Der Tote im Keller - Anne-Kathrin Koppetsch - E-Book
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Der Tote im Keller E-Book

Anne-Kathrin Koppetsch

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Beschreibung

Zwischen Kohlenstaub und Aufbruchsstimmung: Der atmosphärische Krimi »Der Tote im Keller« von Anne-Kathrin Koppetsch jetzt als eBook bei dotbooks. Dortmund, 1965: Als eine der ersten Pastorinnen im Ruhrgebiet tritt Martha Gerlach keine leichte Stelle an und muss sich als ›das junge Fräulein‹ auf der Kanzel erst Respekt verdienen. Doch mit Charme und Durchsetzungsvermögen schafft sie es, selbst die engstirnigsten Dickköpfe davon zu überzeugen, dass auch in ihrer kleinen Gemeinde zwischen Schrebergärten und Kohlekellern langsam, aber sicher, neue Zeiten anbrechen. Da erschüttert ein mysteriöser Todesfall den Frieden: Am Ostersonntag wird Martha Gerlachs Kollege tot im Keller seines Pfarrhauses aufgefunden. Bald ist klar, der Tote hatte ein Geheimnis und so mancher in Marthas Gemeinde hat ebenso etwas zu verbergen. Kurz entschlossen beginnt die Pastorin auf eigene Faust zu ermitteln und stößt dabei auf eine Geschichte, die noch lange nicht abgeschlossen scheint … »Ein gelungenes Zeitbild, ein spannender Mordfall, eine faszinierende Heldin!« WDR 5 Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Krimi »Der Tote im Keller« von Anne-Kathrin Koppetsch – der erste Fall für die Pfarrerin Martha Gerlach. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Dortmund, 1965: Als eine der ersten Pastorinnen im Ruhrgebiet tritt Martha Gerlach keine leichte Stelle an und muss sich als ›das junge Fräulein‹ auf der Kanzel erst Respekt verdienen. Doch mit Charme und Durchsetzungsvermögen schafft sie es, selbst die engstirnigsten Dickköpfe davon zu überzeugen, dass auch in ihrer kleinen Gemeinde zwischen Schrebergärten und Kohlekellern langsam, aber sicher, neue Zeiten anbrechen. Da erschüttert ein mysteriöser Todesfall den Frieden: Am Ostersonntag wird Martha Gerlachs Kollege tot im Keller seines Pfarrhauses aufgefunden. Bald ist klar, der Tote hatte ein Geheimnis und so mancher in Marthas Gemeinde hat ebenso etwas zu verbergen. Kurz entschlossen beginnt die Pastorin auf eigene Faust zu ermitteln und stößt dabei auf eine Geschichte, die noch lange nicht abgeschlossen scheint …

»Ein gelungenes Zeitbild, ein spannender Mordfall, eine faszinierende Heldin!« WDR 5

Über die Autorin:

Anne-Kathrin Koppetsch wurde 1963 im Sauerland geboren. Die Lehr- und Wanderjahre ihres Theologiestudiums brachten sie von Münster über Tübingen, Heidelberg und Jerusalem schließlich nach Berlin. Nach einer Zwischenstation als Journalistin (u.a. für den Tagesspiegel und den Sender Freies Berlin) kehrte sie nach Nordrhein-Westfalen zurück und arbeitet heute als Pfarrerin in der Öffentlichkeitsarbeit in der evangelischen Gemeinde Dortmund.

Bei dotbooks veröffentlichte Anne-Kathrin Koppetsch ihre Cosy-Krimi-Reihe rund um die ermittelnde Pfarrerin Martha Gerlach:»Der Tote im Keller«»Die Sündenmeile«»Der tote Kumpel«

Weiterhin veröffentlichte Anne-Kathrin Koppetsch bei dotbooks ihren Liebesroman »Ein Pfarrhaus zum Verlieben«.

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eBook-Neuausgabe Juli 2021

Dieses Buch erschien bereits 2012 unter dem Titel »Kohlenstaub« im Emons Verlag.

Copyright © der Originalausgabe 2012 Hermann Josef Emons Verlag

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von

© shutterstock / Oleg Gekman / Matt Gibson / jedamus / Mariusz Switulski

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-383-4

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Anne-Kathrin Koppetsch

Der Tote im Keller

Ein Fall für die Pastorin

dotbooks.

