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In diesem teils autobiografischen Buch geht es um Fragen wie: Der Tod - Schicksal, Bestimmung oder was? Gibt es wirklich eine Nahtod - Erfahrung? Was ist Seele und wo wohnt sie? Was kommt danach? Die Autorin möchte auf Grund eigener Erfahrung ermutigen, sich schon zu Lebzeiten mit dem ungeliebten Thema TOD zu beschäftigen. Er wird immer noch gern totgeschwiegen. Für Renate Tibus ein großer Fehler, denn - niemand kommt lebend davon. Es geht auch um die Trauer. Sie verjährt nie und die Zeit heilt keine Wunden. Es geht um die Kunst, weiterleben zu können, wieder fröhlich sein zu dürfen. Gehen Sie doch mit der Bestattung neue, eigene Wege. Der Tod ist bunter geworden. Gut für die Seele.
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Seitenzahl: 86
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Renate Tibus wurde 1948 als ,Besatzungskind' in Bremerhaven geboren.
Schon als Jugendliche führte sie einen erbitterten Kampf um ihre Würde und Anerkennung. Geprägt durch ihr eigenes Schicksal als Inkognito-Pflegekind engagierte sie sich in der Selbsthilfegruppe Schattenkind in Bremen für Betroffene auf der ganzen Welt.
Seit 1994 arbeitete sie in einer Bremer Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. 2005 kehrte sie nach Bremerhaven zurück und schrieb ihre Autobiografie mit dem Titel
„Meine Würde kriegt ihr nicht"
um zu zeigen, dass es lohnt, an sich zu glauben und gegen alle Widerstände für ein selbstbestimmtes Leben zu kämpfen. Das Buch erschien 2020 im BoD Verlag.
Ihr zweites Buch mit dem Titel
„Der Mensch an sich ist wunderbar, so mancher jedoch wunderlich"
erschien 2021 im Kellner Verlag und ist ein Mix aus erfrischend-heiteren Kurzgeschichten, Anekdoten und grotesken Erlebnissen aus unserem chaotischen Alltag.
Verehrte Leser,
fragen Sie sich, warum ich dieses Buch geschrieben habe und warum Sie es lesen sollten?
Ich sag's Ihnen.
Jeder Mensch verliert irgendwann irgendwo auf irgendeine Art und Weise irgendjemanden.
Jahre nach dem plötzlichen Tod meines Sohnes habe ich mich entschlossen, meine Erlebnisse, Erfahrungen, Gefühle, Gedanken, meine Meinungen und Erkenntnisse auf zu schreiben und Sie können mir glauben: Der Anfang dieses Buches war ein einziger Schmerz und jeder Buchstabe eine Träne.
Es heißt, nichts ist schlimmer, als sein Kind zu verlieren. Ja - der Verlust des eigenen Kindes, egal wie alt es ist, ist die grausamste Begegnung mit dem Tod.
Seit dem 21. Mai 2012 kann ich das bestätigen. An jenem Montagmorgen starb mein Sohn Michael ganz plötzlich und völlig unerwartet.
Er wurde nur 45 Jahre alt.
Egal, wie Sie verehrter Leser dazu stehen, es scheint unerlässlich, sich schon zu Lebzeiten mit dem Thema Tod zu beschäftigen, auch mit dem eigenen, denn keiner ist vor ihm sicher.
In diesem Buch gibt es keine Inhaltsangabe, sondern nur eine thematische Orientierungshilfe.
Ich gendere nicht, denn gendern wird nix ändern. Mir sind alle Menschen gleich wichtig.
Sollten Sie in meinem Werk den einen oder anderen natürlich unbeabsichtigten Fehler oder Unebenheit entdecken, betrachten Sie ihn einfach als meine künstlerische Freiheit.
Montag - 21. Mai 2012
Traueranzeige für meinen Sohn
Ursprung von Todesmitteilungen im frühen Mittelalter
Ursprung der Trauerkarten im 19. Jh
.
Warum hab' ich dieses Buch geschrieben?
Vorbereitungen für unseren Abschied
Opa ist ,eingeschlafen'
Geben Sie der Trauer einen Ort
Tag unserer Trauer-Zeremonie
Endgültiger Abschied auf See
Die Trauerphasen und neue Erkenntnisse
Welt der Lebenden und der Toten
Deutsche Trauerkultur - da geht noch was
Männer trauern anders
Schlachtruf LOSLASSEN
Deutsche Trauer-Traditionen damals
Trauerjahr und Trauerkleidung
Meine neue Zeitrechnung Trauern ist harte Arbeit
Meine psychologische Betreuung
Kreative Rituale-Ventile zur Trauerbewältigung
Verändern Sie etwas
Der Verlust und die Fragen danach
Kindergedanken über den Tod
Ansicht der Philosophen
Faszination Seele - was ist sie und wo wohnt sie
Aristoteles hatte eine Erkenntnis
Wie viel wiegt die Seele?
