Seeblick, wo es ihnen stets sehr gut gefiel. Das Essen schmeckte wie zu Hause, am Strand der Ostsee ließ es sich sehr schön entspannen, alle sprachen verständlich Deutsch und ihr Urlaub blieb immer noch bezahlbar. Finanziell kamen sie ganz gut zurecht, solange er seine Fahrten runterschrubbte und Hedwig den Job als Putzfrau in der Arztpraxis behielt. Horst vernahm mit Freude im Radio, dass alle Autobahnen rund um Köln staufrei waren. Das bedeutete für ihn, dass er Punkt sieben Uhr seine erste Ladung im Werk abkippen konnte. Er würde die vorgeschriebene Ruhezeit für sein Frühstück nutzen, einen Kaffee aus der Thermoskanne trinken, um dann wieder zum Duisburger Hafen aufzubrechen, wo er seine nächste Ladung Erz aufnehmen musste. Weil auch das Wetter mitspielte, drehte er WDR 4 im Radio etwas lauter. So wechselte er zwischen gelegentlichem Gähnen und lautem Mitsingen der alten Schlager immer hin und her. Singen war ohnehin ein Hobby von ihm. Er griff zum Armaturenbrett nach der Packung Zigaretten und steckte sich eine an. Genüsslich blies er den Rauch aus seiner Lunge. Die vor ihm auftauchende Unterführung, unter der er sicher schon tausende Male durch gefahren war, bildete für ihn kein Hindernis, da der höchste Punkt seiner Mulde erheblich niedriger lag als die Brückenunterkante. Jetzt waren es nur noch wenige Kilometer bis zur Abfahrt Bilderstöckchen. Horst drehte noch einmal die Musik lauter, als ein uralter Rex Gildo Hit gespielt wurde. Jetzt war er gleich unter der Brücke durch. Dann auf einmal ging alles sehr schnell. Ein riesiger, weißer Sack schlug gegen seine Windschutzscheibe. Der Aufprall brachte die Scheibe zum Reißen. Der Kipper begann zu schlingern. Horst verlor die Zigarette, die aus seiner Hand fiel. Doch war ihm dies jetzt völlig egal. Er kämpfte gegen die immensen Fliehkräfte seiner Ladung. Immer wieder lenkte er gegen und nach etwa zweihundert Metern hatte er sein Ungetüm wieder unter Kontrolle. Vorsichtig rollte er rechts auf den Seitenstreifen. Erst jetzt bemerkte er, dass sich der weiße Leinensack, der halb in seiner Kabine hing, rot zu verfärben begann. „Was ist das für ein Scheiß?!“ schimpfte er laut. Er griff nach dem Sack und bemerkte, dass er einen Fuß in seiner Hand spürte. Erschrocken zuckte er zusammen. Er zog sein Smartphone aus der Halterung an der Mittelkonsole und rief die Polizei.

„Guten Morgen, Karin. Lange nicht gesehen. Habt ihr eure Hochzeit gut überstanden?“ Noch ziemlich verschlafen setzte sich Karin im Bett auf. „Morgen, Ernst. Wenn der Chef der Gerichtsmedizin einem ganz früh am Morgen fröhliche Grüße ins Ohr säuselt, ist doch meistens etwas passiert. Die Hochzeitsfeier, nur zu deiner Information, haben wir schadlos überstanden. Aber mir schwant jedoch Fürchterliches, wenn der Herr der zu untersuchenden Leichen so früh anruft. Was ist los, Ernst?“ „Wir haben auf der A 61 kurz vor der Abfahrt Bilderstöckchen eine Leiche, die einem LKW-Fahrer ins Führerhaus geschleudert wurde.“ „Wir haben was?“ Ernst erzählte, was er bisher in Erfahrung bringen konnte. „Ist OK, Ernst. Wir machen uns gleich auf. Bis später.“