Ich widme dieses Buch den Pionierinnen im Pfarramt, die mit ihrer Beharrlichkeit und Courage den Weg für Frauen in der evangelischen Kirche bis in das Bischofs- bzw. Präsesamt geebnet haben.

Kapitel 1

»Schwester Gerlach, glauben Sie an die unbefleckte Empfängnis?«

Mein Pfarrkollege Kruse baute sich breitbeinig vor mir auf und grinste. Auf diese Frage gab es kaum eine passende Antwort. Kruse erwartete auch gar keine, ihm ging es offensichtlich darum, mich zu provozieren.

Trotzdem enthielt die Frage einen ernst zu nehmenden Kern, denn Kruse zweifelte an meiner Rechtgläubigkeit und, schlimmer noch, an meiner Berechtigung, das Pfarramt auszuüben. »Einem Weibe aber gestatte ich nicht, dass sie lehre«, hatte er mir bei meiner Einführung zugezischt, einen Vers aus dem Neuen Testament. Das sei weder in der Bibel noch in der Kirchengeschichte vorgesehen. Dabei ignorierte er, dass wir das Jahr 1965 schrieben und Frauen inzwischen in fast allen Berufen ihren Mann standen.

In Dortmund war ich nun als erste Pastorin in eine evangelische Kirchengemeinde gewählt worden. »Du bist ein Pionier«, hatte meine Amtsschwester Rosi erklärt. »Ich bin stolz auf dich!« Sie selbst war in der Altenheimseelsorge tätig.

Mit der linken Hand winkte mir Kruse noch einmal lässig zu. Dann öffnete er die Tür seines hellgrauen NSU Prinz und schob seinen runden Leib hinter das Steuer. Er sah aus wie der Fernsehmann Werner Höfer, allerdings viel dicker. Kruses Pfarrhaus lag zwar nur wenige Straßen entfernt, doch er ging niemals zu Fuß, wenn er auch fahren konnte.

Zu Hause erwartete ihn die ebenfalls wohlbeleibte Gattin mit einer kohlehydrat- und fettreichen Mahlzeit, vermutlich Kotelett, Kohl, Kartoffeln und eine Flasche Dortmunder Union zum Samstagabend.

»Und lesen Sie fleißig den Apostel Paulus, liebe Schwester!«, rief Kruse mir aus dem offenen Autofenster nach. »Sie erinnern sich: Das Weib schweige in der Gemeinde!«

»Dann predigen Sie morgen doch selbst«, hielt ich mit halblauter Stimme dagegen, aber das bekam er nicht mehr mit, weil er schon Gas gegeben hatte.

Was bildete Kruse sich ein? Reichte es nicht, dass er meinem Kollegen und mir eine Dienstbesprechung am Ostersamstagnachmittag aufs Auge gedrückt hatte? Von einem, der seine Ehefrau »Mutti« nannte, ließ ich mir nicht vorschreiben, welchen Beruf ich ausüben durfte. Wenn er der Meinung war, Frauen gehörten an den Herd und nicht auf die Kanzel, dann war das sein Problem.

Leider stand er mit seiner Meinung nicht allein da.

»Sie wissen, dass nicht alle so denken?« Unbemerkt war Pastor Hanning näher getreten, mein zweiter Kollege in dieser Kirchengemeinde am Rande der Dortmunder Innenstadt. Er war ein schmaler Mann um die vierzig, der seine Geheimratsecken unter einem schwarzen Hut verbarg. Seine großen Augen hinter den Brillengläsern hatten wie immer einen leicht erstaunten Ausdruck.

Ich schätzte Hanning als netten und zurückhaltenden Menschen. Leider konnte er sich häufig nicht gegen Kruse durchsetzen. So war auch sein Einspruch gegen den Zeitpunkt unserer Dienstbesprechung wirkungslos geblieben.

»Natürlich weiß ich, dass die meisten mich akzeptieren«, erwiderte ich und senkte verlegen den Blick. Ich war mir unsicher, wie ich ihn ansprechen sollte. Die männlichen Kollegen duzten einander, doch mir hatten sie diesen vertraulichen Umgang nicht angeboten. Und so hatte ich die Wahl zwischen »Bruder Hanning« und »Herr Hanning«. Ersteres klang merkwürdig, Letzteres sehr distanziert.

