Sekundanten des Teufels - Axel Fischer - E-Book

Sekundanten des Teufels E-Book

Axel Fischer

5,0

Beschreibung

Die Leiterin der Kölner Mordkommission Karin Weber wollte den beruflichen Wiedereinstieg nach sieben Monaten andauernder Reha eigentlich ruhig angehen lassen, doch ihr Wunsch blieb unerfüllt. Ein Serienmörder, der es ausschließlich auf Kirchenfrauen und -männer abgesehen hatte, treibt im Kölner Bistum auf grauenvolle Weise sein Unwesen. Karins erste Ermittlungen lassen auf einen psychopathischen Ritualmörder schließen. Erst als sich die katholische Kirche weigert, Unterlagen herauszugeben, ihre Vorgesetzten im LKA wie auch im BKA den Mantel des Schweigens über den Fällen ausbreiten und sich zu guter Letzt der Vatikan einmischt, ahnt Karin Weber, dass es sich keinesfalls um Routinemordfälle handeln kann. Sie und ihre neue Stellvertreterin Asli Bülent ermitteln heimlich weiter, ohne jedoch zu bemerken, dass auch ihre Namen auf der Liste des Mörders stehen.

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Seitenzahl: 380

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Ganz herzlich danken möchte ich meiner Frau Heike Fischer für das tolle Coverfoto, ihren technischen Support bei der Anfertigung der Druckvorlage sowie ihrem Lektorat und dem Korrektorat.

Weiterhin vielen Dank fürs Korrekturlesen an Hildegard Humkamp und Ulli Grünewald.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

1

Düster und stickig präsentierte sich der Raum in Gänze, der ihr bis zur Aufklärung ihres letzten Mordfalles als Büro diente und auch in Zukunft für die Lösung neuer Fälle wieder bereit stehen sollte. Sicher hatte niemand in den letzten sieben Monaten ihrer Abwesenheit hier einmal geputzt, Staub gewischt oder gar gelüftet. In der Kaffeemaschine steckte noch eine Filtertüte mit Kaffeesatz, den bereits eine tiefgrüne Schimmelschicht überzog. Karin Weber legte erstmal ihre lederne Aktenmappe auf den Rollschrank neben ihrem Schreibtisch. Langsam und vorsichtig, als könnte der Serienmörder plötzlich wieder auferstehen und sich auf sie stürzen, ließ sie sich in ihren einstmals so geliebten Bürostuhl gleiten. Sie war noch weit davon entfernt wieder die toughe Hauptkommissarin zu sein, die gnadenlos ihr zweifelhaftes Klientel jagte und das sogar dann noch, wenn es bereits wehtat. Doch Karin hatte sich wieder zurück ins aktive Leben gekämpft. Die Betreuung durch eine sehr engagierte Psychologin wirkte immer noch wohltuend nach. Nein, sie hatte geschworen sich nicht unterkriegen zu lassen, um wieder ihren Dienst als Leiterin der Kölner Mordkommission aufzunehmen. Jetzt saß sie auf dem Platz, von dem aus sie bereits so manchem gedungenen Mörder mit harter Hand das Handwerk gelegt hatte. So ganz geheuer war ihr ihr Arbeitsplatz noch nicht und doch trotzdem irgendwie vertraut.

Von ihrem Platz aus konnte sie direkt auf das Whiteboard gegenüber ihrem Schreibtisch schauen. Friedlich und ungenutzt stand die weiße Metallplatte auf dem Ständer, wartend und bereit für neue Aufgaben. Lediglich die kleinen, roten Magnetpunkte, die sonst gnadenlos alles genau festhielten, was man ihnen zur Ansicht anheftete, hatte irgendein Komiker aus dem Haus zu einem lachenden Gesicht zusammengesetzt. Was für ein Gegensatz! Als sie das letzte Mal einen Blick auf das Board geworfen hatte, starrten ihr nur leblose Augenpaare aus den Totenschädeln mehrerer junger Frauenleichen entgegen, denen ein psychopathischer Serienmörder bei lebendigem Leib die Gesichtshäute entfernt hatte. Und dies war ausgerechnet der Mann gewesen, den sie geliebt hatte, der sie auf Händen trug und mit dem sie richtig glücklich war, bis sie von jetzt auf gleich damit konfrontiert wurde, dass dieser Mann der gesuchte Serienmörder war und gerade ihrer Kollegin die Gesichtshaut entfernen wollte. Karin Weber spürte plötzlich wieder das Rucken in ihrer rechten Hand, das ihre Neunmillimeter Pistole durch den Rückschlag verursachte, als sie mehrfach abdrückte, um Dr. Udo Stein zu töten. „Nein, du weinst jetzt nicht. Du bist drüber weg. Er wird dein Leben nicht weiter beeinflussen und zerstören“, sprach sie laut vor sich hin, bis das Zittern ihres Körpers langsam abebbte. Um sich abzulenken und wieder in ihren alten Trott zu gelangen, nahm sie das neue Paket Kaffeepulver aus der Papiertüte sowie die neuen Filter und den Tetrapack mit der H-Milch. Es folgte eine ausgiebige Reinigung ihrer Kaffeemaschine und schon bald zischte und blubberte frischer Filterkaffee in die Thermoskanne der Maschine. Der Duft des frischen Kaffees tat ihr gut. Als der letzte Rest durch den Filter in die Kanne getropft war, füllte sie sich ihren Becher und goss Milch dazu.