„Morgen, Ehefrau, raus aus den Federn. Wir haben Arbeit.“ „Was ist denn los, Karin?“ „Erzähle ich dir im Auto.“ Die beiden Frauen sorgten für größtmögliche Hygiene im Verlauf ihrer Katzenwäsche. Karin schmiss noch schnell die Kaffeemaschine an und bereitete zwei Becher coffee to go, während Asli bereits zum Auto lief. „Hier, trink erstmal.“ „Scheiße, ist der heiß!“ „Tut mir leid, Asli. Ich kann Kaffee nur kochen. Kalt blasen musst du ihn schon selbst.“ „Warum ist eigentlich so eine Hektik angesagt?“ Karin berichtete, was sie eben von Ernst Brandt erfahren hatte. „Da braut sich bestimmt mal wieder etwas zusammen, Karin.“ „Also nur weil einer seine Ehefrau in einem Leinensack auf der Autobahn entsorgt, muss es sich ja nicht gleich um den Schlächter von Köln handeln. Bestimmt eine Beziehungstat.“ „Schauen wir mal, wer Recht behält.“

Die Kollegen der Verkehrspolizei hatten den ganzen Autobahnteilabschnitt für den Verkehr gesperrt und für eine großzügige Umleitung gesorgt. Als Karin dem jungen Streifenkollegen ihren Ausweis zeigte, ließ er den Golf von Asli passieren. Hundert Meter vor ihnen erkannten die beiden Kommissarinnen die kleine Autobahnüberführung, noch weiter entfernt den schweren Laster, der rechts auf dem Seitenstreifen parkte und die vielen Blinklichter auf zwei Fahrzeugen der Feuerwehr, zwei Streifenwagen, einem Notarztfahrzeug sowie den Kombis der Gerichtsmedizin und der Spurensicherung. Asli stellte den Golf hinter dem Kipper ab. Sofort verließen sie ihren Wagen und gingen dem LKW entgegen. „Morgen, zusammen. Was haben wir?“, fragte Karin in den Pulk der Menschen hinein. Biggi Wax, die Stellvertreterin von Ernst Brandt, hatte ihre Arbeit bereits aufgenommen. „Hallo, Karin, hallo, Asli. Eine äußerst kuriose Geschichte.“ Biggi begann zu berichten, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatte. „Wir haben ein weibliches, unbekleidetes Opfer, ca. Mitte vierzig, das unser Täter oder die Täterin in diesen Leinensack gesteckt hatte, um die Frau von der Autobahnbrücke dort herunterzustoßen.“ „Todeszeitpunkt?“ „Vor etwa dreißig Minuten.“ „Das heißt, die Frau lebte noch, als sie in dem Sack von der Brücke geworfen wurde?“ „So ist es, Karin, und sie wurde auch nicht geworfen im Sinne wie du jetzt vermutest. Der Sack war am Geländer der Autobahnbrücke befestigt und hing - allerdings recht kurz gehalten - einfach locker herunter. Nur der Gegenverkehr hätte den Sack erkennen können. Aber die wenigsten Autofahrer schauen nach oben, wenn sie unter einer Autobahnbrücke hindurchfahren.“ „Was für eine verdammte Sauerei.“ Asli sprang aus dem Krankenwagen, in dem Horst Kaminkes Schockzustand behandelt wurde. „Und, hat der Fahrer etwas sagen können?“ „Nein, er bestätigt nur, was hier zu sehen ist. Er hat niemanden bemerkt, der die Tat vorbereitet haben könnte.“ „Hast du irgendwelche Besonderheiten ausmachen können, Biggi?“ „Och, Karin, du kennst mich doch. Wie sagen die immer im Fernsehen? Erst wenn ich die Leiche auf dem Tisch hatte, kann ich euch mehr sagen.“ „Dann fahren wir ins Büro. Du meldest dich, Biggi?“ „Klar doch, wie immer, Karin.“