»Sie sind uns eine große Hilfe in der Gemeinde. Ich habe mich seinerzeit sehr für Sie verwendet. Sie haben mich nicht enttäuscht – wenn ich das so ausdrücken darf. Insbesondere unser Frauenkreis hat sich lobend geäußert«, fügte er etwas steif hinzu. Hanning wirkte genauso verlegen, wie ich mich fühlte. Suchte er ebenfalls nach der passenden Anrede, oder hatte seine Scheu damit zu tun, dass er, der Junggeselle, mir als lediger Frau gegenüberstand?

Als bekannt wurde, in welcher Gemeinde ich arbeiten würde, hörten einige der Amtsbrüder schon die Hochzeitsglocken läuten. »Eine Pastorin? Keine Sorge«, beruhigten sie den aufgebrachten Kruse. »Das heiratet sich weg, das Problem. Dein Kollege ist doch noch zu haben, nicht wahr? Da wird sich schon etwas ergeben …« Sicher hatte auch Hanning von diesen Gerüchten gehört.

Eine peinliche Pause entstand.

Dann lupfte Hanning seinen Hut. »Ich muss mich jetzt leider verabschieden«, kündigte er an. »Ich kann meine Mutter nicht länger alleine lassen. Auf Wiedersehen morgen im Gottesdienst.«

Ich sah ihm nach und zog mir den Mantel fester um die Schultern; obwohl bereits Mitte April, war es sehr kalt. Jetzt, in den späten Nachmittagsstunden, kühlte es noch weiter ab. Wenn ich mich beeilte, schaffte ich es noch bei Tageslicht durch den Westpark bis zu meinem Pfarrhaus am Rande der Dortmunder Innenstadt.

Kräftig schritt ich aus. Vereinzelt zwitscherten Vögel in den Bäumen, doch ich begegnete nur wenigen Spaziergängern. Die Wege waren menschenleer. Ob es am ungemütlichen Wetter lag oder daran, dass Borussia Dortmund spielte?

Als ich mich der Möllerstraße näherte, vernahm ich Stimmen. Vor meinem Pfarrhaus stand eine Gruppe von Jugendlichen. Durch ihre schwarz-gelben Schals waren sie als Borussenfans erkennbar.

»Wie ist es ausgegangen, Manni?«, wandte ich mich an den Einzigen aus der Runde, den ich kannte.

»Sieg!«, rief Manni begeistert. »Vier-zwei gegen Nürnberg! Dieses Mal holen wir den Pokal!«

»Klar, nach der Pleite im letzten Jahr sollte es jetzt klappen!«

»Borussia hat in letzter Zeit immer gewonnen. Vor allem gegen Schalke.«

Manni verzog das Gesicht. »Nur nicht gegen den Meidericher SV.«

Einer seiner Kumpel spuckte aus. »Pah. Wer ist schon der Meidericher SV? Borussia wird Meister!«

»Borussia wird Meister«, wiederholten die Umstehenden im Chor, allesamt etwa in Mannis Alter und in dem unbeholfenen Entwicklungsstadium zwischen Junge und Mann. Einer ragte heraus. Er war größer, kräftiger und vermutlich auch älter. Ich schätzte ihn auf Anfang zwanzig.

Mannis Vater, Herr Jankewicz, stand mit zwei weiteren Männern ein Stück entfernt. Sie hielten Bierflaschen in der Hand. »Warst du mit deinem Vater im Stadion?«, fragte ich Manni.

»Nee«, antwortete er. »Wir sind lange vor dem Spiel hin. Da gibt es nämlich einen Trick. Wenn man früh genug da ist, lassen sie einen umsonst rein.« Manni kickte bei den Amateuren und träumte davon, später sein Idol Wosab im Sturm zu ersetzen. »War ein tolles Spiel«, fuhr er fort. »Gleich am Anfang ein Treffer von Emmerich. Dann das Zwei-Null von Konietzka!«

»Aber dann hat der FC Nürnberg in der zweiten Halbzeit aufgeholt, zwei-zwei!«, ergänzte einer seiner Kumpel. »War am Schluss wirklich knapp. Drei-zwei für Dortmund in der zweiundsiebzigsten Minute! Und dann noch mal Konietzka in der fünfundsiebzigsten Minute …«

»Ende gut, alles gut«, fasste ich zusammen.

