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In der Nacht vor Weihnachten hat der Papst einen schrecklichen Traum. Der Teufel steht vor seinem Bett und führt ihn in Versuchung. Oder ist es gar kein Traum? Steht da wirklich und seinem Namen alle Ehre machend der Leibhaftige? Mit der erzählerischen Raffinesse, der spitzen Feder und dem Sinn für Humor, für den der Autor aus der Schweiz berühmt ist, lässt Charles Lewinsky in seiner Satire die ranghöchsten Autoritäten unterhalb des Herrgotts gegeneinander antreten. Die Spritztour ist ein amüsantes und großartiges Lesevergnügen - und eine unwiderstehliche Versuchung für jeden Leser, welcher Religion er auch angehören mag.
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Seitenzahl: 36
Nagel & Kimche eBook
Charles Lewinsky
Der Teufel
in der Weihnachtsnacht
Nagel & Kimche
Neuausgabe. © 2011/2010 Nagel & Kimche
im Carl Hanser Verlag München
Herstellung: Andrea Mogwitz und Rainald Schwarz
Satz: Gaby Michel, Hamburg
ISBN 978-3-312-00532-1
Datenkonvertierung eBook:
Kreutzfeldt digital, Hamburg
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Schwester Innocentia war schuld.
Aus ihrem deutschen Stammkloster schon vor langen Jahren nach Rom entsandt und bei aller Begeisterung für die Heilige Stadt immer noch von kulinarischem Heimweh geplagt, hatte sie eine Mischung aus Panettone und Dresdener Christstollen kreiert, die mehr magenbeschwerende Köstlichkeiten enthielt, als der Kirchenkalender Heilige zählt. Und sie hatte, die Gewohnheiten und Schwächen ihres Dienstherrn wohl kennend, gestern Abend einen verführerischen Teller davon auf seinem Kopfkissen, direkt unter dem Kruzifix, plaziert. Er hatte der Verführung nicht widerstehen können.
Der Papst rieb sich ächzend den Magen. Jedes Jahr nahm er sich vor, fit und rank in den berufsbedingten Weihnachtsstress zu gehen, und jedes Jahr kam ihm Schwester Innocentias original Dresdener Christpanettone dazwischen. Er beschloss, ihr ein hübsch gerahmtes handgeschriebenes Vaterunser unter den Weihnachtsbaum zu legen, die Worte «… und führe uns nicht in Versuchung» rot unterstrichen. Er tastete nach dem Notizblock, der immer auf dem Nachttisch bereitlag, und fasste in einen Teller voller Puderzuckerreste und Mandelsplitter.
Der Gummizug seiner Pyjamahose spannte unangenehm über seinem von kandierten Früchten, Marzipan und Rosinen geblähten Bauch. Vielleicht hatte Schwester Innocentia doch recht mit ihrer Ansicht, ein Pyjama sei kein passendes Kleidungsstück für einen Papst. Sie versuchte schon seit Jahren, ihn zu langen weißen Nachthemden zu überreden. Aber die waren ihm immer den Hängerchen zu ähnlich gewesen, die er in der Öffentlichkeit tragen musste.
Von einem Kirchturm schlug es drei. Eine zweite Glocke stimmte ein, eine dritte und eine vierte. Das ist das Unangenehme an einer Wohnung im Vatikan: Wenn man hier wach im Bett liegt, wird man von allen Seiten daran erinnert, zu welch unchristlicher Stunde man sich immer noch ruhelos von einer Seite auf die andere wälzt. ‹Unchristlich darf ich in diesem Zusammenhang gar nicht denken›, dachte der Papst und schlummerte für zwei Minuten ein.
Diesmal waren es die Krümel, die ihn weckten. Durch irgendeine Perfidie in Schwester Innocentias Weihnachtsrezept waren sie besonders scharfkantig geraten, und ein paar von ihnen hatten sich, mit der sadistischen Treffsicherheit von Folterknechten, die einen urchristlichen Märtyrer seiner Heiligsprechung entgegenquälen, an besonders empfindlichen Stellen innerhalb des päpstlichen Pyjamas eingenistet. «Der Teufel soll sie holen!», murmelte der Papst und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Der Teufel fuhr einen roten Ferrari. Feuerwehrrot ist die Lieblingsfarbe aller infernalischen Geschöpfe. Sie werden gern daran erinnert, dass sie über ein Feuer verfügen, das auch der modernste Spritzenwagen nicht löschen kann. Aber warum gerade ein Ferrari? Warum nicht? Auch der Papst ist ja meistens ein italienisches Modell.
Dass es sich um den Teufel handeln musste, merkte man nur schon daran, dass er mit Vollgas durch die engsten römischen Straßen brettern konnte, ohne auch nur ein einziges Mal im Stau stecken zu bleiben. An den Schweizergardisten war er vorbeigekurvt, bevor die auch nur daran denken konnten, das Posieren für die knipsenden Touristen einzustellen und ihre Hellebarden als Straßensperre einzusetzen. Mit satanischer Rücksichtslosigkeit stellte er den Wagen direkt neben dem Haupteingang auf dem Parkplatz ab, der eigentlich für den Kardinal-Staatssekretär reserviert war. Ein echter Teufel schreckt vor keinem Sakrileg zurück.
Man erkennt die Bewohner der Hölle schon lange nicht mehr an irgendwelchen Bocksfüßen, und es ist auch vergebliche Liebesmüh, in der Hose ihres Maßanzugs einen sorgfältig versteckten Ringelschwanz entdecken zu wollen. Das einzige Requisit, das sie nach moderner höllischer Etikette immer bei sich zu tragen verpflichtet sind, ist ein Aktenköfferchen. Teufel sehen aus wie Versicherungsvertreter. So verschieden sind die beiden Berufsgattungen ja auch nicht: Beide haben sich darauf spezialisiert, Policen für das Paradies auszustellen und das feurige Schwert ins Kleingedruckte wegzumogeln.
Der Teufel, der den Papst besuchen kam, teilte mit einem guten Versicherungsvertreter noch eine weitere Fähigkeit: die Gabe, sich chamäleonartig jeder Umgebung anzupassen und dadurch