Kapitel 3

Asli Bülent lenkte ihren Golf in Richtung Polizeirevier und stellte ihn im Parkhaus ab. Als die Beiden das Büro betraten, saßen Theo Zerfakis und Edith Steinbach bereits hinter ihren Bildschirmen und arbeiteten. „Morgen, ihr beiden. Alle Feierlichkeiten gut überstanden?“, erkundigte sich Edith Steinbach, die schon recht lange zum Stammteam der Kölner Mordkommission gehörte. „Morgen, Edith, alles wieder im grünen Bereich. Wir planen jetzt erstmal unsere Hochzeitsreise.“ „Wie war denn eure Hochzeitsnacht, Asli?“, fragte Theo Zerfakis grinsend. „Eher verschlafen. Karin war so müde und sie hatte auch ziemlich viel getrunken. Hätte ich wissen müssen, dass ältere Ehepartner sexuell nicht mehr so leistungsfähig sind, wie zum Beispiel ich in meinen jungen Jahren.“ Karin, die bereits in ihr Büro gegangen war, um Kaffee aufzusetzen, hatte alles mitgehört und meldete sich zu Wort. „Das musst du gerade sagen. Wer wollte denn unbedingt schlafen?“ Alle lachten. „Zehn Uhr bei mir im Büro ist Besprechung. Bringt alle Unterlagen mit.“ Karin schloss ihre Türe und setzte sich an ihren Schreibtisch. Noch während ihr PC hochfuhr, musste sie an den neuen Fall denken. Handelte es sich um eine einzelne Beziehungstat, worauf sie sehr hoffte? Oder trieb plötzlich ein Mehrfachmörder sein Unwesen in Köln, wie Asli prophezeite? In diesem Fall waren ihr die Hände gebunden. Sie musste warten, was Dr. Biggi Wax für sie herausfinden würde.

Kurz nach zehn war die Luft in Karins Büro erfüllt von lecker duftendem Kaffeearoma. Karin hatte wie gewöhnlich den Vorsitz und ließ sich von allen Anwesenden den Fortgang der Ermittlungen in den einzelnen Fällen erklären. „Wie bist du im Fall der Beziehungstat in Chorweiler weitergekommen, Edith?“ „Leider gar nicht. Hier haben wir nur schweigende Gesichter, die einen ungläubig anschauen.“ „Hast du mal im Umfeld der jungen Russin nachgeforscht?“ „Ja sicher, Karin. Ledjeva Puskas stammt aus Petersburg. Sie hat sehr früh geheiratet und ist mit ihrem Mann nach Köln gezogen. Man hatte den beiden wohl den Himmel auf Erden in Köln versprochen, doch es kam völlig anders. Ledjeva wurde schwanger und fand deshalb keinen Job. Boris ist gelernter Bauzeichner, blieb aber auch ohne Arbeitsplatz, weil Bauzeichner hier nicht mehr besonders gefragt sind. So zogen sie in Chorweiler in eine Sozialwohnung. Boris begann zu trinken und schlug seine Frau trotz der Schwangerschaft häufig im Suff. Sie fand dann eine Putzstelle, wo sie ohne Papiere arbeitete. Eines Abends, als sie etwas früher nach Hause kam als sonst, lag Boris mit einer Nachbarin im Bett. Ledjeva war so aufgebracht und enttäuscht, dass sie sich das Brotmesser aus der Küche holte und ihrem Mann von hinten ins Herz stieß. Er war sofort tot. Natürlich hat niemand etwas gesehen oder gehört.“

„Theo, wie sieht es bei dem Türsteher-Mord aus?“ „In dem Milieu redet überhaupt niemand. Keiner der anderen Türsteher der Disco auf dem Ring hat etwas gesehen. Alle sagten in etwa dasselbe aus. Das Mordopfer sei plötzlich tot zusammen gebrochen, als man ihm ein Messer in den Bauch gerammt hatte. Der Täter ist flüchtig und die Beschreibungen beginnen bei leicht gebräunter Haut mit schwarzen Haaren bis hin zum hellhäutigen Typ mit rotblonden Haaren. Suchen wir uns etwas aus. Ich hoffe, dass sich unter den Gästen jemand befindet, dessen Befragung ein paar Hinweise liefert.“ „Nicht gerade erheiternd, was du uns da zu berichten hast, Theo. Haben wir sonst noch ungeklärte Fälle?“ „Nein, Karin, den Bankräuber, der die Kassiererin in Dünnwald erschossen hat, haben wir ermittelt und festgenommen. Der Täter ist geständig.“ „Sonst liegt nichts an?“ „Es ist Urlaubszeit, Chefin. Da machen sogar unsere Mörder Pause.“ „Mir soll es Recht sein, Theo. Warten wir mal ab, was uns Biggi für neue Erkenntnisse liefert im Mordfall von heute Morgen. Ich möchte den Fahrer in der Sache noch einmal in Ruhe vernehmen, Theo. Kannst du das in die Wege leiten?“ „Ja, kümmere ich mich drum.“ Karins Team hob die Runde auf. Alle Teilnehmer verschwanden wieder in ihren Büroecken und nahmen ihre Arbeit auf.