Was sind
alte Seelen?
Andere Religionen
Was ist nun mit Karma?
Nahtod-Erfahrung und Bericht einer Neunjährigen
12 Jahre später - was hat sich geändert?
Trauer bleibt eine Lebensaufgabe
Ein wahres Erlebnis und was sagt es uns?
Sich frühzeitig mit dem Tod beschäftigen und
Mut für Veränderungen Ich bin dankbar für
...
Mein ganz persönliches Gedicht
Vormittags gegen 10 Uhr. Es klingelt.
Durch den Tür-Spion ist niemand zu sehen.
Ich nehme den Hörer der Klingelanlage ab.
„Ja bitte?"
Ich höre eine Männerstimme:
„Hier ist die Polizei, können Sie bitte öffnen?
Blitzschnelle Gedanken schießen durch meinen Kopf. Vielleicht braucht ein Nachbar Hilfe. Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert...
Dieser Gedanke verfliegt blitzartig, als die Stimme die Frage nachschiebt:
„Können wir 'rauf kommen? "
Kurze Schrecksekunde - oder zwei, drei...
,, Jaaa ..."sage ich etwas gedehnt,
„... ganz nach oben in die sechste Etage bitte"
und drücke auf den Türöffner. Meine anfängliche Verwunderung steigert sich. Unruhe macht sich in mir breit. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was das zu bedeuten hat. Da der Fahrstuhl des Hauses sehr gemächlich ist, habe ich einen Moment zum Nachzudenken.
Ein nächster Gedanke durchfährt mich: Meine drei Männer - meine Söhne Michael und Oliver und mein Lebensgefährte Klaus. Was ist passiert - und wem?
Keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Die Fahrstuhltür öffnet sich. Eine junge Polizistin und ein ebenso junger Polizist steigen aus. Ernste Gesichter.
„Dürfen wir hereinkommen?"
Ich gebe wieder ein zögerliches
„Jaaa ..."
von mir. Nun stehen sie in meinem Flur und schauen sich um. Irgendetwas in ihren Gesichtern lässt mein Herz sofort schneller schlagen. Ich frage instinktiv:
„Muss ich mich hinsetzen?"
Der Polizist meint:
„Ja, es ist besser, wenn Sie sich setzen."
Das ist der Auslöser. Ich merke, dass meine Knie weicher werden. Ich gehe voran in's Wohnzimmer, nehme auf meinem Sofa Platz und fühle, wie unangenehm schnell mein Puls schlägt. Ich bin nicht in der Lage, eine Frage zu stellen. Meine Stimmbänder streiken und ich habe auch Angst vor der Antwort. Die beiden Beamten setzen sich mir gegenüber.
„Haben Sie einen Sohn, Michael Tibus?"
Es ist grotesk, doch gerade jetzt blitzt der Gedanke an die Krimi-Serie TATORT durch meinen Kopf.
„Jaaa... "
Innerlich beginne ich zu zittern, denke an einen Autounfall und hoffe, dass nur der Wagen kaputt ist. Aber wenn schon die Polizei in's Haus kommt, muss es schlimmer sein. Mein Gefühl ist richtig, es kommt schlimmer. Ich höre ich den Polizisten sagen:
„Ihr Sohn Michael ist heute Morgen verstorben."
Mein Herz setzt einen Moment lang aus bevor es anfängt zu rasen. Ich atme schneller und halte mich an meinen eigenen Händen fest.
Ein Schwert fährt durch meinen Körper, trifft jede Faser meines Herzens und ich spüre ein unangenehmes Sausen in meinem Kopf. Steinschlag in den Ohren. Eine Falltür öffnet sich und ein überdimensional großer Krater scheint mich zu verschlucken. Die Welt bleibt stehen. Der Kopf ist denkunfähig, das Gehör setzt aus - Totenstille im eigenen Körper. Die Worte der Polizistin sehe ich nur. Zeit und Raum treten in den Hintergrund.
Es ist schwierig, Worte zu finden, die meine Gedanken, Gefühle und meinen Zustand in diesem Moment der schrecklichen Wahrheit beschreiben. Es ist eine wilde, unkontrollierbare und schmerzhafte Mischung aus Unglauben, Fassungslosigkeit, Schmerz, Verzweiflung, Sprachlosigkeit und Übelkeit.