Plötzlich wurde Karins Bürotüre aufgestoßen. Edith Steinbach, ihre Kollegin, betrat das Büro. Nur eine heftige Körperreaktion verhinderte, dass Karin Weber ihr Becher mit der grinsenden Mickymaus aus der Hand fiel. „Hi, Karin. Toll, dass du wieder bei uns bist.“ Edith Steinbach hatte ihre langen blonden Haare zu einem Zopf zusammengebunden, der bei jeder ihrer Kopfbewegungen hin und her schwang. Ihre mittlerweile neununddreißig Jahre sah man ihr überhaupt nicht an. Der Job, ihr Mann und die beiden Kinder schienen ihr gut zu tun und sie jung zu halten. „Morgen, Edith. Ja, ich freue mich auch, endlich wieder hier zu sein. Was macht unser Laden?“ „Oh, hier ist während deiner Abwesenheit eine Menge geschehen.“ „Setz dich doch erstmal. Magst du auch einen Kaffee?“ „Ja, gern.“ Karin sorgte für einen zweiten Becher Kaffee und stellte ihn vor ihre Kollegin. „Dann schieß mal los. Bin ich überhaupt noch Leiterin der Mordkommission oder habt ihr euch schon einen anderen Chef angelacht?“ Karin lächelte und auch Edith schmunzelte. „Keine Sorge, der Präsident hält nach wie vor große Stücke auf dich und hat dir den Job frei gehalten. Olaf als dein Vertreter hat die Position kommissarisch übernommen und sehr gut gemacht. Wir waren gewohnt erfolgreich bei der Aufklärung von diversen Mordfällen. Allerdings hat das Ganze noch einen Haken: Olaf Salcher wird uns zum 1. Januar verlassen und Leiter der Mordkommission Münster werden.“ „Das ist ja wohl nicht wahr!?“ „Leider doch. Er hatte wohl ein wenig darauf spekuliert, dass du eine andere Aufgabe im Haus übernehmen wirst, und er hier die Leitung der Mordkommission übernehmen könnte. Er hat die nötigen Dienstjahre auf dem Buckel und alle erforderlichen Laufbahnlehrgänge mit Auszeichnung absolviert. Weil der Präses aber an dir festhält, hat sich Olaf für Münster entschieden. Ist ihm wohl auch sehr recht, weil er dort geboren wurde.“ „Das sind ja keine schönen Neuigkeiten. Gibt es schon Infos, wer sein Nachfolger werden soll?“ „Leider nein. Ich habe natürlich gehofft, dass ich den Job antreten kann. Aber mir fehlen noch zwei Laufbahnlehrgänge, um deine Stellvertretung übernehmen zu dürfen. Für eines dieser Seminare habe ich jetzt einen Platz erhalten. In vier Wochen geht es los. Aber jetzt lass doch mal den Dienstbetrieb außen vor. Wie geht es dir, Karin? Hast ja eine Menge durchgemacht.“ „Das ist wohl wahr. Aber Dank der sehr guten Therapeutin bin ich wieder auf dem Damm und voll belastbar.“ „Das ist ja super. Ich drücke dir ganz fest die Daumen, dass es keinen Rückfall gibt. Sag mal: Es wird im Hause geflüstert, dass du jetzt mit Asli Bülent zusammen bist?“ „So! Wird das im Haus erzählt? Es ist aber in der Tat so. Nachdem die Ärzte Asli ihre Gesichtsverletzungen erfolgreich behandelt hatten, wurden wir beinahe zeitgleich aus der Uniklinik entlassen. Irgendwie waren wir Leidensgenossinnen. Beide geschädigt durch diesen Wahnsinnigen Dr. Udo Stein.“ Karin stockte, eine Träne verließ lautlos ihr linkes Auge und tropfte auf ihre Bluse. „Ist gut, Karin. Du musst mir nicht alles erzählen.“ „Doch, doch, ich steh da drüber, Edith. Asli und ich haben dann gemeinsam die Reha durchgezogen. Jetzt sind wir beide wieder diensttauglich geschrieben und nun bin ich hier. An was für einem Fall arbeitet ihr gerade?“ „Zurzeit beschäftigen uns zwei Mordfälle. Olaf ermittelt in einer Beziehungstat. Eine Zweiundzwanzigjährige hat ihren Freund mit einem Hammer erschlagen, weil sie ihn in der eigenen Wohnung mit ihrer Freundin im Bett angetroffen hat. Und ich arbeite mit Theodorakis, unserem Neuzugang, an einem Tötungsdelikt nach einem Raubüberfall. Wir haben zwei Täter, die wir geschnappt haben und die derzeit in U-Haft sitzen. Beide schweigen jedoch beharrlich, damit keiner den anderen belastet. Ist ziemlich viel Filigranarbeit, um den wahren Täter ausfindig zu machen. Aber das ist dir ja nichts Neues.“ „Theodorakis? Wir haben einen neuen Kollegen? Hat man etwa unsere Abteilung aufgestockt?“ „Ja, so ist es. Der Präsident hat den jungen Deutsch-Griechen gleich von der Polizeischule hierher geholt. Theodorakis ist verdammt gut, hat super Zeugnisse, ist menschlich sehr nett und arbeitet äußerst fleißig und gewissenhaft. Ich stelle ihn dir nachher mal vor. So, nun bist du halbwegs informiert. Ich denke, an Arbeit wird es dir sicher nicht mangeln, wenn wir dir die Ermittlungsakten hereingeben.“ „Das glaube ich allerdings auch. Der normale Wahnsinn hat mich also wieder.“ „Du hast es erfasst, Karin. Ich freue mich sehr, dass du wieder an Bord bist.“ „Danke dir, Edith. So fällt mir der Wiedereinstieg gleich viel leichter.“

Triefend nass erwachte er in seinem Bett. In der letzten Schlafphase dieser Nacht war er wieder da gewesen, dieser Traum, der ihn niemals mehr loszulassen schien. Seit seinem achten Lebensjahr quälten ihn die Erinnerungen. Auch das, was die Ärzte ihm einst prophezeiten, dass die Zeit die meisten Wunden heile, selbst seelische, war bisher nicht annähernd eingetroffen. Im Gegenteil, es war über die Jahre permanent schlimmer geworden. Anfangs während seiner Jugendzeit überfielen ihn die Träume noch recht selten und auch die Intensität war nicht vergleichbar mit der heutigen. Es war eher so, als ob der Nachbarshund hinter ihm her war. Doch sobald er erwachte, verschwand das zähnefletschende Maul des Rottweilers im Nebel der Nacht. Mit dem Älterwerden setzten die Alpträume für eine kurze Zeit aus. Jetzt waren es eher die hübschen Mädels, die ihn besonders interessierten und ihm schöne Träume bereiteten, die meistens mit einer feuchten Schlafanzughose endeten. Doch schon bald kehrten die Alpträume zurück. Immer und immer wieder sah er in das Gesicht dieses bärtigen Priesters mit dem langen Mantel und den vielen kleinen, schwarzen Knöpfen, die er stets ganz langsam zu öffnen pflegte, bevor er ihm wieder und wieder erklärte, dass er ihn nur so vor des Teufels Zugriff bewahren konnte, bevor sich dieser seiner bemächtigte, um ihn zu töten und um ihn in der Hölle schmoren zu lassen. Jedes Mal wenn er die Sakristei aufsuchte, zeigte der bärtige Mann ihm Bilder mit nackten Teufeln, die kleine Kinder mit gewaltigen Speeren aufspießten, um sie sodann in einen tiefen Schlund zu werfen. So hatte er sich anfangs nichts dabei gedacht, auch wenn es zumeist sehr wehtat, wenn der bärtige Mann ihm wieder seine schützende Flüssigkeit applizierte. Dies war ihm immer noch lieber, als wenn der Bärtige wieder ganz besonders seinen Kopf beschützen wollte. Noch heute spürte er die klebrige Masse auf seiner Zunge, die er dazu benötigte. Einmal hatte er sogar, jedoch eher zufällig, mit angesehen, wie der Pfarrer seiner Mutter den Teufel im Leib ersparen wollte und mit ihr das Gleiche tat wie mit ihm selbst. Dies war kurz vor seinem zwölften Geburtstag. Er machte mit einem Klassenkameraden zusammen Hausaufgaben im Haus der Eltern seines Kumpels. Nach getaner Arbeit zeigte ihm sein Freund seinen neuen PC und wies ihn in die Untiefen des Internets ein. Er selbst durfte zu Hause keinen PC benutzen. Sein Vater hatte das verboten. So sprangen sie von einem Thema zum nächsten, bis sein Freund ihm einige Pornoseiten vorstellte. „Bohh, die vertreiben aber ganz schön heftig den Teufel“, rutschte es ihm so heraus. „Teufel vertreiben? Quatsch! Die machen Liebe. Wer sagt denn etwas von Teufel vertreiben?“ „Unser Pastor“, sprudelte es nur so aus ihm heraus. „So a Schmarrn. Dein Pastor will nur Spaß haben.“ Um sich nicht noch weiter der Lächerlichkeit preiszugeben schwieg er einfach. Gleich auf dem Weg nach Hause dachte er darüber nach, wen er fragen sollte, wie es sich wohl mit dem Schutz vor dem Teufel verhielt, Mutter oder Vater. Vater würde ihm sicher den Hosenboden stramm ziehen, wenn er ihm eine solche Frage stellte. So entschied er sich für seine Mutter.