»Jau! – Borussia wird Meister!«, skandierte Manni erneut.

»Borussia wird Meister!« Dieses Mal antworteten auch die erwachsenen Männer. An ihren undeutlichen Stimmen erkannte ich, dass das Bier in ihrer Hand nicht das erste an diesem Nachmittag war.

Oh weh, dachte ich, das riecht nach Ärger. Und ich würde ihn hautnah mitbekommen, denn die Familie Jankewicz bewohnte seit einigen Wochen das untere Stockwerk im Pfarrhaus.

In diesem Augenblick erklangen die Kirchenglocken. Sie läuteten das Osterfest ein.

»Rosi«, sagte ich später am Telefon zu meiner Amtsschwester, die gleichzeitig meine Freundin und Vertraute war, »die Jankewicz’ unten streiten schon wieder.«

Ich hörte eine dunkle Stimme, die im Verlauf der Auseinandersetzung anschwoll, und eine helle, weinerlich klingende, die sich höher und höher schraubte.

»Streiten sie nur oder schlagen sie sich auch?«, fragte Rosi zurück.

»Woher soll ich das wissen?«

»Hörst du noch etwas außer den Stimmen?«

Ich wollte gerade Nein sagen, da polterte es im unteren Stockwerk, als stieße jemand Tische und Stühle um.

»Rosi, das wird mir langsam unheimlich!«

»Geh runter und sag, sie sollen aufhören!«

»Ich kann mich doch nicht einmischen!«

»Frag, ob sie dir mit ein paar Eiern aushelfen können.«

»Eier habe ich gestern gekauft.«

»Dann bitte um eine Tasse Mehl oder eine Flasche Milch! Spielt keine Rolle, um was, ist ja sowieso nur ein Vorwand!«

Ich legte den Hörer auf und dachte nach. Einerseits ging mich die ganze Geschichte nichts an. Andererseits hing bei den Jankewicz’ öfter der Haussegen schief, und ich bekam in dem hellhörigen Haus alles mit.

Eigentlich hatte ich gar nichts gegen die Einquartierung. Schließlich herrschte in Dortmund Wohnungsnot, und die vierköpfige Familie brauchte einen angemessen großen Raum. Als alleinstehende Pastorin konnte ich ohnehin nicht das ganze Pfarrhaus nutzen. Außerdem kam ich mir nicht mehr so einsam vor, seit die Jankewicz’ bei mir eingezogen waren.

Rechts vom Pfarrhaus stand eine Schule, von der abends allenfalls die Turnhalle genutzt wurde. Linker Hand wohnten Eisenbahner in ihren Siedlungshäusern. Von ihnen bekam ich wenig mit.

Nun brachten meine Mitbewohner Leben in das Haus. Allerdings etwas zu viel Leben, dachte ich, als unten schon wieder ein Krachen zu hören war. Ich zog mir eine Strickjacke über und machte mich auf den Weg in die untere Etage.

»Könnten Sie bitte mal nachsehen, ob noch genügend Kohlen im Heizkessel sind? Es soll ja kälter werden, vielleicht sogar noch einmal schneien«, sagte ich zu dem mürrisch dreinblickenden Jankewicz, der mir geöffnet hatte und nun im Türrahmen stand. Sein breites Kreuz versperrte mir den Blick ins Wohnungsinnere.

»Wer ist da?«, hörte ich eine weibliche Stimme aus dem Hintergrund. Sie klang ganz normal. Offensichtlich war der Streit inzwischen beigelegt. Der Hausherr brummte etwas, was sich anhörte wie »das Fräulein von oben«. Dann zog er einen Pullover über und machte sich schlurfend auf den Weg in den Keller.

»Frau Jankewicz?«, rief ich in den Korridor hinein. »Alles in Ordnung bei Ihnen?« Eine Frauengestalt mit hellen Haaren erschien im schlecht beleuchteten Flur. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es sich nicht um die Angesprochene handelte, sondern um ihre Tochter.

»Guten Abend, Fräulein Kreuter«, grüßte ich. Frau Jankewicz hatte mir vor wenigen Tagen anvertraut, dass ihre Tochter einen anderen Namen trug, weil sie aus einer früheren Verbindung stammte.