Asli und Karin nahmen sich noch einmal alte Fallakten in der Hoffnung vor, aufgrund von neuen Fahndungs- und Ermittlungsmethoden, doch noch den einen oder anderen Mordfall aus der Historie lösen zu können. Mit ihrem Vieraugenprinzip hatten die beiden Ermittlerinnen bisher schon phänomenale Erfolge erzielt. Gegen vierzehn Uhr meldete sich Biggi Wax bei Karin.“ „Hallo, Karin, ich bin mit der Obduktion durch. Ihr müsst euch das aber mal in Ruhe ansehen. Der Körper unseres Opfer weist im Unterleibsbereich erhebliche praemortale Wundmale auf, die atypisch sind und nur durch Folter entstanden sein können.“ „Alles klar, Biggi, ich komme nachher mit Asli vorbei. Oder soll ich dir deinen Verlobten mitbringen?“ „Lass Theo lieber im Büro. Seine Freude, an Sektionen teilnehmen zu dürfen, ist nur sehr gering, selbst wenn ich sie durchführe.“ „Dann bis später.“ „Alles klar, ich erwarte euch.“ Auch Karin und Asli rissen sich keineswegs darum, bei einer Sektion oder deren Nachbearbeitung in der Gerichtsmedizin anwesend sein zu müssen. Aber leider gehörte dies nun einmal zu ihrem Job und so bestiegen sie ihren Dienstwagen und fuhren nach Braunsfeld zur Gerichtsmedizin. Biggi Wax, die hübsche, zierliche Gerichtsmedizinerin mit den roten Haaren, erwartete Karin und Asli bereits in ihrem Büro. Auch Ernst Brandt setzte sich zur Vorbesprechung mit an den Tisch. Nach einer kurzen freundlichen Begrüßung wurde Biggi Wax allerdings wieder ernst und begann zu referieren. „Wie ich schon am Telefon andeutete, weist die Leiche erhebliche Verletzungen auf, die ich mir so einfach nicht erklären kann. Diese können nur durch martialische Folterungen entstanden sein, die dem Opfer unerträgliche Schmerzen zugefügt haben. Außerdem lassen die Verletzungen darauf schließen, dass der Täter bereits zu diesem Zeitpunkt die Absicht hatte, sein Opfer zu töten, nachdem er sich an den furchtbaren Leiden der Frau satt gesehen hatte. Gehen wir rüber und sehen sie uns an. Es handelt sich um marginale Schnittverletzungen im Genitalbereich, die ganz sicher nicht durch den Sturz von der Brücke entstanden sind.“