„... neinneinnein"
höre ich mich unentwegt sagen und schüttele immerzu den Kopf. Alles an mir zittert und ich kann nicht damit aufhören. Tränen schießen mir in die Augen. Ich beginne zu frieren, wie immer in einer Extremsituation. Mein Magen fährt Fahrstuhl. Die Polizistin setzt sich zu mir aufs Sofa und fasst meinen Arm.
„Es tut uns so leid",
sagt sie sehr leise.
Ich höre mich flüstern:
„Was ist denn passiert?"
„Herzinfarkt",
höre ich sie ebenfalls flüstern.
Ich kann das gar nicht glauben. Wir haben uns doch noch vor ein paar Tagen gesehen. Mein Sohn besuchte mich zu Hause und wirkte gar nicht krank. Wir tranken Kaffee, unterhielten uns und er fuhr mich anschließend zu meiner Dienstbesprechung. Im Auto lief eine tolle Musik-CD mit seiner Lieblingsinterpretin. Zum Abschied schenkte er sie mir, weil auch ich so begeistert war. Ich habe sie noch ein einziges Mal nach Michaels Tod angehört, mehr schaffe ich nicht - bis heute.
Vor drei Tagen noch haben wir telefoniert, wollten uns genau heute Nachmittag in meinem Garten treffen.
Hätte ich gewusst, dass ich ihn nie wieder sehen würde...
Hätte ich gewusst, dass ich nie wieder seine Stimme hören würde...
Hätte ich das alles geahnt...
- ja, und was dann?
Der Polizist wiederholt:
„Doch, Ihr Sohn hatte einen Herzinfarkt.
Er ist heute früh auf der Arbeit im Aufenthaltsraum zusammengebrochen. Der Notarzt sagte uns, es sei ein Zehnsekundentod gewesen. "
Eine Frage ploppt in mir auf: Woher weiß er das so genau? Er war doch gar nicht dabei. Soll mich das nur beruhigen? Im Moment beruhigt mich gar nichts. Ich sitze wie versteinert da, versuche nur, zu begreifen, meine Gedanken zu ordnen. Doch die Tragweite ist so groß, dass sie sich immer wieder verlieren. Sie bleiben nicht bei mir. Sie befinden sich gerade in einem hochtourigen Schleudergang und lassen sich nicht stoppen. Tsunamie im Kopf.
Die Polizistin fragt vorsichtig:
„ Sollen wir jemanden anrufen? "
Ich flüstere:
„Nein danke, das mache ich selbst."
Die beiden Beamten schauen einander an und scheinen etwas ratlos. Vielleicht haben sie eine andere Reaktion erwartet? Schreien, Ohnmacht? Bei mir tut sich im Moment nichts dergleichen. Ich bin geradezu erstarrt gleich einem Eiszapfen, sitze immer noch auf dem gleichen Platz. Die Polizisten erheben sich langsam nacheinander. Es kommt mir vor wie in Zeitlupe und ich höre sie sagen:
„Frau Tibus, wir gehen dann. Wir kommen in ein bis zwei Stunden noch einmal wieder wegen der Wohnungsschlüssel ihres Sohnes. Unsere Kollegen sind gerade dort und sehen nach dem Rechten. Holen Sie sich bitte Hilfe. Wir können Ihnen Adressen geben. Können wir Sie jetzt allein lassen?"
Diese unfassbare Nachricht legt sich wie eine Bleidecke über mich und diese Last verteilt sich in meinem gesamten Körper. Alles ist in Mitleidenschaft gezogen - ausnahmslos.
Ich sitze da und fühle, wie langsam in mir das Licht ausgeht.
Meine Seele verfinstert sich.
Die Welt hat keine Farbe mehr.
Eine unerträgliche Wartezeit beginnt und erste ,klare' Gedanken formen sich: Sind Michaels Fenster geschlossen? Ist der Herd ausgestellt? Ach ja, die Polizei schaut ja gerade nach. Das beruhigt mich etwas. Was muss ich jetzt tun? Was muss ich jetzt tun? Termine absagen! Den Tag umstrukturieren. Sobald ich Michaels Wohnungsschlüssel in den Händen habe, will ich sofort dahin.
Ich möchte irgendwie in seiner Nähe sein. Ja, ich weiß, er wird nicht zu Hause sein, nie mehr, aber seine Sachen kann ich anfassen, kann mich auf sein Sofa setzen und versuchen, seine Gegenwart zu spüren und sie auf mich wirken lassen. Meine Gedanken und Gefühle einfangen. Er war doch vor ein paar Stunden noch richtig anwesend. Wenn ich doch nur schon dort wäre ...