2

„Schmidt, Vorzimmer des Polizeipräsidenten, hallo, Frau Weber. Schön, dass Sie wieder diensttauglich sind. Der Chef möchte Sie gern persönlich begrüßen. Könnten Sie in fünfzehn Minuten kurz vorbei schauen?“ „Hallo, Frau Schmidt. Kein Problem, ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen.“ Nachdenklich schlürfte Karin ihren zweiten Becher Kaffee leer. Das der Präses sie sehen wollte, war nichts Ungewöhnliches nach so langer Zeit der Abwesenheit. Schließlich gehörte sie als Dezernatsleiterin zur Führungsgruppe des Präsidiums. Das aber ihre Abteilung ohne ihre Zustimmung umgekrempelt wurde, passte ihr ganz und gar nicht. Das Olaf nach Münster ging war ein echter Verlust für das Kommissariat, auch wenn sie seine Beweggründe bestens verstand. Seine Eltern lebten in Münster und er war dort geboren. Außerdem wollte er schon länger die Karriereleiter hochklettern, und dies stellte eine echte Chance für ihn dar. Sie setzte den Becher auf ihrem Schreibtisch ab und verließ das Büro Richtung Chefetage. Eigentlich war sie ja ein Treppenhausfreak, aber zwölf Etagen waren ihr heute doch etwas zu viel. Sie rief den Fahrstuhl und nutzte die Vorzüge der Technik. Kaum eine Minute später stand sie vor der Türe von Frau Schmidt und klopfte an. „Herein“, klang es ihr entgegen. Karin drückte den Türgriff herunter und betrat das Büro. Angelika Schmidt sah man ihre 56 Lenze nicht an. Sie war eine gepflegte und gut aussehende, vielleicht etwas zu konservative Frau, die ihrem Chef kompromisslos den Rücken frei hielt und stets mit Rat und Tat zur Seite stand. Im Hause wurde mal gemunkelt, die beiden hätten etwas miteinander, doch Karin gab wenig auf solche Gerüchte. Und wenn dem wirklich so war, ging sie dies ohnehin nichts an.

„Guten Tag, Frau Weber. Nehmen Sie bitte noch einen Moment Platz. Ich melde Sie beim Chef an.“ Karin tat wie ihr aufgetragen. Etwas zu flott ließ sie sich in den Besuchersessel fallen. Jäh wurde ihr Schwung von der ziemlich straff gefederten Sitzfläche abgefangen. „Gehen Sie bitte hinein. Der Chef erwartet Sie, Frau Weber.“ Karin bedankte sich und trat in das Allerheiligste der Kölner Polizei ein. „Hallo, Frau Weber. Dies ist ein wirklich schöner Tag für mich. Ich freue mich sehr, Sie wieder bei bester Gesund im Hause begrüßen zu dürfen.“ Karin kannte ihren höchsten Chef zur Genüge und sie wusste auch ganz genau, dass sie nicht nur zum „Guten Tag“ sagen eingeladen war. „Wie geht es Ihnen, Frau Weber?“ „Danke der Nachfrage. Ich fühle mich sehr gut und freue mich schon darauf, alle in mich gesetzten Erwartungen zu erfüllen und mein Team bei der Arbeit unterstützen zu können.“ „Dann haben wir jetzt den offiziellen Teil der Begrüßung hinter uns gebracht. Kommen wir zu den Veränderungen und dem Wandel, der eine neue Qualität in einer modernen Polizeieinheit ausmacht. Beginnen wir mit der traurigen, wenn auch verständlichen Nachricht: Olaf Salcher, der Sie im Übrigen hervorragend vertreten hat, verlässt uns auf eigenen Wunsch zum 31.12. dieses Jahres. Er übernimmt als Leiter die Mordkommission in Münster und steigt so die Karriereleiter nach oben. Salcher ist in Münster geboren und freut sich bereits auf seine neue Aufgabe. Der Herr Innenminister des Landes hat bereits seine Bestellungsurkunde ausgestellt. Der Wechsel ist in trockenen Tüchern. Sie benötigen nun einen neuen Stellvertreter. Edith Steinbach, die ich immer wegen ihrer guten Leistungen bevorzugen würde, hat leider noch nicht alle Laufbahnlehrgänge abgeschlossen und darf deshalb diese Position noch nicht bekleiden. Ich habe diesbezüglich bereits mit dem Herrn Innenminister gesprochen, doch er musste meine Bitte um Ausnahme zurückweisen, weil er damit einen Präzedenzfall schaffen würde, der Tür und Tor für andere Bewerber öffnet, sich entsprechend einzuklagen. Sie müssen sich deshalb rasch damit beschäftigen, Ersatz für Salcher zu finden. Ich habe weiterhin Ihr Kommissariat mit einem äußerst tüchtigen und besonders engagierten jungen Mann personell aufgestockt, den Sie bitte für zukünftige Aufgaben aufbauen.“ „Soll das jetzt heißen, dass ich meinen Nachfolger heranziehen soll?“ „Aber nicht doch, Frau Weber. Aber Sie sind jetzt neunundvierzig. Irgendwann gehen auch Sie in Pension und da wäre es natürlich schön, ein Eigengewächs auf Ihre Position setzen zu können, das mit Ihren Qualitäten aufwartet. Na, Sie machen das schon, Frau Weber. Gehen Sie die Sache hier wieder langsam, aber stetig an und präsentieren Sie mir möglichst rasch eine adäquate Vertreterin oder einen Vertreter.“ „Ich werde mein Bestes tun, Herr Präsident.“ „Das habe ich auch nicht anders von Ihnen erwartet, Frau Weber.“ Karin erhob sich zum Verlassen des Büros. „Ach, noch etwas, Frau Weber: Ist es wahr, dass Sie jetzt mit dieser LKA-Kommissarin Asli Bülent zusammenleben? Sie waren doch eigentlich dem männlichen Geschlecht zugetan und mit Herrn …“ Der Polizeipräsident stoppte abrupt seinen Redefluss, als er bemerkte, dass er mit seiner vorschnellen Äußerung gewaltig in einen Fettnapf getreten war. „Also, Sie waren doch vorher …“ Wieder beendete er vorzeitig seine Fragestunde. „Na, ist ja auch egal. Sie müssen wissen, was gut für Sie ist, Frau Weber. Sie sagen mir bitte baldmöglichst Bescheid, welchen Kandidaten Sie als Nachfolger für Salcher bevorzugen. Alles Gute, Frau Weber, und viel Erfolg für Ihre Abteilung.“ Karin fühlte förmlich, wie dem Präsidenten nun ihre Anwesenheit unangenehm wurde. „Ich melde mich, Herr Krausmann.“ Sie reichten sich zum Abschied noch kurz die rechte Hand. Dann verschwand Karin durch seine Bürotür auf den Gang. „Was ist das nur für ein Beamtenkopf, dieser Krausmann“, flüsterte Karin leise vor sich hin, während sie dem Aufzug entgegen lief.