Im großen Sektionsraum standen drei Edelstahltische. Auf dem mittleren Tisch lag abdeckt eine Leiche, zu der Biggi Wax ihre Besucher führte. Asli begann bereits damit, kräftig ihre Zehen zu bewegen, damit sie nicht in Ohnmacht fiel. Biggi Wax griff am Kopfende nach den Zipfeln des weißen Tuches und zog es bis zu den Knien des Mordopfers herunter. Sofort fiel dem Betrachter die schwarze Naht am Y-Schnitt ins Auge, die sich erheblich von der bleichen Haut des Opfers abhob. Doch der Anblick, der sich den Besuchern im Schambereich der Leiche bot, trieb sogar den hartgesottenen Kommissarinnen die Magensäure in die Speiseröhre. „Seid mir bitte nicht böse, aber ich muss mal dringend raus“, sagte Asli und verließ umgehend den Sektionsraum. Karin kämpfte tapfer gegen die Übelkeit an und stellte Biggi Wax die erste Frage. „Was denkst du, ist mit der Frau geschehen, Biggi?“ „Also wenn du mich so direkt fragst, möchte ich behaupten, dass der Täter dem Mordopfer mit einem sehr scharfen Messer, wahrscheinlich einem Skalpell, die Klitoris sowie die beiden Schamlippen entfernte.“ „Täter? Glaubst du etwa unser Mörder ist männlich?“ „Ja, Karin, wir haben Spermaspuren im Unterleib und auf dem Venushügel gefunden, die wir gerade versuchen auszuwerten.“ „Könnte unser Opfer nicht vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr gehabt haben?“ „Möglich wäre es natürlich schon, aber ich schließe es eher aus, weil die Beweglichkeit der Spermien noch recht hoch war. Ältere Spermien verlieren ihre Agilität sehr rasch und vertrocknen. Ich habe so eine Art der Verstümmelung einmal im Studium gesehen, als wir eine weibliche Leiche aus Afrika auf dem Tisch liegen hatten, die von einer Schamanin beschnitten wurde. Im Gegensatz zu unserem Opfer hat das Mädchen die Tortur jedoch nicht überlebt und ist verblutet.“ „Was müssen das für Schmerzen gewesen sein! Wenn ich das richtig verstanden habe, lebte unser Mordopfer doch noch, als es von der Brücke gegen den LKW schlug.“ „Ja, so ist es, Karin. Der Täter hat ihr einen Knebel in den Mund gesteckt, um ihre Schreie zu dämpfen.“ Asli betrat nun auch wieder den Sektionsraum. „Das ist ja auch der Grund, warum ich euch hierher gebeten habe. Unsere Tote ist keine Afrikanerin oder entstammt einer Gegend, wo Beschneidungen aus religiösen Gründen durchgeführt werden. Sie ist auch schon zu alt für eine solche rituelle Tat. Nicht mehr wirklich nachvollziehbar ist, wann er sich an seinem Opfer vergangen hat. Vor, während oder nach seiner Folter. Wenn ihr mich fragt, haben wir es hier mit einem Mörder zu tun, der für irgendetwas Rache nimmt.“ „Ich sehe das genauso, Karin“, mischte sich auch Ernst Brandt in das Gespräch ein. „Ich habe mir mit Biggi die Schnittführung genau angesehen. Unser Täter hat keine Ahnung von Medizin. Er hat einfach brutal zugepackt und das Opfer grausam verstümmelt. Und dies wie es scheint bei lebendigem Leib.“ Asli drehte sich gleich wieder auf dem Absatz um und raste aus dem Sektionsraum. „Wisst ihr, was ich leider vermute?“ „Sprich es bitte erst gar nicht aus, Ernst, denn ich denke das Gleiche: Wir haben es mit einem Serientäter zu tun.“ „Genau das vermute ich auch.“ „OK, Biggi, schick mir bitte den Bericht. Wir müssen als erstes versuchen herauszufinden, wer die Tote ist und in welchen Umständen sie lebte.“ „Ja, Karin, das wird sicher kein leichter Fall.“ „Ach, wisst ihr, leichte Sachen kann doch jeder. Ich schaue jetzt erstmal, ob meine Stellvertreterin und Ehefrau wieder dienstfähig ist, und dann fahren wir zurück ins Präsidium.“ Biggi hatte die Leiche wieder zugedeckt. Ein nur eher verhaltenes Lächeln legte sich auf die Gesichter aller Anwesenden nach Karins Bemerkung, bevor sie alle den Sektionsraum verließen und sich verabschiedeten.