Jankewicz war nach dem Krieg als Flüchtling aus dem Osten gekommen und offenbar begierig darauf gewesen, eine Einheimische zu heiraten. »Es war ein großes Glück, dass ich mein Kuckuckskind mit in die Ehe bringen durfte«, sagte Frau Jankewicz, sah dabei aber alles andere als glücklich aus.

Fräulein Kreuter, mittlerweile im besten Backfischalter, stöckelte auf gewagt hohen Pfennigabsätzen ausgehfertig mit toupiertem Haar zur Wohnungstür. »Suchen Sie Mutter? Die ist in der Küche!«

Ich klopfte an die Küchentür. »Frau Jankewicz?« Ohne eine Antwort abzuwarten, trat ich ein. Hier zeigten sich nun Spuren der handgreiflichen Auseinandersetzung, deren unfreiwillige Ohrenzeugin ich geworden war. Ein Stuhl war umgekippt. Auf dem Fußboden lagen Scherben, und Frau Jankewicz beeilte sich, sie aufzuheben.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich. Die blonde Frau schüttelte den Kopf. Sie hob den Deckel des Mülleimers und warf mit fahrigen Bewegungen die Scherben hinein. Dabei sah sie mich nicht an.

»Frau Jankewicz?«, sagte ich zu ihrem Rücken. Als sie nicht antwortete, fuhr ich fort: »Wenn Sie mich brauchen: Ich wohne oben, das wissen Sie ja. Sprechen Sie mich ruhig an.«

Da sie sich immer noch nicht umdrehte, wünschte ich ihr einen schönen Abend und ging zurück in meine Wohnung.

Später, in meinem Arbeitszimmer, stellte ich mich an das Fenster und schaute hinaus auf den dunklen, menschenleeren Park.

Der kurze Zeiger der Uhr rückte auf neun. Ich atmete tief durch.

»Wie lieblich sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth!«, begann ich wie jeden Samstagabend den Psalm vierundachtzig zu beten. Ich konnte ihn auswendig, denn meine Amtsschwestern und ich sprachen ihn immer um die gleiche Zeit, jede in ihrer Wohnung. »Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.«

In meine Gedanken schloss ich die unglückliche Familie im Erdgeschoss mit ein.

»Herr Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verlässt!«, rezitierte ich.

In diesem Moment krachte es wieder unter mir.

Dann wurde es dunkel. Der Strom war ausgefallen.

Kapitel 2

»Amen«, sagte ich und verließ die Kanzel. Die Kirchenbesucher wickelten sich fester in ihre Mäntel. Ich setzte mich in die vorderste Bank und griff zum Gesangbuch. Die Orgel fing an zu spielen, begleitet von dünnem Gesang.

Bei Außentemperaturen um die null Grad wollte sich keine rechte Osterfreude einstellen, zumal die Kirche nicht geheizt war. Auf dem Weg durch den Park hatten meine Schuhsohlen Abdrücke auf einer dünnen Schneedecke hinterlassen, die sich durch den allgegenwärtigen Kohlenstaub bereits wieder grau färbte.

»Idschdi gwupki«, murmelte unser Küster, als ich nach dem Segen dem Ausgang zustrebte, um die Gemeinde zu verabschieden. Wegen dieses häufig gemurmelten Satzes hieß er bei allen nur »Idschdi«. Seinen polnischen Nachnamen verwendete niemand.

Ich stellte mich rechts von der Ausgangstür auf. Neben mir postierte sich mit dem Kollektenkörbchen Presbyter Rabenau, ein untersetzter Mann mittleren Alters. Er war von Beruf Dachdecker und passte viel besser in einen Blaumann als in den Sonntagsanzug.

Frau Jankewicz verließ als eine der Letzten die Kirche. »Auf Wiedersehen«, murmelte sie, nachdem sie eine Münze in das Körbchen geworfen hatte.

Ihr Kopftuch war tief ins Gesicht gezogen, sodass es die blonden Haare fast ganz verdeckte. Immerhin schaute sie mich kurz an, als sie mir flüchtig die Hand reichte. Das war ein Fortschritt zu gestern Abend.