„Ach, Hannes. Wir leben hier in einem zweihundert Seelendorf ziemlich weit weg von der Großstadt München. Der Herr Pfarrer ist ein sehr hoch angesehener Mann und wenn er etwas sagt, dann wird das sicher richtig sein. Schließlich hat er lange studiert und ist ein Mann Gottes, der immer versucht, den Teufel und alles Böse von uns fern zu halten.“ Weil er seine Mutter immer noch ungläubig anschaute, nahm sie ihren Sohn in die Arme. „Jetzt schau nit so, Hannes. Gegen den Herrn Pfarrer kommt man eh nicht an, egal was er macht, ob nun richtig oder falsch. Ich finde auch nit alles richtig und trotzdem sag ich nix. Wir sind froh, dass Papa hier als Küster und Orgelspieler sein Geld verdienen darf. Es geht uns doch gut, Hannes.“ „Aber der Gregor hat gesagt, dass man so Liebe macht und nicht den Teufel vertreibt, Mama.“ „Da hat der Gregor schon Recht, Hannes, aber ein Pfarrer darf keine Liebe machen. Er muss nur für Gott da sein, darf nicht heiraten und überhaupt keine Frau an seiner Seite haben.“ „Und wie geht das nun mit dem Liebe machen, Mama?“ „Setz dich mal da auf die Bank, Hannes. Ich erzähle es dir.“ Gehorsam wie er nun einmal war, setzte er sich auf den Schemel. Seine Mutter nahm neben ihm Platz. „Liebe macht man, wenn man verheiratet ist und Kinder haben möchte. Wie das genau geht, hast du ja bei Gregor gesehen. Und nun frag nicht weiter. Du weißt ja jetzt alles. Hilf mir bitte, die schwere Kanne Milch zu schleppen.“ Weil er schon als Kind sehr stark war, bereitete ihm das Gewicht der Milchkanne keine besonderen Probleme. Mit der Erklärung seiner Mutter, wie nun Liebe gemacht wird, gab er sich zufrieden und trollte sich seines Weges.

Karin marschierte schnurstracks und voller Tatendrang auf ihr Büro zu. Die beste Möglichkeit, wieder richtig in ihren Beruf hineinzukommen, war wohl die Ärmel hochzukrempeln und sich in die Arbeit zu stürzen. Schwungvoll drückte sie den Türgriff hinunter. Kraftvoll schob sie das Türblatt nach innen. Ein heftiger Widerstand signalisierte ihr, dass da gerade jemand ihr Büro verlassen wollte. „Guten Morgen, Frau Weber. Mein Name ist Theodorakis Zerfakis. Ich wurde Ihrem Kommissariat als neuer Mitarbeiter zugeteilt.“ Ein junger, gut aussehender Mann mit tiefschwarzem, kurzem Lockenkopf und schlaksiger Figur lächelte sie entwaffnend an und zeigte eine Menge weißer Zähne. Sofort streckte er Karin seine rechte, feinnervige Hand zum Gruß entgegen. „Hallo, Herr Zerfakis. Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches in meinem Büro?“, pfiff Karin den jungen Mann eher ungewollt gleich an. „Olaf hat mir aufgetragen, mich bei Ihnen vorzustellen. Er kommt auch gleich, um Sie willkommen zu heißen.“ „Dann machen wir besser folgendes: Trommeln Sie bitte unser Team für 11:00 Uhr in meinem Büro zur Besprechung zusammen. Ich möchte alle offenen Fälle sehen und Bericht erstattet bekommen, wie der jeweilige Ermittlungsstand ist.“ „Jawohl, Frau Weber. Werde ich sofort erledigen.“ Wie von einem Insekt gestochen rannte der junge Kollege ins Nachbarbüro und verschwand. Karin setzte für alle Kaffee auf und schaltete ihren PC ein. Doch ihr System verweigerte ihr mit dem Hinweis „Access Denied“ den Zugriff. „Warst eben einfach zu lange weg, Frau Hauptkommissarin“, sprach sie zu sich selbst und wählte die Nummer des Systemadministrators des Hauses. Gert Reinholt freute sich wirklich, Karin wieder gesund und munter am PC vorzufinden. Mit wenigen Worten und per Ferndiagnose richtete er Karin ihren Rechner sofort zum Arbeiten wieder her und erklärte ihr gleich alle Neuerungen. Dann war sie auch schon mitten drin im digitalen Ermittlerleben. Ohne Umschweife rief sie alle aufgeklärten Fälle der letzten sieben Monate auf.

Vorgang für Vorgang ging sie durch. Zufrieden stellte sie fest, dass ihr Team eine Menge Fälle während ihrer Abwesenheit aufklären konnte. Doch dann lag plötzlich das Deckblatt der Akte Nr. AZ 211715/15 vor ihr. Allzu schnell hatte sie auf „öffnen der Datei“ geklickt und sofort offenbarte sich der Inhalt. Dann der Schock: Auf Seite 2 starrten sie gleich die warmen, liebevollen Augen von Dr. Udo Stein an, denen sie einstmals vertraut hatte und die sie so liebte. Dass sich hinter der freundlichen Maske des smarten Mittvierzigers der brutale Serienmörder Dr. Udo Stein verbarg, der nach außen hin liebevoll und hilfsbereit tat und dabei doch so grausam jungen Frauen bei lebendigem Leib die Gesichtshaut abpräparierte, bemerkte sie erst, als es bereits zu spät war. Um ein Haar hätte Dr. Stein noch ihre LKA-Kollegin und jetzige Lebensgefährtin Asli Bülent ermordet. Wirklich in allerletzter Sekunde konnte Karin den Mord verhindern und den Mörder durch gezielte Schüsse töten. Und wieder spürte Karin das Zucken in ihrer rechten Hand, das ihre Waffe verursachte, als sie auf Udo Stein schoss, um diesen am Mord an Asli Bülent zu hindern. Noch ganz in Gedanken bemerkte sie überhaupt nicht, dass sich nacheinander alle Mitglieder ihres Teams in ihrem Büro versammelt hatten. Olaf Salcher ging sofort auf Karin zu und umarmte sie freundlich. „Hallo, Chefin, schön dass du wieder an Bord bist.“ „Du alter Brutus traust dich überhaupt noch hierher? Was machst du für Sachen, Olaf?“ „Tja, ich hab verdammt Glück gehabt und darf ab Januar in meiner Heimatstadt Münster die Mordkommission übernehmen. Da kann ich endlich alle ehemaligen Lehrer von mir verhaften.“ Olaf sorgte wie gewohnt gleich für eine lustige Atmosphäre. „Hab ich schon vom Präses gehört. Ich freue mich sehr für dich. Aber du wirst uns sehr fehlen.“ „Ach, nicht doch, Karin. Hier ist Theo, unser aufstrebender, junger und frisch gebackener Kommissar. Er wird mich würdig vertreten.“ „Ja, dann nehmt Platz, es gibt Chefkaffee. Jetzt setzt mich zuerst mal ins Bild, woran ihr gerade arbeitet.“ Sofort wurden alle wieder ernst und der normale Alltag nahm seinen Lauf.