Kapitel 4

„Man ist mir schlecht, Karin.“ „Seit wann bist du denn so sensibel, Asli?“ „Wenn mir mein Kopfkino vorspielt, was da wohl stattgefunden hat, muss ich schon wieder brechen. Was müssen das für Schmerzen sein? Sowas kannst du doch nicht in einer Mietwohnung durchziehen. Das Opfer hat doch bestimmt sehr laut geschrien.“ „Ich denke, sie ist sehr schnell vor lauter Schmerzen ohnmächtig geworden.“ „Das sei ihr mal zu wünschen. Aber sie ist doch irgendwann wach geworden, während der Mörder sie in den Sack gepackt hat.“ „Dafür hat der Täter ihr den Knebel in den Mund gesteckt.“ Den Rest der Fahrzeit bis zum Eintreffen in Kalk im Präsidium schwiegen die beiden Frauen und gingen ihren Gedanken nach. „Machst du uns einen Kaffee, Karin? Ich glaube, ich könnte einen vertragen.“ „So auf nüchternen Magen nach deiner Brechorgie? Von mir aus.“ Während die Kaffeemaschine ihre Arbeit aufnahm, setzte sich Karin zu ihren Kollegen in den großen Büroraum und erzählte, was sie eben mit ansehen musste und wie sie gedachte weiter vor zu gehen. „Asli, versuch bitte herauszubekommen, wer unsere Tote ist. Frag dafür unseren PC, ob Vermisstenanzeigen eingegangen sind.“ „Das ist zwar noch zu früh, wenn die Tote erst seit wenigen Tagen verschwunden ist, aber ich werde mich da mal einloggen.“ „Wenn ihr während eurer Ermittlungen etwas hört, gebt bitte sofort Laut. Ich werde unseren Psychologen mal anrufen und fragen, was er von unserem Täter hält. Wer noch so kurz vor Feierabend einen Kaffee möchte, kann sich einen bei mir abholen kommen.“ Edith Steinbach winkte ab. Sie befand sich bereits im Aufbruch, um nach Hause zu fahren. Theo flitzte gleich in Karins Büro. Er liebte ihren Kaffee über alles und hatte noch Zeit mit dem nach Hause fahren, da seine Verlobte Biggi Wax sicher auch noch lange in der Gerichtsmedizin zu arbeiten hatte.

Karin nahm ihren Telefonhörer ab und wählte die Nummer des Polizeipsychologen Dr. Kreutz, der auch noch an seinem Schreibtisch saß und gleich das Gespräch entgegen nahm. „Hallo, Dr. Kreutz, Karin Weber hier.“ „Das ist aber eine Überraschung, hallo, Frau Weber. Geht es Ihnen gut?“ „Psychisch und physisch scheint wieder alles im grünen Bereich zu sein. Ihnen geht es auch gut?“ „Schlechten Menschen geht es doch immer gut, Frau Weber, aber ich glaube, Sie haben etwas anderes auf dem Herzen, als sich nach meinem Gesundheitszustand zu erkundigen.“ „Sie haben mich durchschaut. Ich habe folgenden Fall und möchte dazu Ihre Meinung hören.“ Karin berichtete dem Psychologen, was sie bereits an Informationen gesammelt hatte. „Das ist nicht eben viel und keinesfalls einfach, was Sie mir da präsentieren, um so aus dem Stehgreif ein Täterprofil anzufertigen. Nageln Sie mich jetzt mal nicht fest, wenn ich ins Blaue hinein spekuliere und sage: Täter ist männlich, etwa bis Mitte 30 , verarbeitet ein Trauma aus seiner Jugend, bedingt durch nicht unerhebliche, sexuelle Gewalt, allerdings verübt von einer oder mehreren Frauen. Mehr jetzt zu sagen, wäre wie Lesen aus der Glaskugel, Frau Weber. Was ich Ihnen aber leider jetzt schon prophezeie ist, dass unser Täter weiter töten wird. Das, was er mit einer oder mehreren Frauen in der Vergangenheit erlebt hat, hatte sich bei ihm ganz sicher auf ein Höchstmaß aufgestaut und ist jetzt mit einmal aus ihm herausgebrochen. Sie sagten, das Opfer sei Mitte bis Ende vierzig? Dann handelt es sich ganz sicher um eine Traumaverarbeitung, deren Ursprung in seiner Jugend begründet liegt. Aber wie eingangs schon gesagt, das sind alles Hypothesen.“ „Auf jeden Fall danke ich Ihnen, dass Sie sich für mich Zeit genommen haben und für die Vielzahl an interessanten Denkanstößen. Schönen Abend, Herr Dr. Kreutz.“ „Ihnen auch. Ich stehe Ihnen gern jederzeit zur Verfügung, Frau Weber. Bis bald mal wieder.“