Ihre Tochter, Fräulein Kreuter, legte auf meine Handfläche Finger, die so eiskalt waren, dass ich erschauerte. Mit ihren dünnen Nylons und dem modischen Diolen-Mantel, der eher schmückte als wärmte, war sie für das winterliche Wetter deutlich zu leicht bekleidet.

Hinter den Damen folgte ein junger Mann, den ich zum ersten Mal im Gottesdienst sah. Er war schätzungsweise Mitte zwanzig, etwas jünger als ich.

»Danke für die Predigt. Sie war sehr erbaulich«, lobte er. Dann stellte er sich vor: »Gestatten, mein Name ist Kaminski. Ich bin Ihr Nachbar.«

Ich musterte ihn erstaunt. Lebten in den Häusern nebenan nicht die Eisenbahner, einfache und rechtschaffene Leute, die sich allerdings selten in der Kirche blicken ließen? Er sah nicht aus wie einer von ihnen.

»Ich wohne in der Schule, im Dachgeschoss«, klärte er mich auf. »Eine andere Unterkunft habe ich leider nicht gefunden, Sie wissen schon, die Wohnungsnot. Ich bin Lehrer.«

Bei dem letzten Satz drehte Fräulein Kreuter sich zu uns um und lächelte strahlend. »Lehrer, wie interessant«, säuselte sie und warf ihr halblanges blondes Haar in den Nacken. »Ich meine doch, ich hätte Sie schon gesehen.«

Kaminski nickte und lächelte zurück. »Bestimmt. Ich wohne in der Nachbarschaft«, wiederholte er. Plötzlich kam ich mir ausgeschlossen vor. Der lange schwarze Talar verbarg meine feingliederige Figur. Die dunklen Haare hatte ich zu einem schlichten Knoten zusammengebunden, so war es am praktischsten. Ich sah eben aus wie die Pastorin und nicht wie eine junge Frau. Kein Wunder, dass der Lehrer an Fräulein Kreuter mehr Gefallen fand.

»Dann können wir ja zusammen nach Hause gehen«, schlug die Blondine vor und gönnte dem Pädagogen einen so bedeutungsschweren Blick, als erwarte sie von ihm die Rettung des Planeten oder mindestens ein Rezept gegen die steigende Kriminalitätsrate. »Nicht wahr, Mutter?«

So macht man das also, dachte ich. Da stand ich nun, der herbe und immer etwas unterkühlte Typ, und besaß nicht die Gabe, einem Mann das Gefühl zu vermitteln, die Welt und vor allem ich selbst hätten nur auf ihn gewartet. Ich brauchte immer eine Weile, bis ich mich für jemand erwärmen konnte – auf jeden Fall zu lange für die Männer, die mir im Studium angenehm aufgefallen waren. Nun war es ohnehin zu spät. Ich hatte mich mit meinem Beruf verheiratet.

»Kommen Sie mit uns?« Kaminski sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf. »Ein anderes Mal gerne. Heute haben mich die Schwestern zum Mittagessen eingeladen.«

Zu sagen, dass Fräulein Kreuter über diese Mitteilung erfreut war, wäre untertrieben. Mit triumphierendem Blick hakte sie sich bei dem Lehrer ein und vergaß vor lauter Eifer, sich von mir zu verabschieden. Kaminski hingegen zückte seinen Hut und grüßte höflich zu mir herüber, bevor er am Arm meiner Untermieterin entschwand.

Ich blickte den beiden nach. Vermutlich stand der Familie Jankewicz bald eine Hochzeit bevor. Wenn ich an den vergangenen Abend und den heftigen Streit der Eheleute Jankewicz dachte, konnte ich sogar verstehen, dass Fräulein Kreuter es eilig hatte, ihren eigenen Hausstand zu gründen.

»Zählen wir die Kollekte jetzt gleich, Fräulein Pastor?«, riss mich Rabenau aus meinen Gedanken. Ich nickte, und der kräftige Mann folgte mir in die Sakristei.

Das Diakonissenhaus lag nur wenige Schritte von der Kirche entfernt. »Pastor Hanning war heute nicht im Gottesdienst«, stellte Schwester Käthe beim gemeinsamen Mittagessen fest. »Sonst kommt er immer.«

Dampfende Schüsseln mit Braten, Soße, Salzkartoffeln und Gemüse standen auf der weißen Tischdecke. Schwester Käthe, eine ältere Diakonisse, die Kranke und Bedürftige in der Gemeinde versorgte, kochte gutbürgerlich und nahrhaft.