3

Hannes Baumgart quälte sich aus seinem Bett. Sein Rücken schmerzte vom schweren Schleppen. Zuerst suchte er die Toilette auf. Nachdem er sich erleichtert und etwas Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, betrat er seine Küche. Er zog den Rollladen hoch und öffnete das Fenster. Sofort wurde er von der Sonne geblendet. Er kniff seine Augen zusammen, was ihm jedoch kein bisschen half, mehr zu erkennen. Um nicht schwindelig zu werden, stützte er sich mit dem rechten Arm am Fensterrahmen ab. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit. Doch was er von seinem Fenster aus sah, war eher unspektakulär, halt der normale Verkehr in der Innenstadt von Köln. Er füllte Wasser in seine Kaffeemaschine und gab Pulver in den Filter. Den Rest besorgte die Technik. Aus seinem Brottopf nahm er den Laib Brot und legte ihn auf das Holzbrett. Lächelnd zog er das gewaltige Brotmesser aus dem gut gefüllten Messerblock, in dessen glänzendem Stahl sich sein Gesicht spiegelte. Vorsichtig schnitt er sich zwei Scheiben Brot ab, schmierte Butter darauf und belegte sie mit gekochtem Schinken. Er füllte seinen großen Becher mit Kaffee, gab Milch dazu und setzte sich an seinen kleinen Küchentisch. Mit Heißhunger biss er in sein Brot und kaute das abgebissene Stück gut durch. Dabei schaute er gegen die Küchenwand. Allerlei Bilder aus verschiedenen Zeitepochen seines Lebens hingen daran, in billige Glasrahmen eingepfercht. Das Bild seiner Mutter, das ganz links die Wand verzierte, zeigte sie kurz vor ihrem Tod im letzten Jahr. Sein Vater war bereits vor drei Jahren verstorben. Auch die Bilder von ihm hatte Hannes aufbewahrt. Er war als einziges noch lebendes Mitglied der Familie Baumgart übriggeblieben.

Langsam erhob er sich von seinem Stuhl und wiederholte den Vorgang, sich ein weiteres Butterbrot zu zelebrieren. Er wischte seine Hände an einem Küchenhandtuch ab und griff nach dem schon etwas vergilbten Album. Stets im Wechsel schlug er eine Seite auf und biss in sein Brot. Hannes Baumgart musste lachen, als er sich im Alter von sechzehn Jahren in kurzen Hosen erkannte, wie er vor der Sakristei auf dem Geländer saß. Dieses Bild entstand kurz nachdem der Pfarrer auf bisher ungeklärte Weise ums Leben gekommen war. Hinter vorgehaltener Hand wurde getuschelt, den Pfarrer hätte ein gehörnter Ehemann aus Eifersucht im Güllebecken des Dorfes ertränkt. Hannes lächelte und blätterte weiter. Er weinte diesem Schwein keine Träne nach. Noch am Morgen seines sechzehnten Geburtstages hatte der alte Pfarrer bei seinen Eltern angerufen und kundgetan, dass er für ihren Sohn ein Geburtstagsgeschenk bereithielt. Er müsse nur noch seiner Pflicht als Messdiener bei der Abendmesse nachkommen, dann könnte er ihm das Geschenk geben. Ahnungslos war er in die Sakristei gegangen. Wie gewöhnlich hatte er sein Gewand angelegt und andächtig als Messdiener die Abendmesse gedient. Nach der Messe hatte der Priester ihn in seine Wohnung gelockt. Er hatte ihm Wein zum Probieren gegeben, den er offensichtlich mit KO-Tropfen versetzt hatte. Noch während Hannes mit der beginnenden Ohnmacht kämpfte, vergewaltigte er den Jungen. Als Hannes aufwachte, schenkte er ihm noch zehn Mark zum Geburtstag und schickte ihn nach Hause. Es brauchte Tage, bis er wieder richtig sitzen konnte. Hannes griff nach dem Brotmesser und stach es beherzt und voller Hass in sein Frühstücksbrett. Auf der nächsten Seite fand er Fotos von seinen Eltern mit ihm und dem neuen Pastor. Dieser hatte Hannes eine Lehrstelle als Zimmermann besorgt. Überhaupt war dieser Kirchenmann sehr beliebt. Er half den Menschen im Dorf, wo er konnte und so mancher arme Dorfbewohner erhielt durch den Pfarrer einmal am Tag eine warme Mahlzeit. Hannes war nach der Lehre in Richtung Köln losgezogen. Dank eines Empfehlungsschreibens seines Dorfpfarrers erhielt er dort eine Anstellung als Zimmermann beim Generalvikariat und reparierte seitdem alle möglichen Defekte an jeglichen hölzernen Gewerken in der ganzen Umgebung bis hin zu den Klöstern im Rheinland. Nur um die Schwarzkittel, wie er die Kirchenmänner stets bezeichnete, machte er einen großen Bogen.

Karin Weber war mehr als zufrieden mit den Ergebnissen, die ihr das Team zu den neuen Fällen präsentierte. Ein Fall stand kurz vor dem Abschluss. Bei dem zweiten Fall schien die Aufklärung auch nur noch wenige Tage in Anspruch zu nehmen. Sie legte sich in ihrem Stuhl zurück und schaute wieder auf das leere Whiteboard. Doch es blieb leer. Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. „Wir haben eine Leiche im Garten von Kloster Heisterbach. Bist du dabei?“ „Ja, natürlich, wenn ihr mich mitnehmt.“ „Machen wir, Karin. Wir treffen uns am Wagen in der Bereitschaft.“ Erst jetzt bemerkte Karin, dass sie sich noch keine neue Dienstwaffe hatte geben lassen. Dafür war es jedoch nun zu spät. Sie nahm die beiden Treppen unter ihre Sneakersohlen und lief in die Bereitschaft, wo Olaf und Theo bereits im Wagen auf sie warteten. Olaf setzte gleich das Blaulicht auf das Mondeodach. Mit quietschenden Reifen fuhren sie davon. „Wo fahren wir genau hin, Olaf?“ „Zum Kloster Heisterbach. Die Kollegen des Rhein-Sieg-Kreises haben uns um Unterstützung gebeten. Wie es scheint handelt es sich um einen Ritualmord. Muss ein hässlicher Anblick sein. Genaues weiß ich leider auch noch nicht. Ernst Brandt ist ebenfalls mit seinem Team von der Gerichtsmedizin und der Spurensicherung zum Fundort der Leiche aufgebrochen.“ „Ernst hat dich hier dienstlich sehr vermisst.“ „Das hat er mir erzählt, der alte Leichenfledderer. Er hat mir mit langen Gesprächen und viel Zuhören sehr gut getan.“ Gute vierzig Minuten drosch Olaf den Ford über die A3 und die kurvenreichen Landstraßen, bis sie die Einfahrt zum Kloster Heisterbach erreichten. „Irgendwie machen mir Klöster immer Angst. Alles ist düster und sagenumwoben.“ „Ach, Frau Weber, da müssen Sie drüber stehen. Trösten Sie sich einfach damit, dass viele der griechischorthodoxen Klöster in meiner Heimat zumeist noch unheimlicher wirken.“ „Ich weiß nicht, der Klerus an sich bereitet mir schon Unbehagen.“ Karin und ihre beiden Kollegen stiegen aus dem Dienstwagen. Sofort eilten ihnen einige Männer entgegen. „Weber, guten Tag. Ich bin die Leiterin der Kölner Mordkommission. Das sind meine Kollegen Salcher und Zerfakis. Was liegt an?“ „Guten Tag, Frau Kollegin. Hauptkommissar Hansen, mein Kollege Schmitt und Pater Franziskus, der Abt des Klosters. Heute gegen 15:00 Uhr fanden Wanderer die grässlich entstellte Leiche eines Klosterbruders. Sein Name lautet Bruder Andreas.“ Noch während Hauptkommissar Hansen weiter die Fakten erläuterte, rauschten zwei zivile VW-Busse heran und bremsten vor der Ermittlergruppe scharf ab. Der Gerichtsmediziner Ernst Brandt entstieg als Erster dem Führungswagen und lief gleich auf Karin zu. „Kaum bist du wieder in Amt und Würden sterben Menschen einen fürchterlichen Tod. Hallo, Karin“, lächelte er seine liebste Kollegin an und drückte sie kurz.“ Hallo, Ernst, schön dass wir wieder zusammenarbeiten können.“ Es folgte das übliche sehr kurze Begrüßungsnicken der anderen Kollegen.