Karin legte sich in ihrem Bürosessel zurück und begann zu grübeln. Wenn der Täter ein Trauma aus seiner Jugend verarbeitete, welches er mit einer oder mehreren Frauen erlebt hatte, konnte dies bedeuten, dass das Opfer ehemals sein Peiniger war und er aus Rache handelte. Blieb jetzt zu hoffen, dass er mit dem Mord an der Frau seine Rachegelüste gestillt hatte und nicht zum Serientäter wurde. „Die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt“, sprach Karin vor sich und fuhr ihren PC herunter, als ihr Telefon summte. „Biggi noch mal, hallo, Karin. Wir haben gerade die Ergebnisse vom Abstrich bei unserem Opfer erhalten. Es gibt, wie erwähnt, eine satte Spermaprobe und damit eine glasklare DNA vom Täter. Außerdem fanden wir Spuren von Lehmboden an ihren Fersen. Unser Opfer wurde offensichtlich über Lehmboden geschleift. Ich werde morgen die Ergebnisse durch unsere Dateien laufen lassen, ob unser Täter bereits aktenkundig ist. Vielleicht finden wir ihn ja schnell.“ „Das wäre einfach zu schön, um wahr zu sein, Biggi.“ „Einen Versuch ist es ganz sicher wert. Schickst du mir jetzt bitte meinen Verlobten nach Hause. Er muss noch spülen, den Müll raus tragen und eine Maschine Wäsche waschen.“ Biggi lachte. „Mache ich, Biggi. Soll ich ihm eine Fußfessel anlegen, damit er uns nicht entkommt?“ „Er kommt schon Heim, keine Sorge, weil er ganz sicher Hunger hat und meine Küche liebt.“ „Dann schönen Abend und lass noch etwas von ihm übrig. Wir haben noch ein paar Mordfälle aufzuklären.“ „Mach ich, euch auch schönen Abend.“ Karin musste schmunzeln. Biggi und Theo waren ein lustiges Pärchen. Sie passten gut zusammen. „Theo, kommst du mal bitte?“ „Da bin ich, Chefin. Was gibt es?“ „Ich habe einen Auftrag für dich.“ „Ich bin bereit.“ „Du sollst sofort nach Hause fahren, den Müll runter bringen, spülen und eine Maschine Wäsche anschmeißen. Hau ab, Theo, sonst krieg ich Ärger mit Biggi.“ „Bin schon weg. Euch einen schönen Feierabend.“ „Der war jetzt aber flink unterwegs.“ „Ja, Asli, im Gegensatz zu dir hört er gut, wenn seine Verlobte ihn zu Arbeiten einteilt. Dich muss ich ja immer züchtigen, damit du kleinste Tätigkeiten im Haushalt erfüllst.“ Karin prustete los, als sie das verdutzte Gesicht von Asli sah. „Alte Meckerziege“, schnaubte Asli. „Komm, fahren wir auch nach Hause, Karin.“