Schwester Tabea, die neben mir Platz genommen hatte, lud als die Jüngste in unserer Runde die Portionen auf. Bevor wir mit dem Essen begannen, senkten wir die Köpfe und falteten die Hände.

»Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne, was du uns bescheret hast«, sprach die Hausherrin.

»Amen«, antworteten wir.

Danach waren wir für eine Weile beschäftigt.

»Ich mache mir Sorgen um Pastor Hanning«, nahm Schwester Käthe schließlich das anfängliche Thema wieder auf.

»Vielleicht ist er ja über Ostern verreist«, mutmaßte Schwester Tabea. »Bei den Junggesellen weiß man nie, wo sie sich herumtreiben!« Tabea war eine brünette junge Frau, deren feine Gesichtszüge unter der weiß gestärkten Diakonissenhaube besonders gut zur Geltung kamen.

»Wenn er verreist wäre, hätte er Bescheid gesagt, damit ich mich um seine Mutter kümmere. Er kann sie höchstens für ein paar Stunden allein lassen«, wandte Schwester Käthe ein. »Immer muss jemand im Haus sein. Sie ist schon im Nachthemd draußen herumgelaufen.«

»Also, ich würde ja einen unverheirateten Pastor gar nicht auf die Kanzel lassen«, stichelte Tabea weiter.

»Zum Glück geht es nicht nach dir!«, bügelte die Ältere sie ab.

Ich gab zu Protokoll: »Gestern Nachmittag habe ich Pastor Hanning noch gesehen. Er hat beim Abschied zu mir gesagt: ›Bis morgen im Gottesdienst!«‹

Schwester Käthe nickte. »Ja, ja, er ist ein treuer Kirchenbesucher.« Dann bot sie mir mit einem Blick auf meinen schmalen Oberkörper in der Kostümjacke an: »Möchten Sie noch etwas von dem Braten, Fräulein Gerlach? Sie können es ja vertragen.«

»Danke, nein.«

»Vielleicht hat der Pastor es sich anders überlegt und ist heute Morgen weggefahren«, überlegte Schwester Tabea.

»Bei diesem Wetter?«, fragte ich ungläubig. Draußen schneite es schon wieder.

»Das ist außerdem nicht seine Art«, erwiderte Schwester Käthe resolut. »Ich bin seit über vierzig Jahren in der Gemeinde. Pastor Hanning lebt seit mehr als zehn Jahren hier. Da weiß man, mit wem man es zu tun hat. Der fährt nicht einfach weg, ohne mir Bescheid zu sagen.«

Der obligatorische Spaziergang, den Schwester Käthe und ich nach dem Essen antraten, führte durch das Schlesierviertel in die Sudermannstraße.

Dort residierte Trudi, die Königin der Trinkhallen, eine auffällige Gestalt mit stark geschminktem Gesicht und weiß-violettem Zuckerwatte-Haar. Was Trudi nicht wusste, war nicht passiert.

»Schwester Käthe«, rief sie erfreut, »wie geht’s?« Und zu mir: »Tach, Fräulein Pastor!«

Einige Männer mit Bierflaschen in der Hand standen am Kiosk. Sie beachteten uns nicht.

»Haben Sie den Pastor gesehen?«, fragte Schwester Käthe. Sie ignorierte die umstehenden Männer ebenfalls.

»Grad eben ist er hier vorbeigefahren, mit seiner Frau«, gab Trudi Auskunft.

»Nein, nicht der. Nicht Kruse, sondern Hanning«, stellte Schwester Käthe richtig. »Der andere Pastor.«

»Ah, der. Nee, der war heut noch nich hier.«

»Wann denn dann?« Schwester Käthe übernahm die knappe Ausdrucksweise von Trudi.

»Gestern Abend, hat sich noch Bier geholt.«

»Mir auch noch ’n Bier«, griff einer der Männer das Stichwort auf. Trudi reichte ihm das Gewünschte.

Ich fragte mich, warum diese Männer in der Kälte herumstanden. Hatten sie kein Zuhause? Gerade fing es wieder an zu schneien, eher ein Schneeregen, unangenehm kühl und nass. Nicht einmal der Bürgersteig wurde weiß.