Hansen hatte aufgegeben, weiter zu erklären, weil er ohnehin nicht mehr zu Wort kam. Die Fragen stellte nun Karin. „Herr Franziskus“. „Bruder Franziskus. Man sagt Bruder Franziskus, wenn man mit einem Klosterinsassen spricht. Man nennt seinen Vornamen und setzt einfach Bruder davor. Sie scheinen mir nicht katholisch zu sein?“ Karin ließ sich während ihrer Ermittlungsarbeit ungern unterbrechen und konterte entsprechend. „Fehlt mir jetzt deshalb die Qualifikation, den Fall zu bearbeiten? Aber zu Ihrer Beruhigung, Pater, ich bin katholisch, wenn auch schon lange nicht mehr praktizierend. Gott hat mich vor langer Zeit vergessen. Also, Bruder Franziskus.“ Wieder unterbrach der Abt Karins Befragung. „Gott vergisst Niemanden. Vielleicht haben ja auch Sie sich von ihm abgewendet.“ „Wollen Sie mich jetzt hier bekehren oder dürfen wir den Mord an Ihrem Klosterbruder aufklären?“ Karin wurde immer gereizter. Um die angespannte Situation zu entschärfen, ging Olaf Salcher geschickt dazwischen. „Wo können wir uns den Tatort ansehen?“, fragte er den Abt, der sogleich reagierte. „Kommen Sie bitte mit.“ Ein ganzes Stück lang folgten sie dem Leiter des Klosters auf einem Kiesweg zur Ruine der ursprünglichen Klosterkirche, die 1809 zum Abbruch freigegeben wurde und von der nur ein Halbrund des Kirchenschiffes zur Besichtigung übrig geblieben war. Martialisch ragten die Mauerreste hoch in den Himmel. Obwohl es noch früh am Nachmittag war, verschwand die Sonne hinter großen Bäumen und den schaurigen Mauerresten des einstmals gewaltigen Bauwerks. Modrige Luft schlug ihnen entgegen, obwohl die Ruine nach allen Seiten offen stand. Wasser tropfte von den mit allerlei Grünzeug überwucherten Mauern. Karin lief neben Olaf Salcher und dem Abt den Weg entlang. Den ersten Hinweis auf den sich ganz in der Nähe befindlichen Fundort der Leiche nahm Karin bereits ohne etwas gesehen zu haben akustisch wahr. Diese eindeutigen Geräusche hatten sich ebenso in ihr Hirn eingebrannt wie auch der noch zu erwartende Gestank nach Eisen und Kupfer, der stets von Blutlachen ausging. Es war das Szenario des Todes. Niemand bemerkte, dass Karin zu zittern begann. Sie ließ sich nichts anmerken. Allmählich gesellte sich auch noch der Gestank zu dem ohrenbetäubenden Lärm, den Hunderte Fliegen erzeugten, die sich gerade ein Festmahl gönnten. Karin begann kräftig ihre Zehen zu bewegen. Dies hatte ihr bisher immer geholfen, wenn sie eine Leiche betrachten musste. Ohne Zögern bogen sie noch einmal links ab und schon standen sie vor dem Felsbrocken, auf dem der Täter Pater Andreas gefesselt abgelegt hatte. Kurz bevor Karins Knie nachgaben, griff unbemerkt Ernst Brandt zu und verhinderte, dass sie hinfiel. „Vorsicht, Karin, die Steine hier sind sehr glitschig. Fall mir nicht hin.“ Damit konnte der erfahrene Gerichtsmediziner umgehen, dass alle übrigen Ermittler bemerkten, dass Karin die Erlebnisse ihres letzten Falles doch noch nicht ganz überwunden hatte. Zum Glück war Karin zäh und fing sich sofort. Ernst Brandt übernahm die Regie. „Bitte treten Sie nicht näher an die Leiche heran. Sie verwischen mir sonst alle Spuren.“ Das Team von Ernst Brandt schlüpfte bereits in Schutzanzüge und bereitete sich auf seine Arbeit vor. Von überall war das Klicken und Klacken von Kofferverschlüssen vernehmbar. Der Anblick war einfach nur grauenhaft und entwürdigend.

Als beste Ablenkung erschien Karin, sich in die Arbeit zu stürzen und so gab sie gleich die nötigen Anweisungen. „Herr Zerfakis, Sie befragen alle Mönche und Angestellten der Klosteranlage, wo sie sich in den letzten 24 Stunden aufgehalten haben und ob es Zeugen dafür gibt. Weiter bringen Sie bitte in Erfahrung, ob sich Ortsfremde hier herumgetrieben haben oder ob gar unbekannte Fahrzeuge die Wege des Klosters befahren haben. Na, Sie wissen schon. Olaf und ich sprechen noch mal mit dem Abt.“ Obwohl sie jetzt ihre Leute eingeteilt hatte, musste sie doch immer wieder zu dem Toten hinschauen. Bruder Andreas lag rücklings auf einem großen Steinquader, Hände und Füße zusammengebunden. Er lag gebogen auf dem Stein, ein Anblick wie Kinder, die beim Turnen eine Brücke machen. Aus dem Mund des Toten ragte eine mittelgroße Salatgurke, die beinahe bis zur Hälfte in seinem Rachen steckte. Der Mörder hatte dem Klosterbruder die Kutte bis zum Bauchnabel hochgeschoben, ihm die Unterhose heruntergezogen und seine Genitalien komplett abgetrennt. Karin musste immer wieder auf die in den Himmel starrenden Augen schauen, die Ernst nach kurzer Inaugenscheinnahme für immer verschloss. „Kein schöner Anblick.“ „Da gebe ich dir Recht, Ernst. Was haben wir bisher an Ergebnissen?“ „Das ist leicht zusammengefasst, Karin. Bruder Andreas, 56 Jahre, verstarb vermutlich durch Ersticken oder durch Verbluten. Todeszeitpunkt zwischen Mitternacht und fünf Uhr in der Früh. Der Täter muss sehr kräftig gewesen sein, dass er den Pater in diese sehr ungewöhnliche Position gelagert bekommen hat. Genaues kann ich dir erst sagen, wenn ich die Obduktion durchgezogen habe.“ „Der Täter wollte sein Opfer bewusst leiden lassen. Ich glaube nicht an einen Ritualmord. So wie es aussieht wollte sich jemand an dem Klosterbruder rächen. Zugegebenermaßen eine gewagte Behauptung, aber du bist die Ermittlerin, Karin.“ „Aus welchem anderen Grund sollte ein Mörder diesen doch ziemlich kräftigen Mann in dieser sehr ungewöhnlichen Lage getötet haben. Der Mörder hat für etwas Rache genommen. Anders kann ich mir das nicht erklären.“ „Lass mir Zeit bis übermorgen, Karin. Dann weiß ich definitiv mehr.“ Ernst Brandt nahm Karin zur Seite. „Du hast für heute genug Tatort gesehen, Karin. Den Rest machen wir hier.“ „Ja, ich geh jetzt ins Haupthaus und führe weitere Befragungen durch.“ Karin winkte kurz zum Abschied. „Komm, Olaf, wir befragen noch einmal den Abt.“ „Karin?“ „Was ist, Olaf?“ „Lass dich nicht in klerikale Diskussionen mit dem Abt ein und bleib sachlich.“ „Ja, keine Sorge, Olaf. Er wird mich schon nicht der Inquisition übergeben.“