Auf der Heimfahrt berichtete Karin Asli, was sie eben von Biggi erfahren und was Dr. Kreutz für ein erstes Täterprofil erstellt hatte. „Das wäre mal ein echter Zufall, wenn uns auf diesem Weg der Täter ins Netz gespült würde. Ich glaube es aber nicht. Das könnte aber bedeuten, dass unser Mörder kein Serientäter ist.“ „Hoffen wir mal das Beste, Asli. Wenn er jedoch in einem Heim aufgezogen und dort sexuell missbraucht wurde, können wir unsere Hoffnungen begraben, es nicht mit einem Serientäter zu tun zu haben. Dann wird er weiter morden.“ Eine kurze Zeit lang saßen die beiden Frauen still nebeneinander, bis Karin die Ruhe brach. „Was gibt es denn eigentlich heute zu Essen?“ Asli stoppte an der nächsten roten Ampel und kniff Karin in die Hüfte. „Nix, wenn ich so deine Speckpölsterchen an der Hüfte ertaste.“ „Was soll das denn nun wieder? Soll das heißen, ich bin dir zu dick, meine liebe Frau?“ „Noch nicht, aber du bist auf dem besten Weg.“ „Hör mal, meine Liebe, stell dich doch mal nackt vor den großen Spiegel im Flur. Falls du diesen dramatischen Anblick schadlos überstehst, wirst du feststellen, warum der Reißverschluss deines Kleides bei der Hochzeit gezwickt hat und deine BH-Verschlüsse sich immer so in deiner Haut abdrücken. Du neigst zu Übergewicht, Süße.“ Da die Ampel längst wieder auf grün umgeschlagen war, ertönte ein lautes Hupkonzert. Asli gab Gas. „Haben wir etwa ein gemeinsames Gewichtsproblem, Karin?“ „Kein gemeinsames, du hast eines.“ „Für diese Frechheit wirst du mich gleich beim Italiener auf eine leckere, ordentlich mit Käse belegte Pizza einladen.“ Die beiden Frauen amüsierten sich köstlich, während Asli sie sicher nach Hause chauffierte. Tatsächlich gönnten sich die beiden ein Abendessen im Türkischen Imbiss um die Ecke. Es gab für beide Lahmacun mit viel Salat und Hähnchenfleisch und eine Flasche Mineralwasser dazu und tatsächlich übernahm Karin die gesamte Zeche. Glücklich und mit vollem Magen bewegten sich Karin und Asli Arm in Arm ihrem Haus entgegen.

Kapitel 5

„Tschöö, Brigitte, komm gut nach Hause und lass dich nicht verführen.“ „Ich gebe mir die größte Mühe, Hanna.“ „Wer dich heute Abend mitnimmt, bringt dich morgen sowieso wieder zurück.“ „Also auf die Frechheit gibst du jetzt noch ein Kölsch aus, Charlotte.“ „Ich war doch nicht frech, Brigitte. Das ist eine Tatsache, aber du hast Recht, einen haben wir noch. Köbes, bringste uns bitte noch ein Ründchen?“ Die fröhliche Damenrunde, die sich im Senftöpfchen eine lustig frivole Travestieshow angesehen hatte und nur noch ein, zwei Absacker zu sich nehmen wollte, fand mal wieder kein Ende. Doch nach dem vierten Kölsch griff Brigitte Schneider nach ihrer Handtasche. „Macht es gut, ihr Lieben. Ich muss morgen früh raus.“ Sie klopfte noch kurz auf den Tisch und wünschte allen eine gute Heimfahrt. „Wir telefonieren, bis bald.“ Eher verhaltenen Schrittes tippelte Brigitte auf ihren hochhackigen Peeptoes der Bushaltestelle entgegen. Laut ihrem Smartphone musste der 136er in acht Minuten eintreffen. Obwohl ein Blick auf ihre Armbanduhr ihr signalisierte, dass es erst kurz vor halb zwölf war, schien sie das einzige, menschliche Wesen zu sein, dass an der Haltestelle auf den Bus wartete. Plötzlich vernahm sie das Geräusch von Absätzen, die mit Metallplättchen beschlagen waren und auf dem Kopfsteinpflaster langsam näher kamen. Die engen Straßenfluchten der Kölner Altstadt verstärkten noch das Geräusch. Brigitte war keinesfalls ängstlich. Sie war eine sportliche Frau, die in der Woche viele Kilometer mit ihren Nordic-Walking Stöcken zurücklegte. Was sie ein wenig störte war, dass sie den Schuhträger mit den Steppabsätzen nicht erkennen konnte, der offensichtlich auf sie zu marschiert kam. Die ständig in drei Farben aufleuchtende Neonreklame der Bar gegenüber der Haltestelle gab zu wenig Licht, um etwas erkennen zu können. Brigitte schaute nach rechts der Domplatte entgegen, doch sie sah immer noch niemanden. Plötzlich endete abrupt das Geräusch der auf Pflaster klopfenden Stahlplättchen. „Haben Sie mal Feuer für mich?“ Brigitte fuhr der Schreck tief in ihre Glieder. Sie begann heftig zu zittern. Langsam drehte sie sich um. Vor ihr stand ein groß gewachsener Mann, Mitte dreißig und grinste sie frech an.