»Wann genau gestern Abend?«, hakte Schwester Käthe nach.

»Kann ich nich sagen. Jedenfalls war’s schon lange dunkel.«

»Aha. Na, dann wollen wir mal wieder. Schönen Tag noch!«

Wenige Minuten später standen wir vor dem Haus des Kollegen. Es war zwei Uhr, die Zeit der Mittagsruhe. Schwester Käthe störte das nicht. Energisch betätigte sie die Klingel. Als niemand öffnete, schellte sie ein zweites und dann ein drittes Mal.

Schließlich öffnete sich ein Fenster im ersten Stock, der Kopf einer älteren Frau erschien im Fensterrahmen. »Wer ist da?«, fragte sie.

»Schwester Käthe ist unten!«, rief die Diakonisse mit ihrer kräftigen, sonoren Stimme.

»Wer?«

»Schwester Käthe!«, trompetete meine Begleiterin, dieses Mal noch lauter. »Machen Sie auf, Frau Hanning!«

Keine Antwort.

Die Diakonisse gab nicht auf »Frau Hanning, es ist wichtig!«

»Ach nein, wir kaufen nichts!«, sagte die ältere Dame mit gezierter Stimme und schlug das Fenster über uns wieder zu.

»Und nun?« Ich sah Schwester Käthe ratlos an.

»Ich habe einen Schlüssel! Gehen wir rein.«

Das Licht im Treppenhaus funktionierte nicht, und so tasteten wir uns durch das Halbdunkel über die Holztreppe nach oben. Die Klingel an der Wohnungstür gab keinen Ton von sich. Die Schwester klopfte mit dem Knöchel an die Holzverkleidung.

Drinnen rührte sich nichts. Nach dem zweiten Versuch öffnete die Schwester die Tür mit dem Schlüssel.

»Hallo?«, rief sie in den Flur hinein.

Beim zweiten Ruf erschien die alte Dame, die wir zuvor am Fenster gesehen hatten. Ein viel zu großes helles Kleid, vielleicht ein Nachthemd, umschlotterte die magere kleine Gestalt.

»Pssst«, flüsterte sie und hielt den Finger vor den Mund. »Leise. Mein Mann schläft.«

Schwester Käthe beugte sich zu ihr hin.

»Wo?«, fragte sie im gleichen Flüsterton zurück. »Wo schläft denn Ihr Mann, Frau Hanning?«

Ich wunderte mich. Soweit mir bekannt, war Frau Hanning verwitwet. Was erzählte sie dann von ihrem Mann?

»Er schläft so schön tief«, wiederholte die alte Dame. »Nicht aufwecken!«

»Wo liegt er denn?«, insistierte Schwester Käthe.

»Nebenan, im Wohnzimmer.«

Die alte Frau schlich auf Zehenspitzen zu einer vergilbten Tür mit Glaseinsatz. Vorsichtig zog sie sie einen Spaltbreit auf.

»Friedrich, schläfst du noch? Wir haben Besuch!«

Sie betrat das Zimmer. Wir folgten ihr.

Auf der Couch, unter einer braunen Decke, lag Pastor Hanning. Schwester Käthe ging zu ihm und fasste ihn am Handgelenk.

»Der schläft nicht«, sagte sie gleich darauf mit der Gewissheit einer Person, die schon viele Menschen hat sterben sehen. »Der ist tot!«

Kapitel 3

»Rosi«, sagte ich zu meiner Freundin am Telefon, »wir haben über eine Stunde auf den Arzt gewartet. Du kannst dir kaum vorstellen, wie gruselig das war, mit dem Toten in der Wohnung.«

»Martha«, sagte Rosi am anderen Ende, »ich arbeite als Seelsorgerin im Altenheim. Da habe ich schon viele Menschen sterben sehen.«

»Im Altenheim ist das normal, da sind die Leute alt. Hanning war höchstens vierzig!«

»Woran ist er denn gestorben?«

»Ich weiß es nicht, der Arzt hat uns den Befund nicht mitgeteilt.«

»War die Polizei da?«

»Die Polizei? Warum das?«

»Es könnte ja sein, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist. Hanning war doch gesund, oder?«

»Soweit ich weiß …«

»Also keine Polizei?«

Ich runzelte die Stirn.