Hannes Baumgart hatte sich für heute frei genommen, was aber nicht hieß, dass er im Notfall sofort einsprang, wenn seine Kenntnisse und sein Sachverstand benötigt wurden. Zwar war dies nur sehr selten der Fall, schließlich war er ja kein Klempner, der bei jedem Wasserrohrbruch gerufen wurde. Aber es gab auch schon mal Notfälle, die nur er beheben konnte wie kürzlich eine zusammengebrochene Holztreppe in einer Kirche, die hoch zur Empore der Orgel führte. Hier war das heilige Hochamt in Gefahr gewesen, weil der Organist nicht mehr sein Instrument erreichen konnte. Nachdem man Hannes zu Hilfe gerufen hatte, konnte er in kurzer Zeit den Zugang behelfsmäßig reparieren und somit die Messe retten. Der Pastor baute sogar ein paar Worte zum Dank dafür in seine Predigt ein, was Hannes sehr stolz machte. Doch heute war Montag und ein zum Ausfallen bedrohtes Hochamt nicht zu erwarten. Weil er endlich mal Zeit für sein Hobby haben wollte, spülte er rasch ab. Er ließ noch eine Katzenwäsche folgen, schlüpfte in seinen Blaumann und verließ seine Wohnung. Mit dem Fokuskombi fuhr er zu der kleinen Werkstatt des Bistums im Gewerbepark Gremberghoven. Er bog gleich in den Innenhof hinein und verschloss sofort wieder das große Tor. Keiner seiner Kollegen, die hier ebenfalls ihre Werkstätten betrieben, wie die Elektriker, die Schlosser und Installateure waren vor Ort. Morgen musste auch er wieder raus fahren. Diesmal zu St. Agnes, um dort das marode Geländer der Kanzel zu erneuern, damit der Pfarrer nicht herunter fiel, wenn er Sonntag dort die Messe hielt. Das war leicht zu schaffen. Er hatte schon alle Teile vormontiert und beabsichtigte, Mittwoch fertig zu werden. Jetzt aber schaute er sich um, ob ihn jemand beobachtete. Da dies nicht der Fall war, öffnete er die von ihm selbst angefertigte Geheimtüre, die ihn in einen separaten Raum führte, wo er ungestört hantieren konnte.

4

Karin und Olaf vernahmen noch einmal den Abt des Klosters, während Theodorakis Zerfakis mit allen Mönchen und Angestellten sprach, die sich am Abend wie auch in der letzten Nacht im Kloster aufgehalten hatten. Doch das Ergebnis war wenig aufschlussreich. Während der Fahrt zurück nach Köln ins Präsidium zogen sie eine erste Bilanz. „Wenn ich die Vernehmungen betrachte, ist nichts Hilfreiches dabei herausgekommen“, äußerte der junge Polizeikommissar. „Wir haben nicht annähernd einen Verdächtigen. Das Einzige, was nicht so ganz schlüssig erscheint ist, dass unser Toter nicht besonders beliebt war bei seinen Klosterbrüdern.“ „Wie kommen Sie darauf?“ „Nun, keiner seiner Klosterbrüder hat wirklich etwas Schlechtes über Bruder Andreas gesagt, aber irgendetwas wird hier verschwiegen.“ „Wie meinen Sie das, Herr Zerfakis?“ „Ich kann es nicht wirklich erklären, aber wenn ein beliebter Arbeitskollege durch Mord zu Tode kommt, ist man doch irgendwie betroffen oder auch traurig. Aber wirkliche Anteilnahme zeigte keiner der anderen Klosterbrüder.“ „Dann hat dieser Andreas wohl ein Geheimnis, hinter das wir kommen müssen. Bleiben Sie da dran, Herr Zerfakis. Befragen Sie morgen noch mal den Abt. Vielleicht erfahren Sie ja etwas von ihm, was wir noch nicht wissen.“ Olaf Salcher hatte den Dienstwagen auf dem Parkplatz in der Fahrbereitschaft abgestellt. Müde und ein wenig unzufrieden mit den Ergebnissen der ersten Ermittlungen trotteten die drei Mitglieder der Mordkommission in ihre Büros. „Es ist schon wieder kurz nach achtzehn Uhr. Ich haue ab.“ „Alles klar, Olaf. Wir sehen uns morgen. Schönen Feierabend.“ „Dir auch, Karin.“ „Ich bin auch weg, Frau Weber. Bis morgen.“ „Ihnen auch einen schönen Feierabend, Herr Zerfakis.“ Karin verschloss ebenfalls ihr Büro und lief zu ihrem weißen Mustangcabriooldtimer, der offen im Parkhaus der Mitarbeiter schon sehnsüchtig auf sie zu warten schien. Weil ihr Cabrio noch aus einer Zeit stammte, wo man elektrisch betriebene Dachkonstruktionen im Fahrzeugbau noch nicht kannte, ließ sie das Dach stets offen, wenn sie den Wagen im Präsidiumsparkhaus abstellte. Der Kraftaufwand war stets ordentlich, wenn sie das Dach öffnen wollte. Mit Schwung warf sie sich hinter das große, weiße Volant ihres Mustangs, das in der Mitte mit dünnen Chromstreben verziert war, die zur Betätigung der Hupe dienten. Das Einzige, das Karin ausgetauscht hatte, als sie den Wagen damals erstand, war die Hifianlage. Autofahren und dabei gute Musik genießen war für sie ein must have. Karin startete den Wagen, der wie gewöhnlich selbst bei höheren Außentemperaturen etwas Zeit benötigte, bis alle Zylinder sauber liefen. Als sie dann das sonore Blubbern ihres V-Acht vernahm, gab sie Gas. Weil es doch schon empfindlich kalt war, drehte Karin den Heizungsregler auf volle Leistung. Es würde wohl die letzte Fahrt mit geöffnetem Dach in diesem Jahr werden, da die Jahreszeit bald nur noch Regen, Schnee und Kälte zu präsentieren hatte, ging es Karin durch den Kopf. Sie schaltete den CD-Player ein und erfreute sich an „Satisfaction“ von den Stones.

Als sie in die Einfahrt zu ihrer Garage einbog, erkannte sie den Golf von Asli Bülent, ihrer Lebensgefährtin, den sie gegenüber am Straßenrand abgestellt hatte. Per Knopfdruck verschloss Karin das Garagentor und betrat ihr mit viel Liebe hergerichtetes Elternhaus, das sie nach dem Tod ihrer Mutter komplett renoviert hatte und nun gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin bewohnte. „Hallo, jemand zu Hause?“, rief sie, während sie ihre dicke Daunenjacke an den Haken der Garderobe hängte. Asli Bülent, die Deutsch-Türkin, die als Leiterin einer Sonderkommission des LKA in Düsseldorf arbeitete und mit Karin den schweren, letzten Fall zusammen gelöst hatte und dabei beinahe selbst zu Tode gekommen war, erhob sich vom Sofa und lief auf sie zu. „Hallo, mein Schatz, das war aber ein verdammt langer erster Arbeitstag nach so langer Pause. Geht es dir gut?“ „Hallo, Asli, es war nicht nur ein langer Arbeitstag. Ich schlage mich gleich wieder mit einem scheinbar schwierigen Mordfall herum.“ „Komm erst mal herein und setz dich. Ich habe uns etwas gekocht.“ „Ich zieh mir rasch meine Klamotten aus.“ „Alle?“ „Möchtest du, dass ich nackt mit dir speise?“ „Das wäre schon richtig geil. Dann könnte ich das Rindergulasch von deinem Körper schlecken.“ „Also dafür sollte ich vorher besser unter die Dusche springen.“ Die beiden Frauen mussten lachen. Karin verschwand im Schlafzimmer und schlüpfte in ein Sweatshirt und eine Jogginghose. Aus der Küche drangen Geräusche an ihr Ohr, die auf geschäftiges Kochen schließen ließen. Der Duft des offensichtlich gut gewürzten Gulaschs ließ Karin das Wasser im Munde zusammen laufen. So spritzte sie sich zum Auffrischen nur etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Schnellen Schrittes eilte sie die Treppe herunter und nahm sofort am eingedeckten Tisch Platz. Asli balancierte derweil die Terrine mit dem Gulasch ins Esszimmer und ließ noch den Topf mit den dampfenden Nudeln folgen. „Jetzt essen wir erst mal in Ruhe und dann erzählst du mir was gelaufen ist.“

Ein wenig hatte Hannes Baumgart die Zeit vergessen, was nicht neu für ihn war, wenn er in seiner geheimen Werkstatt vor sich hin werkelte. Als er gegen siebzehn Uhr im Hof Geräusche von eintreffenden Fahrzeugen vernahm, verließ er rasch sein Versteck und gesellte sich zu den anderen Handwerkern, die müde von ihren Baustellen zurück kamen und sich auf ihren Feierabend freuten. Hannes plauderte noch ein wenig mit ihnen. Es machte noch der ein oder andere derbe Handwerkerwitz die Runde, bis seine Kollegen beschlossen, nach Hause zu fahren. „Fahrt ruhig schon heim. Ich mache hier noch klar Schiff und schließe ab“, rief er den übrigen Jungs zu, die sein Hilfsangebot mit Freude annahmen und nacheinander verschwanden. Schon war es wieder ruhig auf dem Werkstattgelände. Hannes verschloss das Tor - allerdings von innen - und ging gleich wieder in seine Werkstatt. Sogleich füllte er sich einen Liter reinen Alkohols aus dem kleinen Fässchen in eine Limonadenflasche ab, den er normalerweise zum Entfetten von Metallteilen verwendete. Er schaute sich noch mal um, ob die Luft rein war und verschwand wieder in seinem Reich. Erst als es schon dunkel geworden war, verließ er sein kleines Refugium und fuhr nach Hause.

„Boh, bin ich jetzt satt. Wenn wir weiter so reinhauen und du so lecker kochst, platzen wir bald aus unseren Klamotten. Wollen wir nach dem Abwasch noch etwas durch die Felder laufen?“ „Ja, das können wir machen. Tut uns sicher gut. Jetzt erzähl aber mal, was war denn bei dir in der Abteilung so los während du fort warst?“ „Der Präses hat den Laden ein wenig umgestaltet. Er hat sich eine weitere Stelle für das Kommissariat bewilligen lassen und sofort einen jungen Kollegen von der Polizeischule angefordert. Ist ein nettes Kerlchen, Grieche, schlank, mittelgroß und ganz sicher nicht dumm. Er hat einen Einserabschluss hingelegt und sich wohl gleich gut eingefügt. Olaf geht nach Münster und wird dort Leiter der Mordkommission. Ich kann ihn gut verstehen, dass er diese Chance ergriffen hat. Er ist dort geboren und kann endlich die Karriereleiter hochklettern. Weil Edith noch ein paar Dienstjahre und entsprechende Laufbahnlehrgänge fehlen, muss ich mir jetzt eine andere Stellvertreterin suchen. Der Präses erwartet da ganz schnell einen Vorschlag und natürlich eine Entscheidung von mir.“ Asli saß ganz still mit angezogenen Beinen auf ihrem Stuhl. Sie hatte ihr Kinn auf die Knie gelegt und beobachtete ihre große Liebe. „Tja, und dann der neue Fall heute.“ Karin erzählte Asli alles, was sie über den aktuellen Mordfall wusste und was für ein ekelerregender Anblick ihr gleich am ersten Tag geboten wurde. „Ist ja widerlich! Also nicht, weil es männliche Genitalien sind, die abgeschnitten wurden. Ich denke nur, was da wieder für ein Irrer am Werk ist.“ Asli legte ein wenig den Kopf auf die Seite und schaute Karin direkt in die Augen. „Du, Karin, ich könnte deine Stellvertreterin werden.“ „Das habe ich ja noch nie gehört, dass eine LKA-Tussi zurück in ein profanes Kommissariat gehen möchte!“ „Sie haben mich gefeuert, Karin.“ „Sie haben was?“ „Also nicht im Sinne von rausgeworfen. Ich behalte meinen Dienstgrad als Hauptkommissarin und meine Gehaltsstufe, aber die Leitung der Soko Mord im LKA mit allen Zulagen wurde mir aberkannt. Man hat mir dringend angeraten, mir ganz schnell einen anderen Job in irgendeiner Polizei-Dienststelle zu suchen. Falls ich das nicht mache, werde ich nach Bedarf versetzt. Also irgendwohin, wo gerade eine Planstelle für einen Hauptkommissar frei ist und das Bundesland unabhängig.“ „Aber wieso wurde so entschieden?“ „Weil ich bei der Lösung unseres gemeinsamen Falles zum Schluss auf eigene Faust gehandelt habe und damit mich und auch andere Kollegen in eine lebensgefährliche Situation gebracht hätte.“ „Das heißt, du liegst mir